ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG (1972)

2017.Acht StundenHeute hat als „Berlinale Special“ in der Volksbühne am Rosa-Luxem-burg-Platz die digitalisierte Fassung von Rainer Werner Fassbinders Serie ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG Premiere. Gezeigt werden die Folgen 1 und 2, morgen die Folgen 3, 4 und 5. Jede Folge dauert zwischen 90 und 100 Minuten. Die Serie musste – 45 Jahre nach ihrer Entstehung – aufwändig restauriert werden, weil das Ausgangsmaterial Schaden genommen hatte. Sie wurde damals als WDR-Produktion in Köln und Mönchengladbach realisiert und war vor allem bei den Zuschauern ein großer Erfolg. Die Hauptrollen spielten Gottfried John, Hanna Schygulla, Luise Ullrich und Werner Finck. Am Montag um 18 Uhr diskutieren im Filmhaus am Potsdamer Platz zunächst Juliane Lorenz, Saskia Walker und Martin Wiebel über die Fassbinder-Serie und anschließend Philipp Leinemann, Hans-Christian Schmid und Jörg Winger über die aktuelle Entwicklung des Serienformats in Deutschland. Moderation: Klaudia Wick. Ab Montag ist die Serie auch täglich von 10 bis 18 Uhr in der Mediathek Fernsehen im Filmhaus zu sehen. Bei Studiocanal sind zeitgleich DVD und Blu-ray erschienen. Mehr zur Blu-ray: acht_stunden_sind_kein_tag-blu-ray

Future imperfect

2017.future imperfectDie Retro-spektive der Berlinale wird wie immer von der Deutschen Kinemathek verantwortet, ihr Thema bezieht sich auf die aktuelle Sonderaus-stellung im Museum für Film und Fernsehen: Science-Fiction-Film. Es werden 27 internationale Spielfilme und zwei Kurzfilme gezeigt, die Vorführungen finden im CinemaxX 8 und im Zeughauskino statt. Die Publikation zur Retrospektive trägt den Titel „future imperfect“ und ist im Verlag Bertz + Fischer erschienen. Das Herausgeber-Trio – Connie Betz, Rainer Rother, Annika Schaefer – führt ins Thema ein. Sherryl Vint informiert über den amerikanischen Science-Fiction-Film seit den 1950er Jahren („Imperfect futures and ominous imaginaries“). Bei Mark Bould geht es um die Dystopie im Science-Fiction-Film („Between the sleep and dream of reason“). Von Tobias Haupts stammt eine kurze Geschichte des deutschen Science-Fiction-Films („The empty sky“). Aidan Power untersucht die europäischen Science-Fiction-Filme der 1960er und 70er Jahre („Modern inclinations“). Matthias Schwarz beschäftigt sich mit dem Science-Fiction-Film im kommunistischen Osteuropa („Archaeologies of a past future“). Der Band erscheint in Kooperation mit dem Museum in Modern Art, alle Texte in englischer Sprache. Sie sind sehr lesenswert und werden von zahlreichen Abbildungen in guter Qualität ergänzt. Das Coverfoto stammt aus dem tschechoslowakischen Film IKARIE XB 1 (1963). Mehr zur Retrospektive retrospektive/index.html und zum Buch: http://www.bertz-fischer.de/futureimperfect.html

Zehn Tage im Februar

2017.Zehn Tage im FebruarNoch ein Buch, mit dem man sich gut auf die Berlinale vorbe-reiten kann. Was könnte auch sonst mit dem Titel „Zehn Tage im Februar“ gemeint sein? Dies ist ein Roman. Heike-Melba Fendel erzählt von einer Frau, die am Eröffnungstag des Festi-vals zuhause einen Zettel ihres Mannes vorfindet, mit dem sie sich am Vorabend heftig gestrit-ten hat: „Ziehe für zehn Tage zu Sepp, das ist besser für uns beide.“ Es ist das Jahr 2013, zur Eröffnung wird der Film THE GRANDMASTER von Wong Kar-Wai gezeigt, mit dem unsere allein gelassene Erzählerin nicht viel anfangen kann. Sie erinnert sich, dass sie zwölf Jahre zuvor mit dem Mann, damals in Köln, den Film IN THE MOOD FOR LOVE gesehen hatte, den sie beide nicht mochten. Und wir erfahren – immer aus der Perspektive der Frau – viel über ein Leben zwischen Köln und Berlin, über die Gründung einer Firma, die sie zusammen mit ihrer Freundin, der Fotografin Marianne betreibt, über Festivalreisen nach Edinbourgh, Cannes, Venedig und Hof, über den Umgang mit Untermieterinnen, über Begegnungen mit Tim Burton, über die Rituale beim Berlinale-Dining-Club im Kaisersaal, über Mahlzeiten im Einstein Unter den Linden, über das gefährliche Fahrradfahren bei Nacht und, immer wieder, über die Egomanien des Mannes. Wie ein roter Faden zieht sich ihre Verehrung für die Filmemacherin Jane Campion durch das Buch. Sie hat alle Filme von ihr gesehen, sie mehrfach auf Festivals getroffen, sieht schließlich in Berlin die Serie TOP OF THE LAKE und hat daran viel auszusetzen. Heike-Melba Fendel ist eine gute Erzählerin, sie mischt Authentisches mit Fiktivem, lässt uns an überraschenden Assoziationen teilnehmen. Die Lektüre ist spannend, und den Schluss verrate ich nicht. Mehr zum Buch: zehn-tage-im-februar.html

