30 Jahre „MEDIENwissenschaft: Rezensionen“

mewi02-03_14-goldEin Jubiläum ist zu feiern: seit dreißig Jahren gibt es die Zeitschrift MEDIENwissenschaft: Rezensionen. Sie wurde von Thomas Koebner und Karl Riha gegründet, erschien anfangs im Niemeyer-Verlag, wechselte nach zehn Jahren zum Schüren-Verlag und wird inzwischen von Malte Hagener, Angela Krewani, Burkhard Röwekamp, Jens Ruchatz, Yvonne Zimmermann (alle Marburg) und Karl Riha (Siegen) herausgegeben. Ich weiß nicht, wie hoch die Auflage in der frühen Zeit war, inzwischen liegt sie bei 600 Exemplaren. Zum Jubiläum ist jetzt eine Doppelnummer erschienen, die mit zehn Beiträgen zur Geschichte der Zeitschrift beginnt. Jürgen Felix erinnert sich an die Anfangsjahre als Redakteur, Joachim Fleing (früher: Schmitt-Sasse) reflektiert über die Veränderungen von Plattformen in drei Jahrzehnten, Heinz-B. Heller denkt zurück an seine ersten Rezensionen und die Zeit als Mitherausgeber, die aktuellen Herausgeber aus Marburg versuchen einen Rückblick und Ausblick, das Redaktionsteam von 2013 (Karin Kirsten und Carlo Thielmann) gibt einen Erfahrungsbericht, Karl Prümm sendet einen Geburtstagsgruß und begründet, warum die Zeitschrift weiterhin gebraucht wird, Karl Riha, in den meisten Heften mit einem „Fundstück“ vertreten, erinnert sich sehr persönlich an die Gründungsgeschichte, die Verlegerin Annette Schüren argumentiert, warum eine Printausgabe der Zeitschrift auch weiterhin notwendig ist, Sven Stollfuß und Philipp Blum, Redakteure von 2009 bis 2011, vermitteln ihrerseits persönliche Arbeitserfahrungen, und Hans J. Wulff macht sich zusammen mit Ludger Kaczmarek generelle Gedanken über wissenschaftliches Rezensieren. Dann beginnen die gewohnten Besprechungen und Hinweise. Ganz am Ende gibt es ein spezielles Fundstück: zwei Fotos von der Feier der Erstausgabe mit dem Redakteur Joachim Schmitt-Sasse und der Stud. Hilfskraft Barbara Helfer, dem Herausgeber Thomas Koebner und der Sekretärin Elisabeth Faulstich. Hoffen wir also auf die Zukunft der Zeitschrift in den nächsten zehn Jahren. Mehr zur Zeitschrift: 0002/index

The Place of Politics in German Film

2014.Place of PoliticsEin Symposium im Herbst 2010 an der Rice University in Houston, Texas, war die Initialzündung für diese Publikation. Sie enthält zwölf Beiträge, die meisten konzentrieren sich auf einen oder zwei spezielle Filme. Die Auswahl orientiert sich nicht unbedingt an der politischen Bedeutung der Filme, aber sie wirkt zumindest originell. Für den NS-Film steht beispielhaft die Komödie CAPRICCIO von Karl Ritter (Autorin: Valerie A. Weinstein). Für die Weimarer Republik sind es HOMUNCULUS von Otto Rippert und DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM von Paul Wegener und Carl Boese (Nicholas Baer), NOSFERATU von F. W. Murnau (Kata Gellen) und DIE STRASSE von Karl Grune (Anton Kaes). Jamey Fisher schreibt über HUNDE, WOLLT IHR EWIG LEBEN von Frank Wisbar und die 1950er Jahre der Bundesrepublik, Larson Powell unternimmt eine eher generelle Zeitreise durch die Geschichte der DEFA. Zwei Texte sind der RAF gewidmet: bei Thomas Elsaesser geht es um „Urban Guerilla or Guerilla Urbanism“ in dem Gruppenfilm DEUTSCHLAND IM HERBST und dem Doku-Drama TODESSPIEL von Heinrich Breloer, bei Christina Gerhardt um die Familiengeschichten in DIE BLEIERNE ZEIT von Margarethe von Trotta und DIE INNERE SICHERHEIT von Christian Petzold. Petzolds GESPENSTER-Trilogie ist auch das Thema eines Beitrags von Jennifer Ruth Hosek, und natürlich ist Petzold auch ein Protagonist in Carsten Strathausens Essay „The Space of Subjectivity in Berlin School Cinema“. Die jüngsten Filme sind SOUL KITCHEN von Fatih Akin (Text von Angelica Fenner) und DIE KOMMENDEN TAGE von Lars Kraume (Brad Prager). Die Autorinnen und Autoren sehen den deutschen Film aus der akademischen Perspektive der USA. Das macht die Lektüre besonders spannend. Mehr zum Buch: www.aisthesis.de/ und dann suchen.

