MARY, QUEEN OF SCOTS (2018)

Ein Historiendrama über zwei Frauen, die sich in Wirklichkeit nie begegnet sind, aber in der Filmgeschichte eine große Rolle spielen: Mary Stuart, von 1542 bis 1567 Königin von Schott-land, und Elizabeth I., von 1558 bis zu ihrem Lebensende Königin von England. Mary Stuart wurde schon von Katharine Hepburn, Zarah Leander oder Vanessa Redgrave dargestellt, Königin Elisabeth I. u.a. von Flora Robson, Bette Davis, Jean Simmons, Glenda Jackson, Helen Mirren und Cate Blanchett. Im Film von Josie Rourke spielt Saoirse Ronan die Titelrolle und Margot Robbie die Elizabeth. Sie agieren in einem Politthriller, der aus den höfischen Intrigen im 16. Jahrhundert ein spannendes Konfliktdrama zwischen zwei emanzipierten Frauen macht, die sich in der männerdominierten Welt nur begrenzt behaupten können. Wunderbar: die Kostüme von Alexandra Byrne. Raffiniert inszeniert: das geheime Treffen der beiden Protagonistinnen. Es ist der erste Film der Theaterregisseurin Josie Rourke, den sie mit erstaunlicher Professionalität realisiert hat. Hinter der Kamera stand der erfahrene John Mathieson. Bei Universal ist jetzt eine DVD des Films erschienen. Das Bonusmaterial ist umfangreich, es gehören Kommentare der Regisseurin Josie Rourke und des Komponisten Max Richter dazu. Mehr zur DVD: maria_stuart

Die rechte und die linke Hand der Parodie

Die Mainzer Magisterarbeit von Christian Heger erschien erst-mals 2009 und ist jetzt vom Schüren Verlag in einer zweiten, ergänzten Auflage publiziert worden. Dank der unverminder-ten Popularität von Bud Spencer und Terence Hill hat das eine Logik. Es gibt einen Prolog zur Erstauflage („Zeit für eine film-wissenschaftliche Ehrenret-tung“) und einen Epilog zur Neuauflage („Ein sagenhaftes Revival“). Die Vorüberlegungen des Autors sind dem Weg zum komischen Western-Helden gewidmet. Ein kleines Kapitel beschäftigt sich mit dem Leben von Carlo Pedersoli (*1929) und Mario Girotti (*1939), bis sie 1967 zu Bud Spencer und Terence Hill mutierten. Im Hauptteil (90 Seiten) geht es um die Zusammenarbeit von Spencer und Hill („Zwei neue Helden erobern das Kino“). Eine ausführliche Filmografie (80 Seiten) enthält Stab- und Besetzungsangaben zu allen Filmen mit Bud Spencer und Terence Hill mit Einzelbesprechungen. Bud Spencer starb im Juni 2016 in Rom. Das Buch von Christian Heger ist eine sehr lesenswerte Würdigung des Duos. Mit 318 kleinen Abbildungen in guter Qualität. Coverfoto: VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA. Mehr zum Buch: ihre-filme.html

„Wir von der anderen Seite“

Anika Decker (*1975) ist Dreh-buchautorin (KEINOHR-HASEN) und Regisseurin (TRAUMFRAUEN). „Wir von der anderen Seite“, erschienen im Ullstein Verlag, ist ihr erster Roman, erzählt aus der Ich-Perspektive. Rahel Wald ist Drehbuchautorin. Sie erleidet eine Blutvergiftung mit Organ-versagen. Nach neun Tagen erwacht sie aus dem Koma. Damit beginnt der Roman, das erste Kapitel heißt „Intensiv-station“. Wir begleiten sie auf dem Weg zurück ins Leben, in die normale Krankenstation, in die Reha, nach Hause, zur Physiotherapie, zur Psychotherapie und zur Behandlung bei dem Schamanen Jesus, der ihr wirklich hilft. Schlüsselfiguren sind Rahels Lebensgefährte Olli, Mitglied einer Anwaltskanzlei, ihre Eltern, ihr Bruder Juri, der in New York lebt, ihr Freund und Kollege Kevin, ihre Ärzte (der wichtigste heißt Professor Held), Pflegerinnen, Therapeu-tinnen, Mitpatientinnen und die Menschen aus der Filmwelt, von der anderen Seite, zu der sie sich zurückarbeitet. Sie trennt sich von ihrem Lebensgefährten und verabschiedet sich am Ende aus der Produktions-firma, weil man ihr neues Drehbuch umgeschrieben hat. Anika Decker erzählt mit großer Empathie, ihre Heldin ist streitlustig, aber ermüdet schnell, macht die unterschiedlichsten Erfahrungen mit Menschen aus der Welt der Medizin und des Films. Die Lektüre des 380-Seiten-Romans, ist spannend, zuweilen nervig, aber insgesamt lohnend. Mehr zum Buch: 9783550200373.html

