Filmfestspiele Venedig

Mit dem Film PARALLEL MOTHERS von Pedro Almo-dóvar werden heute in Venedig die 78. Internationalen Film-festspiele eröffnet. 21 Langfilme konkurrieren um den Goldenen Löwen, darunter THE CARD COUNTER von Paul Schrader mit Oscar Isaac und Willem Dafoe, COMPETENTIA OFICIAL von Gastón Duprat und Mariano Cohn mit Penélope Cruz und Antonio Banderas, È STATA LA MANO DI DIO von Paolo Sorrentino mit Filippo Scotti, THE LOST DAUGHTER von Maggie Gyllenhaal mit Olivia Coleman, THE POWER OF THE DOG von Jane Campion mit Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst, SPENCER von Pablo Larrain mit Kristen Stewart als Prinzessin Diana, SUNDOWN von Michel Franco mit Tim Roth. Außer Konkurrenz werden u.a. DUNE von Denis Villeneuve, THE LAST DUEL von Ridley Scott, ONE NIGHT IN SOHO von Edgar Wright und HALLOWEEN KILLS von David Gordon Green gezeigt. Die Vielfalt des Programms ist beeindruckend. Der Jury unter Leitung des PARASITE-Regisseurs Bong Joon-ho gehören der italienische Filmemacher Saverio Costanzo, die belgisch-französische Schauspielerin Virginie Efira, die britische Schauspielerin Cynthia Erivo, die kanadische Schauspielerin Sarah Gadon, der deutsch-rumänische Filmemacher Alexander Nanau und die chinesische Filmemacherin Chlóe Zhao (NOMADLAND) an. Am 11. September werden die Löwen verliehen. Goldene Löwen für ihr Lebenswerk erhalten in diesem Jahr der Regisseur Roberto Benigni und die Schauspielerin Jamie Lee Curtis. Mehr zum Programm: Internationale_Filmfestspiele_von_Venedig_2021 oder: labiennale.org/en/cinema/2021

Ein ewiger Augenblick

Vor zwei Wochen ist der Schau-spieler Fritz Wepper 80 Jahre alt geworden. Seine Autobiografie, die er zusammen mit Anna Butterbod geschrieben hat, ist gerade im Heyne Verlag erschienen. Selbstbewusst, aber uneitel wird darin ein Leben erzählt, das dominiert war von Rollen im Film und vor allem im Fernsehen. Als Kind sprach Wepper bereits in Hörfunk-sendungen des Bayerischen Rundfunks, mit elf stand er erstmals auf der Bühne, mit dreizehn spielte er eine Minirolle in dem Film SAUERBRUCH – DAS WAR MEIN LEBEN. International bekannt wurde er 1959 durch den Film DIE BRÜCKE von Bernhard Wicki. Als einziger der sieben Jungen überlebt er und verlässt in der Schlusseinstellung den Schauplatz. 1964 wurde er für seine Darstellung in KENNWORT: REIHER mit einem „Filmband in Gold“ als bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. 1972 hatte er eine tragende Rolle in CABARET mit Liza Minnelli. Ab 1969 war er Kriminalhauptmeister Keller in der Krimiserie DER KOMMISSAR mit Erik Ode als Chef und wechselte 1974 zum Assistenten von DERRICK (Horst Tappert). Von 2002 bis Juni 2021 spielte Wepper den Kalten-thaler Bürgermeister Wolfgang Wöller in der ARD-Serie UM HIM-MELS WILLEN. Gelegentlich stand Fritz Wepper auch gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Elmar vor der Kamera. In seiner Autobiografie erfahren wir viel über sein berufliches Leben, aber auch das private ist nicht ausgespart: die Liaison mit Iris Berben, die Ehe mit Angela von Morgen, die dreijährige Partnerschaft mit der sehr viel jüngeren Kamerafrau und Regisseurin Susanne Kellermann, die Rückkehr zur Ehefrau, die 2019 gestorben ist. Der Tonfall ist nie indiskret, es gibt eine spürbare Empathie. Lesenswert. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: Fritz-Wepper/Heyne/e590442.rhd

