08. September 2021
Große US-Western
Reinhard Marheinecke und Peter L. Stadlbaur sind große Westernfans. Das macht ihre Bücher „Präriebanditen“ und „Schießerei am O. K. Corral“ so lesenswert. Ihr neues Buch ist eine Hommage an große Western aus der Zeit zwischen 1941 und 1971. Sie haben zwanzig Titel ausgewählt und dabei auf Filme von John Ford und Howard Hawks verzichtet. Die folgenden zehn Texte haben mir besonders gut gefallen: über SEVEN MEN FROM NOW von Budd Boetticher, THE TEXAS RANGERS von Phil Karlson, THE GREAT NORTHFIELD MINNESOTA RAID von Philip Kaufman, WINCHESTER 73 und MAN OF THE WEST von Anthony Mann, THE LEFT HANDED GUN von Arthur Penn, ESCAPE FROM FORT BRAVO und BAD DAYS AT BLACK ROCK von John Sturges, THE SUNDOWNERS von George Templeton und MAN WITHOUT A STAR von King Vidor. In den Texten gibt es viele Verweise auf andere Filme, biografische Informationen, kurze Sequenzanalysen und originelle Assoziationen. Von Reinhard Marheinecke stammt ein einleitender Essay zur Geschichte des Westernfilms. Das Cover der Illustrierten Film-Bühne oder eines anderen Programmhefts eröffnet jeden Beitrag. Mit SW-Abbildungen in guter Qualität. Cover-Abbildung: THE GUNFIGHTER von Henry King mit Gregory Peck. Mehr zum Buch: https://buchfindr.de/autoren/stadlbaur-peter-l/
07. September 2021
In der Männer-Republik
Im Kino ist zurzeit der Doku-mentarfilm DIE UNBEUG-SAMEN von Torsten Körner zu sehen. Ich finde ihn hervor-ragend. Der Blick zurück in die Bonner Republik, als Frauen zunächst noch keine Ministe-rinnen werden konnten, ist erschreckend. In beeindrucken-den Interviews erinnern sich u.a. Herta Däubler-Gmelin (SPD), Marie-Elisabeth Klee (CDU), Ursula Männle (CSU), Christa Nickels (Die Grünen), Ingrid Matthäus-Maier (FDP/SPD), Carola von Braun (FDP), Renate Schmidt (SPD) und Rita Süßmuth (CDU) an den Kampf um Gleichberechtigung. Historische Aufnahmen zeigen Auftritte im Parlament von Aenne Brauksiepe (CDU), Hildegard Hamm-Brücher (FDP), Waltraud Schoppe und Petra Kelly (Die Grünen). Dabei werden die eigenen Erinnerungen an diese Zeit aktiviert. Zeitgleich mit dem Film ist die Paperback-Ausgabe des Buches „In der Männer-Republik“ von Torsten Körner (*1965) publiziert worden. Es vertieft die Filmeindrücke durch umfangreiche Porträts der oben genannten Frauen und ausführliche Hinweise auf Protagonistinnen, die im Film nicht vorkommen, zum Beispiel Marie-Elisabeth Lüders, Annemarie Renger, Elisabeth Schwarzhaupt, Antje Vollmer, Jeanette Wolff. Interessante Lektüre in einer Zeit, in der wir uns von einer Bundeskanzlerin verabschieden. Coverabbildungen: Rita Süßmuth, Petra Kelly, Angela Merkel. Mehr zum Buch: in-der-maenner-republik-9783462001846
05. September 2021
LA DOLCE VITA (1960)
Dies ist der wohl bekannteste und populärste Film von Federico Fellini. Er wurde 1960 in Cannes uraufgeführt und mit der „Goldenen Palme“ ausge-zeichnet. Schauplatz: Rom. Thema: die High Society. Hauptfigur ist der Boulevard-Journalist Marcello Rubini, den wir bei seiner Arbeit und in seiner Freizeit begleiten. Zu Beginn schwebt er mit einem Helikopter über Rom und beobachtet die Ankunft einer Christusstatue im Vatikan. In einem Nachtclub begegnet er der wohlhabenden Maddalena, mit der er die Nacht verbringt. In seine Wohnung zurückgekehrt, findet er dort seine Verlobte Emma, die einen Suicidversuch unternommen hat. Er bringt sie ins Krankenhaus. In Rom trifft der Filmstar Sylvia ein, der von den Reportern umworben wird. Marcello tanzt mit ihr bei einer abendlichen Party, sie baden nachts im Trevi-Brunnen. Dies ist die berühmteste Szene des Films. Der Reigen durch die Stadt setzt sich