GENOSSE MÜNCHHAUSEN (1961/62)

2013.Genosse MHeute Abend ist im Berliner Zeughauskino in der Reihe „Kalter Krieg und Film-Frühling“ GENOSSE MÜNCHHAUSEN (1962) von Wolfgang Neuss zu sehen. Eine DVD des Films hat „Absolut Medien“ zum Hamburger cinefest herausgegeben. Wenige Monate nach dem Mauerbau nimmt Neuss, der wohl populärste Kabarettist der 1950er und 60er Jahre, die deutsche Teilung aufs Korn. Als Bauer Oskar Puste ist ihm im Zonenrandgebiet ein Stück Ackerland abhanden gekommen. Die Satire katapultiert den ehemaligen Luftwaffenpiloten in die UdSSR, er wird als Kosmonaut zur Venus geschickt, landet aber am Nacktbadestrand von Sylt. Die Pointen sind auf der Höhe ihrer Zeit, Wortwitze dominieren die visuellen Gags, alles ist noch in Schwarzweiß gedreht. Um Neuss herum agieren Corny Collins, Ingrid van Bergen, Peer Schmidt und Wolfgang Wahl. Der Fernsehmoderator Peter Frankenfeld taucht in der kleinen Rolle eines Jahrmarktschreiers auf. Die DVD enthält noch zwei Kurzfilme: KLAMMER AUF, KLAMMER ZU (BRD 1966) von Hellmuth Costard und ERZÄHLUNG ÜBER EINE LIEBE (DDR 1964) von Roland Oehme. Mehr zur DVD: main.php?view=film&id=1484

50 Jahre Deutsche Kinemathek

2013.Logo SDKHeute wird im Filmhaus am Potsdamer Platz der 50. Geburtstag der Deutschen Kinemathek gefeiert. Das offizielle Gründungsdatum ist der 1. Februar 1963. Zunächst als e.V., ab 1971 als Stiftung bürgerlichen Rechts ist die Kinemathek eines der großen Filmarchive in der Bundesrepublik. Ihr Gründungsdirektor war der Regisseur und Sammler Gerhard Lamprecht. Von 1990 bis 2006 habe ich das Haus geleitet. In dieser Zeit fand auch die Eröffnung des Filmmuseums am Potsdamer Platz statt und die Erweiterung um den Bereich Fernsehen, die 2006 zum Museum für Film und Fernsehen führte. Künstlerischer Direktor ist seit 2006 Rainer Rother, als Verwaltungsdirektor fungiert Maximilian Müllner. Seit 2003 wird die Kinemathek vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert. So liegt es nahe, dass heute Abend Bernd Neumann ein Grußwort spricht. Gefeiert wird mit Gästen, Musik und Filmen. Moderation: Petra Gute (rbb). Gerhard Midding hat im aktuellen tip einen schönen Text vor allem über die aktuelle Situation der SDK publiziert. Mehr über die Kinemathek auf ihrer Website: www.deutsche-kinemathek.de/de

Hollywood-Kostüme in London

2013.KostümeDie Ausstellung der Hollywood-Kostüme im Victoria and Albert Museum in London ist wirklich sensationell. Schon sie allein hat die Reise nach London gelohnt. Man spürt die lange Vorbereitungs-zeit und die kenntnisreiche Sorgfalt der Kuratorin Deborah Nadoolman Landis. Die Struktur ist klug (Deconstruction / Dialogue / Finale), die Räume und die Positionierung der Exponate vermitteln eine spezielle Aura. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, für die ja die Kostüme geschaffen wurden, wirken so präsent, wie ich es selten in einer Ausstellung erlebt habe. Ein Nachteil der Ausstellung: sie geht am 27. Januar zu Ende. Für die, die dort waren, bleibt die Erinnerung, und für alle anderen gibt es den wunderbaren Katalog mit 450 Abbildungen und vielen Texten zu 100 Jahren Geschichte des Filmkostüm. Mehr zum Buch: Hollywood-Costume-Hardback/dp/1851777091