Theodor Fontane im Film

Sein 200. Geburtstag wird in diesem Jahr gefeiert. Die Zeitschrift Die Mark Branden-burg widmet aus diesem Anlass eine Ausgabe dem Thema „Theodor Fontane im Film“. Die Redaktion hat eine Fontane-Filmografie erarbeitet, die 45 Titel aus der Zeit zwischen 1937 und 2018 auflistet, darunter natürlich auch die vier Effi-Briest-Verfilmungen von Gustaf Gründgens (1938) mit Marianne Hoppe, Wolfgang Luderer (1968) mit Angelica Domröse, Rainer Werner Fassbinder (1974) mit Hanna Schygulla und Hermine Huntgeburth (2009) mit Julia Jentsch. In einem eigenen Text äußert sich Klaus-Peter Möller zu „Effi Briest als Film“. Von Michael Grisko stammt ein Beitrag über Fontane im DDR-Fernsehen. Dokumentiert wird ein schöner Text von Sibylle Wirsing aus der FAZ vom 1. April 1975 über Fontanes „Stechlin“ als Fernsehfilm; Regie führte damals Rolf Hädrich. Edgar Meyer-Karutz vergleicht die Filme über die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ von Eberhard Itzenplitz nach einem Drehbuch von Horst Pillau (1986) und Bernhard Sallmann (2016-18): „Die Wanderungen – szenisch und puristisch“. Roland Berbig untersucht abschließend Fontanes Wanderungen literarhistorisch. Dies alles auf 48 Seiten, mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Heft: 82697377/Products/112

Präriebanditen

Vor drei Jahren hat Gregor Hauser das Buch „Mündungs-feuer“ über die 50 besten B-Western und ihre Stars publiziert (muendungsfeuer/). Jetzt hat er zusammen mit Peter L. Stadlbaur nachgeladen: „Präriebanditen“ heißt der neue Band über „die packende Welt der B-Western“. Diesmal sind es 30 ausgewählte Filme, auf die wir neugierig gemacht werden, beginnend mit BLACK BART (1948) von Ray Enright, endend mit POSSE FROM HELL (1961) von Herbert Coleman. Es gibt jeweils eine kurze Inhaltsangabe und eine etwas längere Analyse. Abgebildet ist in der Regel die Frontseite des „Neuen Film-Programms“. Im zweiten Teil sind drei Schauspielerinnen und 48 Schauspieler porträtiert: 15 „Gute“ (darunter Virginia Mayo, Rhonda Fleming und Julie Adams) und 36 „Schurken“. Die bekanntesten „Guten“ sind John Lund, Cornel Wilde, Lloyd Bridges, Jeffry Hunter, Van Heflin, Robert Ryan und Alan Ladd, die berühmtesten „Schurken“ Dan Duryea, Elisha Cook jr., Jack Palance, John McIntire, Lee Marvin, Lee Van Cleef und Walter Brennan. Fünf von 51 sind noch am Leben: Julie Adams, John Ericson, Rhonda Fleming, Henry Silva und Clint Walker. Das Geleiwort zum Buch stammt von Brett Halsey. Die Texte der beiden Autoren sind natürlich sachkundig, das Buch ist eine schöne Reminiszenz an den B-Western der 50er Jahre. Mehr zum Buch: php?id=200

MESSER IM KOPF (1978)

