02. März 2021
Hard Land
Sommer 1985 in der kleinen Stadt Grady in Missouri. Sam Turner, 15 Jahre alt, übernimmt einen Aushilfsjob im Kino Metropolis, das zum Jahresende geschlossen werden soll. Sams Mutter, Inhaberin des Ladens „Best Books“, kämpft gegen ihren Gehirntumor. Sein Vater ist arbeitslos und hilft in der Buchhandlung aus, seine Schwester Jean arbeitet als Drehbuchautorin in L.A. Im Metropolis lernt Sam drei Menschen kennen, mit denen er sich in den nächsten Monaten anfreundet: Cameron Leithauser, Sohn reicher Eltern, schwul, Brandon Jameson, genannt Hightower, Footballer, schwarz, und Kirstie Andretti, Tochter des Kinobesitzers, neugierig und belesen. Alle drei sind 17 Jahre alt und werden Grady im Herbst verlassen. Die gemeinsame Arbeit im Kino und die späten Abende in „Larry’s Corner“ führen zu einer großen Nähe. Man hat sich viel zu erzählen. Der erste Satz von Benedict Wells’ neuem Roman lautet: „In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ Es ist eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, die Wells erzählt, sein Protagonist ist auf der Suche nach seiner Zukunft. Zu seinen Lieblingsbüchern gehört „Hard Land“ von William J. Morris, der vor 100 Jahren in Grady gelebt hat. Sams Lehrer Mr. Parker, genannt Inspector, ist beeindruckt von seinen Deutungen. Im Kino werden alte und neue Filme gespielt. BLOW-UP, VIRGIN SLAYER, THE BREAKFAST CLUB, AMERICAN GRAFFITI, BACK TO THE FUTURE. Manchmal schauen sich Sam, Cameron, Brandon und Kirstie im leeren Kino noch einen Film an. Als Sam allein in Grady zurückbleibt, ändert sich die Stimmung, er findet die Gitarre als Identifikationsinstrument, textet und komponiert eigene Lieder. Ein Höhepunkt: sein musikalischer Auftritt bei der Beerdigung seiner Mutter. Im Sommer 1986 kehren Cameron, Brandon und Kirstie nach Grady zurück. Benedict Wells erzählt die Geschichte dramaturgisch geschickt, mit vielen Assoziationen, als Rückblende, mit Empathie, in einfacher Sprache. Der letzte Satz lautet: „Und dann schaute sie mich an und lächelte.“ Mehr zum Buch: hard-land-9783257071481.html
28. Februar 2021
NIEMALS SELTEN MANCHMAL IMMER (2020)
Eliza Hittman (Buch und Regie) erzählt in ihrem Film die Ge-schichte der 17jährigen Autumn Callahan, die in einer kleinen Stadt in Pennsylvania wohnt, als Kassiererin im Supermarkt arbeitet und schwanger wird. Da sie in Pennsylvania für eine Abtreibung die Zustimmung ihrer Eltern braucht, fährt sie mit ihrer Cousine Skylar nach New York, wird an eine Klinik in Manhattan verwiesen und muss ihrer Beraterin vor dem Eingriff auf verschiedene Fragen mit den vier Titelworten antworten: „Niemals / selten / manchmal / immer“. Autumn und Skylar bleiben zwei Tage in der Stadt, da der Eingriff in zwei Etappen erfolgt. Zwar wird ihnen das Geld knapp, aber am Ende fahren sie mit dem Bus erleichtert nach Pennsylvania zurück. Der Film ist in der Dramaturgie und Inszenierung beeindruckend. Die beiden Hauptdarstellerinnen Sidney Flanigan (Autumn) und Talia Ryder (Skylar) sind hervorragend. Bei der Berlinale im vergangenen Jahr wurde der Film im Wettbewerb gezeigt und erhielt den Großen Preis der Jury. Jetzt ist bei Universal die DVD erschienen, die unbedingt zu empfehlen ist. Mehr zur DVD: niemals_selten_manchmal_immer
