23. Januar 2015
Prinzip Hollywood
Marietheres Wagner ist Regisseurin (ihr Debütfilm war DIE NACHT DES MARDERS, 1989), Drehbuchautorin (LIPPELS TRAUM, 1991) und Produzentin. Sie war Dozentin an der HFF in München und an der Filmakademie in Ludwigs-burg, hat 2013 an der Universität Passau promoviert und ist dort Lehrbeauftragte am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur-wissenschaft und Medien-semiotik. Das Buch „Prinzip Hollywood“ ist nicht ihre Dissertation, sondern eine eigenständige Publikation zum Thema Dramaturgie. In zehn Kapiteln reflektiert sie die Frage, wie Dramaturgie unser Denken bestimmt. Sie beginnt mit einer kurzen Geschichte der Dramaturgie („Von Goethe bis Hollywood“), dann geht es um Elemente, Modelle und Fachbegriffe („Spannung und Struktur“), um Heldenreisen („Hollywoods Erzählstrukturen“), um die Grenzen des Erzählens („Die Welt jenseits der Worte“), um Raum, Zeit, Figuren und Handlung („Das Modell der vier Ebenen“). Eine genaue dramaturgische Analyse widmet sie dem Film WHAT’S EATING GILBERT GRAPE (1993) von Lasse Hallström. Die vier weiteren Kapitel handeln vom dramaturgischen Tempo, von der „Arena-Dramaturgie“, von den Wegen zum Happy End und von Realität & Fiktion, beispielhaft dargestellt am Film TITANIC (1997) von James Cameron. Die Autorin ist mit ihrem Thema natürlich bestens vertraut, ihr Wechselspiel zwischen Theater-, Literatur- und Filmgeschichte wirkt überzeugend. Man spürt die pädagogischen Erfahrungen. Ihre Zielgruppe sind nicht nur Menschen, die es auf den Regiestuhl drängt, der auf dem Cover abgebildet ist. Mehr zum Buch: 736e75bd0
22. Januar 2015
Momente des Filmischen bei Patrick Modiano
Als dieses Buch erschien, war ihm gerade der Nobelpreis zuerkannt worden. Patrick Modiano (*1945) ist seither auch über die literarische Welt hinaus bekannt. Seine Berührungen mit der Filmwelt sind überschaubar: er war Co-Autor von Louis Malle bei LACOMBE, LUCIEN und von Jean-Paul Rappeneau bei BON VOYAGE, sein Roman „Villa triste“ wurde 1994 unter dem Titel LE PARFUM D’YVONNE von Patrice Leconte verfilmt. Eva Gerritzen, Dozentin an der Ruhr-Universität Bochum, untersucht in ihrer Publikation „(Kon-)Fusionen von Film und Buch“ Momente des Filmischen in drei Romanen von Patrick Modiano. In „Villa Triste“ (1975) entdeckt die Autorin eine verborgene Filmwelt, die von Modiano in seine Geschichte integriert ist und für die handelnden Personen zu Begegnungen mit Stars und Glamour führt. Am Ende stellt der Protagonist fest, dass ihm diese Welt sehr fremd ist. In „Quartier perdu“ (1984), der bisher in Deutschland nicht erschienen ist, geht es ums Erinnern und Vergessen, um die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, in der sich Literatur und Film medial sehr nahe kommen. In „Du plus loin de l’oubli“ (1996), deutsch: „Aus tiefstem Vergessen“, spielen die Zuschauer eine Rolle, das Kino wird als Zufluchtsort begriffen, die Protagonisten sind auf der Suche nach ihrer Identität. Eva Gerritzen baut Brücken zwischen den literarischen Elementen und den filmischen Assoziationen, sie stabilisiert ihre Untersuchung mit vielen filmtheoretischen Verweisen (Bazin, Deleuze, Barthes) und findet Beweismaterial auch in konkreten Filmbeispielen der „Nouvelle vague“. Ein interessantes Buch vor allem für Modiano-Leserinnen und -Leser. Mehr zum Buch: 6jol6je02ford50
21. Januar 2015
Thomas Heise