CITY OF LIES (2018)

Der Schauspieler Johnny Depp geriet 2018 in die Schlagzeilen, weil er sich gegen Gewaltvor-würfe seiner Exfrau Amber Heard wehren musste. Darauf-hin wurde der Kinostart seines neuen Films, CITY OF LIES, weltweit abgesagt. In den USA wurde der Film ab März 2021 in ausgewählten Kinos gezeigt, in Deutschland kam er bisher nicht auf die Leinwand. Bei Koch Media ist jetzt die DVD erschienen. Basierend auf dem Roman „Labyrinth: A Detective Investigates the Murder of Tupac Shakur and Notorius B.I.G., the Implication of Death Row Records’ Suge Knight, and the Origins oft he Los Angeles Police Scandal“ von Randall Sullivan dokumentiert der Film die schwierigen Ermittlungen von Russell Poole (Johnny Depp) bei der Aufklärung der Morde an der Rap-Legende Tupac Shapur und seines Kollegen und Konkurrenten Notorius B.I.G. Unterstützt wird Poole von dem Journalisten Jack Jackson (Forest Whitaker). Der Blick in den Polizeiapparat und die Rap-Musikszene von Los Angeles ist spannend. Brad Furmans Regie wirkt sehr professionell. Sehenswert. Mehr zur DVD: dvd/details/view/film/city_of_lies_dvd/

8mm DDR

Eine Dissertation, die an der Westfälischen Wilhelms-Uni-versität Münster entstanden ist. Sebastian Thalheim untersucht darin Familienfilme als Alltags-praxis, Konsumgut und Erinnerungsmedium in der DDR. Wie wurden Familie und Freizeit in den Schmalfilmen der DDR dokumentiert? Wie verhielt sich die private Darstellung zu den staatssozialistischen Utopien? Welches Bild der DDR wird durch die Familienfilme sichtbar und prägt als visuelles Erbe die Erinnerungen? Eine systematische Archivierung der privaten Filmmaterialien ist bisher nicht erfolgt. So musste sich der Autor, der selbst über den Bestand seiner Großeltern verfügt, auf die Suche nach entsprechendem Material machen. Er hat 14 andere Bestände ermittelt und konnte in vielen Fällen die Besitzerinnen und Besitzer persönlich interviewen. Damit erweiterte er seine Erkenntnisse über die Hintergründe des Materials, dessen Umfang insgesamt 27 Stunden betrug. Das war die Basis für seine Analyse. Eigene Kapitel sind der Fotokinoindustrie und den Schmalfilmapparaturen in der DDR, der Ratgeberliteratur und dem Familienfilm in der Werbung gewidmet. Der Text ist differenziert formuliert, die Analysen führen zu interessanten Ergebnissen. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: ndex.cfm?view=3&titel_nr=9120

Nach dem Rundfunk

Der Medienwissenschaftler und Soziologe Hermann Rotermund beschreibt in fünf Kapiteln die Transformation der Massen-medien Radio und Fernsehen zum Online-Medium. Der Medienwandel wird durch eine historische Darstellung seit 1900 deutlich gemacht, wobei Disruptionen, Digitalisierung und Konvergenz eine wichtige Rolle spielen. Die Regulierung führte zum Rundfunk als Staatsaufgabe. Das Rundfunk-recht seit 1945 und die Leitideen der Rundfunkfreiheit hatten politisch und gesellschaftliche ihre Logik, sie führten zu Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft. In der Organisation der Strukturen und Inhalte, im Datenmanagement und der Crossmedialität gab es Schwächen, die schwer zu beheben sind. Deshalb plädiert Rotermund für ein Konzept von Public Value, das gemeinnützig funktioniert und größere Dimensionen hat. Es gibt Szenarien des Nichtgelingen und des Gelingens, die der Autor realistisch beschreibt. Seine Sachkenntnis ist beeindruckend, die Lektüre des Buches ist spannend, weil die medialen Veränderungen ein wichtiges Thema sind, das selten so konkret dargestellt wird. Auch die juristische Ebene spielt dabei eine große Rolle. Lesenswert. Mit 30 Seiten Literaturhinweisen als Anhang. Mehr zum Buch: nach-dem-rundfunk/

