Farbige Lichträume

2014.Farbige LichträumeEine Dissertation aus Berlin (Freie Universität). Für Untersuchungen zur Farbe im Film gibt es noch freie Räume. Zuletzt ist eine Arbeit über die Farbe im NS-Propagandafilm erschienen (zur-geschichte-des-farbfilms/ ). Marc Glöde reflektiert über „Manifesta-tionen einer Veränderung des Bild-Raumdenkens“. Es geht ihm dabei eher um die „Raumidee“ als um die klassische Raumerzählung. Seine theoretischen Ausgangspunkte liegen in der Psychoanalyse, in der Bildtheorie, in der Wahrnehmungstheorie. Er findet die Basis für seine Untersuchung in den Diskursen über Farbe und Farblicht in den Künsten, in der Malerei, in der Farblichtarchitektur (inklusive den farbig illuminierten Kirchenräumen), in Theatermaschinen und Farblichtorgeln. Im zweiten, zentralen Teil geht es um die Farbe im frühen Film, um farbliche Avantgardepositionen zwischen 1910 und 1930 (Arnaldo Ginna, Bruno Corra, Léopoild Survage, natürlich auch die deutsche Avantgarde, Richter, Ruttmann, Fischinger) und den entsprechenden filmtheoretischen Diskurs bei Béla Balazs, Rudolf Arnheim und Siegfried Kracauer), um die Übergänge bei Sergej Eisenstein, Len Lye und Mary Ellen Bute, um die Entwicklung in den 1940er Jahren (Sara Kathryn Arledge, Kenneth Anger, Hy Hirsh, Harry Smith, Dwinell Grant) und schließlich um das experimentelle Kino der 50er und 60er Jahre (Stan Brakhage, Jordan Belson, James & John Whitney). Die Künstler werden kenntnisreich vorgestellt und historisch eingeordnet. Fast 800 Fußnoten verbinden den Text mit seinen Quellen. Die Abbildungen im laufenden Text sind schwarzweiß, im Anhang (116) in Farbe und guter Qualität. Mehr zum Buch: 978-3-7705-5497-3.html

Volker Koepp

2014.DVD.Koepp 1.kleinAm vergangenen Sonntag ist der Dokumentarist Volker Koepp 70 Jahre alt geworden. Es gab einige sehr schöne Geburtstagstexte (zum Beispiel von Martina Knoben in der SZ oder von Gunda Bartels im Tagesspiegel), und bei Absolut Medien sind zwei Doppel-DVDs mit frühen Filmen von ihm erschienen. Sein Wittstock-Zyklus gehört für mich zu den Glücksfällen des Dokumentarfilms der DDR. Der erste Film, MÄDCHEN IN WITTSTOCK, wurde 1974, also vor vierzig Jahren gedreht, dann folgten ein Jahr später WIEDER IN WITTSTOCK, zwei Jahre später WITTSTOCK III und drei Jahre später LEBEN UND WEBEN. Es waren noch Kurzfilme: der erste 18 Minuten lang, der zweite 22, der dritte 32, der vierte 28. 1984 entstand der erste Langfilm: LEBEN IN WITTSTOCK. Mehr war eigentlich nicht geplant. Aber dann kamen die Wende und die Neugier auf die Veränderungen, die damit konkret verbunden waren. 1992 wurden wir mit NEUES AUS WITTSTOCK auf den damaligen Stand gebracht, und 1997 folgte mit WITTSTOCK, WITTSTOCK der Abschluss. Es ist sehr spannend, die Filme – die ich zu ihrer Zeit alle gesehen habe – heute noch einmal zu sehen. Einerseits wirkt vieles inzwischen weit entfernt. Andererseits, und das ist der großen Kunst von Volker zu verdanken, bleiben uns die Menschen, die wir über lange Zeit kennen gelernt haben, erstaunlich gegenwärtig. Es geht um Näherinnen aus dem 1974 eröffneten Obertrikotagenbetrieb „Ernst Lück“ in Wittstock an der Dosse, einer kleinen Stadt mit 10.000 Einwohnern im Nordwesten von Berlin. Drei Frauen werden zum Zentrum der Beobachtung: Edith, FDJ-Sekretärin, zeitweise Bandleiterin, mutig und ehrlich, hat all unsere Sympathien. Sie wird 1992 entlassen und geht dann in die BRD. Renate, die Älteste und Erfahrenste im Konfektionsbereich, war Abteilungsleiterin, sie kann die Abläufe und Fehler im Betrieb natürlich am besten erklären. Sie arbeitet nach der Wende als Zimmermädchen in einem Hotel. Elsbeth (Cover-Foto), die Jüngste, übernimmt Verantwortung in der Endkontrolle, hat den größten Charme und eher bescheidene Zukunftswünsche. Wir sehen die Frauen bei der Arbeit, im Gespräch, auch in der Freizeit. Es wurde damals kräftig geraucht. Die Nachtschichten sind anstrengend. Die Männer wirken eher abschreckend. Alle Filme wurden in Schwarzweiß gedreht. Kamera: Christian Lehmann. Volker vermittelt aus dem Off kurze Informationen. Alle Filme zusammen dauern sechseinhalb Stunden. Die Zeitinvestition lohnt sich. Das Booklet, herausgegeben von Ralf Schenk, ist sehr informativ. Mehr zur DVD thema&list_item=53