Der Film von Reinhard Hauff kam vor rund 40 Jahren ins Kino und hat viele Qualitäten, die ihn bis heute sehr sehenswert machen. Ich nenne fünf herausragende künstlerische Leistungen: 1. Das Drehbuch von Peter Schneider, das mit großer Sensibilität verfasst wurde. Wir verfolgen den Über-lebenskampf des Biogenetikers Berthold Hoffmann, der bei einer Polizeirazzia in einem Jugendzentrum angeschossen und schwer verletzt wird. Nach dem Erwachen aus dem Koma scheint er das Gedächtnis verloren zu haben. Er gerät in den Verdacht, ein Terrorist zu sein. Hoffmanns wiederkehrende Erinnerung führt ihn auf den Weg der Wahrheitssuche, der bei dem Polizisten Schurig endet. Die Geschichte ist spannend bis zur letzten Sekunde. 2. Der Haupt-darsteller Bruno Ganz, der die schwierige Rolle des Biogenetikers durch alle Höhen und Tiefen seiner gefährdeten Existenz herausragend darstellt. 3. Die Kameraführung von Frank Brühne, der die gesellschaft-lichen Konflikte der späten 60er Jahre in präzise Bilder umsetzt. 4. Die Montage von Peter Przygodda, der uns die unterschiedlichen Gruppie-rungen vor allem aus dem Blickwinkel der Hauptfigur sehen lässt. 5. Die Regie von Reinhard Hauff, der mit herausragenden Schauspieler* innen zusammenarbeiten konnte; neben Bruno Ganz erleben wir Angela Winkler, Hans Christian Blech, Heinz Hoenig, Hans Brenner und Udo Samel (als Polizist Schurig). Bei Studio Canal ist jetzt eine digital restaurierte Fassung des Films als DVD erschienen. Zu den Extras gehört ein Gespräch mit Reinhard Hauff und dem Produzenten Eberhard Junkersdorf. Mehr zur DVD: messer_im_kopf-digital_remastered

THE FAVOURITE (2018)

„Intrigen und Irrsinn“ heißt der deutsche Untertitel des Films von Yorgos Lanthimos, der im Januar bei uns in die Kinos kam und jetzt als DVD erschienen ist. Das Historiendrama spielt Anfang des 18. Jahrhunderts. Queen Anne regiert in England. Sie ist gebrechlich und auf Beratung angewiesen. Viele wollen ihre Freundin sein. Im Moment ist Sarah Churchill, die Herzogin von Marlborough, die Favoritin. So holt ihre Cousine Abigail Masham an den Hof, die einen weiten Weg zurücklegt, bis sie den Konkurrenzkampf mit Sarah gewinnt. Die Konflikte, meist hinter den Kulissen ausgetragen, kann man durchaus als Zickenkrieg bezeichnen. Im politischen Vordergrund steht der Krieg zwischen England und Frankreich. Drei große Darstellerinnen prägen den Film: Olivia Coleman als Queen Anne (sie gewann dafür den Oscar als beste Hauptdarstellerin), Rachel Weisz als Sarah Churchill und Emma Stone als Abigail Masham. Es gibt groteske Szenen (wenn Abigail auf dem Hof ankommt und als erstes in die Scheiße fällt), das Ambiente ist opulent, die Rituale wirken zuweilen absurd, aber man hält immer wieder den Atem an, wenn die Konfrontationen ausweglos erscheinen. Fritz Göttler hat eine sehr lesenswerte Kritik über den Film für die SZ geschrieben: 1.4298274. Mehr zur DVD: B07N32R91V

Zazie in der Metro

Als ich 1961 den Film ZAZIE von Louis Malle gesehen und das Buch „Zazie dans le metro“ von Raymond Queneau in der Übersetzung von Eugen Hemlé gelesen habe, war ich noch nie in Paris. Mein erster Besuch fand 1963 statt. Film und Roman waren eine gute Vorbereitung für die Reise. Ein zwölfjähriges Mädchen kommt mit seiner Mutter in die französische Hauptstadt, die Mutter ist dort für einen Tag und zwei Nächte mit ihrem Liebhaber verabredet, die Tochter wird bei ihrem Onkel Gabriel deponiert. Zazies größter Wunsch ist es, einmal mit der Metro zu fahren, aber die wird bestreikt. Das vorlaute Mädchen lernt durch ihren Onkel viele Menschen kennen, erkundet die Stadt teils allein, teils in Begleitung ihres Onkels. Als sie am Ende ihre Mutter auf dem Bahnhof wiedersieht, gibt es den folgenden Dialog: Mutter: „Na, hast du Spaß gehabt?“ Zazie: „Geht so.“ „Hast du die Metro gesehen?“ „Nö.“ „Was hast denn dann gemacht?“ „Ich bin gealtert.“ Der Film von Louis Malle und der Roman von Raymond Queneau sind eigenständige Kunstwerke. Im Suhrkamp Verlag ist jetzt eine neue Übersetzung des Buches von Frank Heibert erschienen, die den sprachlichen Absurditäten des Originals sehr nahe kommt. Es empfiehlt sich, zuerst das Nachwort des Übersetzers zu lesen: „Frechheit siegt.“ Im Anhang gibt es verschiedene Szenen aus unpublizierten Manuskriptfassungen von Queneau. Einmal fährt Zazie tatsächlich mit der Metro. Mehr zum Buch: 42861.html

