Filmrecht 1919 bis 1939

2013.FilmrechtDie Frankfurter Rechtsanwältin Astrid Ackermann kommentiert in diesem schmalen Buch kurz und verständlich die Entwicklung des Filmrechts in Detschland vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Ihre Zäsur ist das Jahr 1929, in dem der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm stattfand. Der Blick ist vor allem auf die soziologische und rechtliche Entwicklung gerichtet. Es geht um die Filmzensur und um das Urheber- und Vertragsrecht. Entscheidende Veränderungen waren natürlich mit der Machtüber-nahme der Nationalsozialisten 1933 verbunden. Das Lichtspielgesetz vom 12. Mai 1920 und das Reichslichtspielgesetz vom 16. Februar 1934 werden präzise erläutert und sind im Anhang abgedruckt. Für eine erste Einführung ins Thema ist die Publikation gut geeignet. Mehr zum Buch: productview.aspx?product=21074

Atomkrieg im Kino

UMS1995.inddDie Herausgeber Tobias Nanz (Siegen) und Johannes Pause (Trier) konzentrieren sich in ihrem Buch „Das Undenkbare filmen“ auf die Analyse von sechs einzelnen Filmen: LA JETÉE (1962) von Chris Marker (Text: Lars Nowak), FAIL-SAFE (1964) von Sidney Lumet (Tobias Nanz), THE WAR GAME (1965) von Peter Watkins (Johannes Pause), CROSSROADS (1976) von Bruce Conners (Eva Kernbauer), THE ATOMIC CAFÉ (1982) von Jayne Loaders und Kevin + Pierce Raffertys (Sascha Simon) und BRIEFE EINES TOTEN (1986) von Konstantin Lopusanskij (Barbara Wurm). Die ursprünglich als Vorträge konzipierten Texte erfüllen wissenschaftliche Ansprüche und rufen die Filme sehr konkret in Erinnerung. Jedem Text ist eine weiterführende Literaturliste angefügt. In ihrer Einleitung stellen die Herausgeber die Einzelbeiträge in einen größeren medientheoretischen Zusammenhang. 25 Abbbildungen. Das Umschlagfoto zeigt eine Momentaufnahme der Operation Crossroads am 25. Juli 1946 auf dem Bikini Atoll. Mehr zum Buch: ts1995.php

GLÜCKSKINDER (1936)

2013.Glückskinder grösserDies ist ein für die NS-Zeit ungewöhnlicher Film. Ich zitiere den unvergessenen Karsten Witte: „Paul Martins wunderbare Nonsens-Komödie GLÜCKSKINDER (1936) kombiniert männliche Tagträumer und Spinner mit einer entlaufenen Erbin. Beide Seiten machen sich die schönsten Illusionen, ihrer Herkunft zu entrinnen. Lilian Harvey flirtet mit Mickey Mouse, Willy Fritsch liebäugelt mit Clark Gable. Beide tun es ohne Anstrengung. Das schafft Sympathie und Wohlgefallen für die verrückte Harmlosigkeit, die den Ton angibt. Es nimmt der Komödie wenig, führt man sie auf ihr offenes Geheimnis zurück: Sie ist eine Eindeutschung von Frank Capras IT HAPPENED ONE NIGHT (1934) mit Clark Gable und Carole Lombart.“ (aus Karstens Kapitel zum Film im Nationalsozialismus in der „Geschichte des deutschen Films“, 2. Auflage, Stuttgart 2004). Angesiedelt ist die Screwball-Comedy in einer Szenerie zwischen Presse und Öl. Harvey und Fritsch, Oskar Sima und Paul Kemp singen das Lied „Ich wollt’, ich wär ein Huhn…“. Concorde hat jetzt eine DVD der restaurierten Fassung des Films herausgegeben. Mehr zur DVD: 1393,type__dvd.htm

