Michael Tschesno-Hell

2016.Tschesno-HellEr war als Drehbuch-autor an den beiden Ernst Thälmann-Filmen (Regie: Kurt Maetzig) und an den beiden Karl Liebknecht-Filmen (Regie: Günter Reisch) beteiligt. Michael Tschesno-Hell (1902-1980) war überzeugter Kommunist, lebte ab 1945 in Ost-Berlin und hat Spuren hinterlassen. Der Schriftsteller Ralph Hammerthaler, vor allem als Romanautor bekannt, machte sich vor zwei Jahren auf eine intensive Spurensuche, forschte im Archiv der Akademie der Künste und im Bundesarchiv, sprach mit Zeitzeugen (u.a. Hermann Kant, Wolfgang Kohlhaase, Irma Münch, Horst Schulze) und publizierte jetzt in der Schriftenreihe der DEFA-Stiftung ein interessantes, lesenswertes Buch: „Der Bolschewist“. Es handelt von einer sehr realen Person, geboren in Vilnius, 1922 übergesiedelt nach Leipzig, vor den Nazis nach Frankreich und dann in die Schweiz geflüchtet, im September 1945 nach Deutschland zurückgekehrt, Gründer des Verlages „Volk & Wissen“, Funktionär und Drehbuchautor in der DDR. Er war 1922 in die KPD eingetreten. Von seinen Überzeugungen hat ihn nie jemand abgebracht. Hammerthalers Buch ist klug strukturiert: nach einer ersten Annäherung an den Protagonisten folgt das Kapitel über die Produktionsgeschichte der Thälmann-Filme. In einer Rückblende wird dann die erste Hälfte des Lebens von Tschesno-Hell (1902-1945) erzählt. Es folgen Berichte über drei Filme, an denen er auch als Autor mitwirkte: DER HAUPTMANN VON KÖLN (1956), DIE MUTTER UND DAS SCHWEIGEN (1965) und DER MALER MIT DEM STERN (1969). Dann: die zweite Hälfte des Lebens (1945-1980) und die zwei Filme über Karl Liebknecht. Das letzte Kapitel heißt „Einsamkeit des Alters“. Ich hätte nicht gedacht, dass man über Tschesno-Hell ein so interessantes Buch schreiben kann. Mit einem Vorwort von Ralf Schenk und einem Nachwort von Rudi Schmidt. Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: products_id=482

Spoiler Alert!

2015.Spoiler Alert!Unvermutete, über-raschende Enden gibt es im Hollywood-Film seit den 1990er Jahren. Sie beruhen auf einer Täuschung der Zuschauer/innen, die in der Dramaturgie und Erzählweise verborgen ist. Große Erfolge waren in dieser Hinsicht THE SIXTH SENSE von M. Night Shyamalan und FIGHT CLUB von David Fincher. Cornelia Kleckers Dissertation „Spoiler Alert! Mind-Tricking Narratives in Contemporary Hollywood Film“ ist am Institut für Amerikastudien der Universität Innsbruck entstanden und jetzt im Universitätsverlag Winter in Heidelberg veröffentlicht worden. In vier Kapiteln setzt sie sich – nach einer kurzen Einführung – mit ihrem Thema auseinander: 1. „Mind-Tricking Narratives: Between Classical and Art-Cinema Narration“. Hier beschreibt sie die Herausforderungen eines neuen, komplexen Erzählens im Mainstream-Film für Drehbuchautoren, Regisseure und Zuschauer. 2. „Manifestations of Mind-Tricking Narratives. Some Case Studies“. Ausgehend von der Fernsehserie THE SIMPSONS vergleicht die Autorin zunächst die beiden Filme THE PRESTIGE von Christopher Nolan (positives Beispiel) und THE ILLUSIONIST von Neil Burger (negatives Beispiel) in ihrer Erzählweise. Dann folgen Analysen von FIGHT CLUB und MEMENTO. 3. „The Sophistication of the Viewer: How We Have ‚Learned’ to Understand Complex Narrative“. Hier geht es vor allem um Zeit und Montage. Case Studies sind 21 GRAMS von Alejandro González Iñárritu und PULP FICTION von Quentin Tarantino. 4. „Don’t Spoil the Ending! A Cognitive Approach“. In ihrem Abschlusskapitel reflektiert die Autorin über Cognitive Film Theory, setzt sich mit David Bordwell und Edward Branigan auseinander und endet mit einer Analyse des Films LUCKY NUMBER SLEVIN von Paul McGuigan. Eine Dissertation mit beeindruckend konkreten Filmanalysen, die ihrem Anspruch gerecht wird. Wenige, aber hilfreiche Abbildungen. Mehr zum Buch: Klecker_Spoiler_Alert_/