Heute Abend wird in der Akademie der Künste am Hanseatenweg in Berlin der Film STÄDTEBEWOHNER von Thomas Heise gezeigt. Er erzählt vom Alltag junger Männer in einem Gefängnis von Mexiko-Stadt. Präsentiert wird bei dieser Gelegenheit auch das Buch „Über Thomas Heise“, das im vergangenen Herbst im Verlag Vorwerk 8 erschienen ist. Matthias Dell und Simon Rothöhler haben es heraus-gegeben. In 14 Texten werden seine Filme kommentiert, ein Essay analysiert seine akustischen Arbeiten, in sieben Protokollen erinnern sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Zusammenarbeit mit Thomas Heise. Acht Texte zu seinen Filmen haben mir besonders gut gefallen: Annet Gröschners über WOZU DENN ÜBER DIESE LEUTE EINEN FILM?, Christoph Hochhäuslers über IMBISS SPEZIAL und IM GARTEN, Bert Rebhandls über STAU – JETZT GEHT’S’S LOS, NEUSTADT und KINDER, WIE DIE ZEIT VERGEHT, Barton Bygs über BARLUSCHKE, Michael Bautes über MEINE KNEIPE, Claus Lösers über MEIN BRUDER – WELL’MEET AGAIN, Dirk Baeckers über MATERIAL und Cristina Nords über GEGENWART. In den Gesprächsprotokollen geht es um Produktionsgeschichten (Heino Deckert), Kamerageschichten (Peter Badel), Schnittgeschichten (Mike Gürgen und René Frölke), Tongeschichten (Uve Haußig) und Theatergeschichten (Stephan Suschke, Ina Voigt & Hermann Beyer). Das Buch wird der Arbeit von Thomas Heise sehr gerecht. Mehr zum Buch: titel-ansicht.php?id=182
20. Januar 2015
Deutsch-israelische Filmgeschichte
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel haben bekanntlich eine sehr komplizierte und ambivalente Geschichte. Das betrifft natürlich auch die Filmgeschichte. Der Filmwissenschaftler Tobias Ebbrecht-Hartmann, inzwischen Professor an der Hebrew University in Jerusalem, unternimmt eine interessante Passage durch die deutsch-israelischen Filmbeziehungen. Dies geschieht nicht in einer strengen Chronologie, sondern eher assoziativ, es werden mehr israelische als deutsche Filme analysiert, in den neun Kapiteln sind insgesamt 131 Filme genannt und rund dreißig werden vom Autor ausführlicher behandelt. Das sind aus der deutschen Produktion ISRAEL, STAAT DER HOFFNUNG (1955) von Rolf Vogel, PARADIES UND FEUEROFEN (1958) von Herbert Viktor, EICHMANN UND DAS DRITTE REICH (1961) von Erwin Leiser, TEVYE UND SEINE SIEBEN TÖCHTER (1968) von Menachem Golan, BEI THEA (1987) von Dominik Graf, BALAGAN (1993) von Andres Veiel, HANNAS REISE (2013) von Julia von Heinz, als erste deutsch-israelische Gemeinschaftsproduktion BRENNENDER SAND (1960) von Raphael Nussbaum, aus der israelischen Produktion THE LAND OF PROMISE (1934/35) von Juda Lemann, AVODAH (1935) von Helmar Lerski, GIV’A 24 EINA ONA (1954) von Thorold Dickinson, HEM HAYU ASARAH (1961) von Baruch Dienar, HA-MARTEF (1963) von Natan Gross, SALLAH SHABBATI (1964) von Ephraim Kishon, VICTORY AT ENTEBBE (1976) von Marvin Chomsky, MIVTSA YONATAN (1977) von Menachem Golan, ROVEH HULIOT (1979) von Ilan Mashenson, TRANSIT (1980) von Daniel Wachsmann, YOMAN (1983) von David Pervov, ALEXANDER PENN (1987) von Dror Zahavi, AL TIG’U LI BA-SHO’A (1994) von Asher Tlalim, made in israel (2001) von Ari Folman, METALLIC BLUES (2004) von Dan Verete, WALK ON WATER (2004) von Eytan Fox, HA-HOV (2007) von Assaf Bernstein, YOUR TISCH IS NOT MY TABLE (2007) von Ester Amrami, ZARIM (2007) von Erez Tadmor und Guy Nattiv, die Serie HATUFIM (2009-12), HA-DIRA (2011) von Arnon Goldfinger, FAREWELL MR. SCHWARZ (2013) von Yael Reuveny. Ein eigenes Kapitel ist der „Geschichte einer Nichtbeziehung – Israel und die DDR“ gewidmet. Es ist das erste Buch, das sich so intensiv diesem Thema widmet, deshalb halte ich es für wichtig und lesenswert. Mehr zum Buch: /film/uebergaenge/