Irritation of Life

2013.IrritationDie Internationalität ist beeindruckend: Loren Scott und Jörg Metelman lehren in der Schweiz (Universität St. Gallen), schreiben auf Englisch und publizieren in Deutschland (Schüren, Marburg) ein Buch über den Österreicher Michael Haneke, den Engländer David Lynch und den Dänen Lars von Trier. Thematisch geht es um das Melodram, um die Elemente des Subversiven und der Irritation, also der Verunsicherung, Verstörung, Verwirrung. Der Titel spielt mit der assoziativen Erinnerung an Sirks Melo IMITATION OF LIFE. 50 Seiten werden für Begriffsklärungen und theoretische Ableitungen aufgewendet, dann geht es (110 Seiten) auf hohem Niveau um die drei genannten Regisseure: Haneke („Irritaded judgment as the ethical condition sine qua non“), Lynch („From attractions to disattractions, and back home again“), von Trier („Misogyny or feminism?“). Mit Querverweisen werden auch andere Filme ins Spiel gebracht. In den analytischen Methoden orientieren sich Scott und Metelmann stark an Elsaessers und Hageners „Film Theory“. Viele Abbildungen, in der Mitte ein 16seitiger Farbteil. Band 43 der „Marburger Schriften zur Medienforschung“. Mehr zum Buch: titel/353–irritation-of-life.html

Ton im Dokumentarfilm

dfi.cover.hohenbergerWie ein kunstvolles Mosaik zur Akustik im Dokumentarfilm wirken die 23 Texte dieses Buches, das der Hamburger Filmemacher Volko Kamensky und der Düsseldorfer Professor für Musikinformatik und Medientheorie Julian Rohrhuber herausgegeben haben. Sie verbinden 15 bedeutsame historische Dokumente – u.a. von John Grierson (2), Jean-Louis Comolli (2), Dziga Vertov und Basil Wright – mit Essays zum breiten Spektrum des Themas aus jüngerer Zeit. Zwei Symposien der Dokumentarfilminitiative im Filmbüro Nordrhein-Westfalen waren offenbar die Initialzündung. Besonders informativ finde ich die Texte von Carolyn Birdsall über die Orchestrierung urbaner Akustik, Vrääth Öhner über die britische Schule und den Realismus des Geräuschs, Gunnar Iversen über die Rolle des Tons in der Theorie des Dokumentarfilms, Randolph Jordan über die audiovisuelle (A)Synchronität in den Medien des 21. Jahrhunderts am Beispiel des Films 9/11 der Brüder Naudet und den Essay der beiden Herausgeber über das Problem des Geräuschs im dokumentarischen Filmton. Schön ist die Exkursion von Michael Girke durch die tönende Welt von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub. Zum Thema Ton und Getäusch wurden in den letzten Jahren mehrere Bücher publiziert. Dieses hat eine besondere Qualität. Auf Abbildungen wurden logischerweise verzichtet. Mehr über das Buch: titel-ansicht.php?id=162

DIE ANDERE HEIMAT

2013.Reitz.HeimatDies ist das zweite Buch über DIE ANDERE HEIMAT von Edgar Reitz. Das erste erschien im September im Schüren-Verlag (die-andere-heimat/ ) und war die ideale Vorbereitung für den Kinobesuch. Inzwischen haben wir den Film gesehen und sind tief beeindruckt und berührt von seiner Geschichte, seinen Bildern, seinen Darstellern. Das ist der richtige Zeitpunkt für „Das Buch der Bilder“, das jetzt bei Schirmer/Mosel publiziert wurde. Sein „Tafelteil“ (200 Seiten) sind 164 Abbildungen in Schwarzweiß mit den wenigen, auch im Film überraschenden Farbmomenten, mit Zitaten aus dem Tagebuch des Jakob Adam Simon, mit Bekanntmachungen, Briefen, Gebeten, Liedern und Zaubersprüchen. Noch einmal sehen wir den Film in den von Edgar Reitz ausgewählten Fotos. Und wieder partizipieren wir an der Empathie der Erzählung, die kulminiert im endlosen Treck der Pferdefuhrwerke, der am 4. August 1844 Schabbach und den Hunsrück verlässt. Ein Jahr später besucht Alexander von Humboldt das Dorf (Cameo-Auftritt von Werner Herzog), die Mutter stirbt und endlich bringt ein Postreiter den lange erwarteten Brief von Bruder Gustav und seiner Frau Jette aus Brasilien, den Jakob den Dorfbewohnern vorliest und dann auf das frisch aufgeschüttete Grab seiner Mutter legt. Der Autor und Verleger Michael Krüger hat ein sehr persönliches Vorwort verfasst, zwei kleine Texte von Edgar Reitz handeln von „Filmzeit – Lebenszeit“ und dem „Mythos Heimat“. Ein Buch, das der Größe des Films angemessen ist. Mehr über das Buch: id=&products_id=739