Folter und Film

2014.Folter und FilmReinhold Görling ist Medienwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich von Bild und Gewalt, die vorliegende Publikation erscheint mit Unterstützung der VolkswagenStiftung. Mit dem Thema Folter widmet er sich einer extremen Form der Gewalt, sie ist, so der Autor, „eine durch und durch theatrale Inszenierung, in der dem Opfer seine Machtlosigkeit vorgeführt werden soll.“ Und: „Gerade weil die Differenz zwischen Handlung und Vorführung jede szenische Konstellation als Faltung und inneres Oszillieren charakterisiert und in ihrer Dynamik bestimmt, hat das Kino ein verstärktes Bewusstsein auch der szenischen Dimension der Gewalt entwickelt. Wenn es eine Szene der Folter zeigt, dann macht es uns nicht zum distanzierten Betrachter einer Vorführung, es zieht uns tatsächlich auch in die Handlung selbst hinein.“ In vier Kapiteln konkretisiert Görling diese These an konkreten Filmbeispielen. Sein Ausgangspunkt im ersten Kapitel ist die berühmte Szene der Folterung des kommunistischen Widerstandskämpfers Manfredi durch die deutschen Besatzer in Roberto Rossellinis ROMA CITTÀ APERTA, die präzise analysiert wird. Auch in Rossellinis Filmen ANGST, EUROPA ’51 und IL GENERALE DELLA ROVERE gibt es Momente der Folterung, die aber unterschiedlich gezeigt oder im Bild ausgespart werden. Im zweiten Kapitel führt der Weg von Rossellinis dokumentarischen Aufnahmen zu George Orwells Roman „1984“ und der Verfilmung von Michael Radford, zu dem polnischen Film PRZESLUCHANIE (VERHÖR) von Ryszard Bugajski, SALÒ O LE 120 GIORNATE DI SODOMA von Pier Paolo Pasolini und WAS WO von Samuel Beckett. Im dritten Kapitel reflektiert der Autor zunächst sehr beeindruckend Chris Markers Film LA JETÉE und verbindet dies mit Verweisen u.a. auf RED DUST von Tom Hooper und HUNGER von Steve McQueen. Das letzte Kapitel ist vor allem Kathryn Bigelow und ihren Filmen THE HURT LOCKER und ZERO DARK THIRTY gewidmet. Hier spielt das Thema Terrorismus eine größere Rolle. Am Ende stehen die Filme STANDARD OPERATING PROCEDURE von Errol Morris und THE ACT OF KILLING von Joshua Oppenheimer. Der Text ist theoretisch (Deleuze, Derrida, Foucault) durchgehend abgesichert. Auf dem Cover verbinden sich ROMA CITTÀ APERTA und ZERO DARK THIRTY. Mehr zum Buch: szenen-der-gewalt?c=738