26. Februar 2021
Images of Women II
Der Fotograf Peter Lindbergh (1944-2019) ist vor allem mit seinen schwarzweißen Porträt-aufnahmen international berühmt geworden. Oft waren sie Covers der amerikanischen Zeitschrift Vogue. Das Buch „Images of Women II“ doku-mentiert Fotos aus den Jahren 2005 bis 2014. Bei Schirmer/ Mosel ist jetzt eine im Format reduzierte Ausgabe erschienen. Es ist ein emotionales Erlebnis Bild für Bild zu betrachten. Man sieht u.a. Kate Moss und Kate Winslet, Naomi Campbell, Nicole Kidman und Tilda Swinton, Reese Witherspoon, Hannah Whelan und Charlotte Rampling, Sofia Coppola, Helena Bonham Carter, Julianne Moore, Nina Hoss, Jessica Chestain und Juliette Binoche. Auch ein paar Männer – David Cronenberg, Mads Mikkelsen – sind vertreten. Und zwischendurch gibt es Impressionen aus Paris, New York, Los Angeles, Marrakesch, Berlin und Sevilla. Die zugeneigten Texte stammen von Werner Spies, Wim Wenders und Peter Handke. Ein herausragender Bildband. Coverabbildung: Uma Thurman. Mehr zum Buch: info.php?products_id=751
25. Februar 2021
James Bond – 100 Seiten
Auf die Premiere des neuesten James Bond-Films KEINE ZEIT ZU STERBEN werden wir noch mindestens bis Oktober oder November warten müssen. Pandemiebedingt wurde sie mehrfach verschoben. Die Zeit kann man mühelos mit James Bond-Literatur überbrücken. Zum Beispiel mit dem wunder-baren 100-Seiten-Buch von Wieland Schwanebeck bei Reclam. Personen- und sach-kundig werden wir hier durch die Bond-Welt geführt, mit den literarischen Vorgaben und Koordinaten von Ian Fleming bekannt gemacht, über die wichtigsten Charakteristika des Helden informiert, mit seinen Darstellern von Sean Connery bis Daniel Craig konfrontiert, diskret in sein sexuelles Leben eingeführt, zu wichtigen Schauplätzen des Geschehens mitgenommen, über seine Widersacher und seine Vorgesetzten aufgeklärt. Dies geschieht nicht in chronologischer oder systematischer Form, sondern in thematischen Kapiteln. Es gibt Listen mit dem 15 Bond-Filmen der offiziellen Eon-Reihe, den größten Blockbustern (die höchsten Einspielergebnisse hatte SKYFALL, 2012), kuriosen Momenten, seinen Geheimwaffen, seinen sportlichen Duellen, seinen Todesfällen. Lektüretipps schließen den Band auf den Seiten 101 und 102 ab. Mit Abbildungen in relativ guter Qualität. Mehr zum Buch: Schwanebeck__Wieland/James_Bond__100_Seiten
24. Februar 2021
Der Architekt Martin Punitzer und der Roxy-Palast
Der Architekt Martin Punitzer (1889-1949) entwarf in den 1920er Jahren in Berlin zahlreiche Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit, darunter den Roxy-Palast in der Frie-denauer Hauptstraße, eröffnet mit dem Film ANDREAS HOFER am 31. Oktober 1929. In dem Buch „Das Meisterwerk“ von Wolfgang Schäche, Brigitte Jacob und David Pessier wird die Biografie von Martin Punitzer erzählt und speziell die Baugeschichte des Roxy-Palastes dargestellt. Zu den von Punitzer entworfenen Gebäuden gehörten die Villa Schönbach im Westend, ein Wohnhaus in der Joachim-Friedrich-Straße in