Transmediale Texturen / Narrative Wirklichkeiten

2013.Transmediale TexturenHeinz-Peter Preußer, Akademischer Rat am Fachbereich Sprach- und Literatur-wissenschaft der Universität Bremen, hat für die „Schriftenreihe zur Textualität des Films“ einen Band mit 19 Aufsätzen aus den letzten acht Jahren zusammengestellt, die den Film mit den angrenzenden Künsten in Verbindung bringen. Sie sind in der Substanz sehr unterschiedlich. Interessant finde ich den Text zur „(Re-) Konstruktion der DDR über den Westblick“, der Filme von Buck, Roehler und Schlöndorff mit Volker Brauns Schreibprojekt „Lebens/Werk/DDR“ konfrontiert. Etwas zu kurz gegriffen sind mir die Anmerkungen zu Frank Beyers SPUR DER STEINE, weil sie auf das Verbot des Films begrenzt bleiben und den Roman von Erik Neutsch außer Acht lassen. Am besten gefallen hat mir die Analyse des späten Stummfilms MENSCHEN AM SONNTAG, weil sie die Komplexität des Films entschlüsselt. Über Preußers Kritik an den ersten drei Teilen der HEIMAT von Edgar Reitz kann man sich streiten. Informativ ist sein Text über Technik und Technikkritik im dystopischen Film, der vor allem in Science-fiction-Filmen der letzten zwei Jahrzehnte ihre postapokalyptischen Elemente entdeckt. Und sehr schön ist seine Rückblick auf Kitsch, Kunst und Literatur um 1900: „Sentimentale Worpsweder“. Mehr zum Buch: : transmediale-texturen.html /

2013.Narrative WirklichkeitenDas Buch „Narrative Wirklichkeiten“ ist die Überarbeitung einer Dissertation von Dominik Orth, mit der dieser – betreut von Heinz-Peter Preußer – 2012 an der Universität Bremen promoviert hat. Der Untertitel präzisiert den Gegenstand: „Eine Typologie pluraler Realitäten in Literatur und Film“. Die ersten 100 Seiten sind theoretische Basisarbeit mit entsprechend zahlreichen Fußnoten: „Zur Konzeption der narrativen Wirklichkeit mithilfe trans-medialer Erzähl- und Fiktionstheorien“, „Narrative Wirklichkeit und Lebenswirklichkeit“, „Narrative Fakten“. Der Mittelteil (125 Seiten) ist der für mich interessanteste, weil er sich auf eine Analyse von Fallbeispielen aus Literatur und Film einlässt. Für die Literatur sind das u.a. „Der fernste Ort“ von Daniel Kehlmann, „Flucht in die Finsternis“ von Arthur Schnitzler, „Emma“ von Jane Austen, „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ von Thomas Mann, „Das Judengrab“ von Ricarda Huch, „Simulacron-3“ von Daniel F. Galouye, „Making History“ von Stephan Fry, „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann und Daniel Kehlmanns „Ruhm“. Die Filmseite ist vertreten mit YELLA von Christian Petzold, DAS CABINET DES DR. CALIGARI von Robert Wiene, LOVE AND OTHER DESASTERS von Alek Keshishian, DEATH ON THE NILE, einer Agatha Christie-Verfilmung von John Guillermin, STAGE FRIGHT von Alfred Hitchcock, GOOD BYE LENIN! von Wolfgang Becker, THE MATRIX von Andy und Larry Wachowski, THE BUTTERFLY EFFECT von Eric Bress und J. Mackye Gruber, LOLA RENNT von Tom Tykwer, MEMENTO von Christopher Nolan und INLAND EMPIRE von David Lynch. Im letzten Teil (25 Seiten) gibt es die theoretische Konklusion. Die Abbildungen beschränken sich auf modellhafte Grafiken. Filmfotos hätten hier wohl einen Rahmen gesprengt. Mehr zum Buch: literatur-und-film.html

DAS HAUS NEBENAN (1969)