FRISCO EXPRESS / WELLS FARGO (1937)

2015.DVD.Frisco ExpressDie Reihe der „Western Legenden“ bei Koch Media wächst. Kürzlich ist die Nr. 33 erschienen: FRISCO EXPRESS (Originaltitel WELLS FARGO) von Frank Lloyd aus dem Jahr 1937. Im Western-Lexikon von Joe Hembus kommt der Film nicht vor. Er ist in Deutschland ziemlich unbekannt – wie viele andere Western der 1930er Jahre. Erzählt wird die frühe Firmengeschichte von „Wells Fargo Mail and Freight Company“, einem Transportunternehmen, das später zu einem großen Konzern wurde. Held des Films ist Ramsay MacKay (dargestellt von Joel McCrea), der vom Boten zum Zweigstellenleiter in St. Louis aufsteigt, die attraktive Justine Pryor (Frances Dee) heiratet, durch den Bürgerkrieg von ihr getrennt wird, in Goldgeschäfte verwickelt ist, durch eine Intrige ihrer Mutter als Verräter gilt und erst spät ein Happyend erlebt. Über weite Strecken hat der Film ein schnelles Tempo, seine Handlung erstreckt sich über mehr als zwanzig Jahre, die Kameraführung (Theodor Sparkuhl, ein Deutscher im Exil) ist beeindruckend. Der Regisseur Frank Lloyd (1886-1960) ist bei uns vor allem durch den Film MEUTEREI AUF DER BOUNTY (1935) bekannt geworden. Ich habe FRISCO EXPRESS jetzt zum ersten Mal gesehen, er hat mir überwiegend gut gefallen. Der Text im Booklet von Hank Schraudolph wird ihm in seinem ironischen Ton nicht gerecht. Mehr zur DVD: 1008662&nav1=FILM

Filmlandschaft Berlin

2016.BerlinBerlin ist ein beliebter Drehort seit Beginn der Filmgeschichte. Drei Bücher zu diesem Thema stehen bei mir im Regal: „Berlin im Film. Die Stadt. Die Menschen“ von Wolfgang Jacobsen (1998), „Drehort Berlin – Wo berühmte Filme entstanden“ von Markus Münch (2007) und „World Film Locations: Berlin“, herausgegeben von Susan Ingram (2012). Mit „Filmlandschaft Berlin“ von Nadin Wildt, soeben im Berlin Story Verlag erschienen, wird das Thema aktualisiert und ergänzt. Auf 42 Filme geht die Autorin genauer ein, 13 weitere behandelt sie in den Kapiteln „Agentenfilme“, „Berlin im Studio“ und „Berlin inkognito“. Eine kleine Exkursion führt nach Potsdam. Das zeitliche Spektrum spannt sich von BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSSSTADT (1927) bis zu VICTORIA (2015). Jeder Film wird mit einer Doppelseite gewürdigt. Eingefügte Kästen mit Text und Foto sind Max Skladanowsky, Oskar Messter, Leni Riefenstahl, Billy Wilder, Marlene Dietrich, Wolfgang Kohlhaase, Romy Schneider, Evelyn Carow, Wim Wenders, Artur Brauner und der CCC, Caroline Link, X-Filme, Daniel Brühl, der Berliner Schule, Nina Hoss und Regina Ziegler gewidmet. Auf dem Vorsatzblatt werden die Filme einzelnen Bezirken zugeordnet. Das Buch wirkt gut recherchiert, die Stadtfotografien stammen von Franziska Donath. Drei Berlin-Filme, die ich persönlich vermisse, sind ZWEI IN EINER GROSSEN STADT von Volker von Collande (1942 – aus der Nazi-Zeit wird nur der Olympia-Film von Leni Riefenstahl dokumentiert), BERLINER BALLADE von Robert A. Stemmle (1948) und BERLIN CHAMISSOPLATZ von Rudolf Thome (1980). Trotzdem: eine wichtige Publikation. Die vier Filmfotos auf dem Cover erinnern an LOLA RENNT, A FOREIGN AFFAIR, CABARET und ONE, TWO, THREE. Mehr zum Buch: 249-Filmlandschaft_Berlin.html