Audrey Hepburn

Audrey 2Vor zwanzig Jahren, im Januar 1993, starb Audrey Hepburn, eine der Traumfrauen der 1950er und 60er Jahre. Der Hamburger Edel-Verlag widmet ihr jetzt ein schönes Bilderbuch, herausgegeben von dem Fotosammler David Wills und dem Designer Stephen Schmidt. Von Wills stammt auch der Einleitungstext. Acht Einzelkapitel rufen ihre Filme der 60er Jahre in Erinnerung: BREAKFAST AT TIFFANY’S, THE CHILDERN’S HOUR, CHARADE, MY FAIR LADY, HOW TO STEAL A MILLION, TWO FOR THE ROAD und WAIT UNTIL DARK. Ein separates Kapitel handelt von Audrey und der Mode. Zu sehen sind mehr als 200 Fotos in hoher Qualität. 2006 habe ich einen kleinen Text über Audrey Hepburn für die Süddeutsche Zeitung geschrieben: 2006/02/audrey-hepburn/. Mehr zum neuen Buch: davis-wills-stephen-schmidt/audrey-die-60er/

Hybride Räume

2013.RäumeOliver Schmidt hat mit dieser Dissertation 2011 an der Universität Bremen promoviert. Im Kern geht es um die „Filmwelten im Hollywood-Kino der Jahrtausendwende“. Zum Korpus der analysierten Filme gehören rund 130 Titel aus den Jahren 1990 bis 2010. Und in der Tat wird deutlich, wie sich in diesen zwanzig Jahren der Umgang mit dem filmischen Raum verändert und erweitert hat. Sehr gründlich sind Schmidts theoretische Vorüber-legungen, die beim ‚Raum“ in der Filmgeschichte beginnen, den Raum in der Filmwissenschaft rekapitulieren, Elemente einer Ontologie filmischer Welten konstruieren und auch den aktiven Zuschauer nicht außer Acht lassen. Der Autor unterscheidet im Hauptteil zwischen „diegetischen Räumen“, „narrativen Räumen“, „audiovisuellen Bildräumen“ und entdeckt am Ende filmische Räume als „Genreräume“. Viel Zeit wird damit verbracht, die große Zahl der Filme ihren entsprechenden Räumen zuzuordnen. Je mehr Filme man kennt, umso leichter fällt es, dem wissenschaftlichen Puzzle seinen Reiz abzugewinnen. Besonders ausführlich sind die Analysen von GHOST, GROUNDHOG DAY, LOST HIGHWAY, WHAT DREAMS MAY COME, PLEASANTVILLE, MOULIN ROUGE, THE OTHERS, ADAPTATION, PANIC ROOM, 300, SIN CITY und INCEPTION, die mehrfach ins Spiel gebracht werden. Ein eigenes Kapitel ist Shakespeare-Verfilmungen gewidmet. Schmidt bewegt sich mit zunehmender Selbstsicherheit durch seinen Kosmos. Hilfreich für die Leser sind die zahlreichen Abbildungen, auch wenn die Screenshots manchmal sehr klein wirken. Es gibt mehrere Farbseiten. Mehr zum Buch: hybride-raeume.html

CLOUD ATLAS, das Shooting Script

2013.Cloud AtlasGemessen an den Produktionskosten sind die Einspielergebnisse für den Film von Tom Tykwer und den Wachowski-Geschwistern eher enttäuschend. In Deutschland haben immerhin mehr als eine Million Zuschauer den CLOUD ATLAS bisher gesehen. Mich persönlich hat der Film sehr beeindruckt. Michael Töteberg hat als Begleitbuch diesmal das Shooting Script gewählt, kombiniert mit 350 Fotos, die dem Film entnommen sind (Kamera: Frank Griebe, John Toll). Man kann beim Lesen und Schauen noch einmal die Kunst der Montage nachvollziehen und die Verwandlungen der Darsteller Tom Hanks, Halle Berry, Ben Wishaw, Hugo Weaving, Susan Sarandon und Hugh Grant in ihren wechselnden Rollen im Lauf der Jahrhunderte. Ein schönes und nützliches Buch. Mehr dazu: Cloud_Atlas.3034536.html

Hedy Lamarr

2013.HedyEigentlich steht alles, was man heute über den Star Hedy Lamarr (1914-2000) wissen muss, im Buch von Peter Körte, das vor zwölf Jahren bei Michael Farin im belleville-Verlag erschienen ist. Nun setzt der Journalist Jochen Förster im Zusammen-wirken mit Anthony Loder, Lamarrs Sohn, noch eins drauf. Sie erzählen das Leben der österreichischen Schauspielerin Hedwig Kiesler, die mit dem Film EKSTASE (1933) bekannt wurde, 1938 nach Hollywood kam und als Hedy Lamarr ein Star wurde, dialogisch und lassen natürlich auch die späten Jahre nicht aus, als ihre Karriere zu Ende war und sie nur noch durch Affären und zwei Ladendiebstähle in den Schlagzeilen blieb. Ihre Filme kommen in der neuen Publikation ein bisschen kurz. Und ihr Anteil an der Erfindung des „Frequenzsprungverfahrens“ bleibt für mich weiter dubios. Aber der Verlag Ankerherz hat viel Kreativität in die Ausstattung dieses Buches investiert. Das macht den speziellen Reiz der Publikation aus. Mehr über das Buch:  www.ankerherz.de/produkte/hedy-darling/