Joe Dante

2014.DanteEine neue Buchreihe bei Bertz + Fischer: „Cinestrange“. Sie ist verbunden mit dem Genre-filmfestival in Dresden. Im Oktober 2013 hat Joe Dante beim 2. Cinestrange einen Preis für sein Lebenswerk in Empfang genommen – und so ist ihm der erste Band der Reihe gewidmet. Es ist auch das erste deutsch-sprachige Buch über Dante. Die Herausgeber Michael Flintrop (Braunschweig), Stefan Jung (Freiberg) und Heiko Nemitz (Dresden) haben hier beispielhafte Arbeit geleistet. Von 41 Autorinnen und Autoren stammen insgesamt 49 Texte, die umfassend über Leben und Werk von Joe Dante (*1946) informieren. Den Anfang machen ein Grußwort von Fritz Göttler und ein Foreword des amerikanischen Filmkritikers Tim Lucas. Marcus Stiglegger, mit Dante bestens vertraut, führt in sein Œvre ein, Stefan Jung erinnert an dessen Arbeit als Filmkritiker und Journalist, Stefan Borsos nähert sich dem Paranoia-Kino von Dante, Oliver Nöding verbindet Roger Corman und Dante, bei Michael Flintrop geht es um Spielberg, Amblin und Dante, Heiko Nemitz schreibt über Dantes Satiren wider den American Way of Life, Nils Bothmann entdeckt intertextuelle und intermediale Bezüge in Dantes Kino, Marco Heiter kennt die Spielregeln des Genre-Crossings, Wieland Schwanebeck informiert über Dantes Coming-of-Age-Geschichten, Sascha Westphal konzentriert sich auf Dante als TV-Auteur und Sofia Glasl analysiert die Darstellung des Fernsehens in den Filmen von Dante, Ivo Ritzer baut die Brücke zwischen Dante und dem Filmemacher Mark Goldblatt mit dessen Hommage DEAD HEAT, Ingo Kott schaut zurück auf Dantes Arbeit als Trailer-Editor bei New World und die Etablierung der Internet-Platform Trailers From Hell. Hinzu kommt: ein Werkstattgespräch, das mit Respekt und Zuneigung geführt wurde. Jedem von Dantes bisher 17 Fime und 15 Fernseharbeiten ist schließlich ein eigener Text gewidmet, zu den Autorinnen und Autoren gehören Johannes Binotto, Marc Fehse, Michael Fleig, Lukas Foerster, Annette Kilzer, Andreas Rauscher, Nando Rohner, Udo Rotenberg, Christian Stumberg, Patrick Thülig, Carolin Utsch, Jochen Werner, Rochus Wolff und einige andere, die mir noch unbekannt sind. Filmografie und Bibliografie sind vorbildlich recherchiert, die Abbildungen auch drucktechnisch hervorragend. Ich bin sehr beeindruckt von der Publikation. Mehr zum Buch: 42&products_id=446

FEDORA (1977)

2014.DVD.FedoraEs war der vorletzte Film von Billy Wilder (1981 folgte noch BUDDY BUDDY), er wurde in Frankreich geschätzt, in Deutschland abgelehnt und in Amerika ambivalent aufgenommen. FEDORA erzählt in der Form eines Melodram die Geschichte einer Filmdiva (gespielt von Marthe Keller), die von einem Film-produzenten (William Holden) zu einem Comeback überredet werden soll, aber auf der griechischen Insel Korfu ein geheimnsivolles Leben führt. Die DVD von Eurovideo präsentiert den Film in einer restaurierten HD-Fassung. – Ein exklusives Extra ist der Film SWAN SONG von Robert Fischer, der die schwierige Produktionsgeschichte von FEDORA dokumentiert. Fischer hat Gespräche geführt mit der Hauptdarstellerin Marthe Keller, den Schauspielern Mario Adorf und Michael York, dem Kameramann Gerry Fisher, dem Produzenten Harold Nebenzal und Paul Diamond, dem Sohn des Co-Autors I.A.L. Diamond. Diese Gespräche verknüpft er in zehn Kapiteln sehr spannend mit Filmausschnitten, Fotos und dokumentarischen Aufnahmen von den Dreharbeiten 1977, die sehr authentisch Wilders Probleme bei der Realisierung des Films deutlich machen. SWAN SONG ist eine schöne, respektvolle Hommage an Billy Wilder (1906-2002) und das klassische Hollywoodkino. Der Film wird am 26. September um 21 Uhr bei Doku.Arts im Zeughauskino gezeigt. Nach dem Film führe ich ein Gespräch mit Robert Fischer. Vor SWAN SONG ist um 18.30 Uhr FEDORA zu sehen. Mehr zur DVD: fedora,tv-kino-film.html

