22. April 2015
Games / Game Design / Game Studies
In Berlin findet seit gestern die „International Games Week“ statt, sie ist ein Treffpunkt der Computer-spielszene, es gibt zehn Veranstaltungsorte in der Stadt, darunter sind die Französische Botschaft, das Kino International und die Alte Feuerwache in Friedrichshain. Die Spiele-Industrie ist weiterhin ein dynamisch wachsender Medienmarkt. Wer sich für das Phänomen interessiert, sollte unbedingt die Einführung von Gundolf S. Freyermuth lesen, die gerade bei Transcript erschienen ist. Freyermuth, Gründungsdirektor des „Cologne Game Lab“ und Professor für Media Studies an der „internationalen filmschule Köln“, ist für mich der beste denkbare Autor für einen reflektierten Einführungstext, der Geschichte, Gegenwart und Zukunftsaussichten verbindet. Er klärt Begriffe, verweist auf vorliegende Forschungen, hat eigene Meinungen und verirrt sich nicht im Labyrinth einer pessimistischen Kulturkritik. Seine Mediengeschichte der Spiele in der Neuzeit liest sich spannend, weil sie ihr Thema mit vielen Beispielen (etwa: Fußball) konkretisiert und verschiedene Entwicklungsphasen nachvollziehbar datiert: die „prozedurale Wende“ (seit den 1950er Jahren), die „hyperepische Wende“ (seit den 1970er Jahren), die „hyperrealistische Wende“ (seit den 1990er Jahren) mit dem Ausblick auf eine „hyperimmersive Wende“ (mit Fragezeichen). Ein „Intermezzo“ gilt dem Verhältnis von Spiel und Film, ihrer Konkurrenz, Kollaboration und Konvergenz, den audiovisuellen Rivalitäten im 20. Jahrhundert und den Modi audiovisuellen Erzählens, ausgehend vom Theater, der Erfindung des Kinos, dem Aufkommen des Fernsehens bis in die Gegenwart der digitalen Audiovisionen. Immer wieder werden dabei konkrete Beispiele genannt, die uns als Leser durch die Jahrzehnte führen. Das zweite Kapitel handelt vom „Game Design“, von seiner Geschichte, seiner Theorie und Praxis. Im dritten Kapitel werden uns „Game Studies“ vermittelt, die das Spiele-Thema auf eine theoretische Ebene heben, sozial- und geisteswissenschaftliche Aspekte erörtern und schließlich zu den Forschungsperspektiven führen, mit denen man sich durchaus auseinandersetzen kann. Im „Epilog“ geht es um die Games-Ausbildung in Deutschland und um Konsequenzen der Akademisierung. Der Anhang enthält Literaturquellen, eine Filmographie und eine Gamographie. Auf Abbildungen wurde verzichtet. Der Text ist bildhaltig genug. Mehr zum Buch: games-game-design-game-studies
21. April 2015
Berlin wird feministisch
Cristina Perincioli, geboren in der Schweiz, gehörte als Studentin der DFFB ab 1969 zur so genannten „Wochenschau-Gruppe“. Die hatte – nach der Relegation von 18 Studenten – der Dozent Klaus Wilden-hahn gegründet, um mit konkreten dokumentarischen Projekten auf die labile Situation der Film- und Fernsehakademie zu reagieren. Wir waren insgesamt acht „Mitglieder“: neben Klaus und Cristina die Studentin Gisela Tuchtenhagen, der Student Rolf Deppe, dessen Ehefrau Gardi (die später als Studentin aufgenommen wurde), der Student Rainer Etz, der Absolvent Thomas Mitscherlich und ich als Studienleiter, der wenig Ahnung vom Filmemachen hatte. Wir haben gemeinsam Filme angeschaut, im Schneideraum Material bearbeitet und über Themen diskutiert. Daraus entstanden die Filme WOCHENSCHAU II und WOCHENSCHAU III und etwas später DER HAMBURGER AUFSTAND, OKTOBER 1923. Cristina gehörte zwei Jahre zur Gruppe, dann drehte sie ihren Abschlussfilm FÜR FRAUEN – 1. KAPITEL. Jetzt hat sie ein Buch über ihre persönlichen Erfahrungen in den Jahren 1968 bis 74 publiziert, das sich mit Berichten, Dokumenten und vielen Fotos zu einem Spektrum der Frauenbewegung erweitert. 