Rosa von Praunheim 80

Heute feiert mein Freund Rosa seinen 80. Geburtstag. Dazu gratuliere ich ihm herzlich. Er hat den Tag gut vorbereitet. In der Galerie Mond (Bleibtreustr.) ist die Ausstellung „Nackte Männer – Nackte Tiere“ zu sehen. Um Mitternacht wird auf Arte das Porträt GLÜCKSKIND von Marco Giacopuzzi ausgestrahlt. Rosas jüngster Film REX GILDO – DER LETZTE TANZ ist ab heute in der ARD-Mediathek verfügbar. Der Fischer Verlag hat das Buch „Rosas Theater“ mit vier Stücken publiziert. Und im Martin Schmitz Verlag ist sein erster Roman „Hasenpupsiloch“ erschienen. Die unanständige Geschichte handelt von dem jungen, schwulen Daniel, der nach Berlin kommt, um drei ältere Damen in einer Senioren-WG in der Leibnizstraße zu betreuen. Ruth hat eine Rubensfigur, Hermine ist gertenschlank und Sybille sitzt im Rollstuhl. Alle drei sind Daniel sehr zugeneigt und führen ihn in die schwule Welt des Tiergartens ein, die komplizierte Spielregeln hat. Im zweiten Teil des Romans erweitert sich die Welt: Die drei Frauen (Sybille kann sich inzwischen ohne Rollstuhl bewegen) reisen auf Vorschlag von Daniel nach Ankara, Budapest und Moskau, um die dort regierenden Despoten umzubringen. Das wird natürlich schwierig und führt zu überraschenden Situationen. Daniel hütet inzwischen die Berliner Wohnung. Am Ende gibt es dort eine Wiedervereinigung. 222 unterhaltsame Seiten mit eingefügten Gedichten. Da hat sich Rosa ein schönes Geburtstagsgeschenk gemacht. Mehr zum Buch: Rosa_von_Praunheim/Buch.html

Fernsehserien im medienkulturellen Wandel

Eine Dissertation, die an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn entstanden ist. Jana Zündel untersucht darin den Trans-formationsprozess des Fernsehens und stellt differenzierte Fragen an die Zukunft dieses Mediums. Wie verändert sich die Rezeption in Zeiten von Netflix und Handy-empfang? Sind Fernsehserien noch Fernsehserien? Es gibt Serien als Marken, als Arte-fakte, als Daten. Das Fernsehen existiert als Industrie, als Dispositiv und Aktivität, als Text. Das neue Webfernsehen hat grundlegend viel verändert. In einem umfangreichen Kapitel wird der Fernsehrezeptionswandel durch das Brennglas serieller Paratexte betrachtet. Die konkreten Beispiele werden analysiert und als medienkulturelle Verschiebungen interpretiert. Am Ende stellt sich die Frage:  Brauchen wir einen neuen Begriff für ein Hybridmedium, das seine Nutzungsform so radikal geändert hat? Jana Zündel gibt viele Antworten in ihrem 380-Seiten-Buch. Mit Abbildungen in guter Qualität. Mehr zum Buch: www.halem-verlag.de/produkt/fernsehserien-im-medienkulturellen-wandel/

Jenseits der Magie

Tom Felton (*1987) hat in allen acht Harry Potter-Filmen mit-gespielt. Als er zum ersten Mal für die Rolle des Zauberschülers Draco Malfoy gecastet wurde, war er 14 Jahre alt. Zehn Jahre später spielte er den grausamen Aufseher Dodge Landon in PLANET OF THE APES. „Jenseits der Magie“ ist die Autobiografie der ersten 35 Jahre seines Lebens, lakonisch erzählt, mit großem Erinne-rungsvermögen, in 27 Kapitel dramaturgisch geschickt aufgeteilt. Er hat drei Brüder, eine verständnisvolle Mutter und einen immer zu Scherzen aufgelegten Vater. Natürlich gibt es im Zusammenhang mit der Filmarbeit auch peinliche Momente, aber sie enden immer mit einer positiven Pointe. Man versteht gut, warum Felton mit Daniel Radcliffe und Emma Watson befreundet ist. Im Nachwort denkt er über die Bedeutung von Geschichten im Allgemeinen und im Besonderen nach. Die Lektüre ist unterhaltsam. Mit einem Vorwort von Emma Watson und einem farbigen Bildteil. Mehr zum Buch: jenseits-der-magie-klappenbroschur-978384198452/