BLOW-UP

2014.Blow-upIn der Wiener Albertina ist zurzeit (und noch bis zum 24. August) eine Ausstellung über Michelangelo Antonionis Film BLOW-UP (1966) und seine Bezüge zur Fotografie zu sehen. Ihre weiteren Stationen sind das Fotomuseum Winterthur und das Ausstellungshaus C/O Berlin. Der bei Hatje-Cantz erschienene Katalog ist in Wort und Bild beeindruckend. Der Kurator Walter Moser gibt mit seinem Essay „Antonionis hypnotischer Blick auf eine wilde Welt“ die Anspruchshöhe und den thematischen Horizont vor. Gabriele Jutz reflektiert über die Spielarten des voyeuristischen Blicks. Astrid Mahler erinnert an die neuen Tendenzen der britischen Modefotografie der 1960er Jahre (David Bailey, Terence Donovan, Brian Duffy), Anna Hanreich an die Reportagefotografie jener Zeit (Don McCullin, John Bumer, Philip Jones Griffith). Roland Fischer-Briand hat ein Werkverzeichnis der 91 offiziellen Pressefotos zu BLOW-UP zusammengestellt. Philippe Garner begründet die damalige Wahl des Drehorts London: „die aufregendste Stadt der Welt“. Und Thomas Seelig informiert am Ende über fotografische Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, die sich auf Antonionis Film zurückführen lassen. Mit über tausend kleinen und großen Abbildungen in bester Qualität ist dieses Buch eine wunderbare Hommage auf den Klassiker des Fotografiefilms. Ich freue mich auf die Ausstellung, die im Dezember nach Berlin kommt. Mehr zum Buch: blow-up-5937-0.html

