Trier/Kaurismäki

Der Däne Lars von Trier und der Finne Aki Kaurismäki sind Ikonen des europäischen Autorenkinos. In ihren Filmen spielt das Melodramatische eine große Rolle. Ulrike Hanstein stellt das in ihrer Dissertation in einen größeren Zusammenhang. Ihr wissen-schaftlicher Pate ist der amerikanische Philosoph Stanley Cavell, der sich auch mit dem Hollywood-Film auseinandergesetzt hat, speziell in dem Buch „Contesting Tears: The Melodrama of the Unknown Women“ (1996). Hanstein ordnet ihre Erkenntnisse unter den Begriffen „Anschaulichkeit“, „Gesten“, „Hörweisen“, „Stimmen“ und schlägt einen Bogen zu den amerikanischen Klassikern WAY DOWN EAST (1920) von D.W. Griffith, STELLA DALLAS (1937) von King Vidor, NOW, VOYAGER (1942) von Irving Rapper und POSSESSED (1947) von Curtis Bernhardt, um dann die melodramatischen Aspekte bei Trier und Kaurismäki aufzuspüren. Die Filmanalysen sind konkret und genau. Aus dem Labyrinth des wissenschaftlichen Überbaus findet man notfalls den Ausgang durch einfaches Weiterblättern. Mehr zum Buch, das im Alexander Verlag Berlin erschienen ist:  titel/282-Unknown_Woman_gepruegelter_Held.html

Ulrich Schamoni

Ulrike Schamoni (*1966), Fotografin, hat einen Film über ihren Vater Ulrich Schamoni (1939-1998) zusammengestellt: ABSCHIED VON DEN FRÖSCHEN. Uli gehörte zu den Ersten des jungen deutschen Films, die Mitte der 1960er Jahre die Realität in ihre Filme hineinließen. Er konnte gut mit Schauspie-lern umgehen. ES (1965) gewann fünf Bundesfilmpreise, u.a. für die beste Hauptdarstellerin, Sabine Sinjen, und den besten Nachwuchs-darsteller, Bruno Dietrich, ALLE JAHRE WIEDER (1967) bekam drei, darunter die für die beste darstellerische Leistung (Hans-Dieter Schwarze) und die beste weibliche Nebenrolle (Ulla Jacobsson). In den 80er Jahre wechselte Uli ins Medienmanagement. Er starb 1998 an Krebs. Über das Leben in seinem Haus im Grunewald hat er ein Videotagebuch geführt. Schön, dass jetzt so authentisch an ihn erinnert wird. Mehr über den Film: kim-info.de/kritiken.php?nr=11915

Karl May-Jubiläen

Vor 170 Jahren wurde Karl May geboren, vor hundert Jahren ist er gestorben und vor fünfzig Jahren spielte Pierre Brice erstmals den Winnetou. Wenn sich die Daten fügen, kann man daraus ein kleines Fest machen. Es findet an diesem Wochenende und in der kommenden Woche im Berliner Babylon-Kino statt. Gut, dass es inzwischen auch eine neue Karl May-Biografie gibt, die man unbedingt lesen sollte, wenn einen dieser Autor interessiert. Sie stammt vom Feuilleton-Chef des Tagesspiegel, Rüdiger Schaper, und ist im Siedler-Verlag erschienen: „Karl May – Untertan, Hochstapler, Übermensch“.

15 Jahre DVD

Heute vor fünfzehn Jahren, am 19. März 1997, kamen die ersten vier DVDs (Digital Video Disc) in den Handel. Sie haben den Umgang mit neuen und alten Filmen sehr verändert. Auch wenn sich inzwischen die Technik weiterentwickelt hat: die Verfüg-barkeit der Filmgeschichte war nie so groß wie in den vergangenen Jahren, ein Film wie AUGE IN AUGE hätte ohne DVDs kaum entstehen können. Jan Distelmeyers Buch „Das flexible Kino“ erzählt sehr differenziert die Geschichte der DVD (inklusive der darauf folgenden Blue-ray Disc), die vor allem von Marktkämpfen beherrscht war und die Filmrezeption radikal verändert hat.

Zeitenwende(n) des Films

Seit Jahren gibt es interessante Filme, die ihre Handlung nicht linear, sondern in zeitlichen Sprüngen erzählen. Drei Beispiele aus jüngerer Zeit: BABEL von Alejandro Gonzélez Inárritu, PREMONITION von Mennan Yapo, INCEPTION von Christopher Nolan. Die Medienwissenschaftlerin Julia Eckel setzt sich in ihrem gerade erschiene-nen Buch mit „Temporaler Nonlinearilität im zeitgenössischen Erzählkino“ auseinander. Rund 30 Filme dienen ihr in einer manchmal etwas kompliziert formulierten Analyse als Material. Eine anregende Lektüre, hoffentlich nicht nur für potentielle Drehbuchautoren.