Wilmersdorf, ein Wohnhaus in Lankwitz, Fabrikgebäude in Wedding und Wittenau. Er wurde wegen seiner jüdischen Herkunft 1938 inhaftiert, konnte aber 1939 mit seiner Familie nach Chile emigrieren. Der Roxy-Palast war Teil eines Geschäfts- und Bürohauses in unmittelbarer Nachbarschaft des Rathauses Friedenau. In der Nachkriegszeit wurde das Kino als Lagerraum benutzt und 1966 nach Plänen des Architekten Hans Bielenberg zu einem verkleinerten Kino (statt 1036 nur noch 652 Plätze) umgebaut. Im Sommer 1973 wurde der Kinobetrieb eingestellt. In einem benachbarten Ladenlokal eröffnete 1976 die Discothek „La Belle“, auf die im April 1986 ein Sprengstoffanschlag verübt wurde. Seit 2009 sind die Räume des ehemaligen Kinos Verkaufsfläche für einen Biomarkt. Das Buch ist sehr lesenswert, enthält viele Abbildungen und füllt eine Lücke in der Architekturgeschichte. Der Anhang enthält eine Zeittafel zur Baugeschichte des Roxy-Palastes und ein Datenblatt zum Umbau 2018-2020. Mehr zum Buch: das-meisterwerk.html
23. Februar 2021
Mut
Dies ist die 66. Ausgabe des Schweizer Filmjahrbuchs Cinema. Das neue Herausgeber-team hat das Gestaltungs-konzept etwas verändert, aber wie immer steht ein Thema im Mittelpunkt. Es wird diesmal gefragt: Fehlt es dem Schweizer Filmschaffen an Mut? Antwor-ten darauf geben die Filme-macher*innen Jan Gassman, Anka Schmid, Simon Jaquemet, Florian Forschmayer und Luke Gassner. Aus der Perspektive der Festivals nehmen Lili Hinstin (Locarno), Christian Jungen (Zürich), Anita Hugi (Solothurn) und Jasmin Basic (Kuratorin bei mehreren Festivals) Stellung. Der Kritiker Florian Keller hat eine „Kleine Nachlese zum Schissfilm“ formuliert. Tatjana Hofmann erzählt von Filmaufnahmen auf der Krim. David Grob und Justine Baudet denken über Festivals in Zeiten von Corona nach. Auf 40 Seiten wird das Schweizer Filmschaffen 2019/2020 dokumentiert: 39 neue Titel. Ein Nachruf ist dem Regisseur Francis Reusser gewidmet. Wir können viel Wissenswertes über unser Nachbarland lesen. Mehr zum Buch: titel/668-mut.html
21. Februar 2021
SCHLINGENSIEF – IN DAS SCHWEIGEN HINEINSCHREIEN (2020)
Christoph Schlingensief (1960-2010) war als Theater- und Filmregisseur vor allem Protest- und Aktionskünstler. In den 1980er Jahren noch sehr um-stritten, gewann er zunehmend an Wertschätzung und erhielt nach seinem frühen Tod – er starb an Lungenkrebs – re-spektvolle Nachrufe. Die Editorin Bettina Böhler, die für die Montage von Schlingensiefs Filmen TERROR 2000 und DIE 120 TAGE VON BOTTROP verantwortlich war, hat jetzt einen Dokumentarfilm über ihn realisiert, der bei der Berlinale im vergangenen Jahr uraufgeführt wurde. Ihr materialreiches Porträt macht Schlingensiefs Beharrlichkeit in ästhetischen und politischen Fragen deutlich. Filmausschnitte, Theater- und Opernaufzeichnungen, Aktionen, private Aufnahmen und Interviews verbinden sich zu einem komplexen Werk, das seinen Protagonisten eindrucksvoll würdigt. Es gibt keinen Kommentar, aber viele Stimmen von Wegbegleitern, u.a. Margit Carstensen, Irm Hermann, Udo Kier, Sophie Rois, Helge Schneider, Tilda Swinton. Bei Weltkino ist jetzt die DVD des Films erschienen. Unbedingt zu empfehlen. Mehr zur DVD: schlingensief-in-das-schweigen-hineinschreien-2