Sophia Loren

2014.Sophia LorenSie stammt aus armen Verhältnissen, wuchs allein bei ihrer Mutter auf, nahm schon als 15jähriges Mädchen an Schönheitswettbewerben teil, drehte 1950 ihren ersten Film und spielte seitdem in über hundert Filmen meist die Hauptrolle. Heute wird die Schauspielerin Sophia Loren achtzig Jahre alt. Sie meldet sich termingerecht mit ihrer Autobiografie zu Wort, die einen interessanten Blick in ihr berufliches, aber in wichtigen Augenblicken auch in ihr privates Leben öffnet. Sie erzählt nicht einfach chronologisch, sondern assoziativ und dramaturgisch geschickt von der Zusammenarbeit mit berühmten Regisseuren wie Vittorio De Sica, Alessandro Blasetti, Jean Negulesco, George Cukor, Charles Chaplin oder Robert Altman, mit ihren Kolleginnen und Kollegen Anna Magnani, Silvana Mangano, Marlon Brando, Cary Grant, Anthony Quinn und vor allem Marcello Mastroianni. Die Schilderungen sind in der Regel diskret und freundlich, auch wenn sie mit ihren Regisseuren gelegentlich Probleme hatte. Natürlich spielt die Ehe mit dem Produzenten Carlo Ponti eine wichtige Rolle, die in Italien erst spät legalisiert werden konnte, weil es in den 50er Jahren dort keine Scheidung gab. Eine traumatische Dimension hatte die Verhaftung 1977 und die Verurteilung wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung 1980. Dies dokumentieren Tagebuchnotizen aus dem Ortsgefängnis in Caserta, wo sie 17 Tage zugebracht hat. Sie gewann 1962 einen Oscar als Hauptdarstellerin in LA CIOCIARA und erhielt 1991 einen Oscar für ihr Lebenswerk. Diese Ereignisse kann Sophia Loren mit großer Empathie beschreiben – wie natürlich auch den Tod ihrer Mutter 1991 oder den Abschied von ihrem Lieblingspartner Mastoianni 1996. Carlo Ponti starb 96jährig 2007. / Vor sechzig Jahren, das steht nicht in ihrer Autobiografie, besuchte Sophia Loren erstmals die Berlinale mit ihrem Film L’ORO DI NAPOLI, vor zwanzig Jahren erhielt sie einen Goldenen Ehrenbären, und die Kinemathek organisierte die Hommage. Sie war ein angenehmer Gast. Jetzt darf man ihr zum 80. Geburtstag gratulieren. Mehr zum Buch: 978-3-492-05656-4

Manfred Georg(e)

2014.Georg(e)Er war promovierter Jurist, aber zum Beruf wählte er den Journalismus und seine Liebe galt vor allem dem Film; seine ersten Kritiken schrieb er 1916. In den 20er Jahren war er Redakteur zunächst beim Ullstein-Verlag, dann beim Mosse-Verlag und ab 1928 wieder bei Ullstein, als Feuilletonchef des Tempo. Da hieß er noch Manfred Georg, schrieb auch für Die Schaubühne und Die Weltbühne, war amerika-kritisch und galt als engierter Intellektueller. Vor den Nazis brachte er sich wegen seiner jüdischen Herkunft in der Tschechoslowakei in Sicherheit, war viel in Paris, schrieb für die Pariser Tageszeitung und emigrierte 1938 in die USA. Er wurde Chefredakteur des Aufbau und nannte sich dann Manfred George. Ab 1951 besuchte er mehrfach die Bundesrepublik, schrieb auch für westdeutsche und Schweizer Zeitungen und starb 1965 in New York. Es ist gut, dass in der Reihe „Film & Schrift“ an Manfred Georg(e) erinnert wird. Jennifer Boormann hat diesmal den einleitenden biografischen Essay geschrieben, der viele interessante Informationen enthält. Dokumentiert sind insgesamt 85 Filmkritiken und sieben andere Texte, darunter eine Hommage an Marlene Dietrich aus dem Jahr 1931. Die Filmkritiken verteilen sich auf die Kaiserzeit (3), die Zeit der Weimarer Republik (34), die NS- und Kriegszeit im Exil (33) und die Jahre 1948 bis 1965 (17). Es werden erstaunlich viele Filme rezensiert, die ihre Bedeutung behalten haben, zum Beispiel DIE STRASSE und SYLVESTER, IM WESTEN NICHT NEUES und MÄDCHEN IN UNIFORM, CONFESSIONS OF A NAZI SPY und THE SEVENTH CROSS, DIE SÜNDERIN, EXODUS und THE MISFITS. Die Texte sind knapp und pointiert formuliert, meinungsfreudig und verzichten auf feuilletonistische Pirouetten. Mehr zum Buch: VAx8axyWGT0