27 Aktivistinnen der Gründungszeit kommen mit längeren Zitaten zu Wort. Wir erfahren Genaues über die Gründung des „Sozialistischen Frauenbundes Westberlin“ (SFB), der „Homosexuellen Aktion Westberlin“ (HAW), des Berliner Frauenzentrums und vieler anderer Initiativen. Cristina bekannte und engagierte sich als lesbische Frau, sie beschreibt die persönlichen Schwierigkeiten der frühen Jahre, sie grenzte sich damals ab von Helke Sander, deren Arbeit sie aber sehr respektiert, sie berichtet über die Realisierung ihrer Filme und über das Leben in jener Zeit. Es ist ein Blick ins Berlin der 1960er und 70er Jahre, subjektiv in der Bewertung vieler Ereignisse, reich an zeitgenössischen Stimmen und Material. Ich fand die Lektüre spannend und sehr informativ. Mehr zum Buch: Berlin_wird_feministisch.html
19. April 2015
Vier deutsche Revuefilme
„Wir tanzen um die Welt“ hieß die Retrospektive der Berlinale 1979. Gezeigt wurden damals 24 deutsche Revuefilme aus der Zeit zwischen 1933 und 45, es gab ein Buch im Hanser Verlag mit Texten u.a. von Lothar Prox, Carla Rhode, Dietrich Steinbeck, Ula Stöckl und Karsten Witte, zusammengestellt von Helga Belach. Ein frühes Standardwerk aus dem Hause der Deutschen Kinemathek. – Vier deutsche Revuefilme sind jetzt als DVD-Box bei Black Hill (Vertrieb: Koch Media) erschienen. GASPARONE (1937), inszeniert von Georg Jacoby, ist eine relativ amüsante Operette (Musik: Carl Millöcker) mit Marika Rökk, Johannes Heesters und Leo Slezak in den Hauptrollen. Der Räuberhauptmann „Gasparone“ ist in Wahrheit ein Regierungsrat (Heesters), der im Staat Olivia die Korruption bekämpfen soll. Und das Mädchen Ita (Rökk) tanzt sich ins Herz von Sindolfo (Heinz Schorlemmer), dem Sohn des Polizeipräfekten (Slezak). Mit vielen damals prominenten Nebendarstellern (Oskar Sima, Rudolf Platte, Elsa Wagner, Edith Schollwer, Ursula Herking). Film im Film ist das Thema von ES LEUCHTEN DIE STERNE (1938), inszeniert von Hans H. Zerlett, mit La Jana, Vera Bergmann, Carla Rust und Ernst Fritz Fürbringer in den Hauptrollen. Ein Blick hinter die Kulissen, viele eindrucksvolle Tanzszenen, eine wunderbare Berlin-Sequenz (Kamera: Georg Krause). „Zerlett löst die Handlung selbst auf zur Revue, in der die individuellen Stränge sich dem Gesamtkunstwerk des Films, das da entsteht, unterordnen müssen.“ (Karsten Witte). Beeindruckend. Der Film EINE NACHT IM MAI (1938), inszeniert von Georg Jacoby, mit Marika Rökk als Tochter eines Hotelbesitzers und Victor Staal als Kellner ist eine Verwechslungskomödie, bei der einem die Hauptdarstellerin gelegentlich auf die Nerven geht – aber dafür entschädigen die Tanzszenen, die Berlin-Bilder, die Kameraführung (Robert Baberske) und die Musik von Peter Kreuder. Natürlich ist der vierte Film, WIR MACHEN MUSIK (1942), der anspruchsvollste. Hier hat Helmut Käutner Regie geführt. Ilse Werner spielt die Kunstpfeiferin und Schlagersängerin Anni Pichler, Viktor de Kowa den Komponisten Karl Zimmermann, der sich eher mit „ernster“ Musik beschäftigt. Daraus entstehen viele Dialog-Konflikte, die von flotten Musiknummern unterbrochen werden. – Alle Filme in Schwarzweiß. Sie wurden nicht digitalisiert, aber die Ausgangsmaterialien hatten noch eine erstaunlich gute Qualität. Und da es in der Box kein Booklet gibt, ist das oben genannte Buch nützlich, sofern man es im Regal stehen hat. Mehr zur DVD: 1008131&nav1=FILM