19. Februar 2021
Deutsche Grenzerfahrungen
Der Schauspieler Joachim Król und der Journalist Lucas Vogel-sang haben sich 2018 auf eine Reise quer durch Deutschland, von West nach Ost begeben. Ausgangspunkt war Króls Geburtsort Herne, das Ziel Boltenhagen an der Ostsee. In der zweite Hälfte der Reise besuchten sie Orte, wo Król 1993 unter der Regie von Detlev Buck den Film WIR KÖNNEN AUCH ANDERS gedreht hat. Einerseits werden in dem Buch persönliche Erinnerungen erzählt (zum Beispiel an die Jugend im Ruhrgebiet), andererseits vermitteln ein Dutzend Menschen ihre Erfahrungen nach dem Fall der Mauer, mit dem Beginn neuer Lebensverhältnisse. Vogelsang ist ein hervorragender Fragesteller, alle Personen haben eine große Präsenz, es gibt komische und traurige Momente. Und nach der Lektüre muss man sich unbedingt den Film von Detlev Buck noch einmal anschauen. Mehr zum Buch: was-wollen-die-denn-hier-9783499634185
18. Februar 2021
Die Regierung der Serie
Eine Dissertation, die an der Universität Bonn entstanden ist. Dominik Maeder untersucht darin die „Poetologie televisuel-ler Gouvernementalität der Ge-genwart“. Sechs Kapitel struktu-rieren den Text: 1. Physik der Serie, 2. Regieren, Medialität, Serie, 3. Serielle Steuerungs-poetiken, 4. Sucht und Serie: Zu einer gouvernementalen Schwellenfigur, 5. Phantasmati-ken des Regierens, 6. Stream und Serie. In einer Zeit, in der Serien zu den dominanten medialen Angeboten gehören, sind Erkenntnisse in diesem Bereich notwendig und aufschlussreich. Der Text bewegt sich durch das Terrain auf sehr hohem theoretischem Niveau. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: die-regierung-der-serie/?number=978-3-8376-5428-8
17. Februar 2021
Die 25 besten Regisseure aller Zeiten
Präsentiert von der Zeit-schrift cinema. Dies sind ihre Namen: Steven Spiel-berg. Ernst Lubitsch, Blake Edwards, John Ford, Akira Kurosawa, David Lynch, Peter Jackson, Jacques Tati, Tim Burton, Sidney Lumet, Claude Chabrol, Sam Peckinpah, Sergio Leone, James Cameron, John Carpenter, Fritz Lang, Woody Allen, Christopher Nolan, Federico Fellini, Martin Scorsese, Alfred Hitchcock, Quentin Taran-tino, Stanley Kubrick, Ridley Scott, Billy Wilder. Eine konkrete Begründung für die Auswahl bleibt der Chefredakteur Philipp Schulze in seinem Vorwort zwar schuldig, nennt aber acht Namen, die als „grandiose Filmemacher zu entdecken“ wären: Kathryn Bigelow, Brian De Palma, Werner Herzog, Greta Gerwig, Oliver Stone, Wim Wenders, François Truffaut, Ingmar Bergman. Vielleicht sollte man auch Chaplin und Eisenstein, Buñuel und Welles, Antonioni und Ozu nicht vergessen… Jedem Regisseur sind mindestens sechs Seiten mit Texten und Abbildungen gewidmet, Spielberg, Jackson, Scorsese und Hitchcock bringen es auf zehn, Cameron auf zwölf, Nolan und Tarantino auf 14. Es gibt jeweils biografische Notizen („Zur Person“), spezielle Hinweise und ausführliche Würdigungen des Werkes. Sie sind informativ und sachkundig. Hervorragend: die Qualität der Abbildungen. Mehr zum Buch: die-besten-regisseure-aller-zeiten-ydcine002

