Ulrike Ottinger 80

Heute feiert die Fotografin und Filmemacherin Ulrike Ottinger ihren 80. Geburtstag. Dazu gratuliere ich ihr herzlich. Ihre Filme haben mich durch fast fünfzig Jahre begleitet, beginnend mit DIE BETÖRUNG DER BLAUEN MATROSEN und (bisher) endend mit PARIS CALLIGRAMMES. Auch die zwölf Stunden von CHAMISSOS SCHATTEN habe ich gut durchgestanden. Ich bin gespannt auf ihren nächsten Film. In der Zeitschrift AugenBlick (Nr. 84) ist jüngst ein Gespräch mit Ulrike Ottinger erschienen. Beate Ochsner und Bernd Stiegler haben es im Juni 2021 geführt. Es ist eine Passage durch ihr gesamtes Werk und hat die Überschrift „Ich traue den Bildern grundsätzlich alles zu“. Auf dem Cover ist Ulrike hinter der Kamera bei den Dreharbeiten zu FREAK ORLANDO (1981) zu sehen. Mehr zur Zeitschrift: programm/titel/721-ulrike-ottinger.html

KING RICHARD (2021)

Venus und Serena Williams (*1980 und 1981) haben ab 1999 jahrelang die Tenniswelt dominiert. Eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielte ihr Vater Richard, der seine Töchter von Geburt an für eine Karriere trainierte und sich gegen viele Widerstände durchsetzen musste. Dies tat er zusammen mit seiner Frau Brandy in Compton/Los Angeles, wo der einzige Tennisplatz von Gangs beherrscht wurde. Es war ein Kampf zwischen Schwarz und Weiß, zwischen arm und reich, den Richard nur gewinnen konnte, weil er eine Nervensäge war. Der Film von Reinaldo Marcus Green hat dramatische und komische Momente. Er endet 1994 mit den US-Open, die Venus gegen Aranxta Sanchez-Vicario ungerechter Weise verliert. Will Smith als Richard, Aunjanue Ellis als Brandy, Aaniyya Sidney als Venus und Demi Singleton als Serena sind beeindruckend. Will Smith wurde 2022 mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Wir erinnern uns an seinen Ausraster bei der Preisverleihung. Bei EuroVideo ist jetzt die DVD des Films erschienen. Unbedingt sehenswert als Film über Tennis und über eine ungewöhnliche Familie. Mehr zur DVD: king-richard,tv-kino-film.html?set=1

Paris und das Kino

Christine Siebert lebt als Journalistin in Paris und nimmt uns in diesem Buch mit auf 21 Spaziergänge durch die Stadt, bei denen Kinos und Schau-plätze von Filmen im Mittel-punkt stehen. Es beginnt mit der Suche nach den Orten, an denen die ersten Filme von den Gebrüdern Lumière und von Georges Méliès vorgeführt wurden, am Boulevard des Capucines (Lumière) und am Boulevard des Italiens (Méliès). Nur bei Méliès ist sie erfolgreich. Dann geht es zum Boulevard Montmartre mit dem Musée Grévin, zum Boulevard Poissonière zum Max Linder Panorama und ins Grand Rex, wo gerade der neue James Bond KEINE ZEIT ZU STERBEN zu sehen ist. Im Quartier Marais trifft die Autorin den „Monsieur Cinéma“ Michel Gomez, der in der Stadtverwaltung für Drehgenehmigungen zuständig ist. Schauplätze vieler Filme sind das Viertel um Notre-Dame und Pont Neuf, der Louvre und der Place de la Concorde. Der Filmwissenschaftler Pierre-Simon Gutman begleitet Christine Siebert durch das Viertel Saint-Germain-des Prés und erinnert an die Regisseure der Nouvelle Vague. In der Rue Barbet de Jouy wohnte und starb Romy Schneider. Mit dem Film ATALANTE von Jean Vigo lässt die Autorin den Tag ausklingen. Es folgen Kapitel über den Canal Saint-Martin, die echte und die falsche Metro, Belleville und den Friedhof Père Lachaise, Montmartre und Sacré Coeur, Moulin Rougeund Pigalle, den Arc de Triomphe und den Place de l’Étoile, die Champs-Élysées, den Eiffelturm, den unteren Teil des Quartier Latin, Montparnasse und Les Olympiades. Am Ende besuchen wir die Cinémathèque française. Ein wunderbares Buch. Man möchte sofort wieder einmal nach Paris fahren. Mehr zum Buch: henschel.de/produkt/paris-und-das-kino/