fort, es gibt Konflikte, immer neue Begegnungen und Konstellationen, die wir mit Marcello erleben. Am Ende befinden wir uns am Strand eines Landhauses, wo weiter gefeiert wird, Marcello mittendrin. Der fast dreistündige Film ist noch immer sehr unterhaltsam, hat große Momente und glänzt durch herausragende Darsteller und Darstel-lerinnen: Marcello Mastroianni als Reporter Marcello, Anita Ekberg als Star Sylvia, Anouk Aimée als Maddalena, Yvonne Furneaux als Emma, Lex Barker als Verlobter von Sylvia. Adriano Celentano spielt einen Rocksänger. Bei Studio Canal ist jetzt eine restaurierte Fassung des Films als DVD erschienen. Zu den Extras gehört der Dokumentarfilm THE TRUTH ABOUT LA DOLCE VITA von Giuseppe Pedersoli mit Aufnahmen von den Dreharbeiten (82 Minuten). Mehr zur DVD: das_suesse_leben-digital_remastered
03. September 2021
DIE FRAU MEINER TRÄUME
Im Sommer 1944 wurde der Ufa-Film von Georg Jacoby in Berlin uraufgeführt. Er war beim Publikum außerordentlich erfolgreich. Marika Röck als Hauptdarstellerin, Wolfgang Lukschy und Walter Müller als ihre Partner, die Agfa-Color-Farben und das Genre Revue-film haben den Erfolg sehr befördert. Ein entscheidender Faktor war aber die Musik von Franz Grothe. Lieder wie „In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine“, „Ach, ich liebe alle Männer“ und „Ich warte auf Dich“ wurden zu Schlagern der Saison. Die Liebesgeschichte zwischen dem Revuestar Julia Köster (Röck) und dem Oberingenieur Groll (Lukschy), begleitet von dem Ingenieur Forster (Müller) und der Jungfer Luise (Grete Weiser) ist originell, die Kameraführung (Konstantin Tschet) hat große Qualitäten. Joseph Goebbels fand den Film „ordinär und zu plump“ (Felix Moeller in „Der Filmminister“, S. 280). Die gesamte Partitur der Filmmusik ist jetzt in einem Buch dokumentiert, das im Verlag des Filmarchivs Austria erschienen ist. In einem zwölfseitigen Essay beschreibt Stefan Schmidt Kontext, Struktur und Semantik von Franz Grothes Filmmusik. Ein beeindruckender Text. Dies ist der erste Band der neuen Reihe „Filmmusik in historisch-kritischen Editionen“, herausgegeben von Stefan Schmidt. Ich bin gespannt auf die nächsten Bände. Mehr zum Buch: filmarchiv.at/bestellen/shop/die-frau-meiner-traeume/
02. September 2021
Katastrophe
Im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main ist zurzeit die Ausstellung „Katastrophen“ zu sehen. Sie wurde von Stefanie Plappert kuratiert, die auch für die Redaktion des Katalogs verantwortlich zeichnet. Ihre Einführung ist eine „kulturelle Imaginationsgeschichte der Klimakatastrophe“. Weitere Katastrophenbetrachtungen stammen von Jörg Trempler (Katastrophe im Bild), Volker Mosbrugger (Naturkatastro-phen), Solveig Nitzke (Katastrophen in der Literatur) und Jacob Lillemose (Postapokalyp-tische Bildwelten in Katastrophenfilmen). Sechs Phasen strukturieren die Katastrophenbilder der Ausstellung: Idylle, Warnsignale, Katastrophe, Rettungsbemühungen, Apokalypse, Neuanfang. 19 Fachleute äußern sich dann zu der Frage „Was kommt nach der Katastrophe?“, darunter die Literaturwissenschaftlerin Mirjam Wenzel, der Neurowissenschaftler Adrian M. Owen Obe, die islamische Theologin Muna Tatari, die Politikwissenschaftlerin Dr. Gülistan Gürbey, der Weihbischof Rolf Lohmann, der Technikphilosoph Armin Grunwald, die Bestatterin Susanne Jung, die Biologin Gülcan Nitsch, der Psychologe Richard Wiseman, die freie Künstlerin Ankabuta, die Atmosphärenforscherin Mira Pöhlker, die Umweltaktivistin Tina Velo und der Journalist Bernd Ulrich. Der Anhang enthält eine Auswahl-Filmografie und -Bibliografie. Die Abbildungen haben eine sehr gute Qualität. Der Katalog ist unbedingt lesenswert, die Ausstellung ist noch bis Januar 2022 zu sehen. Mehr zum Katalog: www.dff.film/ausstellung/katastrophe/#katalog
