Georgischer Film

Die erste georgische Filmwoche wurde im alten Kino Arsenal in der Welserstraße 1975 veran-staltet, damals initiiert von Erika und Ulrich Gregor. In der Reihe „Kinemathek“ erschien dazu ein Heft (Nr. 52). Die Verbindungen zwischen Georgien und dem Arsenal (inzwischen: „Institut für Film und Videokunst“) sind über alle Jahrzehnte intensiv geblieben, im Archiv des Arsenal werden inzwischen rund 130 Kopien georgischer Filme verwahrt. Eine Publikation dokumentiert jetzt Texte und Gespräche zum georgischen Film, deren Basis eine Veranstaltungsreihe im Oktober 2017 war. Die Essays stammen von Ulrich Gregor („Poetische Bildsprache und satirischer Scharfblick – Einführung in die georgische Filmgeschichte“) und Giorgi Gwacharia („Zensur als ‚Gnade’“). Gespräche wurden mit Lana Gogoberidse (2), Merab Kokotschaschwili, Salomé Alexi, Otar Iosseliani (2), Dito Tsintsadze und Gela Kandelaki geführt. Dokumentiert ist auch ein Podiumsgespräch über georgische Filmgeschichte in den Archiven, an dem Erika und Ulrich Gregor, Khatuna Khundadze und Susan Oxtoby teilgenommen haben, moderiert von Stefanie Schulte Strathaus. Den Abschluss bildet eine Auflistung der Filme, von denen Kopien in den Sammlungen des Arsenals vorhanden sind. Alle Texte dreisprachig (deutsch, englisch, georgisch). Mehr zum Buch: 7528/2857.html

Fritz Langs Notizbuch 1929-1934

Es gehört zur „Sammlung Fritz Lang“, die seit 1997 in der Deut-schen Kinemathek verwahrt wird: 18,5 cm hoch, 12 cm breit, 72 Blätter. Als Notizbuch hat es Lang in jenen Jahren genutzt, in denen M und DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE entstanden. Im großen FL-Buch zur Retro-spektive 2001 wurde erstmals auf das Notizbuch hingewiesen, jetzt ist es im Belleville Verlag als eigenständige Publikation erschienen, herausgegeben und kommentiert von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen. Der erste Teil dokumentiert im Faksimile handschriftliche Eintragungen, eingeklebte Zeitungsausschnitte, Zeichnungen. Oft sind die Gründe für Langs Interesse an einem Thema nicht zu rekonstru-ieren. Anregungen, Ideen, Einfälle, offenbar spontan zu Papier gebracht. Der zweite Teil ist die unbedingt notwendige Transkription der Eintragungen, denn viele sind schwer zu entziffern. Dann folgen einige spezielle Erläuterungen. Und am Ende steht ein Nachwort der beiden Herausgeber – „Entdeckung einer Spur“ – , das auf beein-druckende Weise das Notizbuch verortet und mit konkreten Fakten in Langs Leben jener Jahre verknüpft. „What makes him tick?“ ist der Titel der Publikation. Ein Buch, in dem man sich verlieren kann. Mehr zum Buch: php?ID=763

AVA (2017)

Der Film von Léa Mysius lief in der „Semaine de la Critique“ in Cannes 2017. Es ist ihr Debüt-film. Er erzählt eine sehr beein-druckende Coming-of-Age-Geschichte, die in der Gironde an der französischen Atlantikküste spielt. Die 13jährige Ava hat Probleme mit dem Sehen und erfährt vom Augenarzt, dass sie erblinden wird. Diagnose: Retinitis Pigmentosa. Ihre Reaktion ist nicht Verzweiflung sondern Aktionismus, eine Art Trainingsprogramm für die dunkle Zukunft. Ein Wolfshund kommt ins Spiel, der dem 18jährigen Juan gehört, einem Sinti, der auf der Durchreise ist. Die beiden tun sich zusammen und berauben in Kriegstracht Badegäste am Strand. Als die Polizei gerufen wird, eska-liert die Handlung und nimmt überraschende Wendungen. Wunderbar: die Hauptdarstellerin Noée Abita als Ava. Ein Sommermärchen mit beeindruckenden Bildern. Jetzt bei Eksys’tent als DVD erschienen. Mehr zur DVD: Ava-Noée-Abita/dp/B07GRRH5HB