17. April 2015
Uniform, Männlichkeit und photographische Medien
Mit dieser Dissertation (sie wurde von der Autorin „behutsam überarbeitet“) hat Stella Donata Haag 2012 an der FU Berlin promoviert. Ein spannendes Thema, beeindruckende Analysen, viele neue Erkenntnisse. Es geht zunächst in einer „Semiologie der Uniform“ um Kleidung, Narzissmus, das Militär als Schule der Männlichkeit und die Uniform als „psychisches System“. Dann kommt Kaiser Wilhelm II. ins Bild, der sich bekanntlich gern in repräsentativen Uniformen für Photographen und Kameraleute in Pose warf (das Kapitel heißt „Des Kaisers neue Kleider. Die Uniform und die Pornographie der Macht“). Wichtiger Übergang zu den Filmanalysen ist das Verhältnis zwischen „Uniform und Narration“. Hier ist ein eigener Textteil der Geschichte des Filmkostüms gewidmet. Die erste ausführliche Analyse gilt dem Film FOOLISH WIVES (1920/21) von Erich von Stroheim und dem dort dargestellten Fetischismus. Ein umfangreiches Kapitel ist dem Star Hans Albers und seiner Rollenkleidung (zum Beispiel in BOMBEN AUF MONTE CARLO, TRENCK, DER PANDUR, GROSSE FREIHEIT NR. 7) gewidmet. Ein Schwerpunkt der Untersuchung ist dann der Film der Weimarer Republik. Hier kommen zunächst die verschiedenen Genre ins Spiel: der historische Kostümfilm (FRIDERICUS REX), die Operetten- und Musikfilme, der Militärschwank, der Antikriegsfilm (NIEMANDSLAND) und die Gesellschaftskritik im Drama MÄDCHEN IN UNIFORM. Den Abschluss bilden zwei vorbildliche Filmanalysen: die ironische Selbstdekonstruktion des Portiers in F. W. Murnaus DER LETZTE MANN (1924) und die postwilhelminische Kleinbürger-tragödie um den Polizisten Holk und die Juwelendiebin Else in Joe Mays ASPHALT (1929). Im Anspruch und in der Realisierung eine hervorragende, wissenschaftlich fundierte Arbeit. Mit Abbildungen in guter Qualität. Coverfoto: Emil Jannings in DER LETZTE MANN. Mehr zum Buch: der-geborgte-spiegel.html
16. April 2015
69 Hotelzimmer
Der österreichische Filme-macher Michael Glawogger ist vor einem Jahr in Liberia überraschend an Malaria gestorben. Seine Dokumen-tarfilme (u.a. MEGACITIES, WORKINGMAN’S DEATH, WHORES’ GLORY) handeln vom Zustand der Welt. In seinen Spielfilmen (zum Beispiel NACKT-SCHNECKEN, SLUMMING, CONTACT HIGH) mischen sich komödiantische Elemente mit sozialen Konflikten. Posthum ist jetzt in der „Anderen Bibliothek“ das Buch „69 Hotelzimmer“ von Michael Glawogger erschienen. Die 95 Kurzgeschichten erzählen von Reisen in die weite Welt, von Erlebnissen in Hotels, von seltsamen Überraschungen und originellen Begegnungen. Sie sind jeweils drei bis fünf Seiten lang, haben oft eine Pointe, über die man lachen kann, oder einen Schlusssatz, über den man nachdenken muss. Die Lektüre macht süchtig, aber man sollte nicht mehr als fünf Geschichten hintereinander lesen. Fritz Göttler hat in der Süddeutschen Zeitung eine wunderbare Rezension des Buches publiziert. Ich zitiere eine Passage daraus: „(Das Buch) setzt das Glück der Glawogger-Filme literarisch fort, die atemraubende Unbefangenheit des Blicks, die kompakte Beschreibung, die Fernes unerwartet vertraut, Naheliegendes irritierend fremd macht. Ein Reisebuch, das keinen Ausgangspunkt hat und keinen Zielpunkt und das auch den Mythos von der Selbstverwirklichung on the road