Der Kinogeher

2016.Der Kinogeher1Im Mai wäre der amerikanische Schriftsteller Walker Percy hundert Jahre alt geworden. Der Suhrkamp Verlag hat aus diesem Anlass den Roman „Der Kinogeher“ neu aufgelegt. In den USA ist er 1961 erschienen, in Deutschland, übersetzt von Peter Handke, 1980. Ich habe das Buch jetzt zum ersten Mal gelesen und fand es sehr spannend. Erzählt wird die Lebensgeschichte des knapp 30jährigen Maklers Jack Bolling, der in einer wohl-habenden, aber komplizierten Familie in New Orleans aufgewachsen ist, traumatische Erfahrungen im Koreakrieg gemacht hat, intime Verhältnisse mit seinen wechselnden Sekretärinnen eingeht, gern Filme im Kino sieht und am Ende seine sehr instabile Cousine Kate heiratet. Eine dominante Rolle spielt seine Tante. Als Ich-Erzähler ist Jack, genannt Binx, vor allem auf der Suche nach seiner Identität. Zu den Filmen, die Jack teils allein, teils in Begleitung sieht, gehören STAGECOACH von John Ford, THE OX-BOW INCIDENT von William A. Wellman, THE THIRD MAN von Carol Reed, PANIC IN THE STREETS von Elia Kazan, IT HAPPENED ONE NIGHT von Frank Capra, FORT DOBBS von Gordon Douglas und RED RIVER von Howard Hawks. Die Anmerkungen zu den Filmen sind in der Regel nur kurz, aber sie wirken pointiert. Und es gibt eine sehr schöne persönliche Begegnung mit William Holden. Andere Schauspielerinnen und Schauspieler fließen assoziativ in den Text ein. „The Moviegoer“ war der erste Roman von Walker Percy. Der Autor starb 1990 in Louisiana. Mehr zum Buch: walker_percy_22494.html

Moderne Heiligenlegenden

2016.Moderne HeiligenlegendenEine Dissertation, die an der Ludwig-Maximilian-Universität München entstanden ist. Nadja Alexandra Mayer konstatiert die Auferstehung des Märtyrers im Mainstream-Kino der Gegen-wart und analysiert sie am Beispiel der achtteiligen HARRY POTTER-Filmserie (2001-2011) und der fünf Filme der TWI-LIGHT-SAGA (2008-2012). Mit vielen literaturtheoretischen Verweisen geht es zunächst um die fiktionale Bearbeitung des Märtyrerstoffes. Dann folgen Überlegungen zum Konzept des Märtyrers, u.a. in Abgrenzung zur Erlöserfigur, und zur Medialität des Märtyrers. In der zweiten Hälfte werden sehr detailliert die beiden Filmzyklen analysiert. Bei Harry Potter spielen die Märtyrerattribute Patronus, Zauberstab und Schwert eine Rolle und vor allem: die Potter-Passion. Bei Twilight wird zunächst die Bedeutung der Religion thematisiert, die Hauptfigur Bella Swan steht dann im Mittelpunkt der Untersuchung, ihre Opferbereitschaft und ihre Transformation zum Vampir. Wichtig ist hier, dass es sich um ein weibliches Martyrium handelt. Die Beschreibungen der Autorin halten sich sehr konkret an die Geschehnisse der Filme und werden dann im Sinne der Ausgangsthese interpretiert, die natürlich auch die christlichen Aspekte im Blick hat. Die Autorin arbeitet als Redakteurin beim Evangelischen Presseverband für Bayern. Keine Abbildungen. Mehr zum Buch: vojd1b2o36ki2

VALIE EXPORT

2016.DVD.VALIE EXPORTSie ist seit Mitte der 1960er Jahre eine Exponentin radikaler femininer Kunst. Mein erster Film von VALIE EXPORT (geboren 1940 als Waltraud Lehner in Linz) war UNSICHT-BARE GEGENER, den ich 1976 auf dem Forum der Berlinale gesehen habe und der mich sehr beeindruckt hat. Drei Jahre später folgte MENSCHEN-FRAUEN. Es geht in ihren Filmen immer wieder um Körperfigurationen, sie zerlegt die Filmsprache in ihre Einzel-teile. Das tut manchmal richtig weh. Claudia Müller hat einen sehr schönen, informativen 55-Minuten-Film über VALIE EXPORT gedreht, der jetzt bei Absolut Medien als DVD erschienen ist. Er zeigt Zeichnungen, Fotos, Filmausschnitte, Performances und Installationen und lässt Menschen zu Wort kommen, die über EXPORTS Werk sprechen: der Direktor des Museums Ludwig Yilmaz Dziewior, der MoMA-Kurator Stuart Comer, die Performance-Künstlerin Marina Abramovic, die Kunsthistorikerin Karola Kraus, die Schriftstellerin Elfriede Jelinek, die Künstlerinnen Ingrid Wiener, Kiki Smith, Carolee Schneemann und VALIE EXPORT selbst. Erzählt wird auch die Lebensgeschichte der Künstlerin, ihre Verortung in Wien, ihre internationale Bedeutung. „Ikone und Rebellin“ heißt der Untertitel dieses Films, der unbedingt sehenswert ist. Die DVD enthält in den Extras zwei interessante Ausstellungsrundgänge. Mehr zur DVD: +Ikone+und+Rebellin

