ANDERSON

2015.DVD.AndersonDer Dokumentarfilm ANDERSON von Annekatrin Hendel lief im „Panorama“ der Berlinale 2014, kam dann ins Kino und ist jetzt bei Salzgeber als DVD erschienen. Ich finde ihn interessant und habe nur ein paar formale Einwände. Porträtiert wird der Lyriker und Musiker Sascha Anderson (*1953), der in den 1980er Jahren ein Protagonist der alternativen Ostberliner Kulturszene war und Anfang der 90er als Stasi-IM enttarnt wurde. Das hat damals viele seiner ehemaligen Freunde überrascht. Sie waren aber bereit, vor der Kamera über ihn, sein Charisma und seine Ambivalenzen zu reden. So sehen und hören wir den Schriftsteller Bert Papenfuß, den Liedermacher Ekkehard Maaß, die Keramikerin Wilfriede Maaß, die ihren Ehemann für Anderson verlassen hat, die Galeristin Ingrid Bahß, den Fotografen Dietrich Bahß, die Kameraleute Lars Barthel und Thomas Plenert, die mit Anderson zusammen an der HFF in Babelsberg studiert haben. In ihren Erinnerungen erscheint Anderson als eine schillernde Persönlichkeit, sie sind aber auf ihn nicht zornig, sondern allenfalls enttäuscht von seiner Unehrlichkeit. Zu Wort kommen auch der frühere „Kennzeichen D“-Mitarbeiter Holger Kulick und der heutige Leiter der Stasi-Behörde Roland Jahn. Die Malerin Cornelia Schleime wollte nicht vor der Kamera sprechen, hat sich aber künstlerisch mit ihrer Bespitzelung auseinandergesetzt. Anderson selbst verhält sich relativ souverän vor der Kamera. Im Filmstudio wurde für ihn die frühere Wohnküche von Ekkehard Maaß nachgebaut, was ihm einen effektvollen Auftritt verschafft. Fotos aus den 80er Jahren werden immer wieder mit der filmischen Gegenwart verbunden. Seinen privaten Bereich klammert Anderson in den Gesprächen aus. Auf alle anderen Fragen antwortet er geschickt und wirkt dabei kaum schuldbewusst. Was mich an dem Film stört, sind die vielen Bildeffekte, die durch die Tonmontage noch unterstützt werden. Auch die Rekonstruktion der Wohnküche im Studio finde ich überflüssig. Die Protagonisten haben eigentlich genügend Kraft für einen 90-Minuten-Film, aus dem man viel über die ehemalige DDR lernen kann. Mehr zur DVD: ANDERSON_ProdInfo.pdf

Our Shining Beast

2015.Our Shining BeastDer Film KOYAANISQATSI (1982) von Godfrey Reggio ist Kult. Es gibt in diesem Film keine handelnden Personen, keine Dialoge, nur Bilder (Kamera: Ron Fricke) und Musik (komponiert von Philip Glas). Der Titel zitiert ein Wort der Hopi-Indianer, das mit „Leben im Ungleich-gewicht“ übersetzt werden könnte. Fabian Kaufmann (*1982, zwölf Tage nach der Premiere des Films) porträtiert in seinem Text zunächst fünf Personen, die den Regisseur laut Nachspann zu seinem Werk inspiriert haben: der französische Soziologe und Theologe Jacques Ellul, der austro-amerikanische Philosoph und katholische Priester Ivan Illich, der „spiritual leader of the Hopi Nation“ David Monongye, der französische Künstler und Revolutionär Guy Debord und der österreichische Nationalökonom und Philosoph Leopold Kohr. Im Hauptteil führt uns der Autor durch den Film, beschreibt wichtige Sequenzen, bringt sie in Verbindung zu anderen Filmen, Büchern und philosophischen Erkenntnissen. So kommen Werner Herzogs FATA MORGANA, Leo Marx’ Buch „The Machine in the Garden“, Joan Didions Essay „Bureaucrats“, Marshall Bermans Buch „All That Is Solid Melts Into Air“, Luis Bunuels LOS OLIVIDADOS, Georgia O’Keefes Wolkenkratzer-Gemälde, ein fiktives Interview mit dem Architekten Rem Koolhaas, Saul Bellows Roman „Mr. Sammler’s Planet“, die weiteren Filme von Godfrey Reggio, Thomas Pynchons Roman „Gravity’s Rainbow“ und – immer wieder – das Buch „Die Antiquiertheit des Menschen“ von Günther Anders und Zitate aus Texten der oben genannten Inspiratoren ins Spiel. Das geschieht assoziativ, im besten Sinne auch subjektiv und führt zu überraschenden Erkenntnissen. 379 Quellenverweise auf 120 Druckseiten. Keine Abbildungen. Der Autor lebt seit 2014 mit seiner Frau in Zimbabwe. Mehr zum Buch: product=24320