Großes Kino in fünf Sekunden

70 Klassiker des Kinos haben Matteo Civaschi und Matteo Pavesi in ihrem Buch in Pikto-grammen minimalisiert. Das ist originell, aber oft nicht ganz einfach zu entschlüsseln. Die sieben anderen Kapitel sind: „Filmgeschichte in zehn Bildern“, „Technologische Entwicklungen“, „Die Namen des Kinos“, „Anekdoten und Fakten“, „Ein paar berühmte Filmzitate“, „Regisseure aus aller Welt“ und „Vermischtes“. „Alle Welt“ – das sind USA, Italien und Großbritannien: Woody Allen, Joel & Ethan Coen, Clint Eastwood, Alfred Hitchcock, Martin Scorsese, Ridley Scott, Federico Fellini, Stanley Kubrick, Francis Ford Coppola, Tim Burton, Steven Spielberg, Quentin Tarantino. Da vermisst man zumindest Ingmar Bergman, René Clair, Sergei Eisenstein, John Ford, Jean-Luc Godard, Akira Kurosawa, Fritz Lang, Alain Resnais, François Truffaut und Luchino Visconti. Die „berühmten Filmzitate“ stammen aus zwanzig amerikanischen Filmen, von E.T. und GONE WITH THE WIND bis zu PULP FICTION und STAR WARS – EPISODE V. Man ist beim Lesen vor allem auf der Suche nach Namen und Filmen, die man vermisst. Und: Frauen kommen nicht vor. Mehr zum Buch: 9783596702527

Wandelbares Frankfurt

Zwölf Texte und eine kommen-tierte Filmografie richten den Blick auf dokumentarische und experimentelle Filme zur Archi-tektur und Stadtentwicklung in Frankfurt am Main. Nina Goslar beschäftigt sich mit zehn frühen Stummfilmen. Thomas Elsaesser erinnert an die Filme des Neuen Frankfurt zwischen 1925 und 1931. Bei Tobias Picard geht es um „Alt“ und „Neu“ im städtischen Imagefilm in den Jahren 1936, 1952 und 1959. Thomas Tode beschreibt Filme zum Wiederaufbau nach 1945. Bernhard Unterholzner befasst sich mit der Frankfurter Altstadt im Film. Jutta Zwilling konzentriert sich auf Gärten, Parks und Grünflächen im städtischen Imagefilm. Klaus Thomas Edelmann hat entdeckt, wie Frankfurt mit Mitteln des Films seine U-Bahn erschuf. Die Frankfurter Nordweststadt erfährt aus der Sicht von Fabian Wurm im Film eine späte Renaissance. Rainer Schulze blickt auf die Frankfurter Hochhäuser im Dokumentarfilm. Annette Brauerhoch behandelt in ihrem Beitrag Alltag und Architektur im Amateurfilm. Sano Cestnik formuliert eine Hommage an UNSICHTBARE TAGE ODER DIE LEGENDE VON DEN WEISSEN KROKODILEN von Eva Hiller. Felix Lenz gibt einen Überblick über experimentelle Filme zum Thema Frankfurt. Die Kommentierte Filmografie des Herausgebers Felix Fischl ist exzellent recherchiert. Die zahlreichen Abbildungen haben eine sehr gute Qualität. Ein Basisbuch zum Thema Film und Stadtentwicklung. Mehr zum Buch: frankfurt.de/publikationen

