Elfi Mikesch

2015.Elfi MikeschAm kommen-den Sonntag wird die Kamerafrau, Regisseurin und Fotografin Elfi Mikesch 75 Jahre alt. Heute Abend wird das im Kulturradio des rbb mit dem Porträt „Die Bilderwelten der Elfi Mikesch“ von Claudia Lenssen gefeiert. Ich habe die Filmarbeit von Elfi von Anfang an bewundert, war von ihrem Dokumentarfilm WAS SOLL’N WIR DENN MACHEN OHNE DEN TOD (1980) tief beeindruckt, erinnere mich gern an ihren Porträtfilm VERRÜCKT BLEIBEN – VERLIEBT BLEIBEN (1997), an den ich oft beim U-Bahn-Fahren denke, finde ihren Film über Werner Schroeter, MONDO LUX (2011), überragend, halte ihre Spurensuche in dem Spielfilm FIEBER (2014) mit Eva Mattes und Martin Wuttke für unterschätzt und hoffe, dass sie noch viele eigene Filme machen kann. Sie hat als Kamerafrau für Rosa von Praunheim, Werner Schroeter und Monika Treut Großes geleistet; sie ist eine der kreativsten Foto-grafinnen, die ich kenne. Ihr Buch „Traum der Dinge. Photographien 1967 – 2002“, erschienen 2004 im Martin Schmitz Verlag, beweist das. Sie nimmt ihre Mitgliedschaft in der Akademie der Künste ernst und bringt sich dort mit Veranstaltungen ein. Ich fühle mich mit Elfi befreundet, verehre sie als Künstlerin, gratuliere ihr herzlich zum Geburtstag und wünsche ihr noch ein langes Leben zusammen mit ihrer Partnerin Lilly Grote. Mehr zu Elfi Mikesch auf ihrer Website http://elfi-mikesch.com/

DAS GROSSE MUSEUM

2015.DVD.Das große MuseumWir haben kürzlich, geführt von dem mit uns befreundeten Kurator Franz Kirchweger, die Kunstkammer Wien im Kunsthistorischen Museum besucht, die vor zwei Jahren nach einer Neugestaltung wieder eröffnet wurde. In zwanzig Themenräumen werden dort Gold-schmiedearbeiten (wie die berühmte Saliera von Benvenuto Cellini), Skulpturen, Bronze-figuren, Elfenbein-arbeiten, wissenschaft-liche Instrumente, Uhren, Spiele, technische Automaten und einige Gemälde präsentiert. Die über 2.000 Exponate sind in auffallend hohen Vitrinen ausgestellt und bekommen durch die Lichtgestaltung von Olafur Eliasson eine spezielle Ausstrahlung. Ein beeindruckender Gang durch 800 Jahre Kunst- und Kulturgeschichte. – Im vergangenen Jahr wurde im Forum der Berlinale der Film DAS GROSSE MUSEUM von Johannes Holzhausen gezeigt, den ich damals nicht gesehen habe. Jetzt ist bei „navigator film“ die DVD des Films erschienen, die sehr zu empfehlen ist. Holzhausen hat 14 Monate lang das Innenleben im Kunsthistorischen Museum beobachtet: Konferenzen und Budget-Besprechungen, Platzierungen und Hängungen, Verhandlungen der Generaldirektorin  und des Kaufmännischen Direktors, alltägliche Arbeitsvorgänge, die Verabschiedung eines Direktors in den Ruhestand und am Ende die Eröffnung der Kunstkammer durch den Bundespräsidenten. Der Film verzichtet auf einen Kommentar. Er nutzt Bildperspektiven für optische Effekte, und das Gebäude mit seinen Deckengemälden bietet eigene Schönheiten. Manche Beobachtungen werden dramaturgisch nicht aufgelöst, der gesamte Besucherbereich ist ausgespart (im Gegensatz zu Frederick Wisemans THE NATIONAL GALLERY), aber der Blick hinter die Kulissen einer ehrwürdigen Institution bietet viele Überraschungen und Impressionen, die spannend und aufschlussreich sind. Das Booklet enthält zwei informative Texte von Philipp Blom („Über das Lachen im Museum“ und über den Film DAS GROSSE MUSEUM) sowie ein Gespräch von Claus Philipp mit Johannes Holzhausen. Auf einer Bonus-DVD findet man nicht verwendete Szenen, Aufnahmen von Automaten und Geräten im Betrieb und ein Interview mit dem Regisseur Holzhausen. Mehr zum Film: das-grosse-museum.html