Picturing Austrian Cinema

Ein unkonventioneller Schnitt durch die österreichische Filmgeschichte, an dem 102 Autorinnen und Autoren beteiligt sind. Sie haben jeweils einen Film ausgewählt, an den sie uns mit einem Standbild und einem kurzen Text erinnern. Ich nenne hier zwanzig, deren Beitrag ich besonders originell oder interessant finde: DAS SCHLECHTE FELD (2011, Regie: Bernhard Sallmann) von Kathrin Röggla, OPERNBALL (1988, Max Linder) von Madeleine Bernstorff, SONNE HALT! (1959-62, Ferry Radax) von Gertrud Koch, DIE PRAXIS DER LIEBE (1985, Valie Export) von Esther Buss, MIT VERLUST ZU RECHNEN (1993, Ulrich Seidl) von Bert Rebhandl, DIE PAPIERENE BRÜCKE (1987, Ruth Beckermann) von Cristina Nord, TANTE ELFI BASTELT. DER KOLIBRI (2012, Lia Juresch) von Drehli Robnik, TRAIN AGAIN (2021, Peter Tscherkassky) von Apichatpong Weerasethakul, KURZ DAVOR IST ES PASSIERT (2006, Anja Salomonowitz) von Birgit Kohler, BURNING PALACE (2009, Mara Matuschka & Chris Haring) von Katharina Sykora, HAT WOLFF VON AMERONGEN KONKURSDELIKTE BEGANGEN? (2004, Gerhard Benedikt Friedl) von Christoph Hochhäusler, NORDRAND (1999, Barbara Albert) von Caroline Peters, WAS DIE NACHT SPRICHT (1987, Hans Scheugl) von Elfriede Jelinek, DIE KINDER DER TOTEN (2019, Kelly Copper & Pavol Liska) von Milo Rau, NACKTSCHNECKEN (2004, Michael Glawogger) von Alexander Horwath, LIEBELEI (1933, Max Ophüls) von Raymond Bellour, DIE ABENTEUER DES GRAFEN BOBBY (1961, Géza von Cziffra) von Peter Waterhouse, HALLO DIENSTMANN (1952, Franz Antel) von Carl Hegemann, SISSI, DIE JUNGE KAISERIN (1956, Ernst Marischka) von Magdalena Miedl, HAPPY END (2017, Michael Haneke) von Georg Seeßlen. Und Jonathan von Meese nennt als seinen österreichischen Lieblingsfilm THE THIRD MAN von Carol Reed. Das Buch, herausgegeben von Katharina Müller und Claus Philipp, ist sehr lesenswert. Mehr zum Buch: spectorbooks.com/picturing-austrian-cinema-de

Ansichten und Absichten

Drehli Robnik (*1967 in Wien) ist ein in Deutschland zu wenig bekannter Filmtheoretiker, Essayist und Gelegenheits-kritiker. Alexander Horwath hat jetzt einen sehr lesenswerten Band mit 25 Texten von Robnik aus drei Jahrzehnten über populäres Kino und Politik herausgegeben, erschienen in der Reihe Filmmuseum Synema Publikationen. Vier Kapitel bilden die Struktur: 1. Affekte und Effekte: Kino-Autoren. 2. Drinnen und draußen: Kino und andere Räume. 3. Ohne Genierer: Rätselschrift Österreich. 4. Geschichte, Politik, Film: Nachbilder von Krieg und Faschismus. – Eine Collage von zehn Szenen aus zehn Filmen 1955 bis 1980 leitet den Band ein, beginnend mit THE NIGHT OF THE HUNTER von Charles Laughton, endend mit THE BIG RED ONE von Samuel Fuller. Es sind vor allem die dokumentierten Vorträge, die mich beeindruckt haben: „Flexibel in Trümmern. Was aus Städten werden kann, wenn das Blockbuster-Kino sie durchsieht und umbaut“ (2003), „Gesicht, Headline, Nähe zum Feind. Sam Fullers Affektpolitik“ (2006), „Film Sucht Heim. Fremdheitserfahrungen im Nachhall des Kinos“ (2015), „Now That We Know. Macht und Ohnmacht bei Kirk Douglas“ (2016), „Gehirn, Gewalt, Geschichte. Stanley Kubricks Realismus“ (2016), „Zerstreut wohnen, routiniert töten. Krieg und Holocaust bei William Wyler, George Stevens, Siegfried Kracauer und Shelley Winters“ (2018), „Arsenische Demokratie. Gift und Geschichte in ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN“ (2022). Es gibt keine theoretischen Abschweifungen, sondern immer präzise Konkretisierungen, festgemacht an Filmszenen. Auch die anderen Texte sind von Horwath gut ausgewählt, um die Stärke des Autors Drehli Robnik deutlich zu machen. Coverfoto: VIDEODROME von David Cronenberg. Mehr zum Buch: shop_detail?shop_produkte_id=1665474089209