Fest/Stellungen

2014.Fest:StellungenHier ist das 25. „Film- und Fernsehwissenschaftliche Kolloquium“ dokumentiert, das 2012 in Erlangen stattfand. Insgesamt sind 36 Texte abgedruckt. Sechs Beiträge beschäftigen sich – anlässlich des Jubiläums – mit der Geschichte der jährlichen Wissenschaftstagung, die traditionell auf den akademischen Nachwuchs und Mittelbau ausgerichtet ist. Es geht dabei um ihre Geschichte, den Geschlechterdiskurs, das Filmverständnis, das Fernsehen, Filmmusik und Musikvideos und die Medienwissenschaft. Zehn Texte, die mich auch am meisten interessiert haben, konzentrieren sich auf das Thema Film. Bei Sergey Harutoonian geht es um das mittelalterliche Fresco als handlungskonstituierendes Element in Ingmar Bergmans DAS SIEBENTE SIEGEL. Sebastian Knoll schreibt über Zeitlupe, Mikroskopie und Röntgenaufnahmen als naturwissenschaftlichen Blick im Martial-Arts-Film. Eva Lenhardt analysiert die Darstellung des Unsichtbaren in Jean-Luc Godards HÉLAS POR MOI. Nina Rind untersucht sehr konkret den Rhythmusfilm als Metafilm am Beispiel von Hans Richters RHYTHMUS 21. Svatlana Svyatskaya blickt zurück auf Pedro Almodóvars frühen Film PEPI, LUCI, BOM Y OTRAS CHICAS DEL MONTÓN und seinen parodistischen Umgang mit Politik. Ates Gürpinar denkt über die Vermittlung historischer Ereignisse in Atom Egoyans Film ARARAT nach. Julia Kinzler reflektiert über Macht und Überwachung in Shekhar Kapurs ELIZABETH-Filmen. Bei Beatrice Bacu und Peter Klimczak geht es um die Vereinigung des Gegensätzlichen in Claude Berris LUCIE AUBRAC. Ulrike Koch führt uns auf die Treppe in Peter Greenaways PROPERO’S BOOKS und Lukas R. A. Wilde deutet den Traum von der Fokalinstanz in Richard Linklaters WALKING LIFE. Noch drei Hinweise auf Texte in anderen Kapiteln, auf Caroline Henkes’ Referat über Frauen in der Großstadt im deutschen Spielfilm um 1910, auf Fernando Ramos’ Quellenforschung zum ersten Jahrzehnt des Leipziger Universitätsfilmklubs von 1955-1965 und auf Elisabeth Scherers Überlegungen zum Schauplatz Tokyo in Filmen westlicher Regisseurinnen und Regisseure. Viel Lesestoff (rund 400 Seiten), sehr unterschiedliche Blickwinkel, man kann Entdeckungen machen und hofft auf eine akademische Karriere bei einigen Autorinnen und Autoren. Die Abbildungen sind technisch zum Teil grenzwertig. Mehr zum Buch: fest-stellungen.html

