Als die Angst die Seiten wechselte

Siegbert Schefke (*1959 in Eberswalde) war seit seiner Studentenzeit ein mutiger Regimekritiker in der DDR. Er hat sich in der Umweltbibli-othek in Ost-Berlin mit vielen Gleichgesinnten verbunden, konnte verdeckte Kontakte zu Roland Jahn herstellen, der ihm eine Videokamera verschaffte. Trotz intensiver Beobachtung der Stasi hat er immer wieder Filmaufnahmen von Umwelt-zerstörung und Stadtverfall in der DDR in den Westen ges-chmuggelt, die von der ARD gesendet wurden. Ein Höhepunkt: zusammen mit seinem Freund Aram Radomski konnte er vom Kirchturm der Reformierten Kirche in Leipzig die Demonstrationen am 9. Oktober 1989 dokumentieren, die am darauffolgenden Abend in den „Tagesthemen“ der ARD zu sehen waren. Über sein Leben in der DDR hat Siegbert Schefke jetzt ein sehr lesenswertes Buch verfasst, das im Transit Verlag erschienen ist. Mit vielen Faksimiles aus seinen Stasi-Akten (OV „Satan“), Fotos und QR-Codes zu den historischen Filmen. Mehr zum Buch: die-macht-der-verbotenen-bilder/

PARISer Cafés, Restaurants, Hotels im Film

2015 erschien das Buch „on location: Paris“ von Anette Krischer im Schüren Verlag, ein Reiseführer durch die Arrondis-sements der Stadt und die Schauplätze der Cafés, Restau-rants und Hotels im Film. Inzwischen ist das Buch vergriffen, und die Autorin hat eine aktualisierte und erweiterte Neuausgabe ediert, die im Selbstverlag erschienen ist. Wieder bewegen wir uns durch die Stadt vom Arrondissement 1 („Louvre“) zum Arrondissement 20 („Ménilmotant“). Diesmal beträgt die Zahl der Cafés, Restaurants und Hotels, die Schauplätze von Filmen waren, 57. Sie werden in farbigen Fotos gezeigt. Und es sind 285 Filme, die von der Autorin lokalisiert werden. Die entsprechenden Fotos sind schwarzweiß, die Texte konkret und zugeneigt Natürlich wird uns dieses Buch bei unserer nächsten Reise nach Paris begleiten. Unteres Coverfoto: LA CHAMADE (1968) mit Catherine Deneuve. Mehr zum Buch: books&sr=1-1 oder: www.anettekrischer.com

In einer Bar in Mexiko

„In einer Bar in Mexiko, da saßen wir und war’n so froh – ayayayay, ayayayay“ sang Heino 1970. Da waren die meisten Filme mit mexikanischen Bars als Location bereits gedreht. Rainer Boller unternimmt in seinem Buch eine filmhistori-sche Reise, in der 42 Filme ausführlich vorgestellt werden, in denen mexikanischen Bars eine wichtige Rolle spielen. Ein zentraler Titel ist natürlich THE TREASURE OF THE SIERRA MADRE (1950). Es sind vor allem Männer, die in den Bars zu Gast sind: Mario Adorf, Humphrey Bogart, Gary Cooper, Errol Flynn, Glenn Ford, Sterling Hayden, Robert Mitchum, John Payne, B. Traven, John Wayne, Richard Widmark, aber man darf auch die Frauen nicht übersehen: Jane Greer, Rita Hayworth, Patricia Medina oder Jane Russell. Getrunken werden Margaritas und Tequila, gegessen Tortillas und Enchiladas. Ein Exkurs des Buches behandelt speziell den Film Noir in Mexiko, ein zweiter, kürzerer, James Bond in Mexiko. Schließlich richtet sich der Blick noch auf Antonio Banderas, Salma Hayek und den Film FRIDA (2002); da liest man: „Gegen Ende des Films sitzt Salma Hayek allein an einer Bar in Coyoacán. Trinkt und raucht und blickt einsam in den Spiegel. Die Bar als Ort, um mit der Seele ins Reine zu kommen.“ (S. 266). Mit vielen Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: in-einer-bar-in-mexiko.html

„Der Fall in Singapur“

Ed Cauthorne war Stuntman in Hollywood, bis er vor zwei Jahren den Tod seines Kollegen Angelo Sacchetti verschuldete und den Beruf wechselte. Jetzt verkauft er zusammen mit seinem Partner Richard Trippet Oldtimer. Aber die Vergangen-heit holt ihn ein. Der Pate von Sacchetti, Charles Cole – wohn-haft in Washington – zwingt Cauthorne, sich auf die Suche nach Sacchetti zu machen, denn der ist noch am Leben: als Drahtzieher in Singapur, verhei-ratet mit einer Chinesin. Cauthorne macht sich auf den Weg nach Singapur, begleitet von der ehemaligen Verlobten von Sacchetti, Carla Lozupone. Die Ereignisse vor Ort sind dramatisch. Sie werden von Ross Thomas aus der Ich-Perspektive von Ed Cauthorne erzählt, der allerdings auch Menschen vertraut, die zu seinen Gegnern gehören. Ich habe den Roman gelesen, als er 1970 unter dem Titel „Sing Sing Singapur“ bei Ullstein publiziert wurde. Jetzt ist im Alexander Verlag, der eine exzellente Ross-Thomas-Edition auf den Weg gebracht hat, die erste vollständige deutsche Ausgabe erschienen. Ein sensationell guter Krimi! Und es gibt noch 24 andere Romane von Ross Thomas, der 1995 gestorben ist. Mehr zum Buch: start=0&order_by=c.erschienen

