Emigranten-Lexikon

Der Hamburger Kunsthistoriker und  Filmexperte Kay Weniger (*1954) ist ein fleißiger Rechercheur. 2001 publizierte er das achtbändige „Große Personenlexikon des deutschen Films“, kürzlich ist sein Lexikon der 1933 bis 1945 aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden erschienen. Der Titel „Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben…“ zitiert ein Lied des Sängers Joseph Schmidt. Wenigers Buch (ACABUS Verlag Hamburg, 683 S., 64,90 €) enthält 575 Biografien von Filmkünstlern und Mitarbeitern, die aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen vor den Nazis fliehen mussten. Darunter befinden sich auch viele Namen, über die man wenig weiß. Daten und Fakten wirken gut recherchiert, es werden Irrtümer korrigiert und biografische Lücken ergänzt. Neu war für mich, dass Fred Zinnemann nicht – wie von ihm behauptet – in Wien geboren wurde, sondern im heute polnischen Rzeszow. In einem umfangreichen Vorwort stellt der Autor seine Arbeit in den Zusammenhang der NS-Filmpolitik und der daraus folgenden Konsequenz für Einzelschicksale.

Filme der 2000er

Dies ist der neunte Band der internationalen Filmgeschichte in Dekaden, beginnend mit den 1920ern. Herausgeber der Reihe ist der Dresdner Kunstwissenschafler Jürgen Müller. Jetzt geht es bereits um die ersten zehn  Jahre dieses Jahrhunderts. 139 Filme werden mit Fotos, Texten und Plakaten in Erinnerung gerufen. Darunter sind fünf deutsche Filme: GOOD BYE, LENIN, GEGEN DIE WAND, DAS LEBEN DER ANDEREN, DER BAADER-MEINHOF-KOMPLEX und DAS WEISSE BAND. Dass auf dem Cover noch einmal AVATAR in die Welt blickt, hat eine Logik. Die schwarze Seitengrundierung mit weißer Schrift gibt den Fotos eine spezielle Brillanz. Die Texte zu den Filmen, Personen und film-technischen Begriffen stammen u.a. von Philipp Bühler, Malte Hagener, Lars Penning und Burkhard Röwekamp. Mehr zum Buch: catalogue/film/all/04430/facts.filme_der_2000er.htm

Babelsberg-Storys

Ein alternatives Buch zum 100. Geburtstag von Babelsberg. Thomas Knauf (*1951) war in den 1980er Jahren festangestellter Szenarist bei der DEFA. Von ihm stammen die Drehbücher zu Michael Gwisdeks TREFFEN IN TRAVERS (1988), Peter Kahanes DIE ARCHITEKTEN (1990) und Roland Gräfs DIE SPUR DES BERNSTEIN-ZIMMERS (1992). Nach der deutschen Einigung verbrachte er fünf Jahre in New York, aber mit einer Hollywood-Karriere hat es nicht geklappt. Inzwischen lebt er wieder in Berlin. In diesem Buch erzählt er 32 Geschichten, die sich mit Babelsberg und mit dem Drehbuchschreiben verbinden: Erlebnisse, Reflexionen, Anekdoten. Im Sinne des von ihm verehrten F. Scott Fitzgerald und dessen Romanfigur Pat Hobby. Eingefügt sind 44 Regeln für junge Drehbuchautoren. erschienen&start=

100 Jahre Babelsberg

Jubiläum in Babelsberg: 100 Jahre Film-studio. Mit einem Festakt wird das Ereignis heute gefeiert. Daniela Sannwald und Christina Tilmann hatten vor einem Jahr die schöne Idee zu einer sehr speziellen Publikation. Sie begaben sich auf eine Spurensuche nach all den Frauen, die in Babelsberg als Regisseurinnen, Schauspie-lerinnen oder in anderen Funktionen eine Rolle gespielt haben. Das Buch, unterstützt von der Berlinale, der DEFA-Stiftung und der Deutschen Kinemathek, ist soeben im Verlag Edition Ebersbach (128 S., 19,80 €) erschienen. Mit Beiträgen über Asta Nielsen, Thea von Harbou, Marlene Dietrich, Anny Ondra, Rosa und Henny Porten, Leni Riefenstahl, Renate Müller, Lilian Harvey, Zarah Leander, Sibylle Gerstner, Hildegard Knef, Evelyn Carow, Jutta Hoffmann, Angelica Domröse, Margarethe von Trotta, Helke Misselwitz und Silke Buhr, verfasst von Christina Tilmann, Anke Sterneborg, Fatih Özgüven, Frank Noack, Daniela Sannwald, Barbara Sichtermann, Günter Krenn, Christian Schröder, Claudia Lenssen, Andreas Ungerböck, Jürgen Trimborn, Silvia Hallensleben, Kerstin Decker (2 Texte), Thilo Wydra, Hans Helmut Prinzler und Kristina Jaspers. Mit einem Vorwort von Dieter Kosslick.