01. September 2021
Filmfestspiele Venedig
Mit dem Film PARALLEL MOTHERS von Pedro Almo-dóvar werden heute in Venedig die 78. Internationalen Film-festspiele eröffnet. 21 Langfilme konkurrieren um den Goldenen Löwen, darunter THE CARD COUNTER von Paul Schrader mit Oscar Isaac und Willem Dafoe, COMPETENTIA OFICIAL von Gastón Duprat und Mariano Cohn mit Penélope Cruz und Antonio Banderas, È STATA LA MANO DI DIO von Paolo Sorrentino mit Filippo Scotti, THE LOST DAUGHTER von Maggie Gyllenhaal mit Olivia Coleman, THE POWER OF THE DOG von Jane Campion mit Benedict Cumberbatch und Kirsten Dunst, SPENCER von Pablo Larrain mit Kristen Stewart als Prinzessin Diana, SUNDOWN von Michel Franco mit Tim Roth. Außer Konkurrenz werden u.a. DUNE von Denis Villeneuve, THE LAST DUEL von Ridley Scott, ONE NIGHT IN SOHO von Edgar Wright und HALLOWEEN KILLS von David Gordon Green gezeigt. Die Vielfalt des Programms ist beeindruckend. Der Jury unter Leitung des PARASITE-Regisseurs Bong Joon-ho gehören der italienische Filmemacher Saverio Costanzo, die belgisch-französische Schauspielerin Virginie Efira, die britische Schauspielerin Cynthia Erivo, die kanadische Schauspielerin Sarah Gadon, der deutsch-rumänische Filmemacher Alexander Nanau und die chinesische Filmemacherin Chlóe Zhao (NOMADLAND) an. Am 11. September werden die Löwen verliehen. Goldene Löwen für ihr Lebenswerk erhalten in diesem Jahr der Regisseur Roberto Benigni und die Schauspielerin Jamie Lee Curtis. Mehr zum Programm: Internationale_Filmfestspiele_von_Venedig_2021 oder: labiennale.org/en/cinema/2021
31. August 2021
Ein ewiger Augenblick
Vor zwei Wochen ist der Schau-spieler Fritz Wepper 80 Jahre alt geworden. Seine Autobiografie, die er zusammen mit Anna Butterbod geschrieben hat, ist gerade im Heyne Verlag erschienen. Selbstbewusst, aber uneitel wird darin ein Leben erzählt, das dominiert war von Rollen im Film und vor allem im Fernsehen. Als Kind sprach Wepper bereits in Hörfunk-sendungen des Bayerischen Rundfunks, mit elf stand er erstmals auf der Bühne, mit dreizehn spielte er eine Minirolle in dem Film SAUERBRUCH – DAS WAR MEIN LEBEN. International bekannt wurde er 1959 durch den Film DIE BRÜCKE von Bernhard Wicki. Als einziger der sieben Jungen überlebt er und verlässt in der Schlusseinstellung den Schauplatz. 1964 wurde er für seine Darstellung in KENNWORT: REIHER mit einem „Filmband in Gold“ als bester Nachwuchsdarsteller ausgezeichnet. 1972 hatte er eine tragende Rolle in CABARET mit Liza Minnelli. Ab 1969 war er Kriminalhauptmeister Keller in der Krimiserie DER KOMMISSAR mit Erik Ode als Chef und wechselte 1974 zum Assistenten von DERRICK (Horst Tappert). Von 2002 bis Juni 2021 spielte Wepper den Kalten-thaler Bürgermeister Wolfgang Wöller in der ARD-Serie UM HIM-MELS WILLEN. Gelegentlich stand Fritz Wepper auch gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Elmar vor der Kamera. In seiner Autobiografie erfahren wir viel über sein berufliches Leben, aber auch das private ist nicht ausgespart: die Liaison mit Iris Berben, die Ehe mit Angela von Morgen, die dreijährige Partnerschaft mit der sehr viel jüngeren Kamerafrau und Regisseurin Susanne Kellermann, die Rückkehr zur Ehefrau, die 2019 gestorben ist. Der Tonfall ist nie indiskret, es gibt eine spürbare Empathie. Lesenswert. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: Fritz-Wepper/Heyne/e590442.rhd
29. August 2021
CITY OF LIES (2018)