Österreichbilder

Wie wird ein spezielles Land in der Literatur, im Theater, in Comics oder im Film darge-stellt? 17 Beiträge in diesem Buch richten den Blick auf ausgewählte Beispiele, auf Reiseführer, Regional-Krimis, die Berichterstattung über die Fußballnationalmannschaft, das Wiener Kaffeehaus, Schillers „Wallenstein“, die Abbildungen auf der Kronenwährung, Joseph Roth, Robert Musil und Ingeborg Bachmann. Vier Texte beschäftigen sich mit dem Thema Film. Angela Fabris und Jörg Helbig erinnern an die frühen österreichischen Erotikfilme der Firma Saturn zwischen 1906 und 1911. Arno Rußegger sieht Michael Kehlmanns Kriminalfilm KURZER PROZESS (1967) als Film Noir. Miriam Frank entdeckt Semantisie-rungen des Kellerraums in Ulrich Seidls Dokumentarfilm IM KELLER (2014). Sabrina Gärtner entschlüsselt Dialekte in den Filmen von Jessica Hausner. Das Buch, herausgegeben von Ulrike Krieg-Holz und Arno Rußegger, hat durch seine Medien- und Perspektivwechsel eine große Qualität und ist nicht nur für Österreich-Fans sehr lesenswert. Mehr zum Buch: programm/titel/707-oesterreichbilder.html

Rausch und Film

Eine Dissertation, die an der Universität Hamburg entstan-den ist. Henrik Wehmeier untersucht darin die performa-tive Wahrnehmung filmischer Rauschszenen. Zunächst werden die geistesgeschichtlichen Verschiebungen des Rausches vom Altertum bis in die Moderne beschrieben. Umfangreich ist die definitorische Klärung der Performativität mit Verweisen u.a. auf Jacques Derrida, Erika Fischer-Lichte, Gertrud Koch, Marcus Stiglegger, Gilles Deleuze, Martin Seel und Dieter Mersch. Annähernd 300 Seiten sind dann der Analyse ausgewählter Rauschszenen gewidmet. Zum Korpus, dessen Zusammensetzung gut begründet ist, gehören die Filme LE RÊVE D’UN FUMEUR D’OPIUM (1908) von Georges Méliès, DER LETZTE MANN (1924) von F. W. Murnau, THE LOST WEEKEND (1945) von Billy Wilder, THE MAN WITH THE GOLDEN ARM (1955) von Otto Preminger, EASY RIDER (1969) von Dennis Hopper, THE CONNECTION (1961) von Shirley Clarke, THE PANIC IN NEEDLE PARK (1971) von Jerry Schatzberg, CHRISTIANE F. – WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO (1981) von Uli Edel, DRUGSTORE COWBOY (1989) von Gus Van Sant, THE BASKETBALL DIARIES (1995) von Scott Kalvert, TRAINSPOTTING (1996) von Danny Boyle, REQUIEM FOR A DREAM (2000) von Darren Aronofsky, HEAVEN KNOWS WHAT (2014) von Benny und Josh Safdie, SORTED (2000) von Alexander Jovy, BLACK SWAN (2010) von Darren Aronofsky, MAGIC MIKE (2012) von Steven Soderbergh, BERLIN CALLING (2008) von Hannes Stöhr, VICTORIA (2012) von Sebastian Schipper und ALS WIR TRÄUMTEN (2015) von Andreas Dresen. Die Analysen sind detailliert und beschreiben präzise alle formalen Mittel zur Darstellung des Rauschs der betroffenen Personen. Fazit: „Als Ergebnis dieser Untersuchung kann festgehalten werden, dass filmische Rauschszenen als experimentelle Inseln eine performative Wahrnehmung provozieren, die den Rausch analogisch und antirepräsentationell als Grenzbewegung des Films, aber auch der Wahrnehmung des Rezipienten in Szene setzen.“ (S. 534). Ein grundlegendes Werk. Keine Abbildungen. Mehr zum Buch: avinus.de/produkt/wehmeier-rausch-und-film