Mit Harald Martenstein im Kino

2017.MartensteinMit diesem Buch kann man sich auf die Berlinale vorbereiten. Denn von den 81 Texten, die hier versammelt sind, erzählen 78 von Erfahrungen, die Harald Martenstein bei diesem Festival gemacht hat, von persönlichen Erlebnissen und natürlich auch von Filmen. Er schreibt seit vielen Jahren Kolumnen für den Tagesspiegel und die Zeit, die oft sehr amüsant sind, weil sie überraschende Verbindungen herstellen und einer eigenen Logik folgen. Für diese Antho-logie hat der Autor Kolumnen aus den Jahren 1999 bis 2016 ausgewählt. Sieben längere, sehr lesenswerte Texte sind einzelnen Filmen gewidmet: NACHTGESTAL-TEN von Andreas Dresen, PARADISO von Rudolf Thome, GOSFORD PARK von Robert Altman, 25TH HOUR von Spike Lee, COMANDANTE von Oliver Stone, STANDING OPERATION PROCEDURE von Errol Morris und FEUERHERZ von Luigi Falorni. Außerdem geht es zum Beispiel um West und Ost im Berlin vor der Jahrtausendwende, den Berlinale-Palast, Dieter Kosslick, Parties und Empfänge, Pressekonferenzen und Stars, um Wowi, Helmut Dietl, Roberto Benigni, Angelina Jolie, Robert De Niro, Carla Bruni, Rolf Eden und Klaus Lemke, um die „Neun-Uhr-Filme“ (morgens, für die Presse), die ersten und die letzten zwanzig Minuten eines Films, Sex im Film, „schlechte“ Filme, „Konsensfilme“, die Frauenquote, die RAF im Film, die vielen Fragen in den Dialogen von GNADE, Houellebecq, Cinema for Peace, „Kunstscheiß“ und das Schreiben eines Drehbuchs. Der erste Text fragt sehr persönlich „Warum das Ganze?“, der zweite handelt von der Arbeit als Filmredakteur. Insgesamt: viel Stoff für 200 Seiten. Die Lektüre ist natürlich kurzweilig. So allein wie auf dem Coverfoto war der Autor bei der Berlinale sicherlich selten in einem Kino. Mehr zum Buch: e489105.rhd

THE NIGHT MANAGER (2016)

2016.DVD.Night ManagerEine Mini-Serie mit acht Folgen à 45 Minuten nach dem Roman von John le Carré. Diesen Autor lieben wir seit vielen Jahren, haben den „Nachtmanager“ Mitte der 90er Jahre gelesen und waren sehr gespannt auf die Verfilmung, die jetzt auf DVD zu sehen ist. Sie ist sehr gelungen. Erzählt wird die Geschichte des ehemaligen Soldaten Jonathan Pine (gespielt von Tim Hiddle-ston), der mit dem britischen Geheimdienst zusammen-arbeitet, und des Waffenhänd-lers Richard Roper (Hugh Laurie), der Deals mit Terroristen im Nahen Osten macht. Um ihn zu überführen, dringt Pine in Ropers engsten Kreis ein. Dabei erkennt er auch die schwierige Situation von Ropers attraktiver Frau Jed (Elizabeth Debicki), zu der er sich hingezogen fühlt. In Le Carrés Roman war Pines Verbindungsperson zu MI6 noch ein Mann, jetzt ist es die schwangere Agentin Angela Burr (Olivia Colman). Die Modernisierungen haben der Geschichte gut getan, die wechselnden Schauplätze (Kairo, London, Mallorca, Naher Osten) sind durch eindrucksvolle Aufnahmen miteinander verbunden, Musik und Kameraführung wirken exzellent, die genannten Darsteller und Darstellerinnen spielen hervorragend zusammen, auch die Nebenrollen sind bestens besetzt. Die beiden Protagonisten liefern sich einen existentiellen Zweikampf. Als Regisseurin hat Susanne Bier gut gearbeitet. Fragt sich nur, ob es eine zweite Staffel gibt, das offene Ende deutet darauf hin. Die DVD enthält 57 Minuten Bonus-Material. Mehr zur DVD: 9154db5bb8c36