2013.OphülsMarcel Ophüls (*1927) hat sich als Dokumentarist seit den 1960er Jahren immer wieder mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Neben HOTEL TERMINUS (1988) ist DAS HAUS NEBENAN (1969) ein herausragendes Beispiel seiner Arbeit. Der Vierstunden-Film, gedreht im damals üblichen 16mm-Format in Schwarzweiß, beschreibt das Leben in der französischen Stadt Clermont-Ferrand zur Zeit der deutschen Besatzung. Ophüls hat Zeitzeugen interviewt – Kollaborateure, Widerstandskämpfer, Politiker und normale Bürger – und die Gespräche mit historischem Filmmaterial verknüpft. Daraus entstand ein sehr differenziertes Bild der Zeit, das den Franzosen Anfang der 70er Jahre missfallen hat, weil es den Mythos eines einhelligen französischen Widerstands zur Disposition stellte. Der Film wurde erst zehn Jahre nach der Kinopremiere im französischen Fernsehen gezeigt. In der bundesdeutschen ARD war 1969 eine gekürzte Fassung zu sehen, die lange Fassung lief 1972 im Programm des 2. Internationalen Forums der Berlinale. Bei Absolut Medien wurde jetzt eine Doppel-DVD publiziert. Wenn man den Film heute wiedersieht, ist zwar der zeitliche Abstand zu seiner Entstehung deutlich spürbar, aber die Intensität immer noch sehr groß. Mehr zur DVD: 1532&list=thema&list_item=53

Ousmane Sembène

2013.Sembene,O.Er gilt als „Vater des afrikanischen Kinos“. Ousmane Sembène (1923-2007), Schriftsteller und Regisseur aus dem Senegal, hat 1963 mit der Filmarbeit begonnen, er hat Dokumentarfilme, Kurzfilme und neun Spielfilme realisiert, zuletzt MOOLAADÉ (2004), ein bewegendes Drama über die Beschneidung junger afrikanischer Mädchen. Sembène ist Band 32 der „Film-Konzepte“ gewidmet, herausgegeben von Johannes Rosenstein. In fünf Beiträgen wird sein Werk aus unterschiedlichen Perspektiven erschlossen. Der Literaturwissenschaftler Manfred Loimeier, bekannt auch als Achternbusch-Spezialist, schreibt über die Entwicklung des Schriftstellers Sembène zum Filmregisseur. Ute Fendler, mit Afrika sehr vertraut, analysiert vorbildhaft den Film GUELWAAR (1992). Vom Herausgeber Rosenstein, Autor eines Buches über das afrikanische Kino der Gegenwart (2003), inzwischen auch als Filmemacher tätig, stammt der zentrale Essay „Passage. Schnittstelle. Warteraum. Sembènes Kino als Beitrag zu einer Theorie der Schwelle“. Louis Ndong, Germanistik-Professor in Dakar, widmet sich der Zeitinszenierung und geht dabei vor allem auf den frühen Film MANDABI (1968) ein. Die Mainzer Ethnologin Cassis Kilian untersucht die ambivalente Figur des Patriarchen, die in drei Sembène-Fimen mit dem Schauspieler Makhourédia Guèye besetzt wurde. Titelfoto: MOODLAADÉ. Die „Film-Konzepte“ halten ihr hohes Niveau. Mehr zum Buch: neu_werke_default_film

Filmästhetik und Vermittlung

2013.BergalaBettina Henzler hat zusammen mit Winfried Pauleit Alain Bergalas Essay „Kino als Kunst“ (2006) ediert und die Sammelbände „Filme sehen, Kino verstehen“ (2009) und „Vom Kino lernen“ (2010) herausgegeben. Jetzt ist ihre Dissertation erschienen, mit der sie 2011 in Bremen promoviert hat. Hier wird der pädagogische Ansatz des französischen Filmwissenschaftlers Alain Bergala (*1943) systematisch aufgearbeitet und in einen größeren Zusammenhang gestellt. In den sieben Kapiteln „Cinephilie und Filmvermittlung“, „Filmvermittlung als gesellschaftspolitisches Anliegen“, „Ästhetische Erfahrung und Subjektivität“, „Kino und Kindheit“, „Ästhetik“, „Vermittlung“, „Medien und Methode“ unternimmt die Autorin eine theoretische Spurensuche, in deren Zentrum natürlich die französischen Filmphilosophen (Roland Barthes, Serge Daney, Jean Louis Schefer) und André Bazin, stehen und verknüpft sie mit der nun schon 40jährigen Vermittlungsarbeit von Bergala. Über weite Strecken ist das (für mich als Leser) theoretische Pflichtarbeit, es wird spannender, wenn es in der zweiten Hälfte des Buches um konkrete Filme und Filmszenen und ihre Interpretation geht, zum Beispiel mit der Analyse einer Einstellung aus Godards GESCHICHTE DER NANA S., die unterschiedlich zu deuten ist. Vor allem in den letzten beiden Kapiteln („Vermittlung“ und „Medien und Methoden“) verstärkt sich die Konkretisierung. Das wird auch an der Zunahme des Bildanteils spürbar. Mehr zum Buch: filmaesthetik-und-vermittlung.html