Kino in Köln

2016.Kino in KölnIm Kölnischen Stadtmuseum findet zurzeit (und noch bis zum 6. November) die Aus-stellung „Großes Kino! 120 Jahre Kölner Kinogeschichte“ statt. Über 150 zum Teil noch nie gezeigte Originalobjekte, Fotografien und Filmaus-schnitte erinnern an die Kinogeschichte der Stadt. Im Emons Verlag ist in diesem Zusammenhang das Buch „Kino in Köln“ von Marion Kranen und Irene Schoor erschienen. In zwölf Kapiteln erzählen die beiden Autorinnen die wechselhafte Historie der Lichtspieltheater in der Stadt, beginnend mit den Vorläufern des Kinos. Dann geht es chronologisch voran: 1900-1914: Das Kino wird sesshaft. 1914-1918: Kino in schweren Zeiten. 1919-1930: Filmpaläste und „Kinos für jedermann“. 1930-1945: Kölner Kinos in der NS-Zeit. 1940-1945: Zerstörung und Neuanfang. 1950-1960: Kinoboom und gediegene Filmpaläste. 1960-1970: Kinokrise und Aufbruch. 1970-1980: Die Zeit der Filmpaläste ist vorbei. 1980-1990: Filmkunsttheater und Abspielstellen. 1990-2000: Cinekomplexität und Verdrängungswettbewerb. 2000-2015: Zukunft im Kino – Eine Frage der (Bild-)Auflösung?. Menschen mit Kinobegeisterung und Gebäude in der Stadt stehen im Mittelpunkt. Der Text wirkt hervorragend recherchiert, die Informationen gehen weit über das hinaus, was in dem von Bruno Fischli herausgegebenen Buch „Vom Sehen im Dunkeln“ (1990) zu lesen war. Über 250 Abbildungen von Kinofassaden, Innenansichten, Projektionsräumen, Werbung und wichtigen Personen konkretisieren den Text. Der „Abspann“ enthält u.a. ein „Kino A-Z“, geordnet nach Stadtteilen. Das Buch ist ein vorbildlicher Gang durch die Kinogeschichte einer Stadt. Mehr zur Ausstellung: 1605_cinema/ Mehr zum Buch: kino-in-koeln

Der asymmetrische Blick

2016.Asymetrischer BlickIn diesem Buch von Martin Blumenthal-Barby, Assistent Professor für German Studies an der Rice University in Houston/Texas, fügen sich sechs Aufsätze zu einem thematischen Diskurs über Filme, die direkt oder indirekt von Überwachung handeln. In den ersten beiden Essays geht es um Harun Farockis Installation GEGEN-MUSIK (2004) und seine Trilogie AUGE/MASCHINE I, II und III (2001-03). Dann steht in zwei Texten Michael Hanekes Film DAS WEISSE BAND (2009) im Mittelpunkt. In den letzten beiden Aufsätzen wird Fritz Langs Film DR. MABUSE, DER SPIELER (1922) analysiert. Die Zielrichtung seiner Untersuchung formuliert der Autor in seiner Einleitung: „Wenn es so etwas wie einen gemeinsamen Nenner für die in diesem Buch vorgelegten Interpretationen gibt, dann ist es die Tatsache, dass ‚Überwachung’ sich immer wieder darstellt nicht als Thema, das von einer sicheren Betrachterposition aus zu erörtern wäre, sondern als Erfahrung, die wir selbst machen, als Geschehen, mit dem wir uns befassen müssen. Statt als bloßer metonymischer Vertreter oder Platzhalter für das Anschauen von Filmen zu dienen, präsentiert sich Überwachung immer wieder als die Inszenierung diegetischer Momente und der entsprechenden Positionierung des Zuschauers. Immer wieder stellt sich die Frage, wie die Haltung des Zuschauers konkret formiert wird durch die verhandelten Aspekte von Überwachung – sei es mittels der Split-Screen-Ästhetik der ‚weichen Montage’ (bei Farocki), sei es durch Geschehnisse abseits der Kamera und lange Einstellungen (bei Haneke), sei es durch Arrangements von Schuss und Gegenschuss sowie durch Irisblenden (bei Lang).“ Eine interessante, theoretisch fundierte Lektüre. Mehr zum Buch: 978-3-7705-5935-0.html