Kurt Tucholsky: „Seifenblasen“

2017.SeifenblasenEr war Journalist und Schrift-steller, Pazifist und nicht unbedingt ein Liebhaber des Kinos. Kurt Tucholsky (1890-1935) hat sich, zuerst in der Schaubühne, später in der Weltbühne, mehrfach über den Film geäußert, in der Regel spöttisch. Michael Töteberg zitiert in seinem Nachwort aber auch einen positiven Satz; über den CALIGARI-Film schrieb Tucholsky 1920: „Die größte aller Seltenheiten: ein guter Film.“ Immerhin verfasste der Autor 1931 unter dem Namen Peter Panter, einem seiner Pseudonyme, das Filmskript „Seifenblasen“, das jahrzehntelang ungedruckt blieb, 2011 in der Werkausgabe erstmals veröffentlicht wurde und jetzt als Rowohlt Taschenbuch erschienen ist. Die Idee zum Stoff stammte von G. W. Pabst, Auftraggeber war die Firma Nero-Film, der Film wurde nie realisiert. Erzählt wird die Geschichte von Barbara, die Schauspielerin werden will, zunächst in einer Revue als Nummerngirl arbeitet und dann Karriere als Damenimitator macht: eine junge Frau, die sich als Mann (Paulus) ausgibt, der als Frau auftritt. Die komische Konflikte kann man ahnen, sie werden sehr originell beschrieben und nehmen immer neue Wendungen. Natürlich gibt es ein Happyend. Schade, dass der Film damals nicht gedreht wurde. Mit dem Slatan Dudow-Film SEIFENBLASEN (1933) hat Tucholskys Skript im Übrigen nichts zu tun. Coverfoto: Renate Müller in dem Film VIKTOR UND VIKTORIA (1933). Mehr zum Buch: seifenblasen.html

Einbildung und Gewalt

2017.Einbildung und GewaltDer Kultursoziologe Jörn Ahrens nimmt den Film als Medium gesellschaftlicher Konflikt-bearbeitung ernst und erkennt bei der filmischen Verarbeitung sozialer Konstellationen vier unterschiedliche Herangehens-weisen: Fingieren, Intervention, Gedankenexperiment und historische Rekonstruktion. Beispielhaft analysiert er in diesem Zusammenhang vier Filme: RESERVOIR DOGS (USA 1992) von Quentin Tarantino („Fingieren“), MESSER IM KOPF (BRD 1978) von Reinhard Hauff („Intervention“), CONTAGION (USA 2011) von Steven Soderbergh („Gedankenexperiment“) und ZERO DARK THIRTY (USA 2012) von Kathryn Bigelow („Historische Rekonstruktion“). Für seinen „ethischen Einsatz“ wird außerdem der Film UNFORGIVEN (USA 1992) von Clint Eastwood in die Untersuchung einbezogen („Predigt“). Die Analysen sind in ihrer Komplexität beeindruckend. Es wird auch die Rezeption berücksichtigt. Band 25 der Reihe „Deep Focus“. Coverabbildungen: ZERO DARK THIRTY (oben), MESSER IM KOPF (unten). Mehr zum Buch: einbildungundgewalt.html