Scenario 6

Nun schon zum sechsten Mal präsentiert der Herausgeber Jochen Brunow seinen Film- und Drehbuchalmanach am ersten Berlinale-Samstag. Die neue Ausgabe enthält u.a. ein Werkstattgespräch mit Bernd Lange, Essays von Anna Praßler, Keith Cunningham, André Georgi und Thomas Knauf, ein Journal von Monika Bauert über DAS BOOT, kommen-tiert von Michael Töteberg, Backstory-Splitter von Richard Brooks und Gerd Midding und – wie immer – das beste unverfilmte Drehbuch des Jahres. Senta Berger wird bei der Präsentation im Museum für Film und Fernsehen Passagen aus dem Buch vorlesen und kommentieren.

Berlinale: Die Retrospektive

„Die rote Traumfabrik“ ist der Titel der Retrospektive der 62. Berlinale. Es geht um die Produktionen des großen russischen Studios Meschrabpom und die Zusammen-arbeit mit der deutschen Produktionsgesell-schaft Prometheus. Über 40 Stumm- und Tonfilme stehen auf dem Programm. Die Kinemathek kooperiert bei der Retrospektive in diesem Jahr erstmals mit dem Museum of Modern Art. Ein spezielles Ereignis ist die Aufführung einer rekonstruierten Fassung des Films OKTJABR von Sergej Eisenstein (1928) am 10. Februar im Friedrichstadtpalast. Zur Retrospektive erscheint eine Publikation im Verlag Bertz + Fischer, herausgegeben von Günter Agde und Alexander Schwarz; Redaktion: Karin Herbst-Meßlinger. Das Titelfoto wirkt ziemlich düster.

Motive des Films

40 Autorinnen und Autoren beteiligen sich in dieser Festschrift zum 60. Geburtstag des Filmwissenschaftlers Hans J. Wulff an einem „kasuistischen Fischzug“: es geht um Motive im Film. Eine Auswahl: Eisen-bahnen, Traktoren, Dampfer, Fahrräder, Automobil-Oldtimer, Straßenköter, böse Hunde, Aquarien, Insekten, animierte Bären, Raucher, Essstäbchen, Bier, die Unschuld vom Lande, Schlafende, Barfüßler, Türen, Treppen, Spiegel, Schaukeln, Mauern, Gefangene, Höllenstürze, Countdowns, Immobilienmakler, Lehrer, Schreibmaschinen, Regen, Licht und Schatten, Aufräumen. Den Texten vorangestellt ist ein Essay des Geehrten über Konzepte des Motivs und der Motivforschung in der Filmwissenschaft. Ein anregendes Buch, das viele weitere Assoziationen auslöst. (Schüren Verlag, 336 S., 29,90 €).

Über Christian Petzold

Christian Petzolds neuer Film BARBARA nimmt am Wettbewerb der Berlinale teil. Über den eigenwilligen, stilbildenden Regisseur ist gerade eine kluge Publikation erschienen, die Diplomarbeit der Mainzer Mediendramaturgin Johanna Schwenk: „Leerstellen – Resonanz­räume. Zur Ästhetik der Auslassung im Werk des Filmregisseur Christian Petzold“ (Nomos Verlag, Baden-Baden, 102 S., 29 €). Ausgehend von der Leerstellen-Theorie in der Literatur und  der Bildenden Kunst analysiert die Autorin speziell Petzolds Gespenster-Trilogie (DIE INNERE SICHERHEIT, GESPENSTER, YELLA) mit dem Blick auf Zeit, Raum und Bewegung. Ihre Befunde sind auch in der knappen Formulierung spannend und erkenntnisreich. Der Anhang enthält ein Interview mit Petzold.

300. Geburtstag Friedrichs des Großem

Heute wird in Deutschland der 300. Geburt-stag von Friedrich II. gefeiert. Das Festpro-gramm ist umfangreich, es gibt Staatsakte, Ausstellungen, Fernsehereignisse, Film-reihen. Einen originellen Beitrag zum runden Geburtstag liefert das Filmmuseum Potsdam in Zusammenarbeit mit Absolut Medien: eine DVD mit dem Titel „Friedrich II. und der Film“. Sie enthält Kurzfilme aus verschie-denen Jahrzehnten, ein Interview mit Michael Gebühr, dem Sohn von Otto Gebühr, der zwischen 1919 und 1942 in 15 Filmen den König gespielt hat, und die Komödie DIE TÄNZERIN VON SANSSOUCI aus dem Jahr 1931.

Filmische Atmosphären

Dies ist der 30. Band der „Zürcher Film-studien“, die seit zehn Jahren im Schüren Verlag publiziert werden und  von Christine N. Brinckmann initiiert wurden. Der vorliegende Band dokumentiert die Beiträge einer Tagung zum zwanzigjährigen Bestehen des Instituts für Filmwissenschaft an der Universität Zürich. In 17 Texten wird den Atmosphären im Film und in den Räumen, in denen Filme rezipiert werden, also im Kino, nachgegangen. Mit Texten von Anne Paech, Jörg Schweinitz, Barbara Flückinger, Alexandra Schneider, Hans J. Wulff, Britta Hartmann, Tereza Smid, Franziska Heller, Michael Wedel, Daniel Wiegand, Wolfgang Beilenhoff, Christine N. Brinck-mann, Veronika Rall, Patrick Straumann, Joachim Paech, Volker Gerling. Das Schweizer Institut wird inzwischen von Margrit Tröhler geleitet, die auch das Vorwort geschrieben hat.