Kino im Berliner Osten 1900-1930

Bild 2Über die Geschichte des frühen Kinos in Deutsch-land ist inzwischen umfangreich geforscht und publiziert worden, aber es lassen sich, wie das Buch „Die Welt im Licht“ von Esther Sabelus und Jens Wietschorke zeigt, noch viele Lücken füllen. Vor allem über die soziale Zusammensetzung des Kinopublikums vor dem Ersten Weltkrieg und seine Rezeptionsweisen wissen wir zu wenig, auch wenn die Dissertation von Emilie Altenloh „Zur Soziologie des Kino“ (publiziert 1914) Grundlagen geschaffen hat. Ihr Terrain war damals Mannheim und Heidelberg. Sabelus und Wietschorke fokussieren ihren Blick auf den Berliner Osten, einstmals die klassische Arbeitergegend der deutschen Hauptstadt. Der von ihnen zusammengestellte Band enthält sieben Quellentexte: die Berichte über die Kinematographen-Theaterbesuche von Eduard Bruhns (1912), den Essay „Kino im Osten“ von Elisabeth Benzler (um 1916), den Text „Kino in der Münzstraße“ von Siegfried Kracauer (1932), einen Text von E. Schmid über „Lichtspieltheater in der Frankfurter Alle, Südseite“ (um 1930) und drei anonyme Texte über Kinos der Region (auch um 1930). Mit kommentierenden Essays geben Sabelus und Wietschorke den Quellentexten einen vertiefenden Hintergrund. So erfahren wir zunächst etwas über die „Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-Ost“ (SAG), die 1911 gegründet wurde und in kleinen Feldstudien empirische Sozialforschung betrieb. Als Beispiel dafür werden die Aufzeichnungen des Theologie-Studenten Eduard Bruhns dokumentiert. Sehr lesenswert ist der dann folgende Essay von Esther Sabelus „Vom Lärmen Berliner kinematographischer Theater“, in dem es um die Rolle der „Kino-Erklärer“ geht, die in der Stummfilmzeit – neben der Musik – eine wichtige Funktion hatten. Sabelus führt auch in den Text der damaligen Lehrerin Elisabeth Benzler ein und erweitert den Horizont mit ihrem Blick auf die Anfänge der Kinoforschung. Wietschorke referiert über Siegfried Kracauer und das Berliner Kino um 1930 und informiert über die Kartografierung der frühen Kinos. Sabelus dokumentiert in einer umfänglichen Listung die Kinos in den Straßen des Berliner Ostens, die auf einer beigelegten Karte verzeichnet sind, beginnend mit dem noch heute existierenden Babylon. Das Buch beeindruckt nicht nur durch seinen hohen Informationswert, sondern auch durch die vielen Abbildungen in bester Druckqualität. Mehr zum Buch: programm/kino-berlin/

Ingrid Bergman

2015.BergmanSie kam 1939 aus Europa nach Hollywood, wurde zu einer Ikone des amerikanischen Starkinos, kehrte zehn Jahre später nach Europa zurück, ging eine skandalträchtige Partnerschaft mit dem Regisseur Roberto Rossellini ein, von dem sie sich nach sieben Jahren wieder trennte und setzte ihre Filmkarriere fort, die mit der HERBST-SONATE von Ingmar Bergman endete. Die Namensnähe hat fast metaphorischen Charakter. Am 29. August wird der 100. Geburtstag von Ingrid Bergman gefeiert. Sie starb an ihrem 67. Geburtstag in London an einer Krebserkrankung. Birgit Haustedt hat jetzt bei Ebersbach & Simon ein schönes Buch über Ingrid Bergman publiziert. Es ist nicht so umfassend wie die Biografie von Donald Spoto (1998), nicht so bildreich wie der Prachtband von Lothar Schirmer und der Bergman-Tochter Isabella Rossellini (2013), es wirkt fast bescheiden, aber es ist kenntnisreich geschrieben, die Abbildungen sind gut ausgewählt und haben drucktechnisch eine hohe Qualität. IB-Fans erwarten natürlich mehr von einem Buch über ihren Star, aber für neugierige, kulturell interessierte Leserinnen und Leser ist dies ein empfehlenswerter Einstieg. Manuela Reichart hat kürzlich bei Deutschlandradio Kultur hörenswert darüber gesprochen, das ist hier zu lesen: 319493 . Mehr zum Buch: ingrid-bergman