desavouiert. ‚Der Reisende ist ein Fluchttier’, er will unabhängig bleiben, immer auf dem Sprung, wie auf einem Eckplatz im Kino. Mehr als vom Reisen und von den roads erzählt Glawogger vom Innehalten, von den Momente des temporären Unterschlupfens, in großen und kleinen, modernen und heruntergekommenen Hotels, von der Einsamkeit und den Erwartungen, die sie provoziert, von den Schocks der Realität auf den Straßen der Stadt, und wie man sich dagegen wappnet mit Erinnerungen und erfundenen Geschichten. Das Buch ist ein Glawogger-Labor, man spürt beim Lesen, wie die Vitalitätsschübe in den Filmen sich entwickeln, schaut der Geburt der Glawogger-Kinovisionen zu in aller Welt.“ (SZ, 21./22.3.2015). Ich bin von dem Buch genauso begeistert wie Fritz, aber er kann seine Begeisterung noch intensiver beschreiben. Andrea Glawogger hat das Buch ihres verstorbenen Mannes auf den Weg gebracht, von Eva Menasse stammt ein sehr schönes Nachwort. Mehr zum Buch: 69-Hotelzimmer::678.html
15. April 2015
Martin Scorsese
Er hat drei herausragende Dokumentarfilme zur Musikgeschichte gedreht: über das Abschiedskonzert der kanadischen Band „The Band“, THE LAST WALTZ (1978), über den Aufstieg eines großen Sängers, NO DIRECTION HOME – BOB DYLAN (2005) und über die „Rolling Stones“, SHINE A LIGHT (2008). Musik spielt in allen Filmen von Martin Scorsese eine große Rolle. So hat es eine Logik, dass ihm der zweite Band der Reihe „FilmMusik“ der edition text + kritik gewidmet ist. In fünf Beiträgen geht es um die Beziehung zwischen Scorsese und der Musik. Jonathan Godsall schreibt über „Präexistente Musik als Autorensignatur in den Filmen Martin Scorseses“. Robert Robenalt porträtiert Robbie Robertson als Scorseses music supervisor. Ingo Lehmann untersucht die Spur der Oper und ihre Relevanz in Martin Scorseses Spielfilmen. Eckhard Pabst analysiert den Score von Bernard Herrmann für den Film TAXI DRIVER. Und Willem Strank beschäftigt sich mit der Musik zu Scorseses THE WOLF ON WALL STREET – das sind insgesamt 54 Musiktitel aus unterschiedlichsten Bereichen, die hier miteinander verbunden sind. Der schmale Band (128 Seiten) vermittelt viel vom komplexen Umgang Scorseses mit vorhandener, also ihm vertrauter und für ihn komponierter Musik. Für die Fans des Regisseurs (ich gehöre zu ihnen) eine unverzichtbare Publikation. Mehr zum Buch: VR0jmByWFgs
14. April 2015
Susan Sontag
Sie war Essayistin und Schriftstellerin, hatte eine große Affinität zum Kino und hat selbst sechs Filme gedreht, die allerdings wenig bekannt sind. Im Januar und Februar fand im Berliner Arsenal eine Veranstaltungsreihe statt, die Susan Sontag (1933-2004) gewidmet war und von Ralph Eue kuratiert wurde. Dazu erschien bei Synema in Wien auch eine kleine Publikation, auf die ich aufmerksam machen möchte. Der Einleitungstext stammt natürlich von Ralph Eue und öffnet den Blick auf ihr Werk („An Affair to Remember / Susan-Kino-Sontag-Film“). Dudley Andrew und Colin Burnett schreiben über „Susan Sontag und die Modernität des Kinos“. Jonathan Rosenbaums Würdigung hat den Titel „Goodbye Susan, Goodbye: Sontag und das Kino“. E. Ann Kaplan beschäftigt sich mit den Filmen DUETT FÖR KANNIBALER (1969) und BRÖDER CARL (1971). Ein Brief von Susan Sontag an Hans Jürgen Syberberg, dessen Film HITLER, EIN FILM AUS DEUTSCHLAND sie sehr bewunderte, ist im Faksimile abgedruckt. Ralph Eue hat ein „ABeCeDarium“ zu Susan Sontag über Kino und Cinephilie, Film und Filmemachen mit schönen Zitaten zusammengestellt, eine kommentierte Liste mit Filmen über oder mit Susan Sontag sowie eine kurze Biografie. Der Untertitel der Publikation heißt „Transatlantische und transmediale Verbindungen“. Mit vielen, gut ausgewählten Abbildungen. Eine Hommage. Mehr zum Buch: 19&ss1=y