Andreas Gruber

Andreas Gruber ist öster-reichischer Filmemacher, Autor und war 18 Jahre als Nachfolger von Wolfgang Längsfeld geschäftsführender Professor der Abteilung Kino- und Fernsehfilm der HFF München. Als Mentor hat er in dieser Zeit vielen Studierenden den Weg zu einer erfolgreichen Karriere bereitet. Das Buch ist ein Abschiedsgeschenk für ihn. Von der HFF-Präsidentin Bettina Reitz stammt ein Vorwort, von dem Produzenten Georg Feil ein Grußwort und von der Herausgeberin Eva-Kristin Winter eine Einleitung. Eine Filmografie dokumentiert die bisher 46 Kurz-, Spiel- und Dokumentarfilme von Andreas Gruber. Sieben Aufsätze und ein Interview geben Aufschluss über sein künstlerisches Denken und seine konsequente Haltung. Elf Absolventinnen und Absolventen der HFF erinnern sich an wichtige Begegnungen mit ihrem Mentor: Benjamin Heisenberg, Tomasz Rudzik, Christian Bach, Pia Strietmann, Michaela Kezele, Sebastian Stern, Falco Jagau, Michael Krummacher, Mirjam Orthen, Alex Schaad und Yao Zhongzixia. Der österreichische Kulturwissenschaftler Wolfgang Müller-Funk und die HFF-Professorin Michaela Krützen sind für ein Nachwort und ein Schlusswort zuständig. Eine klassische Festschrift, auf die der Gefeierte stolz sein kann. Mehr zum Buch: Andreas+Gruber+&ISBN=9783967074628#.YnkkPC-21Hc

Ungenierte Unterhaltung

Frieda Grafe war eine heraus-ragende Filmkritikerin, Essayistin und Übersetzerin. Sie starb vor zwanzig Jahren. Ein 88-Seiten-Buch erinnert an sie und ihren Text über Grandhotels in der Unterhaltungsindustrie, der 1990 entstand und kaum bekannt ist. Im Österreichischen Filmmuseum wurden dazu ausgewählte Filme gezeigt. Vier Texte begeben sich auf eine Spurensuche nach der Person Frieda Grafe, sie stammen von Verena Lueken, Rike Felka, Eric de Kuyper und Katja Wiederspahn. Grandhotels im Film und Grafes Text stehen im Blickpunkt der Beiträge von Annett Busch, Elisabeth Bronfen, Ute Holl, Friederike Horstmann, Sissi Tax, Eva Meyer, Volker Pantenburg und Heide Schlüpmann. „Die saubere Architektur in Gefahr“ heißt Grafes Text, der mit einem filmhistorischen Hotelführer verbunden ist. Zu den kommentierten Filmen gehören DER LETZTE MANN von Murnau, MONTE CARLO von Ernst Lubitsch, EASY LIVING von Mitchell Leisen, QUADRILLE von Sacha Guitry, DIE 1000 AUGEN DES DR. MABUSE von Fritz Lang, L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD von Alain Resnais, INDIA SONG von Marguerite Duras und DÉTECTIVE von Jean-Luc Godard. Bei der Lektüre wird man sich wieder bewusst, wie einzigartig Frieda Grafes Denk- und Schreibweise war. Den drei Herausgeberinnen Karola Gramann, Ute Holl und Heide Schlüpmann sei gedankt für diese Publikation. Mehr zum Buch: id=1466089237635&shop_produkte_id=1651801818756

Romy Schneider

Heute vor vierzig Jahren starb in Paris die Schauspielerin Romy Schneider. Ich fühle mich mit ihr eng verbunden, weil wir beide am 23. September 1938 auf die Welt kamen. Ihren ersten Film, WENN DER WEISSE FLIEDER WIEDER BLÜHT, habe ich als 15-jähriger gesehen. Schon damals hatte ich eine Kinosucht. Natürlich haben mir ihre frühen Filme wie MÄDCHENJAHRE EINER KÖNIGIN, die drei SISSI-Filme, ROBINSON SOLL NICHT STERBEN, MONPTI und DIE SCHÖNE LÜGNERIN gut gefallen. Es gibt ein Pressefoto, auf dem ich ihr bei einem Essen in München nach der Vorführung der HALBZARTEN gegenübersitze. Mein Hinweis auf unseren gemeinsamen Geburtstag hat sie leider nicht sehr interessiert. Ihre Auswanderung nach Frankreich vollzog sich parallel zu meinem anspruchsvoller werdenden Filmgeschmack. So bin ich ihr treu geblieben und habe fast alle Filme mit ihr gesehen, vor allem die des Regisseurs Claude Sautet haben mich beeindruckt. Ihr Tod im Alter von nur 43 Jahren hat mich traurig gestimmt. Ein Buch mit Zeichnungen des österreichischen Cartoonisten Nicolas Mahler erinnert an alle 58 Filme, in denen Romy Schneider mitgewirkt hat. Auf jeweils zwei Seiten werden die Filme durch Karikaturen, kurze Inhaltsangaben, Zitate, Nerd-Wissen und Dialog-Sätze in Erinnerung gerufen. Eine schöne Hommage. Mehr zum Buch: Romy-Schneider/Nicolas-Mahler/btb/e600527.rhd