1965. Der kurze Sommer der DDR

Decker_24735_MR.inddEs war das berühmte, folgenreiche 11. Plenum des Zentralkomitees der SED, das im Dezember 1965 die Aufbruchs-stimmung bei vielen Künstlern der DDR zum Erliegen brachte, das zu einem Dutzend Verboten neuer DEFA-Filme führte und für die Literatur, das Theater, das Kino, die Musik und die Bildende Kunst in der DDR fatale Konsequenzen hatte. Zentrale Themen des 11. Plenums waren die Wirtschaft und die Kultur. Zur Schlüsselfigur wurde Erich Honecker, der sich mit Walter Ulbricht einen internen Machtkampf lieferte und, unterstützt von seiner Frau Margot, die von Ulbricht zunächst akzeptierten Reformen in den Bereichen Jugend und Kultur rigoros stoppte. Das Buch von Gunnar Decker erzählt die Geschichte des Jahres 1965 in vielen Facetten, aus unterschiedlichen Perspektiven, nimmt natürlich Partei für die kreativen Künstler und ist eine höchst spannende Lektüre. Drei große Kapitel teilen den Text: „Der Aufstieg“, „Der Absturz“, „Die Trümmer“. Strukturiert wird er durch zahlreiche Unterkapitel, in denen oft eine Person im Zentrum steht. Das sind für den Bereich Literatur u.a. Erwin Strittmatter, Stephan Hermlin, Brigitte Reimann, Christa Wolf, Franz Fühmann, Maxie Wander, Hermann Kant, Werner Bräuning, Fritz Rudolf Fries, Erik Neutsch, Johannes Bobrowski, Benno Pludra, Stefan Heym, Helga M. Novak, Volker Braun und am Rande auch Anna Seghers, fürs Theater Wolfgang Langhoff, Adolf Dresen, Heiner Müller, Benno Besson, Peter Hacks, für den Film Heiner Carow (mit dem Verbotsfilm DER VERLORENE ENGEL und dem langwierigen Projekt „Simplicius Simplizissimus“), Egon Günther (mit WENN DU GROSS BIST, LIEBER ADAM und ABSCHIED), Kurt Maetzig (mit der Auseinandersetzung um DAS KANINCHEN BIN ICH), Frank Beyer (mit dem späten Verbot von SPUR DER STEINE), Konrad Wolf, der sich relativ spät zu Wort gemeldet hat, für die Bildende Kunst Fritz Cremer, Willi Sitte, für die Musik Wolf Biermann (auch weit über die Musik hinaus), Klaus Renft, für die Philosophie Wolfgang Heise (der Vater von Thomas Heise), für die Naturwissenschaft Robert Havemann, für die Politik – neben Honecker und Ulbricht – vor allem Alexander Abusch, Hans Bentzien, Klaus Gysi, Kurt Hager, Alfred Kurella, Hans Rodenberg, Paul Verner und Siegfried Wagner. Ich habe in den 1960er Jahren viel über die DEFA und die DDR-Kultur publiziert, deshalb sind mir die genannten Personen relativ vertraut. Und insofern war für mich die Lektüre des Buches auch ein Stück Erinnerungsarbeit. Meine einzige Kritik an Deckers Text: die Literatur wird gegenüber dem Film überproportional gewürdigt. Coverfoto: SPUR DER STEINE. Mehr zum Buch: 1965/978-3-446-24735-2/