Edgar Reitz: Die große Werkschau

Es gibt Bücher, in denen Bilanz gezogen wird, auch wenn man noch gar nicht weiß, ob noch etwas kommt. Im vergangenen Jahr fand in Nürnberg eine komplette Werkschau der Filme von Edgar Reitz (*1932) statt. Sie wurde von der Schauspielerin Patricia Litten als Moderatorin begleitet, oft war Edgar Reitz anwesend, es kamen Schauspieler/innen, die in den gezeigten Filmen mitgewirkt hatten (Hannelore Elsner, Tilo Prückner, Hannelore Hoger, Marita Breuer), Thomas Koebner führte in die ZWEITE HEIMAT ein, von den GESCHICHTEN VOM KÜBELKIND wurde eine restaurierte Fassung in Anwesenheit der Co-Autorin Ula Stöckl gezeigt. Und nun gibt es ein „Handbuch“, in dem einerseits die Rahmenveranstaltungen protokolliert sind und andererseits die zeitgenössische Reaktion dokumentiert ist. Auf 440 Seiten findet man alles, was man über den Filmemacher Edgar Reitz und sein Werk wissen muss. Wenn man das Buch gelesen hat, fragt man sich nur, warum dieser Regisseur noch nicht den Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises bekommen hat. Es ist höchste Zeit! Mehr zum Buch: die-grosse-werkschau.html

Die Dokumentarfilme von Werner Herzog

22 Autorinnen und Autoren lassen in 19 Texten ihre Echos auf das dokumentarische Werk von Werner Herzog erklingen. Es gibt drei Kapitel: Universum – Obsessionen – Zugänge. Ich nenne – auch wenn das unge-recht ist, weil fast alle Beiträge lesenswert sind – zehn Texte, die mir besonders gut gefallen haben: mit dem Herausgeberduo Alejandro Bachmann und Michelle Koch begeben wir uns „Ins Universum der Herzog-schen Bilder“. Bei Christoph Huber geht es um Werner Herzog als Selbstdarsteller und Reiseführer durch sein Werk. Barbara Wurm beschreibt Herzogs filmische Überschreitungen. Bert Rebhandl verfolgt Herzog an die Grenzen seines Wissens. David Assmann richtet seinen Blick auf Werner Herzogs Menschenbild. Thomas Koebner befasst sich mit Herzogs Sehnsucht nach dem Leben in der Wildnis. Lukas Foerster stellt einige Überlegungen zu Herzogs Amerikafilmen an. Johannes Binotto äußert sich zur Stimme von Werner Herzog. Ute Holl erweitert den akustischen Bereich und schreibt über den Ton in Herzogs Dokumentarfilmen. Olaf Möller verortet das Frühwerk von Werner Herzog im Kontext des Jungen (west)deutschen Films. Der Band konzentriert sich auf die Erkenntnisse in den Texten, es gibt keine Abbildungen. Band 21 der Reihe „Texte zum Dokumentarfilm“, herausgegeben von der Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW, publiziert im Verlag Vorwerk 8. Mehr zum Buch: /3947238045 oder Werner%20Herzog.pdf

EIN WESTERN FÜR DEN SDS (1967/68)

Fünfzig Jahre war dieser DFFB-Film von Günter Peter Straschek eine Legende und ein Mythos, weil ihn nie-mand gesehen hatte, nach-dem er kurz nach seiner Fertigstellung angeblich von der Direktion der Berliner Filmakademie konfisziert worden war. Bei der Vorbe-reitung der Straschek-Aus-stellung im vergangenen Jahr im Museum Ludwig in Köln tauchte eine Kopie im Nachlass des Filmemachers auf. Der 23 Minuten lange Film war dann in der Aus-stellung zu sehen und wurde im vergangenen November im Arsenal im Rahmen eines Programms mit DFFB-Filmen der Jahre 66-69 gezeigt (dort habe ich ihn zum ersten Mal gesehen). Jetzt ist, herausgegeben von Julia Friedrich, ein Buch über den Film erschienen, publiziert vom Museum Ludwig im Nachgang zur Ausstellung. Es besteht aus zwei Teilen: Stefan Ripplinger analysiert den Film auf 56 Seiten hervor-ragend mit allen Details, die 32 Einstellungen sind abgebildet. Auf 180 Seiten sind Notizen und Entwürfe, die sich in einem Ordner im Nachlass befanden, im Faksimile abgebildet, beginnend mit einer Quittung über 18 DM für den „Genossen Hartmut Bitomsky“ für Verpflegungskosten bei Außenaufnahmen für die Produktion „Aufrisse“ (so der Arbeitstitel) im Dezember 1967. Auf Seite 169 entdeckt man bei Stab und Besetzung viele bekannte Namen: G. P. Str. (Regie, Drehbuch, Montage), Holger Meins (Kamera und Produktionsentwurf), Carlos Bustamante (Kameraassistenz), Frank Grützbach (Ton), Renate Grützbach (Tonschnitt), Michael Geissler (Regieassistenz), Hartmut Bitomsky (Aufnahmeleiter). Darsteller: Margrit Beddies, Hans Behringer, Lore Ditzen, Elke Edelmann, Peter Homann, Peter Thomas Krüger, Freya Raimbault, Christian Semler, Werner Vesting. Strascheks Film reflektiert das Verhältnis von Frauen und Berufsrevolutionären. Das Buch erweist sich als kostbares Zeitdokument. Mehr zum Buch: 1&art=1592305