DER GEIGER VON FLORENZ (1926)

Sie war eine charismatische Schauspielerin, zuerst auf der Bühne und seit 1922 auch im Film: Elisabeth Bergner (1897-1986). Regie führte bei fast allen ihren Filmen ihr späterer Ehe-mann Paul Czinner. Die Erich-Pommer-Produktion DER GEIGER VON FLORENZ ist beispielhaft für die große Aus-strahlungskraft der Darstellerin. Sie spielt die junge, lebenslustige René, die heftige Konflikte mit ihrer Stiefmutter hat, von ihrem Vater in ein Schweizer Internat verbannt wird und in den Sommerferien, verkleidet als Junge, nach Italien flieht. Einem jungen Maler steht sie für das Gemälde „Der Geiger von Florenz“ Modell. Als ihr Vater in Deutschland René auf dem Bild entdeckt, will er sie nach Hause zurückholen. Aber der Maler hat sich inzwischen in René verliebt, und am Ende gibt es ein Happyend. Siegfried Kracauer schrieb damals: „Das Androgynenhafte verleiht der Bergner jene Zweideutigkeit, die nirgends eine Grenze finden lässt und ihre Gestalt zum Geheimnis macht.“ (Frankfurter Zeitung v. 29.5.1926). Die Besetzung insgesamt ist beeindruckend: Conrad Veidt als Vater, Nora Gregor als Stiefmutter, Walter Rilla als Maler. Bei Universum Film ist jetzt eine DVD der restaurierten Fassung erschienen, mit einer neuen Musik von Uwe Dierksen. Das Booklet enthält ein Interview mit ihm und einen Text von Anke Wilkening über die Wiederentdeckung des Films. Auch die Exportfassung des Films gehört zum Bonusmaterial. Die DVD ist sehr zu empfehlen. Mehr zur DVD: der-geiger-von-florenz.html

MEIN BRUDER HEISST ROBERT… (2018)

Der Film MEIN BRUDER HEISST ROBERT UND IST EIN IDIOT von Philip Gröning lief im Wettbewerb der Berlinale 2018. Einen Preis bekam er nicht, aber – wie alle Filme von Gröning – hat er viele Qualitäten. Hauptfiguren sind die Zwillinge Elena und Robert, 19 Jahre alt. Die Handlung spielt an einem Wochenende in einer kleinen Stadt in Süddeutschland. Elena bereitet sich auf das Abitur im Fach Philosophie vor, Robert ist in der Schule sitzen geblieben und wird von seiner Schwester als dumm angesehen. Zwischen den beiden gibt es eine Hassliebe. Auslöser neuer Konflikte ist die Wette, dass Elena am Wochenende Sex haben wird. Wenn ihr das nicht gelingt, muss sie das Auto, das sie zum bestandenen Abitur bekommen soll, an ihren Bruder abgeben. Zum wichtigsten Schauplatz wird eine Tankstelle. Am Ende fallen viele Schüsse. Auch wenn manche Aktionen nicht ganz einleuchten, gibt es viele spannende Momente, zwischendurch wird philosophiert und gesungen. Die Hauptrollen spielen Julia Zange und Josef Mattes. Der Film dauert 172 Minuten. Bei W-Film ist jetzt eine DVD erschienen, die man Menschen empfehlen kann, die Geduld für verrückte Filme haben. Mehr zur DVD: mein-bruder-heisst-robert-und-ist-ein-idiot/