John Cleese

2015.CleeseEr war als Autor und Darsteller der Kopf der Monty Pythons. Geboren 1939 in Weston-super-Mare, Somerset. In der Schule fiel er auf wegen seiner Größe: 1,96 bereits mit 13 Jahren. Damit war er die Zielscheibe vieler Witze und musste schlagfertig sein. Er studierte Jura am Downing College in Cambridge, wurde Mitglied der „Cambridge Footlight Revue“, wo er auch Graham Chapman kennen lernte. Nach der Promotion war er Autor für die BBC, lernte bei einer USA-Tournee Terry Gilliam kennen, arbeitete mehrere Jahre für eine Radiocomedy, wechselte ins Fernsehen und gründete 1969 mit Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin, Chapman und Gillian die Monty Pythons. Ihr „Flying Circus“ war eine legendäre Show der 1970er Jahre. In drei Staffeln hat John Cleese mitgewirkt, dann verließ er die Gruppe. Im vergangenen Jahr erschien in London seine Autobiographie „So, Anyway…“, die jetzt, in einer sehr guten Übersetzung von Yvonne Badal, der Blessing Verlag veröffentlicht hat: „Wo war ich noch mal?“. Cleese erzählt hier seine Lebensgeschichte bis zur Gründung von Monty Pythons: seine Kindheit und Jugend (mit einer schwierigen Mutter), seine Schul- und Studienzeit, die Entdeckung seiner komischen Talente, die berufliche Entwicklung im Rundfunk. Die Lektüre ist überwiegend amüsant, weil der Autor natürlich immer die komischen Elemente zur Geltung bringt, auch wenn sie manchmal makaber wirken oder einen tragischen Hintergrund haben. In der zweiten Hälfte des Buches sind viele Sketche dokumentiert, die uns einen genaueren Blick in die Denk- und Formulierungsweise von Cleese erlauben. Der Autor ist ein Liebhaber des Absurden, er hat eine Affinität zur deutschen Literatur und Philosophie, er ist – nicht nur physisch – ein großer Komiker. Mit vielen Abbildungen. Mehr zum Buch: John-Cleese/e438948.rhd

Die moderne Stadt

2015.DVD.Moderne StadtNatürlich spielten Archi-tektur und Wohnungsbau nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine große Rolle. Und der Film wurde ein-gesetzt, um für neue Stadt- und Verkehrsmodelle zu werben oder die Ergebnisse zu kritisieren. Ralph Eue und Florian Wüst haben sechs Filmessays der 1950er und 60er Jahre bei Absolut Medien auf einer DVD ediert, die ein interessantes Spektrum abbilden: EN DAG I STADEN/EIN TAG IN DER STADT (1956) von Pontus Hultén und Hans Nordenström – eine Satire über das Leben in Stockholm. FÜR EINEN PLATZ AN DER SONNE (1959) von Rudi Hornecker – ein Porträt des Baustadtrats Ernst May mit der Gegenüberstellung von Eigenheimen und Massenwohnungen. DIE STADT (1960) von Herbert Vesely – eine Montage der Widersprüche zwischen der Sehnsucht nach Ruhe und der Realität einer lautstarken Stadt. BAU 60 (1961) von Dieter Lemmel – Beobachtungen auf einer Baustelle. BAG DE ENS FACADER / HINTER DEN GLEICHEN FASSADEN (1961) von Peter Weiss – eine Reportage über das Leben in einer Vorstadt von Kopenhagen. DIE GEMORDETE STADT (1965) von Manfred Durniok – ein kritischer Essay über das Bauen in Westberlin. Alle Filme spitzen zu, suchen kontrastreiche Bilder, wurden in schwarzweiß gedreht. Zum Bonusmaterial gehört der Film DIE STADT VON MORGEN – EIN FILM VOM STÄDTEBAU (1930) von Maximilian von Goldbeck und Erich Kotzer (stumm). Das beigefügte Booklet ist sehr informativ. Mehr zur DVD: 4033/Die+moderne+Stadt