Schleifen

2015.SchleifenEingerahmt von einem schönen, sehr persönlichen Vor- und Nachwort erzählt Tilman Baumgärtel die Geschichte des Loops in der Musik und konkretisiert sie an bekannten und (mir) weniger bekannten Künstlern. In seinem Kapitel „In den Klang“ geht es um Thomas Alva Edisons Kuss-Loop und die Form der technischen Wiederholung, Pierre Schaeffer und die französische musique concrète, Karlheinz Stockhausen und die Musik aus den Klanglaboren, Elvis Presley und den Belcanto aus der Maschine und Raymond Scott, einen Instrumentenbauer des 20. Jahrhunderts. Das Kapitel „In den Rhythmus“ handelt von Peter Roehrs Filmmontagen und dem ‚Willen zur Wiederholung’ in der Kultur der 60er Jahre, La Monte Young, Andy Warhol und dem Stillhalten der Zeit, Terry Riley und der Geburt der Minimal Music aus dem Geist der Tonbandschleife, Steve Reichs frühen Kompositionen und der Selbsttätigkeit der Technologie, Ken Kesey, Psychedelia und den Schleifen „des großen Hier und Jetzt“, den Beatles und den Schleifen in der Plastiktüte, Donna Summer, Giorgio Moroder und „I Feel Love“, Loops und der Homöostase der Moderne. Die Querverbindungen zum Film sind bei diesem Thema unvermeidlich. Baumgärtel ist Medienwissenschaftler, hat ein beeindruckendes Buch über das Kino Ostasiens geschrieben und sich tief in das Thema Loops eingearbeitet. Er nutzt die vorhandene Literatur, geht aber seine eigenen Wege. Das macht dieses Buch so lesenswert. Mit einem Vorwort von Hans Nieswandt, 40 Abbildungen in akzeptabler Qualität und einem Umschlagbild von Randy Robertson: „Looping Colors“. Mehr zum Buch: schleifen.html

Sexuelle Gewalt im Film

2015.Sexuelle Gewalt16 Beiträge fügen sich zu einem inter-essanten Spektrum, auch wenn man manche Texte schon aus anderen Zusammenhängen kennt. Das Buch hat drei Teile: „Exposition“, „Genres“, „Narrationen“. Sechs Beiträge haben mich besonders beeindruckt: Joachim von Gottbergs Informationen zu den rechtlichen Grenzen im Strafrecht und im Jugendrecht bei der Darstellung sexueller Gewalt, Hedwig Wagners „Überlegungen zum Darstellungsaspekt von Sexualität und zu möglichen Filmlektüren“, die zwar sehr theoretisch klingen, aber eine Basis für das Thema formulieren, Maja Bächlers Anmerkungen zur sexuellen Gewalt im Kriegsfilm, Ivo Ritzers Analyse „Zur medien-kulturellen Symptomatik der Repräsentation von Sex und Gewalt in TV-Serien des US-amerikanischen ‚Qualitätsfernsehens’“, die er in etwas anderer Form schon einmal publiziert hat, die aber wichtige Hinweise zum Thema enthält, der Text von Melanie Hinz über „Sexuelle Gewalt gegen Prostituierte im Mainstreamkino“ (Beispiele: PRETTY WOMAN, WHORE, FROM HELL) und Angela Kochs Gegenüberstellung des Spielfilms BOY’S DON’T CRY von Kimberly Peirce und des Dokumentarfilms THE BRANDON TEENA STORY von Susan Muska + Gréta Olafsdóttir und den unterschiedlichen Umgang mit sexueller Gewalt in der Fiktionalisierung. Auch wenn manche Erkenntnisse nicht neu sind: es ist gut, dass dieses Thema nicht in Vergessenheit gerät. Mehr zum Buch: sexuelle_gewalt_im_film.html