Enzyklopädie der Beatlesfilme

2016.BeatlesfilmeEs gibt fünf klassische Beatles-filme, die wohl fast jeder kennt: A HARD DAY’S NIGHT (1964), HELP! (1965), MAGICAL MYSTERY TOUR (1967), YELLOW SUBMARINE (1968) und LET IT BE (1970). An ihnen waren alle vier Beatles persön-lich beteiligt. Aber es gibt zahlreiche Spielfilme, Kurzfilme, Dokumentarfilme, Fernseh-sendungen und Musikvideos, die in einem engen Zusammenhang mit den Beatles stehen. Jörg Helbig, Literaturwissenschaftler an der Universität Klagenfurt, hat jetzt für den Schüren Verlag eine erste Enzyklopädie mit über 200 Titeln zusammengestellt, die für Beatles-Fans Pflichtlektüre sein sollte. Zu jedem Titel von ACROSS THE UNIVERSE bis THE ZOMBEATLES: ALL YOU NEED IS BRAINS findet man Credits und Cast, eine Inhaltsangabe, eine Analyse, Informationen zur Rezeption, Trivia-Verweise und, sofern vorhanden, Literaturangaben. Der Buchtitel „I saw a film today, oh boy!“ stammt aus dem Song „A day in the life“. Helbigs Texte lesen sich gut, er ist ein ausgewiesener Kenner der Filme, und man bekommt Lust, den einen oder anderen Film (wieder) zu sehen. Auf Abbildungen musste aus Rechtsgründen verzichtet werden. Mehr zum Buch: oh-boy.html

Leinwandgöttinnen

2016.LeiwandgöttinnenDie Ausstellung „Best Actress“ im Museum für Film und Fernsehen ist inzwischen geschlossen, aber noch in guter Erinnerung. Daniela Sannwald, Kuratorin dieser Ausstellung, hat jetzt zusammen mit Tim Linde-mann bei ebersbach & simon ein Buch über Oscar-Preisträgerinnen publiziert: „Leinwandgöttinnen“. 15 Porträts würdigen Stars von den 1930er Jahren bis in die Gegenwart. Dies sind die Auserwählten: Katharine Hepburn („Die Kompromisslose“), Bette Davis („Mit der ist nicht zu spaßen!“), Vivien Leigh („Für immer Scarlett“), Audrey Hepburn („Sie füllt die Luft mit einem Lächeln“), Grace Kelly („Die Fürstin“), Elizabeth Taylor („Das Studiokind“), Sophia Loren („Schüchterne Kanaille“), Jane Fonda („Die Perfektionistin“), Faye Dunaway („Die Diva vom Land“), Meryl Streep („Die Alleskönnerin“), Jodie Foster („Ernste Kämpferin“), Susan Sarandon („Sex und Politik“), Julia Roberts („Eine von uns“), Cate Blanchett („Die Frau mit den vielen Gesichtern“) und Julianne Moore („Die Reisende“). Jedes Porträt umfasst acht Seiten. Sechs Texte stammen von Daniela Sannwald, fünf von Tim Lindemann, vier Gastbeiträge haben Manuela Reichart (Audrey Hepburn), Christina Tilmann (Sophia Loren), Susan Vahabzadeh (Grace Kelly) und Nils Warnecke (Meryl Streep) geschrieben. Mit Abbildungen in bester Qualität. Empfehlenswerte Lektüre. Mehr zum Buch: leinwandgoettinnen

Zwei Filme von Gustav Ucicky

2016.DVD.Späte LiebeEr war der unehelich geborene Sohn des Malers Gustav Klimt, stammte aus Wien, arbeitete zunächst als Kameramann und wurde ab 1930 zum vielbeschäf-tigten Ufa-Regisseur. Gustav Ucicky (1898-1961) hatte eine große Affinität zum Patriotismus der Nationalsozialisten, vor allem seine Filme MORGENROT (1932), FLÜCHTLINGE (1933) und HEIMKEHR (1941) waren in ihren Botschaften dubios. Er beherrschte viele Genres, drehte Kriminalfilme (SAVOY HOTEL 217), Melodramen (MUTTER-LIEBE) und Literaturverfilmungen (DER POSTMEISTER). Bei den Filmjuwelen sind jetzt die DVDs von zwei Filmen aus den 40er Jahren erschienen, die ich noch nicht kannte und interessant finde. SPÄTE LIEBE (1942/43) erzählt die Geschichte der Porzellanmalerin Sophie von Angersprang, die eine Vernunftehe mit einem wohlhabenden Unternehmer eingeht, um ihrer lungenkranken Schwester eine Kur in Davos zu ermöglichen. Die Ehe gestaltet sich schwierig. Erst der persönliche Einsatz ihres Mannes für die Genesung der Schwester lässt Sophie ein Happyend erleben. In den Hauptrollen sehen wir Paula Wessely und Attila Hörbiger, und sie sind in ihrer differenzierten Darstellung ein Glücksfall für den Film, der in Österreich zu Beginn des letzten Jahrhunderts spielt. Mit einem Booklet von Friedemann Beyer. Mehr zur DVD: %22filmjuwelen%22