An- und Aussichten

2016.An- und AussichtenBeim jährlich stattfindenden Film- und Fernsehwissen-schaftlichen Kolloquium soll sich vor allem der medien-wissen­schaftliche Nachwuchs profilieren. 2013 fand das Kolloquium wieder einmal in Marburg statt, jetzt ist bei Schüren die Dokumentation erschienen, herausgegeben von Philipp Blum und Monika Weiß. 14 Beiträge sind hier zu lesen, ich nenne sieben, die mich besonders beeindruckt haben. Philip Dreher unternimmt den Versuch einer theoriegeschichtlichen Verortung des Buches „Le cinéma ou l’homme imaginaire“ (1956), das 1958 auch in deutscher Übersetzung erschienen ist. Karina Kirsten untersucht den Film IM SCHATTEN von Thomas Arslan auf seine „multiple Genrehaftigkeit“: Film noir, Gangsterfilm und Heist-Movie. Bei Ömer Alkin geht es um den Status des deutsch-türkischen Migrationskinos, seine wissenschaftliche Bewertung und die „verstummten“ türkischen Emigrationsfilme. Danila Lipatov beschäftigt sich mit der Berliner Schule: Möglichkeiten und Grenzen der Ästhetik des Minimalismus im Spielfilm. Lars Robert Krautschik analysiert die Lichtgestaltung in ausgewählten Horrorfilmen („Geh’ nicht ins Licht, Carol Anne!“). Ates Gürpinar reflektiert über Gut und Böse in Sergio Leones Italowestern IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO. Fabian Rudner charakterisiert die Protagonisten in der sechsteiligen Serie THE TRIP von Michael Winterbottom. Die nicht sehr zahlreichen Abbildungen sind zu klein und technisch mangelhaft. Coverfoto: IM SCHATTEN von Thomas Arslan. Mehr zum Buch: an-und-aussichten.html

Festschrift für Annette Brauerhoch

2016.BrauerhochAnnette Brauerhoch ist Professorin für Film-wissenschaft an der Universität Paderborn. Zu ihrem 60. Geburtstag wurde bei Stroemfeld eine Festschrift publiziert, herausgegeben von Christian Hüls, Natalie Lettenewitsch und Anke Zechner: „Die Körper des Kinos“. Der Untertitel ist programmatisch: „Für eine fröhliche Film-wissenschaft“. Die Beiträge stammen von 33 Autorinnen und acht Autoren. Sie fügen sich zu einer Publikation, die viel auch für die Zukunft verspricht. Ich nenne zwölf Texte, die mir besonders gut gefallen haben: Dagmar Brunow unternimmt eine Flanerie durch die Filmgeschichte und entdeckt „fröhliche“ Frauenkörper zum Beispiel bei Vera Chytilóva, Ernst Lubitsch, Billy Wilder, Sooraj R. Barjatya, Claudia Richarz & Ulrike Zimmermann, Charles Lums & Todd Verrow, Gurinder Chadhas, Kelli Jean Drinkwater und Barbara Hammer, aber nicht bei Fatih Akin, David Lynch, Ang Lee, Howard Hawks, Jean-Luc Godard, Federico Fellini, Russ Meyer und Urban Gad. Ihre Schlaglichter sind originell. Madeleine Bernstoff erinnert an WOMEN’S CAMERA, der als Grundkursfilm 1971 an der dffb entstand und mir noch sehr präsent ist. Christine Noll Brinckmann beschreibt die FADENSPIELE I, II und 3 von Detel und Ute Aurand. Anke Zechner untersucht den Film MEIN LEBEN von Angelika Levi. Heike Klippel verbindet Pilze, Verführung und Verfall in THE BEGUILED von Don Siegel. Katharina Sykora verweist auf die Film- und Videoarbeit von Matthias Müller und Christoph Girardet. Judith Ellenbürger macht sich auf die Suche nach Frauen in der Filmkomödie. Natalie Lettenewitsch beschreibt Strände im Film. Barbara Wolbert reflektiert über das Anschauen von Filmen im Flugzeug. Katrin M. Kämpf sieht CITIZENFOUR von Laura Poitras als „reparative Lektüre eines paranoiden Welt“. Sabine Schöbel, Elena Fingerhut, Flemming Feß und Alexander Schulz rühmen das Kino „Lichtblick“, das Annette Brauerhoch im Universitätsbereich in Paderborn geschaffen hat. Das Buch ist eine Verbeugung vor der Professorin und das Musterbeispiel einer Festschrift. Ich bin beeindruckt. Mehr zum Buch: buecher_K_717_1/