Das DEFA-Film-Kochbuch

2016.DEFA-Film-KochbuchWir haben als Kinder gelernt: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. So war es auch im DEFA-Film. Es gab vor allem einfache und bekannte  Gerichte. Darüber informiert das kürzlich erschienene „DEFA-Film-Kochbuch“ von Elke Pohl. 31 DEFA-Filme von DIE BUNTKARIERTEN (1949) bis DER TANGOSPIELER (1991) werden in Text und Bildern vorgestellt. Zu jedem Film gibt es eine Inhalts-beschreibung, Hinweise zu Darstellern und Filme-machern, Informationen über Ereignisse im Herstellungsjahr, Erinnerungen an Gerichte, Kuchen und Getränke, sowie – für alle, die selbst tätig werden möchten – ein oder zwei Rezepte, die mit einem Film verbunden sind. Einige Beispiele: eine Berliner Kartoffelsuppe aus dem Film BERLIN – ECKE SCHÖNHAUSER… (1957), ein Gänsebraten aus ACH, DU FRÖHLICHE… (1962), eine Kalte Sauerampfersuppe aus KARBID UND SAUERAMPFER (1963), ein Pfifferling-Rührei aus DER DRITTE (1972), Geflügelspießchen aus DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (1973), Geräucherte Makrelen vom Grill oder Rost aus NELKEN IN ASPIK (1976), Borsdorfer Apfeltorte aus SIEBEN SOMMERSPROSSEN (1978), Bunte Schnittchenplatte mit Käse, Wurst und Fisch aus BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (1979), Haferflockenkekse aus DIE ALLEINSEGLERIN (1987). Zu SPUR DER STEINE (1966) werden zwei Getränke empfohlen: „Blutgeschwür“ und „Blonder Engel“. Beide basieren auf Eierlikör, der einmal mit Kirschlikör und das andere Mal mit Orangensaft gemixt wird. Erschienen ist die Publikation im BuchVerlag für die Frau. Mehr zum Buch: product-584.html

Arbeit mit Schauspielern

2016.Arbeit mit SchauspielernVor 15 Jahren hat der Regisseur Richard Blank im Alexander Verlag ein Buch über „Schau-spielkunst in Theater und Film“ publiziert, mit dem Untertitel „Strasberg, Brecht, Stanis-lawski“. Jetzt gibt es ein neues Buch von ihm, „Arbeit mit Schauspielern“, das noch persönlicher und konkreter seine Erfahrungen mit Darstellerinnen und Darstellern beschreibt und mit generellen Empfehlungen verbindet. Ich nenne einige Themen, zu denen Blank sich äußert: Der private Kontakt mit den Schauspielern, Besetzung eines Films, Umgang mit Menschen, Positionen und Gänge, Komparserie, Zusammenspiel zwischen Kameramann und Regisseur, Gegen den Typ besetzen, Technik der Zurückhaltung, Liebesszenen, Tiere, Eigenarten und Marotten, Presse und Werberummel, Mangel an Perfektion. Das sind nur 13 von insgesamt 50 Überschriften, die uns im fließenden Übergang durch das Buch führen. Und wir begegnen Schauspiele-rinnen und Schauspielern, an die wir uns gern erinnern: Adelheid Arndt, Philip Arp, Richard Beek, Ortrud Beginnen, Michael Brandner, Irene Clarin, Daniel Day-Lewis, Cornelia Froboess, Martina Gedeck, Eisi Gulp, Marianne Hoppe, Robert Hunger-Bühler, Brigitte Karner, Wolfram Kunkel, Hans-Peter Luppa, Axel Milberg, Branko Samarovski, Hannelore Schroth, Max Simonischek, Ekaterina Strizhenova, Katharina Thalbach (Coverfoto), Bernhard Wicki, Rosel Zech. Dies ist ein Buch, das man ohne Unterbrechung lesen kann. Mit Abbildungen und einem Nachwort von Didi Danquart. Mehr zum Buch: Arbeit_mit_Schauspielern.html

TUE RECHT UND SCHEUE NIEMAND

2017.Tue RechtIn der Reihe „Filmspot-ting“ – Erkundungen im Filmarchiv der Deut-schen Kinemathek – wird heute Abend im Arsenal der Erstlingsfilm von Jutta Brückner gezeigt: TUE RECHT UND SCHEUE NIEMAND (1975). Es ist die Premiere der digital restaurierten Fassung. Das Porträt ihrer Mutter (Foto), das aus Fotos, Archivmaterial und Tondokumenten besteht, zeigt eine Kleinbürgerin, die keinen Ausweg aus ihrer streng ritualisierten Welt findet. Fünf Jahre später realisierte Jutta den Spielfilm HUNGER-JAHRE, der ihre Jugend in der Bundesrepublik der 1950er Jahre beschreibt. Beide Filme werden jetzt von Absolut Medien als DVD verfügbar gemacht. Jutta Brückner ist bei der Vorführung anwesend und wird anschließend von Martin Koerber befragt. Mehr zum Film: article/6401/3004.html