Andrej Tarkowski. STALKER

Im April 2019 fand in der Berliner Akademie der Künste ein Symposium über den Film STALKER von Andrej Tarkowski statt. Jetzt kann man in einer Dokumentation die damals gehaltenen Vorträge nachlesen. Ulrich Gregors  persönliches Geleitwort eröffnet den Band. Norbert P. Franz befasst sich mit STALKER und der sowjetischen Science-Fiction. Jule Reuter beschreibt Landschafts- und Gartenmotive des Films. Natascha Drubek richtet ihren Blick auf die Zonen des STALKER. Claus Löser unterscheidet Wahrnehmungen und Wirkungen von Tarkowskis Film im Osten und Westen Deutschlands. Jonas Hansen unternimmt einen postapokalyptischen Spaziergang durch T.H.E.Z.O.N.E. Andrei Plakhov untersucht den Einfluss Tarkowskis auf die neue Generation russischer Filmemacher. Das Buch ist sehr lesenswert. Mit zahlreichen Abbildungen in guter Qualität. Herausgegeben von Cornelia Klauß, Claus Löser und Jule Reuter. Mehr zum Buch: news/?we_objectID=62660

Space Agency

Zwölf Texte handeln von Medien und Poetiken des Weltraums. Der älteste stammt von dem französischen Erfinder Charles Cros, er wurde 1869 veröffentlicht und ist hier erstmals in deutscher Übersetzung zu lesen: „Methode, um mit dem Planeten zu kommunizieren“. Jens Schröter kommentiert ihn. Bei Sven Grampp geht es um Unbestimmtheit als Wirkungs-strategie im Space Race der 1950er und 60er Jahre zwischen den USA und der Sowjetunion. Matthias Schwartz beschreibt mediale Inszenierungen der Raumfahrt in der sowjetischen Gegenwartsliteratur. Christian Pischel beschäftigt sich mit medialen Verschwörungstheorien seit der ersten Mondlandung 1969. Matthias Grotkopp skizziert das Bild vom „Raumschiff Erde“ in ausgewählten Filmen, zum Beispiel SPACE BALLS von Mel Brooks und INTERSTELLAR von Christopher Nolan. Pablo Abend schlägt einen Bogen von dem Film GRAVITY von Alfonso Cuarón zu Google Earth. Rasmus Greiner reflektiert über den Klang der Stille, den Filmton und die Geschichtlichkeit des Weltraums. Eileen Rositzka richtet ihren Blick auf MISSON TO MARS von Brian de Palma und das Abenteuer Weltraum, Tobias Haupts befasst sich mit SUNSHINE von Danny Boyle, Mystik und dem Horror der Auflösung. Lars Schmeink informiert über die interplanetare Expansion und das Posthumane in der Fernsehserie THE EXPANSE. Klaudia Wick frage im abschließenden Beitrag „Was kann das Fernsehen auf dem Mars finden?“. Alle Texte haben ein hohes theoretisches Niveau. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: search?sSearch=Space+Agency+

ZOMBI CHILD (2019)

Die 15jährige Fanny lebt in einem katholischen Internat in der Nähe von Paris, ist lern-begierig, aber auch an der Kommunikation mit ihren Freundinnen Salomé, Romy und Adele interessiert. Man trifft sich nachts im Kunstraum und gibt sich geheimnisvollen Voodoo-Ritualen hin. Dann kommt Mélissa neu ins Internat, die bei einem Erdbeben in Haiti ihre Eltern verloren hat. Sie wird in den Mädchenkreis aufgenommen und erzählt dort von einem alten Familiengeheimnis: Vor über 50 Jahren ist Clairvius Narcisse auf der Straße zusammengebrochen, wurde begraben und erwachte als Zombie. Welche Möglichkeiten gibt es, daraus heute zu lernen? Fanny will durch Voodoo die Bindung zu ihrem Freund Pablo, der sie verlassen hat, untrennbar machen. Ob ihr das gelingt? Der Film von Bertrand Bonello stellt interessante Verbindungen zwischen Frankreich, Haiti und der Kolonialgeschichte her, mischt die Genres Coming-of-Age- und Horrorfilm und hat große Qualitäten. Bei Absolut Medien ist jetzt die DVD des Films erschienen. Unbedingt sehenswert. Mehr zur DVD: film/7054/Zombi+Child