Zur Ästhetik des „American Way of Life“

2014.Ne-aktionistischer AufbruchEine Dissertation aus Weimar. Anke Steinborn, inzwischen Medienwissenschaftlerin in Cottbus, untersucht in ihrer Doktorarbeit die Ästhetik, die Krise und den medialen Wandel des „American Way of Life“. Sie konfrontiert in einer theoretisch fundierten Analyse den Film THE THRILL OF IT ALL von Norman Jewison aus dem Jahre 1963 (deutscher Titel: WAS DIESE FRAU SO ALLES TREIBT) mit den Filmen FIGHT CLUB (1999) von David Fincher, AMERICAN BEAUTY (1999) von Sam Mendes und LOST IN TRANSITION (2003) von Sofia Coppola. In der Komödie von Jewison avanciert eine Arztfrau (gespielt von Doris Day) zum Fernsehstar für Seifenreklame, kehrt aber nach Konflikten mit ihrem Mann (James Garner) in den Kreis der Familie zurück und freut sich auf ein drittes Kind. Die mediale Ästhetisierung amerikanischer Werte macht die Autorin vor allem an drei sinnbildlichen Mythen fest: dem Vorstadtheim als Symbol des amerikanischen Lebensstils, dem Automobil als Fahrzeug auf rechten Wegen und Abwegen und dem Baby als erfüllendem Abschluss. In einem sehr sachkundigen Exkurs zum amerikanischen Design der 1930er bis 60er Jahre werden auch außerfilmische Phänomene des American Way of Life anschaulich gemacht. In den drei Filmen der Jahre 1999/2003 geht es analog in FIGHT CLUB um die Einbauküche als Indikator, die Crashs bei Wegen und Umwegen und das Project Mayhem als explosiven Ausbruch, in AMERICAN BEAUTY um das Ehebett als Symbol suburbaner Immobilität, den U-Turn in Einbahnstraßen und Sackgassen und rauchende Colts als implosiven Aufstand, in LOST IN TRANSITION um das Grand Hotel als Ikone zwischen Schein und Heim, um Stop and Go bei Haltestellen und der Suche nach Auswegen und um poetisches Verhalten als diffuse Annäherung. Es handelt sich hier – so die nachvollziehbare These der Autorin – um einen filmischen Aufbruch, um einen Wechsel vom Symbolischen zum Performativen. Wichtigste theoretische Begleiter sind Jean Baudrillard, Gilles Deleuze und Félix Guattari. 284 Abbildungen in guter Qualität belegen die analytischen Befunde. Coverfotos: THE THRILL OF IT ALL und FIGHT CLUB. Mehr zum Buch: 36&products_id=437

Greta Garbo

2014.GarboDies ist ein biographischer Roman, und er ist lesenswert. Erstens, weil Greta Garbo eine der großen, inzwischen mythischen Figuren der Filmgeschichte ist. Zweitens, weil die Autorin Lena Einhorn mit großer Sensibilität zwei existentielle Phasen aus dem Leben der Schauspielerin erzählt. Es sind die Jahre 1921-25 in Schweden und (kurzfristig) in Deutschland und die Jahre 1926-28 in den USA. Als sie die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule in Stockholm besteht, heißt sie noch Greta Gustafsson. Sie wirkt eher verschlossen, ist sehr ehrgeizig, aber unberechenbar. Mit ihrer Kollegin Mimi Pollak beginnt eine intensive Liebesgeschichte, die auch in Briefen dokumentiert ist. Eine enge Verbindung hat sie zu ihrer älteren Schwester Alva, die ebenfalls Schauspielerin wird, aber im Alter von 23 Jahren stirbt. Und zum wichtigsten Mann in ihrem jungen Leben wird der Regisseur Mauritz Stiller, genannt Moje, der ihr in der Selma Lagerlöf-Verfilmung GÖSTA BERLING eine wichtige Nebenrolle gibt und damit die Grundlage für ihre Karriere legt. Zwischen der Liebe zu Mimi und den beruflichen und privaten Ansprüchen von Moje wird sie fast zerrissen. Ein Projekt in Konstantinopel scheitert, weil der deutsche Koproduzent insolvent wird. In Deutschland dreht Garbo 1925 unter der Regie von G. W. Pabst DIE FREUDLOSE GASSE, unterschreibt dann einen Vertrag bei MGM und geht mit Mauritz Stiller nach Hollywood. Ein Kunstgriff der Autorin ist, dass sie Episoden der amerikanischen Jahre relativ früh in die schwedische Zeit einblendet. Und es gibt ein doppeltes Ende: die kurzfristige Rückkehr 1928 nach Schweden nach dem Tod von Moje Stiller und die „letzte Einstellung“, einen Dialog aus der Zusammenarbeit mit dem Kameramann William A. Daniels (Bill). Lena Einhorn hat gut recherchiert, was die Theater- und Filmarbeit betrifft, und ein spannendes Psychodrama geschrieben, das viel aus dem Innenleben der jungen Greta Garbo verrät. Mehr zum Buch: Greta%20Garbo.html