Signaturen der Erinnerung

ballhausen_cover.indd„Über die Arbeit am Archiv“ heißt, relativ nüchtern, der Untertitel dieser Publikation. Ihr Autor, Thomas Ball-hausen (*1975), leitete das Studienzentrum des Film-archiv Austria, ist  auch in den Bereichen Literatur und andere Künste tätig, war vor fünf Jahren zum Ingeborg-Bachmann-Preis eingeladen, schreibt Prosa, gibt Phantastikliteratur heraus, übersetzt, zeichnet Comics. Er ist alles andere als ein prototypischer Archivar. Sein weiter Horizont und sein kreativer Anspruch prägen auch diese Publikation. Sie beginnt und endet mit einem Song („on the different meanings of being framed“). Dann reflektiert sie im ersten Kapitel („Aufrisse und Plateaus“) Aspekte der Theorie, Geschichte und Funktion der (Film-)Archive, formuliert Konditionen des Bewahrens, verbindet Erinnerungsdiskurs und Archivsystem, referiert kurz die internationale Geschichte der Filmarchive, blickt auf „audio-visuelle Bestände“, formuliert Gedanken zur „Politik des Archivs“, trennt Preservation und Präsentation, erinnert an den „Brighton-Effekt“ mit der Rückbesinnung auf den frühen Film und schließt mit den Begriffen „Narrativität“ und „Temporalität“. Das zweite Kapitel betitelt der Autor „Regeln und Relationen“. Es beginnt 1895 mit Pöch, Freud, Röntgen und dem Kino. Der folgende Teil über „Filmzensur als historisches und quellenkundliches Element“ ist relativ umfangreich. Um den Horrorfilm geht es dann mit dem „Körper als Austragungsort“. Mit dem Film FANTOMAS (1931) von Paul Fejos und seiner Vorgeschichte (Louis Feuillade) wird das Verhältnis Stummfilm/Tonfilm thematisiert. Es folgen: der Pornofilm, der Avantgardefilm, der Film Noir, der Punk Film, eine kurze Analyse von 28 DAYS LATER und ein Blick auf den aktuellen japanischen Horrorfilm. Im dritten, abschließenden Kapitel („Prophetie und Poetik“) verknüpft Ballhausen Choreografie und Archiv. Seine Absicht insgesamt: das Archiv aus einer Enge zu befreien, neue Verbindungen herzustellen, das Denken zu erweitern. Er nimmt uns auf eine interessante Reise mit. Man muss ihm nur folgen. Mehr zum Buch: signaturen-der-erinnerung.html

Die Fotografin Eve Arnold

2015.Eve ArnoldSie war eine der großen Fotografinnen des 20. Jahr-hunderts. Als Eve Arnold am 4. Januar 2012 in London starb, war sie 99 Jahre alt. In München, London und San Francisco wurden Aus-stellungen zu ihrem 100. Geburtstag vorbereitet. Die hat sie knapp verpasst. 1951 wurde sie als erste Frau Mitglied bei der Fotoagentur „Magnum“. Manchen Männern war das damals wohl nicht recht. Heute gilt sie als Star. „Magnum Legacy“ heißt eine neue Publikations-reihe im Prestel Verlag, und der erste Band ist Eve Arnold gewidmet. Er erscheint mir vorbildlich in der Balance zwischen Text und Bildern. Wir haben es hier nicht mit einem klassischen Fotobuch zu tun, sondern mit einer Werkbiografie, in der dem Text eine große Bedeutung zukommt. Er stammt von der amerikanischen Kriegsreporterin Janine di Giovanni, die sich intensiv in das Privatarchiv von Eve Arnold eingearbeitet hat, Tagebücher, Briefe und Dokumente auswerten durfte und sechs sehr kluge, zugeneigte Kapitel verfasst hat: 1. Born Poor in America. 2. A Passionate Personal Approach. 3. A New Life in London. 4. At Home in the World. 5. Think in Chinese, Look in Chinese. 6. A Broad Sende of Life. Natürlich sind Arnolds Fotos von Marlene Dietrich, Joan Crawford und Marilyn Monroe bekannt. Sie war zwei Monate bei den Dreharbeiten zu THE MISFITS vor Ort in der Wüste von Nevada und genoss das Vertrauen von Marilyn wie keine andere Fotografin. Aber sie interessierte sich auch für ganz andere Themen, für das Leben in China, für Prostituierte in Kuba, für südafrikanische Minenarbeiter. Sie hatte ein Herz für Benachteiligte. Andererseits standen vor ihrer Kamera auch Jacqueline Kennedy, Malcolm X, Margaret Thatcher und die Queen. Sie fotografierte zunächst in Schwarzweiß, dann in Farbe, dann digital. Und meist sind es die Augen, die uns auf den Fotos besonders faszinieren. Ein tolles Buch! Mehr dazu: 452588.rhd?pub=58500