Filmblatt Babelsberg 58/59

2016.FilmblattKürzlich ist ein Doppelheft der Babelsberger Filmzeitschrift mit vielen interessanten Beiträgen erschienen. Der umfangreichste Text stammt von Francesco Bono und dokumentiert die Eingriffe westdeutscher Verleiher in das Werk von Luchino Visconti. Es ist schon erstaunlich, wie in den 1950er und 60er Jahren Filme wie OSSESSIONE, ROCCO E I SUOI FRATELLI und IL GATTOPARDO rigoros gekürzt wurden, als sie in der Bundesrepublik ins Kino kamen. Fünf Texte dokumentieren Einführungen zur Reihe „Wiederentdeckt“ im Zeughauskino. Viermal geht es um Filme der 1930er Jahre: Ursula von Keitz erinnert an die musikalische Komödie MADAME HAT AUSGANG (1931) von Wilhelm Thiele, Friedemann Beyer sieht den Kriminalfilm ICH WAR JACK MORTIMER (1935) von Carl Froelich als Film noir, Christian Rogowski referiert über die Satire DONOGOO TONKA (1936) von Reinhold Schünzel und Daniel Rafaelic beschäftigt sich mit der deutsch-jugoslawischen Koproduktion DIE KORALLENPRINZESSIN (1937) von Viktor Janson. Die Filmproduktion des Literarischen Colloquiums Berlin in den 1960er Jahren, George Moorse und sein Film LENZ (1969-71) sind das Thema eines sehr informativen Textes von Michael Töteberg. Aus der Reihe „FilmDokument“ stammt das Referat von Götz Lachwitz über zwei Fernsehdokumentarfilme über frühe bundesdeutsche NS-Prozesse und ihren Einsatz in der politischen Bildungsarbeit. Guido Altendorf informiert über die Restaurierung von DER FILM VON DER KÖNIGIN LUISE (1913) im Filmmuseum Potsdam. Rezensionen neuer DVDs und Filmbücher schließen das Heft ab. Mit Abbildungen und Quellenhinweisen. Umschlagfoto: Anny Ondra und Viktor Staal in DONOGOO TONKA. Mehr zum Heft: www.filmblatt.de/filmblatt-aktuell.html

JOHN GLÜCKSTADT (1975)

2016.DVD.John GlückstadtUlf Miehe (1940-1989) war Autor und Filmregisseur. Seine drei Kriminalromane „Ich hab noch einen Toten in Berlin“, „Puma“ und „Lilli Berlin“ sind mir noch sehr präsent. Sein wichtigster Film, JOHN GLÜCKSTADT (1975), ist leider etwas in Vergessenheit geraten. Bei den Filmjuwelen ist jetzt eine DVD erschienen, die ich sehr empfehlen kann. Miehe hat die Novelle „Ein Doppel-gänger“ von Theodor Storm adaptiert. Erzählt wird die Geschichte des arbeitslosen John Hansen, der bei einem Einbruch gefasst wird, sechs Jahre im Zuchthaus Glückstadt verbringt, danach in seine Heimatstadt zurückkehrt, die Arbeiterin Hanna heiratet und nach der Geburt einer Tochter auf eine glückliche Zukunft hofft. Aber die junge Familie wird nicht integriert. John kann seine Vergangenheit nicht hinter sich lassen. Bei einem Streit mit Anna schlägt er sie so unglücklich, dass sie stürzt und kurz darauf stirbt. Öffentlich wird die Todesursache verheimlicht. Aber John muss seine Tochter einem Waisenhaus übergeben. In seiner Verzweiflung versucht er, sie zu entführen, um mit ihr nach Amerika zu fliehen. Der Film wurde in Schwarzweiß gedreht; Kamera: Jürgen Jürges. Die Hauptrollen spielen Dieter Laser (John Hansen), Marie-Christine Barrault (Hanna), Johannes Schaaf (Bürgermeister), Tilo Prückner (Nachbar Michel), Juliette Wendelken (Tochter Christine). Ein Zeitbild aus dem Norden Deutschlands in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Leider konnte Miehe danach nur noch einen Kinofilm drehen: die Komödie DER UNSICHTBARE (1987), mit der er nicht erfolgreich war; er schrieb Drehbücher für die Reihe DER FAHNDER und für den TATORT. Das Booklet zur DVD stammt von Oliver Bayan. Mehr zur DVD: %22filmjuwelen%22

