Multimodale Bilder

Grabbe-1.indd„Die Analyse des komplexen Verhältnisses von Inter-medialität, Intermodalität und Intercodalität innerhalb des filmischen Rezeptionsprozesses steht im Zentrum dieses Bandes.“ Es geht um die synkretistische Struktur des Filmischen, die bei einer Tagung der „Forschungsgruppe Bewegt-bildwissenschaft Kiel (FBK)“ verhandelt wurde. Keine leicht zugängliche Lektüre. Vier der zehn Texte habe ich mit größerem Interesse gelesen. Janina Wildfeuer untersucht unter dem Titel „Trompeten, Fanfaren und orangefarbene Tage“ die Intersemiose in DIE FABEL-HAFTE WELT DER AMELIE von Jean-Pierre Jeunet mit viel theoretischer Begleitung, aber konkret am Film. Stefanie Kreuzer beschreibt die filmische Selbstreflexion als gespiegelten Filmtraum in Ingmar Bergmans PERSONA. Bei Tanja Prokic werden drei Szenen der Filme BLOW-UP, THE CONVERSATION und PULP FICTION mit einem Fotografen, einem Abhörspezialisten und einer überwachenden Frau auf die Relation von Sinnesapparat und Medialität untersucht. Am spannendsten fand ich die Korpusanalyse von Rollenstereotypen im DEFA-Film von Doris Schöps. 50 DEFA-Filme aus unterschiedlichen Zeitabschnitten mit verschiedenen Themen waren ihre Datenbasis, sie stellte dabei „Helden und Systemvertreter“ den „Feinden und Außenseitern“ gegenüber und suchte nach 42 Körperhaltungen, vor allem „Hände vor dem Körper geschlossen“, „Beine übereinander geschlagen“, „Ein Bein aufgestellt“, „Hand am Kinn“, „Hände in die Hüfte gestemmt“, „Aktentasche untergeklemmt“, „Daumen eingehakt“, und kommt zur Erkenntnis, dass diese Haltungen die Unterschied-lichkeit der positiven und negativen Figuren charakterisieren. Klingt erst befremdlich, wird aber durch entsprechende Abbildungen nachvollziehbar. Mehr zum Buch: multimodale-bilder

Kino und Automobil

2013.Kino + AutoAusgangspunkt für dieses Buch war ein Kolloquium an der Universität Leipzig, veranstaltet vom Institut für Romanistik. 13 Texte sind hier versammelt, sie folgen einer groben Chronologie. Dass das Auto dabei etwas kreuz und quer durch die Filmge-schichte fährt, hat seinen eigenen Reiz. Im ersten Beitrag geht es noch ums Auto und die Literatur (Autor: Elmar Schenkel), dann um die Frühzeit („L’automobile dans le cinéma primitif“, Jean-Claude Seguin), gefolgt von einem Essay von Charles Grivel über Spiegelungseffekte des Autos u.a. bei Rossellini und Visconti, Truffaut, Malle und Godard, Eastwood und Cronenberg (schöne Abbildungen). Isabel Maurer Queipo macht Anmerkungen zur Faszination des Automobilen und Kinematographischen, Tanja Schwan schreibt über Rennwagen und fliegende Autos vom Futurismus bis Luc Besson, Volker Roloff entdeckt die Komik des Mythos „Automobil“. Wolfgang Bongers vergleicht VIAGGIO IN ITALIA von Rossellini mit LES CHOSES DE LA VIE von Claude Sautet, Uta Felten IL SORPASSO von Dino Risi mit MIO COGNATO von Alessandro Piva. Bei Nicoleta Bazgan geht es um den Star Brigitte Bardot, bei Hauke Lehmann um Spielbergs DUEL als Horrorfilm. Kristin Mlynek-Theil analysiert FEUX ROUGES von Cédric Kahn, Sieglinde Borvitz KOPEJKA von Ivan Dychovychnij. Und am Ende reflektiert Gregor Schuhen über Autofahren und Gender Trouble von Proust über Tarantino bis Madonna. Also: viele Kreuzungen, wenig Einbahnstraßen. Hilfreich wäre ein Filmtitel-Register gewesen. Titelfoto: Danièle Huillet und Jean-Marie Straub mit Filmkopien im Kofferraum ihres Autos (1999). Mehr zum Buch: 24990540.htm (man landet auf der Verlagsseite, das Buch muss man dann suchen).