Filmstadt Leipzig

In Leipzig beginnt heute die Buchmesse. Mit Büchern und Messen wird die Stadt schnell assoziiert. Aber was hat sie als Filmstadt vorzuweisen? Jens Rübner (*1960), gelernter Koch, lebt in Leipzig und ist ein Filmfan. Er hat intensiv recherchiert und aus seinen Informationen ein sehr persönliches kleines Lexikon gemacht, das im Herbst 2011 im Engelsdorfer Verlag erschienen ist (186 S., 12,50 €). Natürlich steht die DEFA im Zentrum, aber auch internationale Produktionen haben Leipzig als Kulisse genutzt, zum Beispiel IRINA PALM, EIN RUSSISCHER SOMMER und CARLOS. Man spürt, dass dies ein Amateur geschrieben hat. Aber einer mit Energie  und Motivation.

Jutta Hoffmann

In den 1960er und 70er Jahren war sie eine meiner Lieblingsschauspielerinnen: Jutta Hoffmann (*1941).  Sie spielte die Professorentochter in Frank Vogels JULIA LEBT (1963), die allein erziehende Mutter in Horst Seemanns ZEIT ZU LEBEN (1969) und die junge Frau zwischen Manfred Krug und Jaecki Schwarz in WEITE STRASSEN – STILLE LIEBE (1969) von Herrmann Zschoche. Dann wurde sie zu Egon Günthers Hauptdarstellerin in JUNGE FRAU VON 1914 (1969), DER DRITTE (1972), DIE SCHLÜSSEL (1973/74), LOTTE IN WEIMAR (1974/75) und URSULA (1977). Schließlich drehte Frank Beyer mit ihr DAS VERSTECK (1977) und GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT (1978). Zwei Verbotsfilme der Jahre 65/66 bekamen wir erst 1990 zu sehen: WENN DU GROSS BIST, LIEBER ADAM und KARLA. Da lebte und arbeitete sie schon eine Weile im Westen. Sie war eine der Größten der DEFA! Jetzt hat sie ihre Autobiografie geschrieben. Lesestoff für vielen Verehrerinnen und Verehrer.

Du: Clint Eastwood

Es gibt sie noch immer: die Schweizer Kulturzeitschrift Du. Sie erscheint monatlich mit einem Schwerpunktthema. Im März 2012, es handelt sich um das Heft 824, geht es um den großen Clint Eastwood. Auf 80 Seiten wird er mit Texten und Fotos gewürdigt. Der sehr lesenswerte Hauptaufsatz stammt von Tobias Kniebe („Abgezockt und erleuchtet: Triumphzug eines coolen Pragmatisten“). Das Heft enthält  Beiträge von Barbara Vinken (über das Gute, das Böse und die Frauen), Leonardo DiCaprio (über Eastwoods Umgang mit Schauspielern), Nathalie Wepper (eine persönliche Begegnung), Martin Heller (über die „Eastwood-Methode“), Martin Walder (wo steht Clint Eastwood politisch?) und Christoph Feilman (Eastwood und die Musik), ein Gespräch von Jean-Paul Chaillet mit CE und eine Filmografie. Viele Fotos.

Erinnerungen an den Holocaust

„Welchen der Steine du hebst. Filmische Erinnerungen an den Holocaust“ heißt ein Buch, herausgegeben von Claudia Bruns, Asal Dardan und Anette Dietrich, erschienen im Verlag Bertz + Fischer (368 S., 29,90 €). In 23 Texten geht es um filmische Narrationen im Generationengedächtnis, Authentizität und Fiktion im Dokumentarfilm, Leerstellen der Erinnerung, Grenzen von Geschlecht und Geschmack, Grenzgänge zwischen Humor, Satire und Lüge, Transfer von Ikonografien und Narrationen. Meist wird dies an einzelnen Filmbeispielen dargestellt. Zu den Autorinnen und Autoren gehören Heike Klippel, Daniel Kothenschute, Hanno Loewy, Ronny Loewy, Claus Löser, Marcus Stiglegger und Michael Wildt.

Walter Lassally

2005 erhielt der Engländer Walter Lassally (*1926) den Marburger Kamerapreis. Er war in den 1960er Jahren eine Schlüsselfigur des englischen Free Cinema, hat mit Lindsay Anderson und Tony Richardson zusammen-gearbeitet. Für ALEXIS SORBAS bekam er 1966 einen Oscar. Für Hans Noever foto-grafierte er DIE FRAU GEGENÜBER (1979) und DER PREIS FÜRS ÜBERLEBEN (1980), für Thomas Brasch ENGEL AUS EISEN (1981). Im Schüren Verlag ist jetzt ein Buch über ihn erschienen (192 S., 19,90 €). Mit Beiträgen von Axel Block, Andreas Kirchner, Angela Krewani, Gerhard Midding, Hans Noever, Karl Prümm und Lassally selbst.