Drei Filme von Antonio Skármeta

2015.DVD.SkármetaDer Schriftsteller Antonio Skármeta (*1940) war ein Anhänger Salvador Allendes, musste nach dem Militärputsch 1973 Chile verlassen und lebte bis 1989 im Exil in Westberlin. Er schrieb Drehbücher für Peter Lilienthal (LA VICTORIA, ES HERRSCHT RUHE IM LAND), war Dozent an der DFFB (dort lernte ich ihn 1974 kennen) und konnte mit Unterstützung des Produzenten Joachim von Vietinghoff in den 1980er Jahren drei Filme realisieren, die jetzt in der „Edition Filmmuseum“ auf DVD erschienen sind. MIT BRENNENDER GEDULD (1983) erzählt poetisch und humorvoll von der Freundschaft des chilenischen Dichters Pablo Neruda zu einem Dorfbriefträger. Sie endet 1973 mit Nerudas Tod und der Verhaftung des Briefträgers. Die beiden Hauptdarsteller Roberto Parada (Neruda) und Óscar Castro (der Briefträger Mario) sind beeindruckend. Gedreht wurde der Film in Portugal. Skármeta hat aus dem Stoff noch einen Roman gemacht, der 1994 von Michael Radford mit Philippe Noiret und Massimo Troisi verfilmt wurde (IL POSTINO). – In dem Familiendrama ABSCHIED IN BERLIN (1984) unternimmt ein gelähmter Großvater mit seiner Frau den vergeblichen Versuch, aus der Berliner Exilwohnung auszubrechen und in sein Heimatland zurückzukehren. Die Odyssee durch Westberlin endet mit der Rückkehr in die Familie. Auch hier gibt es – bei aller Dramatik der Geschichte – viele poetische und humorvolle Szenen. – WENN WIR ZUSAMMEN-LEBTEN (1983) ist ein Tagebuchfilm, der von Skármetas Begegnungen mit lateinamerikanischen Künstlern in Europa erzählt und Fragen nach den Arbeitsmöglichkeiten im Exil stellt. Es ist der persönlichste der drei Filme. Die DVD-Edition ist der Zusammenarbeit des Goethe-Instituts mit dem Filmmuseum München zu verdanken. Das Booklet enthält vier Texte von Antonio Skármeta, der im Übrigen von 2000 bis 2003 chilenischer Botschafter in Berlin war. Mehr zur DVD: Abschied-in-Berlin.html

Gespenster der Technokratie

2015.GespensterEine Dissertation der Universität Hildesheim. Lars Robert Krautschick untersucht, wie in Horror-filmen vor allem aus Japan in den letzten Jahren die neuen technischen Medien – Video, Mobiltelefon, Internet – zur Angst-erzeugung eingesetzt werden. Speziell das Telefon spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Wichtige Filmbeispiele sind für den Autor verschiedene RING-Filme von Hideo Nakata aus den Jahren 1998 bis 2005, KAIRO (2001) von Kiyoshi Kurosawa und CHAKUSHIN ARI (2003) von Takashi Miike. Die Szenenbeschreibungen sind jeweils sehr genau und konkret, sie werden immer wieder in den größeren Zusammenhang von Medienreflexionen gestellt, mit vielen Beispielen aus der Filmgeschichte verglichen und mit der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur konfrontiert. In die 826 Quellenverweise sind häufig noch spezielle Beobachtungen oder Erkenntnisse verlagert. Auch wenn mir die aktuellen Produktionen des Horror-Genres eher fremd sind: ich habe bei der Lektüre viel gelernt. Die Auflistung der Sekundärliteratur am Ende des Bandes ist umfangreich (52 Seiten). Die Abbildungen haben (wie immer bei Bertz + Fischer) eine beeindruckende Qualität. Band 10 der von Marcus Stiglegger herausgegebenen Reihe „Medien/Kultur“. Coverfoto: JU-ON von Takashi Shimizu. Mehr zum Buch: 101&products_id=448