Science-Fiction

Science-Fiction, so führt uns der Autor Sascha Mamczak in sein 100-Seiten-Buch ein, ist kein Genre im herkömmlichen Sinne. „Science-Fiction – ob als Buch oder Film, Computer- oder Hörspiel, Comic oder Theaterstück, Gedicht oder Oper – kann morgen oder in Millionen von Jahren, in der Vergangenheit oder in einer alternativen Gegenwart ange-siedelt sein. Science-Fiction kann im Weltraum spielen, aber auch in einem dunklen Keller oder in einem Tal in Ober-bayern. Science-Fiction kann vor futuristischer Technik nur so wimmeln, es gibt aber auch Science-Fiction, in der von Wissenschaft und Technik überhaupt keine Rede ist, geschweige denn von Raketen. (…) Es gibt keine starre Science-Fiction-Formel, auf die man rekurrieren, oder einen abgeschlossenen Katalog von Erzählweisen und Motiven, aus dem man sich bedienen kann.“ (S. 9/10). Mamczak ist Science-Fiction-Verleger und Autor von Sachbüchern. Sein letztes Buch war „Eine neue Welt – Die Natur, die Menschen und die Zukunft unseres Planeten“ (2020). Er lässt uns in dem Reclam-Buch teilnehmen an einer historischen Reise durch das Science-Fiction-Universum, in dem Bücher und Filme im Mittelpunkt stehen. Die vier Kapitel haben die Überschriften Zugänge, Abgründe, Brücken, Turbulenzen. Am Ende stehen Lese- und Filmtipps. Mehr zum Buch: Mamczak__Sascha/Science_Fiction__100_Seiten

Los Angeles

Los Angeles ist die zweitgrößte Stadt der Vereinigten Staaten, Hollywood prägt zwar ihr Image, aber ihre Geschichte ist vielfältiger und interessanter, wenn man sich in die ein-schlägige Literatur vertieft. Der österreichische Autor Sebastian Raho hat 35 Texte ausgewählt, die auf zum Teil sehr persön-liche Weise von L.A. erzählen. Der älteste, „Fremde Mächte in Alta California“, stammt aus dem Jahr 1770 und wurde von Miguel Costancó verfasst, der jüngste, „Der Fußgänger in der Stadt“ von David Ulin, erschien 2015. Hier sind zehn Texte, die mir besonders gut gefallen haben: „Indianer!“ (1884) von Helen Hunt Jackson, „Über Nacht zum Millionär“ (1890) von Theodore S. Van Dyke, „Californien ist ein reizendes Land“ (1894) von Gustav von Berg, „Wie aus Gerstenfeldern Häuser sprießten“ (1925) von Sarah Bixby Smith, „Ein Hollywood-Tagebuch“ (1938) von Daniel Fuchs, „On the Road“ (1957) von Jack Kerouac (Auszug aus dem Roman), „Der Einzelgänger“ (1964) von Christopher Isherwood, „Herbst in der großen Orange“ (1982) von Hugo Loetscher (Auszug), „Der ultimative L.A. Lakmus-Test“ (1996) von Wanda Coleman, „Das Atlantis des Pazifik“ (2010) von Thomas Pynchon. Natürlich fehlen auch Bert Brechts „Hollywood-Elegien“ nicht. Ich war fünfmal in Los Angeles, zuletzt 1991. Es ist eher unwahrscheinlich, dass wir noch einmal hinfahren. Also ist die Literatur der Ersatz für eine Reise. Mehr zum Buch: wieser-verlag.com/buch/los-angeles/