19. Januar 2015
Eine offene Geschichte des Kinos
Gestützt auf das theoretische Gedankengerüst des Philosophen Jacques Rancière und seinen Schlüsseltext „Die Aufteilung des Sinnlichen“ (2006) unternimmt die Filmwissenschaftlerin Ilka Rombach eine Neulektüre des westdeutschen Autorenfilms, speziell von Alexander Kluge, Rainer Werner Fassbinder und Wim Wenders, verbindet deren Filme der 1960er und 70er Jahre mit der Analyse von Filmen von Christian Petzold, Thomas Arslan und Michael Haneke und öffnet damit einen gedankenreichen Blick in zwei Phasen deutscher Filmgeschichte. Sie beginnt mit dem Film DEUTSCHLAND IM HERBST und widmet sich vor allem den Beiträgen Kluges und Fassbinders, ihren Bildern, ihrer Form. Das Buch gliedert sich dann in vier Teile. Teil I legt die Basis mit den Überlegungen von Rancière über das Kino als „unreine Kunst“. Teil II konfrontiert Alexander Kluges ABSCHIED VON GESTERN (1966) mit Christian Petzold BARBARA (2012) und stellt die beiden weiblichen Hauptfiguren gegenüber. Teil III beschäftigt sich zunächst umfassend mit Kritik und Ästhetizismus bei Rainer Werner Fassbinder und sucht anschließend nach Verbindungen zwischen Fassbinders FONTANE EFFI BRIEST (1972) und Hanekes DAS WEISSE BAND (2009). Im Teil IV geht es vor allem um das „cinephile Kino“ bei Wim Wenders, um seinen Film ALICE IN DEN STÄDTEN (1972), seine Formen des Zitierens großer Regisseure (John Ford, Alfred Hitchcock), die Dramaturgie der Abschweifung, das Sujet der Reise. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einer Gegenüberstellung von Raoul Walshs THE BIG TRAIL (1930) mit Thomas Arslans GOLD (2013). Es ist beeindruckend, wie konkret und überzeugend der Text von Ilka Rombach insgesamt wirkt, wie sie wichtige Sekundärliteratur mit ihren eigenen Wahrnehmungen verbindet und daraus in der Tat eine „offene Geschichte des Kinos“ entstehen lässt. Coverfoto: DAS WEISSE BAND. Mehr zum Buch: ansicht.php?id=181
18. Januar 2015
KREUZER EMDEN
Kurz nach Beginn des Ersten Weltkriegs, am 9. November 1914, wurde der deutsche Kreuzer „Emden“ vor den Kokos-Inseln von dem australischen Kreuzer „Sydney“ unter Feuer genommen und zur Landung gezwungen. Ein Teil der Besatzung wurde gefangen genommen, ein anderer Teil unternahm eine abenteuerliche Rück-reise, die im Mai 1915 in Konstantinopel endete. Über die Geschichte des Kreuzers Emden entstanden in den 1920er und 30er Jahren mehrere Filme, die jetzt bei Absolut Medien auf einer DVD publiziert wurden. Zunächst gab es 1926 den Stummfilm UNSERE EMDEN. Es war der erste deutsche Spielfilm über den Weltkrieg zur See, produziert von der Münchner Firma „Emelka“, Regie führte Luis Ralph, die meisten Rollen wurden von Kapitänleutnants a. D. und ehemaligen Marinesoldaten gespielt. Der technische Aufwand für die Realisierung des Films war groß, er soll beim Publikum sehr erfolgreich gewesen sein. 1928 entstand der australische Film THE EXPLOITS OF THE EMDEN von Ken G. Hall, der das Schicksal der Emden aus anderer Perspektive zeigte und Aufnahmen aus der Sicht des Kreuzers Sydney mit deutschem Material des Emden-Films kombinierte. 