Deutschsein (wieder-)herstellen

2015.DeutschseinImmer wieder steht das west-deutsche Kino der 1950er Jahre im Fokus von wissen-schaftlichen Untersuchun-gen. Die vorliegende Publi-kation ist die Dissertation, mit der Maja Figge an der Berliner Humboldt-Universität promoviert wurde. Die These der Autorin heißt: „Weiße Männlichkeit wurde als Vehikel der (Wieder-)Her-stellungsprozesse von Deutschsein benutzt.“ Im ersten Kapitel geht es dabei um das „racial melodram“ TOXI (1952) von Robert A. Stemmle, eine Familien-geschichte, in der ein „afrodeutsches Besatzungskind“ (damals sprach man von einem „Mulattenkind“) im Mittelpunkt steht. Der Film war im Kino erstaunlich erfolgreich, weil die Hauptdarstellerin Elfie Fliegert die Zuschauer (mich auch) sehr gerührt hat. Maja Figge untersucht dann zehn weitere Filme unter den Aspekten Heimat, Heldenbild, Exotik/Erotik und Körper/Bewegung: HEIMAT – DEINE LIEDER (1959) von Paul May, DIE GOLDENE PEST (1954) von John Brahm, DIE GROSSE VERSUCHUNG (1952) von Rolf Hansen, DER STERN VON AFRIKA (1957) von Alfred Weidenmann, EIN MANN GEHT DURCH DIE WAND (1959) von Geza von Radvanyi, LIANE – DAS MÄDCHEN AUS DEM URWALD (1956) von Edward von Borsody, MONPTI (1957) von Helmut Käutner, DIE HALBSTARKEN (1956) von Georg Tressler, DIE GROSSE CHANCE (1957) von Hans Quest und ALLE LIEBEN PETER (1959) von Wolfgang Becker. Als Forschungsschwerpunkte der Autorin sind u.a. „Race & Gender“ hervorgehoben. Ihre entsprechenden Beobachtungen werden in den Analysen konkretisiert und mit Zitaten aus der einschlägigen Literatur abgesichert. 185 Screenshots werden als Beweismittel genutzt. Die Bibliografie im Anhang ist umfänglich. Coverfoto: Screenshot aus ALLE LIEBEN PETER. Mehr zum Buch: deutschsein-wieder-herstellen?c=738

Prozessieren

2015.ProzessierenDer Medientheoretiker Friedrich Kittler (1943-2011) hat immer wieder von drei grundlegenden Medienfunktionen gesprochen: Übertragen, Speichern und Prozessieren. Übertragen heißt: räumliche Distanzen über-winden. Speichern bedeutet: Zeit überwinden und Inhalte bewahren. Über beide Phänomene ist inzwischen viel publiziert worden. Das jetzt erschienene Buch von Hartmut Winkler, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Paderborn, widmet sich der dritten Medienfunktion: dem Prozessieren. Es geht dabei – ausgelöst durch die Möglichkeiten des Computers – um Veränderung von Daten, ihre Umformung, ihre Verarbeitung, ihre Verknüpfung. Im ersten Kapitel schreibt der Autor über die „eingreifenden Veränderungen“, über Transformieren, Transkribieren, Übersetzen, über Metamorphosen und Wandlungen, über Transformation und Form, über Performativität und den Wandel durch Wiederholung, über Geformtes und Ungeformtes, über Schalten und Entscheiden, über Algorithmen und mathematische Transformationen, über die Rolle des Subjekts. Im zweiten Kapitel stellt er alle drei Medienfunktionen – also Übertragen, Speichern, Prozessieren – in ein Verhältnis und definiert ihren Zusammenhang. Im dritten Kapitel geht es um Operationen in Raum und Zeit. Winkler führt uns zielsicher durch eine Labyrinth theoretischer Meinungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse, stellt gelegentlich auch seine eigenen Thesen in Frage und beeindruckt durch den souveränen Umgang mit Begrifflichkeiten. Vor allem für Medienwissenschaftler eine nützliche Publikation. Coverabbildung: Collage nach einer Idee von Hartmut Winkler auf der Basis einer im Internet zirkulierenden Fotografie. Mehr zum Buch: titel/978-3-7705-5841-4.html