Hou Hsiao-hsien

2014.HouIm Österreichischen Filmmuseum ist gerade eine große Hou Hsiao-hsien-Retrospektive zu Ende gegangen. Was bleibt, ist die Publikation. Ihr Herausgeber, Richard I. Suchenski, Director des Center for Moving Image Arts at Bart College, analysiert in seiner Einleitung das bisherige Werk des Taiwanesischen Regisseurs. In zehn Essays geht es um einzelne Filme oder größere Zusammenhänge. Die Autorinnen und Autoren sind Peggy Chiao (über den Film A CITY OF SADNESS), Ni Zhen („The Significance of Hou’s Films for Asian Cinema“), Jean-Michel Frodon („“Unexpectes but Fertile Convergence“), Jean Ma (über THE PUPPETMASTER), Hasumi Shigehiko (über FLOWERS OF SHANGHAI), James Quandt („A Certain Slant of the Light in the Films of Hou Hsiao-hsien“), James Udden (über DUST IN THE WIND), Wen Tien-Hsiang („The Unmarried Women“), Abé Mark Nornes („Narrative Space“) und Kent Jones („In Time“). Drei Filmemacher sind mit speziellen Texten über Hou Hsiao-hsien vertreten: Olivier Assayas, Jia Zhang-Ke und Koreeda Hirokazu. Zehn enge Mitarbeiter, darunter der Kameramann Chen Huai-En, der Cutter Liao Ching-Sung, die Produzenten Chen Kuo-Fu und Ichiyama Shozo und der Schauspieler Jack Kao, erzählen von der Zusammenarbeit. Alle Texte des Buches in Englisch. Der Anhang enthält eine Biografie, eine Filmografie und eine Bibliografie. Viele hervorragende Abbildungen rufen die Filme in Erinnerungen. Ich habe leider nicht sehr viele gesehen, war aber sehr beeindruckt von der Familiengeschichte A TIME TO LIVE AND A TIME TO DIE (1985), dem Historienfilm A CITY OF SADNESS (1989) und der Ozu-Hommage CAFÉ LUMIÈRE (2003). Mehr zum Buch: rel=de&ss1=y

Anschauen und Vorstellen

2014.Anschauen und Vorstellen23 Texte und die Einleitung des Herausgebers summieren sich zu einem sehr vielfältigen Buch über die gedanklichen und emotionalen Aktivitäten der Zuschauerinnen und Zuschauer im Kino, ihre Mitarbeit, ihre Imaginationen, ihr intellek-tuelles Vergnügen. Ausgangspunkt war eine internationale Tagung 2011 in Bremen. Ich nenne hier acht Einzeltexte und ein spezielles Kapitel, die mir besonders gut gefallen haben. Klaus Kreimeier eröffnet den ersten Teil („Emotio-nen“) mit einem sehr interessanten Text über „Blickstrategien in der frühen Kinematographie“. Julia Schoderer beschäftigt sich mit der Inszenierung moderner Krisenphänomene im Stummfilm am Beispiel von Robert Reinerts NERVEN (1919), der mit Recht neuerdings stärkere Beachtung findet. Der Herausgeber Heinz-Peter Preußer analysiert „Das imaginierte Böse in den ALIEN-Filmen von Ridley Scott bis Jean-Pierre Jeunet“. Es ist der Text mit den besten Abbildungen. Nina Schimmel referiert über die Sympathielenkung am Beispiel von NATURAL BORN KILLERS von Oliver Stone. Bei Kerstin Stutterheim geht es um „Dialogizität, Imagination und implizite Dramaturgie“ in Martin Scorseses SHUTTER ISLAND. Im zweiten Teil („Evokationen“) haben mich am stärksten beeindruckt: die Überlegungen von Michael Niehaus über das Voice-over in A LETTER TO THREE WIVES von Joseph L. Mankiewicz, die Erinnerungen von Johannes Pause an das „Jenseits der Bilder“ in den italienischen Politthrillern von Francesco Rosi, Damiano Damiani und Elio Petri, die Beschreibungen von Sabine Haenni, wie der Handlungsort Hafen in Marseille-Filmen dargestellt wird, und die Reflektionen von Heinz-B. Heller über den Dokumentarfilm und das Imaginäre. Das spezielle Kapitel („Exempel“) konzentriert sich mit sieben individuellen Texten auf den Film DAS WEISSE BAND von Michael Haneke, die Beiträge stammen von Janina Widfeuer, Constanze Breuer, Wolfram Bergande, Stephen Brockmann, Matteo Galli und Ulf Abraham. Band 4 der „Schriftenreihe zur Textualität des Films“. Eine Fundgrube für interessante wissenschaftliche Erkenntnisse. Mehr zum Buch: gelenkte-imagination-im-kino.html