1932 realisierte die Emelka den KREUZER EMDEN als Tonfilm, es wurden sehr viele neue Szenen gedreht, Regie führte wieder Louis Ralph, einige neue Darsteller waren an Bord (Werner Fuetterer, Renée Stobrawa, O.E. Hasse), es wurde ein kommerzieller Erfolg angestrebt, den es wohl auch gab. 1934 wurde der Film zurückgezogen und eine neu vertonte Fassung des Stummfilms hergestellt, die unter dem Titel HELDENTUM UND TODESKAMPF UNSERER EMDEN mehr den Kriterien des Nationalsozialismus entsprach. Von den Filmen der Jahre 1926, 1928 (Australien) und 1934 (Nazi-Fassung) sind nur Fragmente erhalten. Aber es ist interessant, diese Ausschnitte mit dem vollständigen KREUZER EMDEN zu vergleichen. Geradezu vorbildlich ist das Booklet, das der DVD beigefügt ist. Die Texte von Guido Altendorf, Stephan Huck, Philipp Stiasny, Simon During und Paul Byrnes geben alle notwendigen Informationen zu den verschiedenen Fassungen und liefern viel Stoff zum historischen Hintergrund. Mehr zur DVD: https://absolutmedien.de/film/
17. Januar 2015
Synchronstimmen
Diese Dissertation entstand an der Technischen Universität Berlin, Fakultät 1: Geisteswissenschaften. Sie ist das Ergebnis theoretischer Forschungen und empirischer Untersuchungen, konkret unterstützt von Prof. Walter Sendlmeier. Die Autorin Dagny Trägler hat eine sehr gute Arbeit vorgelegt. Sie informiert zunächst über die Geschichte der Filmsynchronisation, über die Formen der Synchronität, den Beruf des Synchronsprechers, den Synchronisationsprozess und die Filmsynchronisation in verschiedenen Genres. Ein zweites Kapitel widmet sich generell der Stimme, der Sprechweise und der Sprach-wahrnehmung. Dann geht es in den Bereich der empirischen Untersuchungen. Die erste und umfänglichste ist dem amerikanischen Film AGAINST THE ROPES (2003) von Charles S. Dutton gewidmet, der in Deutschland den Titel DIE PROMOTERIN hatte. Er erzählt die Lebensgeschichte der Boxpromoterin Jackie Kallen, die im Film von Meg Ryan gespielt wird. Ihre deutsche Synchronsprecherin war Ulrike Möckel. Mit großer Sensibilität untersucht die Autorin u.a. die Sprechstimmlage und den Intonationsverlauf von Ryan und Möckel, ihre Sprechdeutlichkeit, ihre Betonungen und die Vokalqualität, Sprechgeschwindigkeit und Pausengestaltung, Stimmstabilität und Energieverteilung. Daraus ergeben sich deutliche Unterschiede in der Charakterdarstellung. Dies wird durch einen Perzeptionstest mit 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestätigt. Als zweites Beispiel dient der Film HANGING UP! / AUFGELEGT! (2000) von Diane Keaton. Auch hier wurde ein Perzeptionstest durchgeführt. Die empirische Untersuchung wird mit drei weiteren Filmbeispielen fortgeführt. Basismaterial sind hier die Filme CITY OF ANGELS (1998) von Brad Silberling, ADAPTION (2002) von Spike Jonze und THE WEATHER MAN (2005) von Gore Verbinski. In allen drei Filmen spielte Nicolas Cage die Hauptrolle. Er wurde jeweils von einem anderen deutschen Sprecher synchronisiert. Wieder wurden die Stimmanalysen der Autorin von Testpersonen überprüft. Die Sorgfalt der Untersuchung und die konkreten Ergebnisse haben mich sehr beeindruckt. Zum Thema Synchronisation ist dies eine Arbeit, die Maßstäbe setzt. Unabhängig davon sehe ich amerikanische Filme am liebsten in Originalfassung mit deutschen Untertiteln. In Berlin ist das gottlob möglich. Mehr zum Buch: 3675&lng=deu&id=
16. Januar 2015
Dubbing