Projektion & Reflexion

Der Band dokumentiert elf Bei-träge zu einer Tagung an der Universität Fribourg (CH), bei der es um das Medium Film in Kunst und Literatur ging. Ich nenne die sieben Texte in deut-scher Sprache, die mich alle beeindruckt haben: Fabian Lampart beschäftigt sich mit filmischen Reflexionen in der Lyrik des 20. Jahrhunderts und zitiert beispielhaft Gedichte von Jakob von Hoddis, Claire Goll, Bert Brecht, Paul Celan und Andrea Zanzotto. Karin Janker richtet ihren Blick auf kinemato-graphische Totalitätsansprüche in den Romanen „Graue Magie“ (1922) von Salomo Friedlaender/ Mynona und „Brave New World“ (1932) von Aldous Huxley. Sabine Haupt verortet Gedichte von Claire Goll zwischen Kintoppschelte und „Illuminations“. Arnd Beise findet Verbindungen im Werk von Peter Weiss zwischen Malerei, Literatur und Film. Bei Oliver Ruf führt ein filmhistorischer Diskurs über die Entstehung von Dokumentarfilm und poetischem Realismus zur Interpretation von zwei Kurzfilmen von Gennarino Romano aus den Jahren 2012 und 2013. Es ist der längste Beitrag und hat höchstes Niveau. Eva Kuhn verfolgt zwei Figuren von Chantal Ackerman (in der Installation „A Woman Sitting After Killing“ aus dem Jahr 2001 und in dem Film JEANNE DIELMAN, 23 QUAI DU COMMERCE, 1080 BRUXELLES aus dem Jahr 1975) in die Welt der Malerei. Simon Vagts verknüpft die Überlegungen zum Taktilen in den Theorien von Marshall MCluhan mit Jean-Luc Godards Film ADIEU AU LANGAGE. Ein lesenswerter Tagungsband mit hohem theoretischem Anspruch. Mehr zum Buch: 978-3-8376-4111-0

DIE SPUR (2017)

Agnieszka Hollands neuester Film, MR. JONES, wird im Februar im Wettbewerb der Berlinale zu sehen sein. Vor zwei Jahren lief dort DIE SPUR und wurde mit dem „Alfred Bauer-Preis“ ausgezeichnet. Die DVD des Films ist jetzt bei good!movies erschienen. Zu empfehlen vor allem für Tier-schützer. Der Film erzählt die mysteriöse Geschichte der pen-sionierten Ingenieurin Janina Duszejko, die in der Nachbar-schaft des exzentrischen Matoga in einem Dorf an der polnisch-tschechischen Grenze lebt. Sie arbeitet im Dorf als Englischlehrerin, ist Vegetarierin, hat zwei Hunde, die plötzlich verschwinden, betreibt Astrologie und freut sich, als passionierte Jäger umgebracht werden. Die Polizei hat Janina im Verdacht, kann aber nichts beweisen. Haben wilde Tiere die Jäger getötet? Die Lösung ist nicht überraschend, am Ende entschwinden Janina und Matoga in eine bessere Welt. Der Film hat in seiner Detailverliebtheit manche Schwächen, aber grandios ist Agnieszka Mandat in der Hauptrolle als Janina. Mehr zu den DVDs: die-spur.html