Filmwelten Franz Fühmanns

Franz Fühmann (1922-1984) war ein sehr kreativer Schriftsteller in der DDR. Als Autor hat er Gedichte, Essays, Erzählungen und Romane verfasst. Kinder und Jugend-liche gehörten für ihn zu einer wichtigen Zielgruppe. Die DEFA-Filme BETROGEN BIS ZUM JÜNGSTEN TAG (1957), DER VERLORENE ENGEL (1966) und DER FALL Ö. (1991) entstanden nach Novellen von Fühmann. Das von Paul Alfred Kleinert herausgegebene Buch dokumentiert vor allem Projekte, die nicht realisiert werden konnten. Hans Richter und Brigitte Krüger informieren in zwei Texten über Fühmanns „Simplicissimus“-Projekt (1963-84). Rudolf Jürschik wird dazu in einem Interview befragt. Peter Göhler und Paul Alfred Kleinert befassen sich mit dem Filmszenarium „Der Nibelunge Not“ (1971-84). Tomomi Kleinert beschreibt Fühmanns Filmprojekt „Kasimir und die Prinzessin“ oder „Vom Moritz, der kein Schmutzkind sein wollte“ (1957-59, 1972). Paul Alfred Kleinert informiert über Führmann Entwurf für einen Film zu Walther von der Vogelweide (1969), Jörg Petzel über ein Projekt zu Leben und Werk von E. T. A. Hoffmann. Christian Ernst vergleicht in seinem Beitrag die filmische Umsetzung von Führmanns Erzählung „König Ödipus“ (1966) in dem Film DER FALL Ö. von Rainer Simon. Interessante Blicke in die Literatur- und Filmwelt der DDR. Mit Abbildungen und Faksimiles. Mehr zum Buch: Filmwelten-Franz-Fuehmanns::7819.html

Lexicon of Global Melodrama

91 internationale Melodramen aus der Zeit zwischen 1909 und 2020 werden in diesem Lexikon besprochen. Jedem Film sind im Schnitt vier Seiten gewidmet. 83 Autorinnen und Autoren haben mitgearbeitet. Tom Gunning eröffnet den Band mit einem Text über A DRUNKARD’S REFORMATION (1909) von D. W. Griffith. Ich nenne jetzt 30 Texte, die mir besonders gut gefallen haben: Kay Kirchmann über BLIND HUSBANDS von Erich von Stroheim, Stefanie Diekmann über APPLAUSE von Rouben Mamoulian, Sophie Johanna Schweiger über DIE BÜCHSE DER PANDORA von G. W. Pabst, Lars Nowak über DER BLAUE ENGEL von Josef von Sternberg, Jan-Niklas Jäger über MODERN TIMES von Charles Chaplin, Alexandra Ludewig über HEIMAT von Carl Froelich, Heike Paul über GONE WITH THE WIND von Victor Fleming, Kay Kirchmann über CASABLANCA von Michael Curtiz, Chiara Tognolotti über LES ENFANTS DU PARADIS von Marcel Carné, Alexander Knoth über TOKYO MONOGATARI von Yasujiro Ozu, Elisabeth Bronfen über ALL THAT HEAVEN ALLOWS von Douglas Sirk, Axelle Germanaz über HIROSHIMA MON AMOUR von Alain Resnais, Karin Esders über IMITATION OF LIFE von Douglas Sirk, Ivo Ritzer über DARK OF THE SUN von Jack Cardiff, Florian Mundhenke über AN UNMARRIED WOMAN von Paul Mazursky, Werner C. Barg über DIE EHE DER MARIA BRAUN von Rainer Werner Fassbinder, Stefanie Diekmann über BILDNIS EINER TRINKERIN von Ulrike Ottinger, Katharina Sykora über DORIAN GRAY IM SPIEGEL DER BOULEVARDPRESSE von Ulrike Ottinger, Lorenz Engell über WHERE IS MY FRIEND’S HOUSE? von Abbas Kiarostami, Thomas Preston über COMING OUT von Heiner Carow, Michael Höckelmann über FAREWELL MY CONCUBINE von Chen Kaige, Heike Paul über THE PIANO von Jane Campion und THE BRIDGES OF MADISON COUNTY von Clint Eastwood, Sarah Marak über ERIN BROCKOVICH von Steven Soderbergh, Norbert M. Schmitz über IN THE MOOD FOR LOVE von Wong Kar-wai, Katharina Gerund über BROKEBACK MOUNTAIN von Ang Lee, Claudia Breger über THE CUT von Fatih Akin, Pedram Partovi über THE SALESMAN von Asghar Farhadi, Mirja Lecke über COLD WAR von Pawel Pawlikowski, Carolin Lano über JOKER von Todd Philipps. Alle Texte in englischer Sprache. Ein beeindruckendes Lexikon. Mehr zum Buch: lexicon-of-global-melodrama/?number=978-3-8376-5973-3