Seit der Tonfilm die Kinowelt dominiert, hat der Umgang mit Schrift, Bild und Sprache große Veränderungen erfahren. Zunächst entstanden unterschiedliche Sprachversionen, dann breitete sich die Synchronisierung aus. „Dubbing“ bedeutet „audiovisuelle Übersetzung“. Ihre Praxis ist in den verschiedenen Ländern und Kulturen sehr unterschiedlich, was man an konkreten Beispielen deutlich machen kann. Der vorliegende Band, entstanden in deutsch-französischer Zusammenarbeit, enthält 13 Texte – sechs in deutscher, sieben in französischer Sprache – die sich zu einem filmhistorisch interessanten Spektrum fügen. Jean-François Cornu informiert über die ersten Jahre der Synchronisation von Filmen ins Französische (1931-1934). Audrey Hostettler analysiert die englische Version des Films DER BLAUE ENGEL von Josef von Sternberg, die zu einem Teil in deutscher Sprache gedreht wurde. Das führte zu interessanten Veränderungen der Rollen von Lola (Marlene Dietrich) und dem Lehrer Rath (Emil Jannings). François Albera, Claire Angelini und Martin Barbier vergleichen den Film M von Fritz Lang mit der französischen Adaption (LE MAUDIT), die von Roger Goupillières und André Lang realisiert wurde und 1932 in die französischen Kinos kam. Jan Henschen beschäftigt sich mit Sprachversion und Polyglottie in ATLANTIC von E. A Dupont und KAMERADSCHAFT von G. W. Pabst. Mit den „cinephilen Vorbehalten“ gegen das Verfahren der Synchronisation setzt sich sehr generell Nathalie Mälzer auseinander. Und der Übersetzungswissenschaftler Alexander Künzli hat eine Umfrage zur Untertitelungspraxis im deutschsprachigen Raum unternommen. In den französischen Beiträgen werden thematisiert: die französische Fassung von Viscontis LA TERRA TREMA, die italienische Fassung von Godards A BOUT DE SOUFFLE, die Untertitelung von Godard-Filmen, die Sprachformen im Kino von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub, Körper und Sprache in neueren japanischen Filmen und der Umgang mit Voice-Over. Ein Gespräch über den Umgang mit Sprache im Film schließt den Band ab. Das Coverfoto stammt aus dem Film SINGIN’ IN THE RAIN. Mehr zum Buch: la-traduction-audiovisuelle.html
15. Januar 2015
Kunst unter Kontrolle
In diesem Band sind die Beiträge des Cinegraph-Kongresses 2013 dokumentiert. Sein Thema war „Filmzensur in Europa“. In 14 Texten geht es um staatliche Kontrolle, veränderte Synchron-fassungen und Kriterien für Eingriffe in Deutschland, Österreich, der Tschechoslo-wakei und England. Günter Jordan informiert über die Filmzensur in der DDR, ergänzt von Ralf Schenk mit einem Beitrag zum SED-Verbotsplenum im Dezember 1965. Kompliziert, aber interessant ist die Konstruktion des „British Board of Film Classification“, einer privaten Organisation mit großen Befugnissen, die von Julian Petley dargestellt wird. Michael Achenbach und Thomas Ballhausen erzählen die Erfolgs- und Zensurgeschichte der Wiener Firma Saturn-Film in den Jahren 1906-1910. Ein sehr spezielles Thema behandelt Paolo Caneppele mit der Zensurpraxis bei Amateurfilmen in Österreich 1928-1938. Anna Bohn hat erfolgreich nach deutschen Filmzensur-Dokumenten aus der Weimarer Republik in russischen Archiven geforscht. Auch bei Georg Eckes geht es um den Film der Weimarer Republik, genauer: um die SPD als Gesetzgeber und als Filmproduzent; das führte zu manchen Widersprüchen. Zwei Beiträge sind dem tschechoslowakischen Film gewidmet: Ivan Klimes erinnert an das Festival in Banská Bystrica 1959 („Die Leistungsschau als Tribunal“) und Milan Klepikow berichtet über „die