Ernst Haas: On Set

Bild 2Er war einer der großen Foto-grafen des 20. Jahrhunderts. Ernst Haas (1921-1986), geboren in Wien, gehörte ab 1950 zur Magnum-Agentur, hat sich vielen Themen gewidmet, in Schwarzweiß und Farbe gearbeitet, war für renommierte Zeitschriften und Magazine als Reporter unterwegs. Bei Steidl ist jetzt ein schöner Band mit Set-Fotografien von ihm erschienen, herausgegeben von John P. Jacob (der auch die Einleitung geschrieben hat), mit einem würdigenden Essay von Walter Moser. Aufnahmen zu 23 Filmen sind hier in bester Qualität dokumentiert, beginnend mit THE THIRD MAN (1949) von Carol Reed, über LAND OF THE PHARAOS (1955) von Howard Hawks, MOBY DICK (1956) von John Huston, THE BIG COUNTRY (1958) von William Wyler, THE MISFITS (1961) von John Huston, THE TRAIN (1964) von John Frankenheimer, HELLO, DOLLY! (1969) von Gene Kelly, LITTLE BIG MAN (1970) von Arthur Penn, LOVE AND DEATH (1975) von Woody Allen, endend mit QUEST FOR FIRE (1981) von Jean-Jacques Annaud. Es sind zum Teil sehr eigenwillige, bis in die komplette Unschärfe gehende Fotos, die eine Stimmung am Set wiedergeben, die Stars nicht nur in ihren großen Momenten zeigen, sondern auch in der Erschöpfung, die auf die Anforderungen der Genres reagieren und auf die Hierarchien bei den Dreharbeiten. Besonders gelungen sind für mich die Beobachtungen bei THE PRIDE AND THE PASSION von Stanley Kramer mit Sophia Loren und Cary Grant. In einer Fotosequenz zu THE GREATEST STORY EVER TOLD von George Stevens sieht man Max von Sydow als Christus am Kreuz – und in einer Aufnahme lacht er in die Kamera von Ernst Haas. Coverfoto: PONTIAC STAR PARADE (1959). Mehr zum Buch: https://steidl.de/Buecher/On-Set-0608192644.html

Bewegte Männer

2015.Bewegte MännerDies ist die überarbeitete und ergänzte Fassung der Dissertation, mit der Christopher Treiblmayr 2009 an der Universität Wien promoviert wurde. Sie entstand dort am Institut für Geschichte und geht von der These aus, „dass die vermehrte Sichtbarkeit männlicher Homosexualitäten und die starke Beschäftigung damit, wie sie im deutschen Kino der 1990er Jahre nachzu-weisen ist, nicht ohne allgemeine ‚Krise der Männlichkeit’ denkbar gewesen wären, die nicht nur von den Homosexuellenbewegungen, sondern vor allem auch von der ‚Zweiten Frauenbewegung’ ausgelöst und später in der sogenannten ‚Männerbewegung’ explizit thematisiert wurde“. Treiblmayr klärt zunächst die Rolle des Films als Gegenstand wissenschaftlicher Analysen und die Methode seiner Untersuchung (33 Seiten), referiert dann über Männlichkeiten und Homosexualität in Deutschland (80 Seiten) und informiert über die Situation des deutschen Kinos in den 1990er Jahren (25 Seiten). In seinem Hauptteil (150 Seiten) analysiert er 14 Filme: VIA APPIA (1990) von Jochen Hicks, PRINZ IN HÖLLELAND (1993) von Michael Stock, DER BEWEGTE MANN (1994) von Sönke Wortmann, KEINER LIEBT MICH (1994) von Doris Dörrie, NEUROSIA – 50 JAHRE PERVERS (1995) von Rosa von Praunheim, STADTGESPRÄCH (1995) von Rainer Kaufmann, ECHTE KERLE (1996) von Rolf Silber, KONDOM DES GRAUENS (1996) von Martin Walz, DAS TRIO (1997) von Hermine Huntgeburth, LOLA UND BILIDIKID (1998) von E. Kutlug Ataman, DER EINSTEIN DES SEX (1999) von Rosa von Praunheim, OI!WARNING (1998/2000) von Dominik und Benjamin Reding, ZURÜCK AUF LOS (2000) von Pierre Sanoussi-Bliss und NO ONE SLEEPS (2000) von Jochen Hick. Der Plot und markante Szenen werden vom Autor auf die jeweilige Darstellung von Männlichkeit und Homosexualität untersucht. Dies geschieht sachkundig und mit der notwendigen Genauigkeit. 1.878 Quellenhinweise sichern die Arbeit wissenschaftlich ab. Jedem der 14 Filme ist ein spezielles Bild zugeordnet, sonst keine Abbildungen. Coverfoto: NO ONE SLEEPS. Mehr zum Buch: /978-3-412-20656-7.html