Prenzlauer Berginale, die zweite

Zehn Filme über den Bezirk Prenzlauer Berg sind auf dieser DVD versammelt: EIN HAUS IN BERLIN PRENZLAUER-BERG (1980) von Rainer Pavel, SPRENGUNG (1984) von Holger Vollbrecht, KOLLWITZ-PLATZ BERLIN (1986) von Peter Petersen, IN SACHEN H. UND ACHT ANDERER (1972) und NACHTARBEITER (1973) von Richard Cohn-Vossen, FAMILIENBETRIEB (1984) von Peter Welz, TIPPELTIPS (1987) von Horst Mempel, GUTEN TAG, WIR MÖCHTEN HEIRATEN (1980) von Janos Gyarmati und Eva Maria Kohl, EL PISTOLERO (1993) von Hannes Stöhr und NOUVEL ARSCH (2006) von Marcel Neudeck. Gesamtdauer 195 Minuten. Zum Bonus-Material gehören Aufnahmen von der Grenzöffnung 1989 und ein Lied über den Prenzlauer Berg. Auch die zwei DVD „Prenzlauer Berginale“ hat große Qualitäten im Rückblick auf einen Bezirk, der sich sehr verändert hat. Mehr zur DVD: film/6507/Prenzlauer+Berginale+-+die+Zweite%21

Kino in der DDR

Neun Texte befassen sich in diesem Buch mit dem Kino in der DDR. Es geht um das Kino als Schauplatz und Erlebnis-raum, als Arbeits- und Wir-kungsraum, als Erfahrungs- und Erinnerungsraum. Tanja Tröger beschreibt Filmtheater mit Gastronomie: Visionsbars, Klubkinos und Kino-Cafés (mit schönen Abbildungen). Ben Kaden reflektiert über Kino-architektur im Spiegel der DDR-Philokartie: zum Zeugnis-charakter von Ansichtskarten für die Auseinandersetzung mit Kinokultur. Joseph Garncarz, mit der Rezeption bestens vertraut, untersucht das Kino der DDR und sein Publikum 1978-1987: ein Votum für Filme aus dem Westen. Merve Lühr erinnert an die Selbstinszenierung von Filmvorführern: die „heimlichen Könige des Filmtheaters“. Ronny Grundig unternimmt eine alltagsgeschichtliche Annäherung am Beispiel der Kreislichtspielbetriebe Auerbach, Eberswalde und Bernau: Im Kino arbeiten. Dieter Wolf richtet seinen Blick auf die Dramaturgie in der DEFA: Herz der Filmproduktion oder politische Keule? Luise Poschmann beschäftigt sich mit der Rezeption populärer Filme im Kino der DDR: zwischen Unterhaltung und Systemkonflikt. Dieter Wiedemann stellt eine nicht nur subjektive Betrachtung über das Kino der DDR an. Sieben Autorinnen und Autoren beschreiben das Citizen Science-Projekt „Kino in der DDR“ in seiner Umsetzung und Evaluation. Ein interessanter Blick zurück. Coverabbildung: SLUB Dresden. Band 81 der „Filmstudien“. Mehr zum Buch: nomos/titel/kino-in-der-ddr-id-111608/