12. April 2015
STROMBOLI
Ein Melodram von Roberto Rossellini aus dem Jahr 1949. Erzählt wird die Geschichte der heimatlosen Karin Bjorsen, die in Litauen geboren wurde, vor den Deutschen zunächst nach Jugoslawien, dann nach Italien geflohen ist, in einem Lager den jungen Fischer Antonio kennen lernt, ihn heiratet, um aus dem Flüchtlingslager zu entkommen, mit ihm auf die Insel Stromboli fährt und dort zu einer einsamen Frau wird. Der großen Darstellerin Ingrid Bergman (im August wird ihr 100. Geburtstag zu feiern sein) und dem Regisseur Rossellini ist ein bewegender, in keinem Moment sentimentaler und bis zum Ende spannender Film zu verdanken, der leider oft unterschätzt wird. Der Filmemacher Rudolf Thome hat für den Rossellini-Band der „Blauen Reihe“ (er erschien 1987) eine wunderbare „Kommentierte Filmographie“ geschrieben, aus der ich eine Passage über STROMBOLI zitiere: „Das Motiv der Heimat spielt eine entscheidende Rolle im Film. Karin wird viele Bewohner Strombolis kennenlernen, die in der Welt herumgekommen sind, aber nie den Bezug zu dem Stück Erde, auf dem sie geboren wurden, verloren haben. Sie dagegen ist ein Flüchtling, eine Heimatlose. Sie ist ganz und gar aus dem Gleichgewicht geraten. Sie hat Antonio benutzt, um aus dem Lager herauszukommen, und sich irgendeine Art von Trauminsel vorgestellt. Als das Schiff vor der Küste Strombolis vor Anker geht, sieht sie, worauf sie sich eingelassen hat: eine düstere Vulkaninsel fast ohne Vegetation. Sie betritt die Insel zögernd. Von dem Augenblick, in dem Stromboli auftaucht, werden die Einstellungen länger, die Bilder bekommen eine Art von Durchsichtigkeit, die ihnen manchmal einen fast halluzinatorischen Charakter verleiht. Rossellini verfolgt mit äußerster Genauigkeit – wie ein Wissenschaftler den Verlauf eines Experiments – jede Bewegung, die Karin auf der Insel macht. Sie hasst die Insel von der ersten Sekunde an und sagt das auch Antonio; das Haus, in dem sie mit ihm leben soll, findet sie so schrecklich, daß sie es gleich wieder verlässt, als er es ihr zeigt. Sie schaut aufs Meer und begreift, daß sie eine Gefangene auf der Insel sein wird.“ In der Reihe „Masterpieces of Cinema“ hat Koch Media jetzt eine DVD von STROMBOLI publiziert, die ich sehr empfehle. Mit einem informativen Booklet von Jörg Gerle. Mehr zur DVD: 2&id=1009220
10. April 2015
Jahrbuch/Lexikon 2014
Es ist das letzte uns noch verbliebene Filmjahrbuch, das regelmäßig Ende März/Anfang April erscheint und auf das vergangene Jahr zurückblickt, herausgegeben von der Zeitschrift Filmdienst und der Katholischen Filmkommission für Deutschland, redaktionell verantwortlich betreut von Horst Peter Koll, unterstützt von Jörg Gerle. Am Anfang steht traditionell die Jahreschronik: ein Rückblick auf 29 Seiten mit Erinnerungen an die wichtigsten Filme (15 spezielle Hinweise gelten Schauspielerinnen und Schauspielern unter der Rubrik „Herausragend gespielt!