Ernest Borneman: zwei Bücher

2015.Borneman 1Ernest Borneman (1915-1995) war ein politisch engagierter, vielseitig begabter Autor, der in Berlin geboren wurde, mit 18 Jahren ins Exil nach London ging, dort in vielen Funktionen tätig war, 1940 nach Kanada gebracht und dort interniert wurde, für das National Film Board of Canada Dokumen-tarfilme drehte, 1946 in London ein Buch über die Geschichte des Jazz publizierte, 1948 in Paris Chef der Unesco-Filmabteilung wurde, 1949 bei CBS als Fernsehspielleiter tätig war, in den 50er Jahren als Autor für die BBC, CBS und andere Anstalten arbeitete, Drehbücher und Romane schrieb, 1960 Programmchef der „Freies Fernsehen GmbH“ in Eschborn wurde, 1961 zum Film & Radio Department der Agentur Foote, Cone and Belding wechselte, 1970 nach Österreich umzog und fortan vor allem als Sexualwissenschaftler reüssierte. Er starb im Juni 1995 in Scharten (Österreich) durch Suizid. So einen wechselhaften und kreativen Lebenslauf (ich habe nur die wichtigsten Stationen genannt) würde man kaum für möglich halten, wenn er nicht in zwei gerade erschienenen Publikationen dokumentiert und beglaubigt würde. Im Wallstein Verlag ist die Biografie „Moderne Lüste. Ernest Borneman – Jazzkritiker, Filmemacher, Sexforscher“ erschienen, in der Detlef Siegfried auf mehr als 400 Seiten Bornemans Leben erzählt. Seine drei Kapitel haben die Überschriften „Hören“ („Die Ethnologie des Jazz“), „Sehen“ („Das Leben auf der Leinwand“), „Berühren“ („Sex und Gesellschaft“). Sie sind durch 1.351 Quellenverweise abgesichert, lesen sich aber sehr flüssig, weil der Autor seinen Text nicht als wissenschaftliches Werk sondern als Biografie konzipiert hat und die Spielregeln dieser literarischen Gattung bestens beherrscht. So lernt man viel über ein ungewöhnliches Leben und speziell die drei Gebiete, auf die Detlef Siegfried sich besonders konzentriert: Jazz, Film, Sex. Ich bin beeindruckt. Mehr zum Buch von Siegfried: moderne-lueste.html

2015.Borneman 3Die beiden Autoren Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen haben mit Detlef Siegfried offenbar gut kooperiert, die Publikationen kommen sich auch nicht in die Quere. Aurich und Jacobsen konzentrieren sich in ihrem Buch (128 Seiten), weitgehend auf die Bereiche Film, Fernsehen und Exil, sie begnügen sich mit 165 Anmerkungen und Quellenverweisen, auch ihr Text bleibt immer konkret am Leben und Werk von Borneman, verlagert manche Informationen in die nützliche Chronik und in die Filmografie. In beiden Auflistungen werden die recherchierten Fakten unterschieden von Aussagen und Angaben von Borneman, für die es keine Absicherung gibt. Das schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit, die man bei der Darstellung dieses überquellenden Lebens herstellen muss. Die Abbildungen sind akzeptabel. Mehr zum Buch von Aurich/Jacobsen: 9783869164069#.VUTaYByWFgs