SUPERGIRL von Rudolf Thome

Bild 1Endlich gibt es – bei Zweitausendeins – eine DVD von Rudolf Thomes Film SUPERGIRL. Gedreht wurde er vor 44 Jahren in München und am Starnberger See, in Zürich, Madrid und Paris. Iris Berben, damals 20, ist das Mädchen Francesca, das aus dem Nirgendwo kommt und dort am Ende auch wieder verschwindet. Sie trifft den Playboy Charly (Nikolaus Dutsch), den Schriftsteller Evers (Marquard Bohm), den Filmproduzenten Polonsky (Jess Hahn). Sie liest gern Comics, sie lässt sich auf vieles ein, sie sorgt mit ihrer Schönheit und ihrer geheimnisvollen Herkunft für Verwirrung. Der Plot ist natürlich nur die eine Seite des Films. Die andere Seite ist die physische Präsenz der Darsteller, der Gegenstände, der Orte: „Wie jemand blickt. Wie jemand geht. Wie jemand Whisky trinkt. Wie klar der Starnberger See ist. Wie amerikanische Autos gleiten. Wie jemand den Revolver hält. Wie jemand sich auszieht. Und wie jemand im Bett liegt und sich räkelt. Daraus bildet sich der Stoff, der die Faszination von Thomes Filmen ausmacht.“ (Norbert Grob, Kinemathek 66, November 1983). Drehbuch: Max Zihlmann/Rudolf Thome. Kamera: Affonso Beato. Im Hintergrund sehen wir Rainer Werner Fassbinder (vor dem Schaufenster einer Boutique), Eddie Constantine (als Gast auf einer Party), Klaus Lemke (als amerikanischen Produzenten). Ein spezieller Genuss sind die Farben des Films (wie schon bei Thomes davor gedrehten Film ROTE SONNE): das Rot, das Weiß, das Schwarz, das Blau. Und das Orange des Raumanzugs, mit dem Iris Berben in den Film einschwebt. Vorher dominierte im „Jungen deutschen Film“ eher das Schwarzweiß. SUPERGIRL lässt uns im Kino träumen. Mehr zur DVD: edition-deutscher-film-5-1970.html

Bilder aus der Zeit dazwischen

2014.HFF 2Die HFF München dokumen-tiert ihre Geschichte. Der erste Band über die Zeit von 1967 bis 1979 („Bilder wilder Jahre“) erschien 2011. Jetzt gibt es, wieder bei edition text + kritik, den zweiten Band: „Bilder aus der Zeit dazwischen“, über die 1980er Jahre. Die kurzen Vorworte stammen von der Hauptherausgeberin Michaela Krützen, den Herausgeberinnen des neuen Bandes, Judith Früh und Catalina Torres, und den – wie man neuerdings sagt – „Alumni“ Michael Gutmann und Nina Grosse. 28 von ihnen sprechen mit großer Empathie über ihre Ausbildung, darunter sind (ich nenne sie in alphabetischer Reihenfolge): Michael Bentele, Franziska Buch, Jakob Clausen, Nina Grosse, Michael Gutmann, Nico Hofmann, Ralf Huettner, Nicolas Humbert, Rainer Kaufmann, Lutz Konermann, Uli Limmer, Caroline Link, Vivian Naefe, Thomas Riedelsheimer, Hans-Christian Schmid, Dorothee Schön, Sönke Wortmann. Die Gespräche sind in einer geschickten Montage zehn thematischen Einzelkapiteln zugeordnet. Im Mittelpunkt dieser Kapitel stehen insgesamt 136 Filme, die in Wort und Bild dokumentiert sind. Sie geben einen Eindruck von der Vielfalt der Ausbildungsproduktion. Von Claudius Seidl stammt ein schöner, fordernder Text über den westdeutschen Film der 1980er Jahre (1990 veröffentlicht in Vogue). Irgendwann wird wohl ein dritter Band zur HFF-Geschichte folgen. Andere Filmhochschulen könnten sich an dieser „Vergangenheits-bewältigung“ ein Beispiel nehmen. Mehr zum Buch: 9783869162638#.U5hnxByWFgt