“), an Ausstellungen, Preisverleihungen, runde Geburtstage, mit kurzen, schönen Nachrufen (diesmal u.a. auf Alain Resnais, Karl Baumgartner, Helma Sanders-Brahms, Harun Farocki und Mike Nichols). Auf 42 Seiten gibt es dann einen CityGuide Film mit Blicken nach Berlin, Brüssel, Chicago, Helsinki, Kopenhagen, Lissabon, Madrid, Moskau, New York, Paris, Sarajewo, Tel Aviv, Wien und Zürich. Dann folgt das „Lexikon der Filme 2014“; es sind wieder über 2.000, die mit einem Kurztext und filmografischen Daten dokumentiert sind. Umfang: über 400 Seiten. Dann werden – mit den Texten aus dem Filmdienst – „Die besten Kinofilme des Jahres 2013“ vorgestellt, angeführt von BOYHOOD von Richard Linklater und DIE GELIEBTEN SCHWESTERN von Dominik Graf. Auch eine Auflistung herausragender DVD- und Blu-ray-Editionen des Jahres „(Die Silberlinge“) ist im Anhang zu finden, sowie der wichtigsten nationalen und internationalen Filmpreise. Respekt vor der editorischen Leistung! Umschlagfoto: BOYHOOD. Mehr zum Buch: lexikon-des-internationalen-films-filmjahr-2014.html
09. April 2015
Das Magische des Films
Hans Arnold (*1923) war Diplomat und Publizist, er lebt heute im Ruhestand in Riedering bei Rosenheim. 1949 hat er mit seiner Dissertation „Das Magische des Films. Ein Beitrag zur Frage der Wirksamkeit magischer Einflüsse in der Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung des Films“ im Fachbereich Volkskunde an der Universität München promoviert. Die Arbeit liegt jetzt erstmals gedruckt vor, und das ist dem Medien-wissenschaftler Heiko Christians (Universität Potsdam) zu verdanken, der den Stellenwert des Textes in seinem sehr lesenswerten Vorwort thematisiert. Er verortet dabei die Arbeit von Arnold zunächst im Umfeld der Volkskunde, wo das magische „Welterleben“ in den späten 1940er Jahren eine große Bedeutung hatte. Es gibt natürlich viele Berührungspunkte mit der Psychologie. Sehr interessant ist (für mich) vor allem der zweite Teil des Textes, in dem Arnold speziell das Magische des Films analysiert. Er rekapituliert zunächst die Ursprünge des Films mit den entsprechenden technischen Erfindungen, definiert die „Mittel des Films“ (das sind für ihn „Die elementaren Mittel“, also Bild und Ton, „Die Einstellung“, „Schnitt und Montage“ und „Der Trick“), öffnet den Blick für „Die Welt des Films“ („Die Welt des Films als Märchenwelt“, „Die magische Struktur der filmischen Welt“, „Die Welt des Films als typische Welt“ und „Die Realität des Irrealen“) und äußert sich schließlich zur „Wirkung des Films“ („Der Film als Kunst“, „Die Wirklichkeit einer Scheinwelt“ und „Film, Volk und Masse“). Arnold hatte damals u.a. die Schriften von Béla Balázs („Der sichtbare Mensch“, 1924), Rudolf Harms („Philosophie des Films“, 1926), Rudolf Arnheim („Film als Kunst“, 1932), Victor Schamoni („Das Lichtspiel“, 1936), Gunter Groll („Film, die unentdeckte Kunst“, 1937), Gottfried Müller („Dramaturgie des Theaters und des Films“, 1942) und Siegfried Kracauer („From Caligari to Hitler“, 1947) zur Verfügung, die auch in seinem Text präsent sind. Er konnte im Frühjahr 1949 in München in den Kinos u.a. die Filme A MATTER OF LIFE AND DEATH von Powell und Pressburger, LA BELLE ET LA BETE von Jean Cocteau, GASLIGHT von George Cukor, MÜNCHHAUSEN von Josef von Baky, SOUS LES TOITS DE PARIS von René Clair, MUSIC FOR MILLIONS von Henry Koster und MÜNCHNERINNEN von Philipp Lothar Mayring sehen, die als konkrete Filmbeispiele eingearbeitet sind. Insofern ist Arnolds Text auch ein Dokument der Film- und Zeitgeschichte. Wunderbar liest sich das bescheidene Nachwort des inzwischen 91jährigen Autors. Mehr zum Buch: das-magische-des-films?c=738