Deutsche Filmarchitektur 1918-1933

Im Museum für Architektur-zeichnung auf dem Pfefferberg findet zurzeit die Ausstellung „Deutsche Filmarchitektur 1918-1933“ statt. Sie ist noch bis zum 29. September zu sehen. Gezeigt werden Originalentwürfe von sieben Architekten aus den Beständen der Stiftung Deutsche Kinemathek und des Deutschen Film-Instituts/Filmmuseums. Den Katalog zur Ausstellung (zweisprachig Deutsch/ Englisch) hat die Kuratorin Nadejda Bartels herausgegeben. Von ihr stammen das Vorwort und der informative Essay über Filmarchitektur und Zeitstimmung. Kristina Jaspers hat einen sehr reflektierten Text über „Künstlerische Positionen der Filmarchitektur“ geschrieben. Dietrich Neumann richtet den Blick beispielhaft auf Fritz Langs METROPOLIS. Auf 70 Seiten werden ausgewählte Entwürfe der Architekten Hermann Warm (DAS CABINET DES DR. CALIGARI), Hans Poelzig (DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM und ZUR CHONIK VON GRIESHUUS). Robert Herlth (FAUST – EINE DEUTSCHE VOLKSSAGE), Otto Hunte (DIE NIBELUNGEN, DER BLAUE ENGEL), Erich Kettelhut (DIE NIBELUNGEN, METROPOLIS), Franz Schroedter (PIQUE DAME – DAS GEHEIMNIS DER ALTEN GRÄFIN und NUR EINE TÄNZERIN) und Emil Hasler (M) dokumentiert. Die Qualität der Abbildungen ist sehr gut. Cover-Abbildung: Entwurf zu METROPOLIS. Mehr zur Ausstellung und zum Buch: 10-0-Ausstellungen.html

Revolver 40

Die Zeitschrift Revolver wurde 1998 gegründet, sie hat eine politische Grundierung, lässt vor allem Filmschaffende in Interviews zu Wort kommen und erscheint zweimal jährlich im Verlag der Autoren. Jetzt gibt es die Nr. 40 mit vier größeren Beiträgen. Ben Gibson, Direktor der DFFB, hat ein Gespräch mit der griechischen Filmemacherin Athina Rachel Tsangari geführt. Von Claudia Lenssen ist der Text „Liste des Unverfilmten“ dokumentiert, der 1983 in dem Buch „Bestandsaufnahme: Utopie Film“, herausgegeben von Alexander Kluge, zu lesen war. Besonders interessant finde ich das Gespräch mit Ulrich Gregor, Susanne Heinrich und Thomas Heise von Nicolas Wackerbarth und Marcus Seibert, das im Juni 2018 nach der Vorführung des Films REQUIEM FÜR EINE FIRMA anlässlich der Buchpräsentation „Filmfunke – 50 Jahre DFFB“ im Kreuzberger Buchladen b_books stattgefunden hat. Ulrich Gregor war Dozent an der DFFB in den frühen Jahren, Susanne Heinrich studiert zur Zeit an der DFFB, Thomas Heise erzählt von seinen Erfahrungen an der Filmhochschule in Babelsberg. Der vierte Beitrag ist ein Gespräch von Marco Abel mit dem Filmemacher Klaus Lemke aus dem Jahr 2014, mit dem typischen Lemke-Sound. Die Abbildungen zeigen Filmgesichter in empathischen Momenten. Mehr zur Zeitschrift: www.revolver-film.com