30. April 1945

2014.KlugeDer 30. April 1945 war ein Montag. Es war „Der Tag, an dem Hitler sich erschoß und die Westbindung der Deutschen begann“. Alexander Kluge ist an diesem Tag 13 Jahre, zwei Monate und 16 Tage alt. Er lebt in Halberstadt. Am 8. April 1945 waren große Teil der Stadt bei einem Luftangriff zerstört worden. Alexander ist nur knapp vom Einschlag einer Spreng-bombe verschont worden. Es ist eine „Delle in meinem Urvertrauen“. Psychologen würden von einem Trauma sprechen. Peter Laudenbach hat für den Tagesspiegel ein interessantes Gespräch mit Alexander Kluge geführt: 9976068.html. Halberstadt ist am 30. April 1945 bereits von den Amerikanern besetzt. Dieser Tag ist das zeitliche Zentrum des Buches. „Ankunft am Endpunkt“ heißt das erste Kapitel. Aber der Horizont ist offen. Das zweite Kapitel, „In einem anderen Land“, führt uns in die Schweiz, das dritte, „In der Reichshauptstadt“, nach Berlin, das vierte, „In einer kleinen Stadt“, nach Halberstadt, das fünfte, „Auf dem Erdball“, rund um die Welt: In San Francisco wird die Gründung der Vereinten Nationen vorbereitet, an der New Yorker Börse machen die Aktien einen Sprung nach oben, in Argentinien misslingt ein Putsch gegen die Regierung, im Exil macht sich Bert Brecht Gedanken über die europäische Arbeiterklasse, ein deutsches U-Boot fährt in einen japanischen Kriegshafen auf Java ein. Die Kombination der Texte und Schauplätze hat ihre eigene Logik. Ein spezielles Kapitel ist „Heidegger auf Burg Wildenstein“ gewidmet. Jedem Kluge-Kapitel folgt ein kleiner Text des Schriftstellers Reinhard Jirgl. Und „Anstelle eines Nachworts“ lässt uns der Autor an einer kleinen Schreibkrise im August 2013 auf Schloss Elmau teilhaben. Das Buch fasziniert durch das Nebeneinander von Dokument und Fiktion, Geschichte und Gegenwart, Tragik und Komik. Das ist Alexander Kluge, wie wir ihn lieben. Mehr zum Buch: alexander_kluge_42420.html

Frauen bei John Ford

2014.Ford FrauenFür viele ist John Ford „the ultimate man’s director“, weil sie bei seinem Namen vor allem an John Wayne, Henry Fonda, James Stewart oder Victor McLaglen denken, weil sie sein Werk auf die klassischen Western und Militärfilme fokussieren, weil ihnen Namen wie Sara Allgood, Jane Darwell, Mildred Natwick oder Cathy Downs eher fremd sind. Gegen diese Sicht der Ford-Filme opponiert der Schriftsteller David Meuel in seinem gerade erschienenen Buch, das mich mit seinem Titel schon bei der ersten Ankündigung neugierig gemacht hat. Ich bin beeindruckt von Meuels Blick auf die Filme und von seinen gründlichen Recherchen. Sie fügen sich zu einem etwas veränderten John Ford-Kosmos, der das vorherrschende Männer-Bild relativiert und den Blick für viele Details und Nuancen öffnet. In 17 Kapiteln stehen jeweils ein oder zwei Darstellerinnen im Mittelpunkt. Die Filme werden durch konkrete Beschreibungen in Erinnerung gerufen, die Frauenrollen werden in ihren Variationen analysiert, Dialoge werden zitiert, es wird auf besondere Inszenierungsmomente aufmerksam gemacht. Am besten gefallen haben mir die Kapitel über Claire Trevors Dallas in STAGECOACH und Joanne Drus Denver in WAGONMASTER, über Donna Reeds Sandy Davyss in THEY WERE EXPENDABLE, natürlich über Maureen O’Haras Kathleen in RIO GRANDE und Mary Kate in THE QUIET MAN, aber auch über Ava Gardners Honey Bear und Grace Kellys Linda in MOGAMBO und Anne Bancrofts Dr. Cartwright in 7 WOMEN. In der Regel schließt jedes Porträt mit Hinweisen auf die Arbeit der Darstellerin nach ihrer Mitwirkung bei Ford. Ein spätes Kapitel sammelt Namen und Rollen, die der Autor nicht ausführlicher würdigen konnte. Zum Beispiel Cathy Downs, die Darstellerin der Clementine. Die Abbildungen sind akzeptabel. Coverfoto: Grace Kelly und Ava Gardner in MOGAMBO. Mehr zum Buch: 978-0-7864-7789-0