zaghafte, aber unvermeidliche Wiedereinführung der Zensur nach 1968“. Zweimal steht der Film CASABLANCA von Michael Curtiz im Mittelpunkt eines Textes: Carla Mereu Keating analysiert die Veränderungen in der italienischen Fassung, Joseph Garncarz die Eingriffe in die deutsche Fassung. „Ästhetische Zensur“ nennt Francesco Buono den Umgang mit Luchino Viscontis SENSO und ROCCO E I SUOI FRATELLI in den westdeutschen Fassungen. Andreas Kötzing informiert noch einmal über den „Interministeriellen Ausschuß für Ost/West-Filmfragen“ in der Bundesrepublik in den 1950er und 60er Jahren. Und Ursula von Keitz konzentriert sich in ihrem Beitrag über das Provokationspotential des Religiösen in den 70er und 80er Jahren auf drei Filme: THE DEVILS von Ken Russell, LIEBESKONZIL von Werner Schroeter und DAS GESPENST von Herbert Achternbusch. Ein sehr informativer Band in der Reihe der CineGraph-Bücher“, redaktionell betreut von Johannes Roschlau. Coverfoto: Hildegard Knef und Gustav Fröhlich in dem Film DIE SÜNDERIN. Mehr zum Buch: 9783869163727#.VLLEbxzxlgs
14. Januar 2015
Klaus Maria Brandauer
Von dem österrei-chischen Autor und Theaterkritiker Ronald Pohl habe ich hier und da einen Text aus dem Standard gelesen, aber nie ein Buch. Seine Publikation über den Schauspieler Klaus Maria Brandauer ist höchst eigenwillig, über weite Strecken faszinierend, aber weit entfernt von einer Biografie. Ihre Dramaturgie bleibt unklar, weil der Autor Vor- und Rückblenden liebt und vor allem daran interessiert ist, Mimik, Gestik und Körpersprache des großen KMB in seinen verschiedenen Theaterrollen zu beschreiben. Das tut er sehr differenziert, man spürt die Verehrung für seinen Protagonisten und lässt sich notgedrungen auf das zeitliche Labyrinth ein. Ausgangspunkt ist der „König Lear“ am Wiener Burgtheater 2013 in der Regie von Peter Stein. Und schnell wird in diesem Zusammenhang das Burgtheater unter seinem Intendanten Matthias Hartmann thematisiert. Dann geht es zurück in die 1970er Jahre, in die Zeit einer Zusammenarbeit mit Friedrich und Eva Heer, in die 80er Jahre, zu „Hamlet“ und in die Zeit, als Bruno Kreisky Bundeskanzler war. Nach einem kleinen Ausflug zum Philosophen Ludwig Wittgenstein kommen wir nach Neuhardenberg, wo KMB 2013 den Krapp in Becketts „Letztem Band“ gespielt hat. Nun folgt eine lange Phase Peter Stein, seine große Zeit an der Schaubühne und seine Trennung vom Haus, alles wunderbar erzählt, wenn man sich daran erinnert. KMB kommt wieder ins Spiel mit dem zehnstündigen „Wallenstein“ (2007) und mit „Ödipus auf Kolonos“ (2010). Sehr schön ist der Exkurs zu drei großen Filmrollen von KMB unter der Regie von István Szabó: MEPHISTO (1981), OBERST REDL (1985) und HANUSSEN (1988) mit einer kurzen Erwähnung seines eigenen Regiefilms GEORG ELSER – EINER AUS DEUTSCHLAND. Auf den Seiten 112-124 wird dann auch ein „Psychogramm der Herkunft“ von KMB eingefügt, geboren 1943 in Bad Aussee. Es folgen Kapitel zu Brandauer und dem „Nationaltheater“ (Burgtheater), zur Zusammenarbeit mit Fritz Kortner und Hans Neuenfels, zu seiner „Hamlet“-Regie, seinem „Nathan“ und seinem Dorfrichter Adam im „Zerbrochenen Krug“. Es ist faszinierend, wie Ronald Pohl quasi die Einzelteile der Schauspielkunst von KMB zusammenfügt. Da ist es logisch, dass es am Ende des Buches kein Rollenverzeichnis und kein Register gibt. Wer liest, der findet. Coverfoto: Brandauer als König Lear. Mehr zum Buch: 1&navsection=2