2016.DVD.Das Herz muss schweigenAuch der Film DAS HERZ MUSS SCHWEIGEN (1944) führt uns zurück in diese Zeit. Das Melo-dram erzählt die Geschichte des Röntgenarztes Paul Holzgruber und seiner Assistentin Maximiliane. Es geht natürlich um die Nebenwirkungen der Röntgenstrahlen, aber auch um die Liebe von Maximiliane zu einem adligen Witwer und am Ende um ihre unheilbare Krebserkrankung. Wieder spielt Paula Wessely die Hauptrolle: nuancenreich, subtil, ohne Sentimentalität. Beeindruckend. Ihre Partner sind Werner Hinz und Matthias Wiemann. Günther Anders hat damals die Kamera geführt. Es war der dritte Film von Ucicky über Wiener Frauenschicksale um die Jahrhundertwende. – Das informative Booklet stammt wieder von Friedemann Beyer. Mehr zur DVD: 1-82&keywords=%22filmjuwelen%22

Comic Film Gender

2016.Comic Film GenderEine Dissertation, die an der Ruhruniversität Bochum entstanden ist. Es geht um die „(Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm“. Véronique Sina stellt drei verfilmte Comics in den Mittelpunkt ihrer Unter-suchung: SIN CITY (2005) von Robert Rodriguez, Frank Miller und Quentin Taran-tino, nach den Comics von Frank Miller, IMMORTEL (AD VITAM) (2004) von Enki Bilal, nach dessen Comic-Reihe „La Trilogie Nikopol“ und KICK-ASS (zwei Teile, 2010 und 2013) von Matthew Vaughn bzw. Jeff Wadlow, parallel gefilmt zur Graphic Novel von Mark Millar und John Romita jr. Die Autorin analysiert sehr detailliert die Veränderungen des Aussehens und der Aktionen von Männern und Frauen zwischen Comic und Film. Sie stellt wechselseitige Generierungen und produktive Beeinflussungen fest. Hinweise auf andere Comics und ihre Verfilmungen erweitern das Spektrum der Untersuchung. Konkrete Bild- und Personenbeschreibungen erleichtern die Lektüre und tragen zur Anschaulichkeit der Studie bei. Zahlreiche Abbildungen in sehr guter Qualität. Umschlagabbildung: Robert Hochstaedter. Mehr zum Buch: comic-film-gender?c=738

Tangenten

2016.TangentenElke Schieber, mit der Film- und Fernsehgeschichte der DDR bestens vertraut, dokumentiert in diesem umfänglichen Band (692 Seiten) in lexikalischer Form die mediale Darstellung von Holo-caust und jüdischem Leben in der SBZ und der DDR von 1946 bis 1990. Fünf Themen strukturieren das Buch: 1. Judenverfolgung im Nationalsozialismus. 2. Anti-semitismus vor 1933. 3. Vergan-genheit in der Gegenwart. 4. Jüdisches Leben (unterteilt in allgemein und biografisch). 5. Palästina – Israel – Naher Osten. Unterschieden wird zwischen Produktionen für den Einsatz im Kino, im Fernsehen und für den besonderen Einsatz. Zu jedem Titel gibt es die filmografischen Fakten, eine inhaltliche Beschreibung, Anmerkungen und Literaturhinweise. Es ist eine beeindruckende Arbeit, die Elke Schieber hier geleistet hat, die noch einmal vor Augen führt, wie ernst das Thema National-sozialismus und Antifaschismus in der DDR genommen wurde und in welcher Vielfalt es dargestellt worden ist. Lohnend ist die Lektüre der Einleitung: „Noch eine Dokumentation?“, in der die Autorin auch filmhistorische Bewertungen vornimmt. „Tangenten“ ist der jüngste Band der Schriftenreihe der DEFA-Stiftung. Von Ralf Schenk stammt ein Geleitwort. Mit Abbildungen. Titelfoto: Corinna Harfouch in DIE SCHAUSPIELERIN. Mehr zum Buch: products_id=439