Der Schauspieler Johnny Depp geriet 2018 in die Schlagzeilen, weil er sich gegen Gewaltvor-würfe seiner Exfrau Amber Heard wehren musste. Darauf-hin wurde der Kinostart seines neuen Films, CITY OF LIES, weltweit abgesagt. In den USA wurde der Film ab März 2021 in ausgewählten Kinos gezeigt, in Deutschland kam er bisher nicht auf die Leinwand. Bei Koch Media ist jetzt die DVD erschienen. Basierend auf dem Roman „Labyrinth: A Detective Investigates the Murder of Tupac Shakur and Notorius B.I.G., the Implication of Death Row Records’ Suge Knight, and the Origins oft he Los Angeles Police Scandal“ von Randall Sullivan dokumentiert der Film die schwierigen Ermittlungen von Russell Poole (Johnny Depp) bei der Aufklärung der Morde an der Rap-Legende Tupac Shapur und seines Kollegen und Konkurrenten Notorius B.I.G. Unterstützt wird Poole von dem Journalisten Jack Jackson (Forest Whitaker). Der Blick in den Polizeiapparat und die Rap-Musikszene von Los Angeles ist spannend. Brad Furmans Regie wirkt sehr professionell. Sehenswert. Mehr zur DVD: dvd/details/view/film/city_of_lies_dvd/
27. August 2021
8mm DDR
Eine Dissertation, die an der Westfälischen Wilhelms-Uni-versität Münster entstanden ist. Sebastian Thalheim untersucht darin Familienfilme als Alltags-praxis, Konsumgut und Erinnerungsmedium in der DDR. Wie wurden Familie und Freizeit in den Schmalfilmen der DDR dokumentiert? Wie verhielt sich die private Darstellung zu den staatssozialistischen Utopien? Welches Bild der DDR wird durch die Familienfilme sichtbar und prägt als visuelles Erbe die Erinnerungen? Eine systematische Archivierung der privaten Filmmaterialien ist bisher nicht erfolgt. So musste sich der Autor, der selbst über den Bestand seiner Großeltern verfügt, auf die Suche nach entsprechendem Material machen. Er hat 14 andere Bestände ermittelt und konnte in vielen Fällen die Besitzerinnen und Besitzer persönlich interviewen. Damit erweiterte er seine Erkenntnisse über die Hintergründe des Materials, dessen Umfang insgesamt 27 Stunden betrug. Das war die Basis für seine Analyse. Eigene Kapitel sind der Fotokinoindustrie und den Schmalfilmapparaturen in der DDR, der Ratgeberliteratur und dem Familienfilm in der Werbung gewidmet. Der Text ist differenziert formuliert, die Analysen führen zu interessanten Ergebnissen. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: ndex.cfm?view=3&titel_nr=9120
26. August 2021
Nach dem Rundfunk
Der Medienwissenschaftler und Soziologe Hermann Rotermund beschreibt in fünf Kapiteln die Transformation der Massen-medien Radio und Fernsehen zum Online-Medium. Der Medienwandel wird durch eine historische Darstellung seit 1900 deutlich gemacht, wobei Disruptionen, Digitalisierung und Konvergenz eine wichtige Rolle spielen. Die Regulierung führte zum Rundfunk als Staatsaufgabe. Das Rundfunk-recht seit 1945 und die Leitideen der Rundfunkfreiheit hatten politisch und gesellschaftliche ihre Logik, sie führten zu Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft. In der Organisation der Strukturen und Inhalte, im Datenmanagement und der Crossmedialität gab es Schwächen, die schwer zu beheben sind. Deshalb plädiert Rotermund für ein Konzept von Public Value, das gemeinnützig funktioniert und größere Dimensionen hat. Es gibt Szenarien des Nichtgelingen und des Gelingens, die der Autor realistisch beschreibt. Seine Sachkenntnis ist beeindruckend, die Lektüre des Buches ist spannend, weil die medialen Veränderungen ein wichtiges Thema sind, das selten so konkret dargestellt wird. Auch die juristische Ebene spielt dabei eine große Rolle. Lesenswert. Mit 30 Seiten Literaturhinweisen als Anhang. Mehr zum Buch: nach-dem-rundfunk/