Präexistente Musik im Film

Eine Dissertation, die an der Universität Potsdam entstanden ist. Pascal Rudolph untersucht darin die Klangwelten im Kino des Lars von Trier. Der Autor hatte Zugang zum Archiv des Regisseurs, das im Dänischen Filminstitut verwahrt wird. Lars von Trier gilt als Auteur Mélo-mane, er ist von der musikali-schen Ausgestaltung seiner Filme geradezu besessen. In vier umfangreichen Kapiteln wird dies konkretisiert. 1. Von der expliziten zur subtilen Aneignung: Camille Saint-Saens in IDIOTERNE (1998) und Antonio Vivaldi in DOGVILLE (2003). 2. Von der subtilen zur expliziten Aneignung: César Franck und Johann Sebastian Bach in NYMPHOMANIAC (2013). 3. Weltuntergang mit Wagner: Die „Tristan“-Musik in MELANCHOLIA (2011). 4. Björk am Galgen: Performance und Authentizität in DANCER IN THE DARK (2000). Eigene Kapitel sind der Musik im Drehbuch, der filmischen Aneignung von Musik, der Kontroverse zwischen den Bayreuther Festspielen und Lars von Trier und einigen daraus folgenden Inspirationen für Triers Filme gewidmet. Rudolphs filmische und musikalische Analysen sind beeindruckend. Abbildungen von Fotos und Noten konkretisieren den Text. Coverabbildung: Lars von Trier. Die Publikation wurde mit dem Promotionspreis 2022 der Gesellschaft für Musikforschung ausgezeichnet. Mehr zum Buch: Details.aspx?ISBN=9783967077575#.Y10Sxi221Hc

Super 8

Michael Brynntrup (*1959) dreht seit 1982 experimentelle Filme, in den ersten Jahren vor allem im Super 8-Format. Ihnen ist das 400-Seiten-Buch gewidmet, das gerade bei Salzgeber publiziert wurde. Von 1980 bis 82 hat Brynntrup ein Super-8-Tagebuch geführt, das hier in faksimilierter Form dokumentiert ist. 1982 schrieb er für die taz Artikel über Super-8, die auch nach vierzig Jahren noch lesenswert sind. Der Hauptteil des Buches informiert in Bildern und Texten über die 37 Super-8-Filme von Brynntrup. Die wichtigsten sind SEPTEMBER, WUT – eine Reise (1982, 68 min.), TODESSTREIFEN (1983, 9 min.), DER RHEIN – ein deutsches Märchen (1983, 11 min.), HANDFEST (1984, 18 min.), JESUS – ER FILM (1986, 127 min.), TABU I-IV (1988, 29 min.), DER ELEFANT AUS ELFENBEIN (1988, 45 min.), NARZISS UND ECHO (1989, 14 min.), DIE STATIK DER ESELSBRÜCKEN (1990, 21 min.), LIEBE, EIFERSUCHT UND RACHE (1991, 7 min.), ALL YOU CAN EAT (1993, 5:30 min.), KAIN UND ABEL – eine Moritat (1994, 10 min.), ACHTUNG – die Achtung (2001, 14 min.). Viele der Filme wurden auf Festivals gezeigt. Vier Texte über Michael Brynntrup sind dokumentiert, sie stammen von Mike Hoolboom („The Death Dances of Michael Brynntrup“), Birgit Hein (über NARZISS UND ECHO), Silvia Hallensleben (über DIE STATIK DER ESELSBRÜCKEN) und Alice A. Kuzniar („The Queer German Cinema: Michael Brynntrup“). Ein, im besten Sinne, verrücktes Buch. Mehr zum Buch: buch/brynntrup-super-8/

Die Filme des John Carpenter

John Carpenter (*1948) gilt als einer der großen Regisseure des amerikanischen Films, sein Einfluss auf die Genres Horror und Science-fiction ist immens. Zu seinen bekanntesten Filmen gehören HALLOWEEN (1978), THE FOG (1980), ESCAPE FROM NEW YORK (1981) und BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA (1986). Mike Blanken-burg und Markus Brüchler sind die Autoren eines beein-druckenden Buches über Carpenter. Auf jeweils zwei bis zehn Seiten beschreiben und analysieren sie 19 Filme von Carpenter, beginnend mit DARK STAR (1974), endend mit THE WARD (2010). Am umfangreichsten sind die Texte über DARK STAR, THE FOG, THE THING (1982) und CHRISTINE (1983). Eigene Kapitel sind dem Darsteller Kurt Russel, dem Autor und Produzenten Carpenter, seiner Anthology und seinen Einflüssen gewidmet. Abbildungen in hervorragender Qualität bilden die Basis des großformatigen Buches. Die Texte sind in weißer Schrift auf rotem Grund eingefügt. Die Kenntnisse der Autoren über Carpenter erscheinen phänomenal. Ein Sonderband der Reihe „MovieCon“. Unbedingt lesenswert. Mehr zum Buch: moviecon-sonderband-12-die-filme-des-john-carpenter/