NANUK, DER ESKIMO (1922)

2014.NanukAnfang der 1950er Jahre habe ich den Film im Kino gesehen, da wusste ich noch nicht einmal, was ein Dokumentarfilm ist. Aber die Beobachtung des Lebens einer Familie in Eis und Schnee hat mich tief beeindruckt. Später, in der Dokumentarfilm-Schule von Klaus Wildenhahn, spielten die Filme von Robert Flaherty eine große Rolle, weil sie – zeitbedingt – dokumentarisches Material mit nachgespielten Szenen verbanden. Einerseits sollten sie so authentisch wie möglich Alltag, Arbeit und Lebenswelt in der Arktis zeigen, anderer-seits musste es aber auch Spannung und Empathie geben im Kampf mit der Natur, beim Robbenfang oder beim Erlegen eines Walrosses. Und die Schönheit der Landschaft im Norden Kanadas durfte nicht zu kurz kommen. Flaherty sah sich als Forscher und Entdecker, aber auch als Filmemacher, der an sein Publikum dachte. NANOOK OF THE NORTH liegt jetzt in einer restaurierten und in HD gemasterten Fassung vor. Die Begleitmusik stammt von Timothy Brock. Zu den Extras gehört ein Acht-Minuten-Gespräch mit Flahertys Witwe Frances. Unbedingt sehenswert. Mehr zur DVD: view=film&id=1556

 

Filmstadt Potsdam

2013.PotsdamPotsdam: das sind Schloss Sanssouci und die Erinnerungen an eine preußische Monarchie, der neue Landtag und die Regierung von Brandenburg. Zu Potsdam gehört Babelsberg mit den alten, modernisierten Filmstudios (sie schreiben gerade wieder schwarze Zahlen), der Marlene-Dietrich-Allee und dem Billy-Wilder-Platz, der HFF Konrad Wolf, dem Filmpark, dem RBB, dem Medienboard Berlin-Brandenburg. Das vorliegende Buch konzentriert sich auf die „Filmstadt Potsdam“ selbst, auf Drehorte, Prominenten-Villen, Parks und Schlösser. Es ist ein Wegweiser durch die Stadt und durch die Filmgeschichte, soweit sie sich konkret mit Potsdam verbindet. 25  Filme werden ausführlich dargestellt, 113 sind am Ende aufgelistet, beginnend mit dem FILM VON DER KÖNIGIN LUISE (1913) von Franz Porten, endend mit THE MONUMENT MEN (2013) von George Clooney. Der gut zu lesende Text ist das Ergebnis einer genauen Recherche, hat eine Haltung zu den Filmen und ist in der Summe natürlich eine Liebeserklärung an die Region. Die HFF, das Filmstudio und das Potsdamer Filmmuseum werden dabei nicht vergessen. Titelbild: Am Set von FRIDERICUS REX (1923). Mehr zum Buch: filmstadt-potsdam–drehorte-und-geschichten.php

Digitale Filmrestaurierung

2013.Work:s in progressIm September 2011 fand in der Österrei-chischen Filmgalerie in Krems ein inter-nationales Symposium zur digitalen Film-restaurierung statt (filmrestaurierung ). In einer sehr lesenswerten Dokumentation der Synema Publikationen sind die Beiträge des Symposiums jetzt veröffentlicht worden. Die Eröffnungsreden von Alexander Horwath (Österreichisches Filmmuseum) und Thomas Ballhausen (Filmarchiv Austria) führen bereits ins Zentrum des Themas. Vier Beiträge – von Paolo Cherchi Usai, David Walsh, Martin Koerber und Thomas C. Christen-sen – bilden so etwas wie einen theoretischen Rahmen. Fumiko Tsuneishi, Simona Monizza, Reto Kromer, Matteo Lepore/Raoul Schmidt und eine Gruppe um Peter Schallauer vermitteln eher generelle praktische Erkenntnisse. In fünf Beiträgen geht es um Fallstudien zu einzelnen Filmen: BEYOND THE ROCKS (1922) von Sam Wood (hierüber berichtet Giovanni Fossati), DAS EINKÜCHEN-HAUS (1923) von Leopold Niernberger (Dobringer/Stöger/Wratschko), METROPOLIS (1926/27) von Fritz Lang (Anke Wilkening), DER LEBENDE LEICHNAM (1929) von Fedor Ozep (Oliver Hanley/Adriana Noviello) und AMERICAN DREAMS (1984) von James Benning (Matteo Lepore). Mit vielen signifikanten Abbildungen. Gerade in der aktuellen Diskussion um den Erhalt des Filmerbes auch in digitaler Form ist dieses Buch konkrete Basisliteratur. Mehr zum Buch: film_restoration_within_archives

DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920)

9781844576494Noch ein Buch aus der Reihe der „BFI Film Classics“, es gehört auch zu den kürzlich publizierten Gothic-Bänden, allerdings handelt es sich hier nur um eine überarbeitete Neuauflage. David Robinsons Einführung in DAS CABINET DES DR. CALIGARI von Robert Wiene erschien erstmals 1997, sie wurde von ihm jetzt etwas aktualisiert. Robinson beschreibt die Entstehung des Films, analysiert Inhalt und Form, stellt den Film in den Kontext der Zeit und skizziert sein Nachleben. In einem Appendix stellt er das Drehbuch und den fertigen Film gegenüber. Man darf das kleine Buch natürlich nicht mit Olaf Brills voluminösem „CALIGARI-Komplex“ (2012, siehe: der-caligari-komplex/ ) vergleichen, aber als erster Wegweiser im CALIGARI-Labyrinth ist es hilfreich. Gut ausgewählte Abbildungen. Das Cover wurde von Ben Goodman gestaltet, es gefällt mir wesentlich besser als das NOSFERATU-Cover. Mehr zum Buch: info_27159.html – Am 9. Februar präsentiert die Berlinale in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung erstmals die digital restaurierte Fassung des CABINET DES CALIGARI in der Berliner Philharmonie. John Zorn, Muliti-Instrumentalist aus New York, wird die Aufführung an der Orgel begleiten. Mehr dazu: 20308.html . Auf Arte ist das am 12. Februar zu sehen.

NOSFERATU (1922)

2014.NosferatuDie Buchreihe „BFI Film Classics“, herausgegeben vom British Film Institute, gibt es seit mehr als zwanzig Jahren. Sie ist nicht nummeriert, es gibt (gefühlt) inzwischen bestimmt 200 Bände. Das sind jeweils Einführungen, Analysen und Würdigungen internationaler Filmklassiker, verfasst von renommierten Filmhistorikern. Jüngst erschienen acht neue Bände in einer Spezialedition zum Gothic-Genre, darunter auch eine Einführung in Friedrich Wilhelm Murnaus NOSFERATU – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS. Der Autor Kevin Jackson (*1955) ist Filmemacher und Publizist. Seine Analyse der Bram Stoker-Verfilmung ist sachkundig und genau, geht präzise auf einzelne Einstellungen und Sequenzen ein und vergleicht sie auch mit dem (erhaltenen) Script. Vier Kapitel rahmen den Hauptteil ein: Contexts / Production / Release, Reactions, Reputation / Afterlives. Alles gut recherchiert. Die Abbildungen sind hervorragend auch in den farblichen Nuancen (es handelt sich weitgehend um viragierte Nachtaufnahmen). Nur die Umschlagabbildung, entworfen von der Künstlerin Julia Soboleva, missfällt mir, weil sie nichts von der großartigen Kameraarbeit von Fritz Arno Wagner spüren lässt. Mehr zum Buch: info_27160.html

Wolfgang Staudte

2014.StaudteEr war einer der wichtigsten deutschen Regisseure in den 1940er, 50er und 60er Jahren. Heute vor dreißig Jahren ist er bei Dreharbeiten in Slowenien gestorben. Wolfgang Staudte war ursprünglich Schauspieler und wechselte, als er Mitte Dreißig war, zur Regie. Sein bekanntester Film entstand 1946: DIE MÖRDER SIND UNTER UNS mit Hildegard Knef (Cover-Foto auf der DVD-Box). Bis Mitte der Fünfziger arbeitete er bei der DEFA in Babelsberg, wir erinnern uns an ROTATION (1948), DER UNTERTAN (1951), DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (1953). 1955 verließ er das DEFA-Studio und drehte alle folgenden Filme in der Bundesrepublik. Die Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit blieb eines seiner Themen. Er wechselte häufig die Genres, drehte Dramen, Komödien, Literaturverfilmungen. Zu seinen wichtigsten Filmen rechnet man bis heute ROSEN FÜR DEN STAATSANWALT (1959), KIRMES (1960) DER LETZTE ZEUGE (1960) und HERRENPARTIE (1963). Alle bisher genannten Filme gibt es inzwischen auf DVD. Ein unterschätzter Film von Staudte ist aus meiner Sicht ROSE BERND (1956) mit Maria Schell und Curd Jürgens. Er ist leider nicht verfügbar. Auch seinen letzten Kinofilm, ZWISCHENGLEIS (1978), mit Mel Ferrer und Pola Kinski vermisse ich im DVD-Angebot. In den 1970er und 80er Jahren arbeitete Staudte für ARD und ZDF, allein sechs „Tatorte“ gehen auf sein Konto. 1991 wurde Staudte in der „Edition Filme“ mit einer Monografie gewürdigt.