Tagebuch einer Ewigkeit

Petros Markaris ist bei uns eher als Krimi-Autor bekannt, sein Kommissar Kostas Charitos ermittelt in Athen, bisher war er elfmal erfolgreich. Von 1990 bis 2008 hat Markaris als Coautor eng mit dem griechischen Regisseur Theo Angelopoulos zusammengearbeitet. In einem Arbeitstagebuch ist die Koopera-tion bei dem Film DIE EWIG-KEIT UND EIN TAG dokumen-tiert, der 1998 in Cannes mit der „Goldenen Palme“ ausgezeich-net wurde. In für Angelopoulos typischen langen Einstellungen erzählt der Film vom letzten Tag im Leben des Dichters Alexander in Thessaloniki und von seiner Rettung eines albanischen Jungen vor Menschenhändlern. Die Arbeit am Drehbuch war langwierig, sie dauerte fast ein Jahr. Markaris beschreibt die vielen Umwege, die zu gehen waren, bis Angelopoulos mit dem Ergebnis zufrieden war. Für die Lektüre des jetzt im Diogenes Verlag erschienenen Buches ist es hilfreich, sich den Film noch einmal auf DVD anzuschauen, weil man die detailliert beschriebenen Veränderungen sonst schwer nachvollziehen kann. Im Untertitel heißt das Buch „Am Set mit Angelopoulos“. Dort ist man aber erst auf den letzten fünfzig Seiten. Wunderbar: die Schilderung der Arbeit von Bruno Ganz, der die Hauptrolle des Dichters Alexander spielte. Fotos von den Dreharbeiten findet man in der Mitte des Buches. Mehr zum Buch: 9783257070651.html

„Berliner Blau“ von Philip Kerr

Kein Filmbuch, sondern ein hervorragender Krimi: der zwölfte Band der Bernie Gunther-Serie von Philip Kerr, der jetzt posthum bei Wunderlich erschienen ist. Er spielt auf zwei Zeitebenen: 1939 und 1956. 1939 befinden wir uns vorwiegend in Berchtesgaden und auf dem Obersalzberg. Ein Bauingenieur ist auf Hitlers Anwesen ermordet worden, der Täter soll von Bernie Gunther vor dem Geburtstag des Führers ermittelt werden. Das erweist sich als sehr schwierig, weil die Fronten vor Ort die Ermittlungen erschweren. An der Seite von Gunther ist Friedrich Korsch aus Berlin ein hilfreicher Kollege. 1956 beginnt die Geschichte an der Französischen Riviera. Im Grand Hotel Cap Ferrat ist Gunther inzwischen als Concierge tätig und bekommt Besuch von Erich Mielke aus der DDR. Er wird von ihm aufgefordert, die englische Agentin Anne French aus dem Weg zu räumen, die uns aus dem letzten Roman „Kalter Frieden“ bestens bekannt ist. Zum Personal von Mielke gehört Friedrich Korsch, der zum heftigsten Verfolger von Gunther wird, als dieser sich auf die Flucht nach Deutschland begibt. Die beiden Zeitebenen sind wunderbar miteinander verbunden, es gibt Cliffhanger, die dafür sorgen, dass man das 630-Seiten-Buch kaum aus der Hand legen kann. Sommerlektüre auf höchstem Spannungsniveau. Mehr zum Buch: berliner-blau.html

Wirkungstheorien

Welche Wirkungen haben Ge-waltdarstellungen in den Medien? Astrid Zipfel, Akademi-sche Rätin am Institut für Sozialwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, zieht in ihrem Buch eine Zwischenbilanz der umfangreichen Forschungen. Ihr Überblick über Wirkungs-theorien verweist auf neun Thesen und Modelle: Katharsis-These, Suggestion, Imitation, Ansteckung, Habitualisierungs- und Desensibilisierungsthese, Excitation-Transfer-These, Stimulationsthese und Priming-Konzept, Sozial-kognitive Lerntheorie, Skript-Theorie, General Aggression Model, Katalysator-Modell. Zentrale empirische Befunde werden aufgelistet. Am Ende gibt es Kritik und Bilanz, die „Top Ten der Forschungsliteratur“ und fünfzig Seiten Literaturhinweise. Eine Publikation auf hohem theoretischem Niveau. Mehr zum Buch: product=29873

Humor und erfolgreiche Kinderfilme

Eine Dissertation, die an der Universität für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg entstanden ist. André F. Nebe untersucht darin die Humorofferten des Kinderfilms. Er unterscheidet zwischen hypotaktischem (komplexem) und paratakti-schem (einfachem) Humor. Sein erstes Kapitel definiert den Kinderfilm (20 Seiten). Dann folgt eine Klärung des Humors in Wissenschaft und Praxis (170 Seiten). Der empirische Teil (320 Seiten) enthält die Ergebnisse von Kinderbefragungen und die Analysen von fünf ausgewählten Filmen: PAULAS GEHEIMNIS (2007) von Gernot Krää, HANNI & NANNI (2010) von Christine Hartmann, HEXE LILLI – DER DRACHE UND DAS MAGISCHE BUCH (2009) von Stefan Ruzowitzky, WICKI UND DIE STARKEN MÄNNER (2009) von Michael Herbig und DIE WILDEN KERLE 4 (2007) von Joachim Masannek. Beschrieben werden jeweils Inhalt und Genre, eine exemplarische Humorsequenz, die Humorkategorien der Beispielszene und die filmtechnische Umsetzung. Am Ende werden alle fünf Filme in der Komplexität der Humorofferten verglichen. Die Befunde sind vergleichsweise konkret und lassen sich gut nachvollziehen. Mit Abbildungen in guter Qualität. Ein Basisbuch zum Kinderfilm. Mehr zum Buch: 9783658233280