Tableaus im Film – Film als Tableau

2016.TableauIn der Frühzeit des Stumm-films bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs hatte das italienische Kino mit seinen Historienfilmen international eine große Bedeutung. Bruno Grimm leitet dies in seiner Dissertation, die an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt entstanden ist, aus den Bildtraditionen des 19. Jahrhunderts ab. Seine Filmanalysen sind sehr einleuchtend und haben eine große Qualität in ihrer Konkretisierung. In seinem ersten Kapitel konfrontiert er Authentizität und Fiktion im internatio-nalen Zusammenhang und vermittelt dies mit vier Beispielen: LE VOYAGE DANS LA LUNE (1902) von Georges Méliès, LIFE OF AN AMERICAN FIREMAN (1903) von Edwin S. Porter, L’AFFAIRE DREYFUS (1899) von Méliès und LA PRESA DI ROMA (1905) von Filoteo Alberini. Im zweiten Kapitel stehen zwei Filme im Mittelpunkt der Analysen: L’ASSASSINAT DU DUC DE DUISE (1908) von Abdré Calmettes und Charles Le Bargy und L’INFERNO (1911) von Adolfo Padovan und Francesco Bertolini. Hier spielt vor allem die politische Inszenierung und Instrumentalisierung Dantes im Königreich Italien und der Rückgriff auf die Illustrationen von Gustave Doré eine Rolle. Im dritten Kapitel geht es um das alte Rom im jungen Italien, die beispiel-haften Filme sind QUO VADIS (1913) von Enrico Guazzoni und GLI ULTIMI GIORNI DI POMPEI (1908) von Luigi Maggi. In einem Zwischenresümée werden die bisherigen Erkenntnisse zusammen-gefasst. Das Schlusskapitel ist dem wohl berühmtesten Film jener Zeit, CABIRIA – VISIONE STORICA (1914) von Giovanni Pastrone gewidmet. Auch hier beeindruckt der Autor mit einer bestechenden Analyse. Wer sich für die Frühgeschichte des Kinos interessiert, findet hier viele Informationen. Mehr zum Buch: 978-3-7705-5905-3.html

Blind Spots

UMS2709.inddBlindheit einer Haupt- oder Nebenfigur ist ein häufiges Handlungsmotiv in der Filmgeschichte. In Deutschland spannt sich da ein Bogen von DAS LIEBES-GLÜCK EINER BLINDEN (1911) zu ICH UND KAMINSKI (2015). 16 Texte zu diesem Thema enthält das Buch, das Alexandra Tacke bei Transcript herausgegeben hat. Ihre Einleitung schafft den notwendigen Überblick und enthält eine Auswahlfilmografie mit 159 Titeln in chronologischer Folge. Fabienne Liptay eröffnet die Textreihe mit ihrem Essay über Murnaus DER GANG IN DIE NACHT und Emerich Hanus’ DIE SÜHNE. Bei Alexandra Tacke geht es dann um Chaplins CITY LIGHTS und Samuel Becketts FILM. Jörn Ahrens erinnert an Douglas Sirks Melodram MAGNIFICENT OBSESSIONS, Sulgi Lie an Michael Powells PEEPING TOM, Caroline Riggert an Guy Greens A PATCH OF BLUE. Dagmar von Hoff untersucht Schlaf, Traum und Blindheit im Gesamtwerk von Luis Bunuel. Astrid Hackel analysiert den Thriller WAIT UNTIL DARK von Terence Young, Lena Wetenkamp widmet sich der Blindheit und Bilderflut in BIS ANS ENDE DER WELT von Wim Wenders, Vito Pinto sieht Derek Jarmans BLUE als Hörfilm. Julia Boog verbindet Blindheit und Künstlertum in Lars von Triers DANCER IN THE DARK, Arno Meteling Behinderung und Gerechtigkeit in Mark Steven Johnsons DAREDEVIL. Hauke Lehmann erkennt Figurationen des Sozialen in Fernanda Meirelles’ BLINDNESS. Anette Dorgerloh hat neun Beispiele für das Motiv der Blindheit in Spielfilmen der DEFA 1950-1990 gefunden, darunter natürlich den kunstaffinen Armin Mueller-Stahl in DER DRITTE. Julia B. Köhne verweist auf das Kämpfen ohne Augenlicht in japanischen Zatoichi-Filmen, Johannes D. Kaminski auf Blindheit im chinesischen Gegenwartsfilm (1991-2014), und Anna Grebe schließt den Band ab mit Anmerkungen zur Blindheit in TV-Wissenssendungen. Die Texte sind in der Regel sehr nahe bei den Filmen und äußerst informativ. Die Abbildungen haben eine akzeptable Qualität. Mehr zum Buch: c=738