Die deutsch-französischen Kulturbeziehungen

2014.Dt-franz.K-Bez.In den deutsch-französischen Kulturbeziehungen spielt der Film keine geringe Rolle. In dem im vergangenen Jahr erschienenen Lexikon sind ihm immerhin dreißig Texte gewidmet. Es geht dabei um Personen, Filme und Themen. Ich nenne 14 Namen: Patrice Chéreau, Marlene Dietrich, Lotte H. Eisner, Rainer Werner Fassbinder, Michael Haneke, Max Ophüls, Volker Schlöndorff, Romy Schneider, Hanna Schygulla, Werner Schroeter, Jean-Marie Straub und Danièle Hulliet, Georg Stefan Troller, Wim Wenders; drei Filme: LES ENFANTS DU PARADIS von Marcel Carné, NUIT ET BRUILLARD von Alain Resnais, SHOAH von Claude Lanzmann; sechs Themen: Arte, Berliner Schule, Deutsch-französische Filmakademie, französische Filme über den Zweiten Weltkrieg, Neuer Deutscher Film, Nouvelle Vague. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, hat ein kurzes Geleitwort beigesteuert. Von den Herausgebern (Nicole Colin, Corine Defrance, Ulrich Pfeil und Joachim Umlauf) stammt nicht nur die Einleitung, sie sind auch mit drei eigenständigen Texten über die deutsch-französischen Kulturbeziehungen nach 1945, über Frankreich und die deutsch-deutsche Kultur-Konkurrenz im Kalten Krieg und über Akteure im deutsch-französischen champ culturel präsent. Insgesamt enthält das Lexikon rund 300 Artikel von 140 Autorinnen und Autoren. Natürlich hat man sofort Vorschläge für eine erweiterte zweite Auflage parat. Wichtiger aber ist, dass hier zum ersten Mal eine seriöse Basis für das breite Spektrum all dessen erarbeitet wurde, was Deutschland und Frankreich kulturell verbindet und unterscheidet. Eine sehr anregende Lektüre. Mehr zum Buch: kulturbeziehungen-nach-1945.html

Hollywood 1939

2014.Majestic Hollywood75 Jahre trennen uns inzwischen von 1939. Das Jahr war in Europa überschattet vom Kriegsbeginn. Und es gilt als Traumjahr des Hollywoodkinos. Der Fotograf und Autor Mark A. Vieira erinnert mit seinem Buch „Majestic Hollywood“ an fünfzig Klassiker des Jahres, geordnet nach den Premierendaten, beginnend mit SON OF FRANKENSTEIN von Rowland V. Lee (13.1.), endend mit GONE WITH THE WIND von Victor Fleming (28.12.). Allein drei Filme von John Ford wurden damals uraufgeführt: STAGECOACH (März), YOUNG MR. LINCOLN (Juni) und DRUMS ALONG THE MOHAWK (November). Howard Hawks war mit ONLY ANGELS HAVE WINGS vertreten, Ernst Lubitsch mit NINOTCHKA, Frank Capra mit MR. SMITH GOES TO WASHINGTON, William Wyler mit WUTHERING HEIGHTS, George Cukor mit THE WOMEN, Raoul Walsh mit THE ROARING TWENTIES, Michael Curtiz mit DODGE CITY und THE PRIVATE LIVES OF ELIZABETH AND ESSEX, Cecil B. DeMille mit UNION PACIFIC – die Liste ließe sich mühelos fortsetzen. Im Mai hatte der erste wichtige Anti-Hitler-Film CONFESSIONS OF A NAZI SPY von Anatole Litvak Premiere und im August das wunderbare Musical THE WIZARD OF OZ von Victor Fleming. Acht Oscars gingen im Februar 1940 an GONE WITH THE WIND. Vieira stellt die Filme auf jeweils vier bis sechs Seiten mit großen Fotos vor und kommentiert sie mit Produktionsnotizen. Mehr zum Buch auf dem Blog „Classic Movies“: majestic-hollywood-greatest.html