DIE STADT DER MILLIONEN

2014.DVD.StadtZwei Jahre vor Walther Ruttmanns BERLIN. DIE SINFONIE DER GROSS-STADT (1927) entstand DIE STADT DER MILLIONEN von Adolf Trotz, ein Ufa-Kultur-film, der wenig bekannt ist und als Dokument große Qualitäten hat. Natürlich bleibt er hinter den experi-mentellen Ansprüchen von Ruttmann weit zurück. Aber sein authentisches Bild-material ist beeindruckend. Vier Kapitel strukturieren den Film: 1. „Quer durch Berlin“. 2. „Des Tages Arbeit“. 3. „Berlin bei Nacht“. 4. „Der Sonntag des Berliners“. Diesen Themen sind Impressionen der Stadt zugeordnet und – auch das unterscheidet ihn von Ruttmann – Spielszenen, in denen Geschichtsmomente nachinszeniert wurden. Sie sind aus heutiger Sicht der vielleicht schwächste Teil des Films. Während bei Ruttmann die Annäherung an die Stadt mit der Eisenbahn beginnt, kommen wir bei Trotz mit dem Flugzeug und wechseln dann zur Stadtrundfahrt in einen Autobus. Es sind natürlich die bekannten Straße und Plätze, die uns gezeigt werden: Friedrichstraße, Leipziger Straße, Alexanderplatz, das Schloss, der Potsdamer Platz, die Tauentzienstraße und der Kurfürstendamm, der Zoo, der Tiergarten und das Rote Rathaus. Es gibt früh eine Vision: Berlin im Jahr 2000. Sie erinnert ein bisschen an METROPOLIS, realisiert als Zeichentrickfilm. Verkehrmittel spielen eine große Rolle: Autos, Droschken, U-Bahnen. Und die städtischen Einrichtungen kommen ins Bild: Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser. Die Kamera fotografiert Menschen der Zeit – auf dem Markt, bei der Arbeit, beim Tanzen, auf dem Rummelplatz, am Sonntag beim Sport. Oft wird mit Splitscreen gearbeitet, um die Dynamik zu vergrößern. Auch der Film hat seinen Stellenwert: die Filmateliers in Tempelhof und Neubabelsberg, die Kinos in der Stadt. Ein kleiner Ausflug führt nach Potsdam (Sanssouci) und ans Grab von Heinrich von Kleist. Am Ende sind einige politische Ereignisse dokumentiert. Die Musik stammt von Boris Bojadzhiev und Bowen Liu. Das Filmmuseum Potsdam hat die DVD bei Absolut Medien herausgegeben. Die Aufsätze von Guido Altendorf, Jesko Jockenhövel und Mario Geßler im Booklet sind informativ. Der Film IM STRUDEL DER VERKEHRS (1925) von Leo Peukert (39’) gehört zum Zusatzmaterial. Cover-Zeichnung: Heinrich Zille. Mehr zur DVD: 1551&list=thema&list_item=53