Hannah Arendt

Ab heute ist Margarethe von Trottas HANNAH-ARENDT-Film in den Kinos zu sehen. Das Buch zum Film, herausgegeben von Martin Wiebel, ist klug konzipiert und nähert sich seinem Thema aus zwei Richtungen, der historischen Realität und der filmischen Umsetzung. Dokumentiert sind Texte von Arendt (u.a. ein Gespräch mit Joachim Fest aus dem Jahr 1964), ihrem damaligen Assistenten Jerome Kohn, Mary McCarthy, Rainer Schimpf, Bettina Stangnetz und Ernst Vollrath zu den historischen Fakten und publizistischen Wirkungen. Dem stehen Äußerungen der Co-Autorin Pam Katz, der Produzentin Bettina Brokemper, der Arendt-Darstellerin Barbara Sukowa, des Heidegger-Darstellers Klaus Pohl, des Ausstatters Volker Schäfer und Tagebuch-Aufzeichnungen von Margarethe von Trotta gegenüber. Vom Herausgeber Wiebel stammt ein einleitender Essay zur Entwicklung des Arendt-Projekts. Vier Drehbuchszenen und 15 Farbfotos sind eingefügt. Ein Vorwort hat Franziska Augstein beigesteuert.

Zur digitalen Medienkultur

Eine neue Buchreihe: „Bild und Bit“, herausgegeben von Gundolf S. Freyermuth und Lisa Gotto mit Unterstützung der Internationalen Filmschule Köln. Der erste Band ist paradigmatisch konzipiert: fünf Kapitel, beginnend mit „Umbruch“, endend mit „Aufbruch“, dazwischen „Stehendes Bild: Statische Visualität“, „Bewegtes Bild: Dynamische Visualität, „Virtuelles Bild: Interaktive Visualität“. Zwölf Essays. Von Thomas Elsaesser stammt eine beeindruckende Analyse zum Stand der 3-D-Technik mit der These, dass es hier weniger um einen Effekt, sondern eher um eine Erweiterung unseres Wahrnehmungsspektrums geht. Jörn Glasenapp setzt sich mit alten und neuen Fototheorien auseinander. Lisa Gotto erkennt im Vergleich filmischer Schneebilder (SHINING, FARGO, THE DAY AFTER TOMORROW, INCEPTION) die ästhetischen und medialen Veränderungen zwischen 1980 und 2010. Angela Keppler beschäftigt sich mit der Bildlichkeit des Fernsehens, Stefan Münker mit dessen Veränderungen der Medialität. Lorenz Engell sieht in der Serie BREAKING BAD Ansätze zu einem „Neuen Fernsehen“. Freyermuth als Mitherausgeber formuliert am Ende zwölf Thesen und öffnet damit den Horizont für die Zukunft seiner Schriftenreihe. Jedem Text folgt eine Literaturliste. In der Summe liest man hier theoretische Visionen auf hohem Niveau. Mehr zum Buch: www.transcript-verlag.de/ts2182/ts2182.php

Crossdressing

Männer kostümieren sich als Frauen, Frauen verkleiden sich als Männer. Das Crossdressing liefert seit hundert Jahren ein großes Potential für Komödien. Viele davon waren zwar einfach nur albern, vor allem in den 1950er Jahren, aber das Thema ist motivgeschichtlich und ideologisch interessant. Zwei Autorinnen haben sich den Stoff geteilt: Silke Arnold-de Simine schreibt über das Crossdressing in deutschen Filmen der Kaiserzeit (Asta Nielsen, Ossi Oswalda), der Weimarer Republik (DER GEIGER VON FLORENZ mit Elisabeth Bergner, DER FÜRST VON PAPPENHEIM mit Curt Bois, DER HIMMEL AUF ERDEN mit Reinhold Schünzel, VIKTOR UND VIKTORIA mit Renate Müller), der Nazi-Zeit (DER PAGE VOM PALAST-HOTEL mit Dolly Haas, CAPRICCIO mit Lilian Harvey). Von Christine Mielke stammen zwei sehr klug argumentierende und umfängliche Kapitel über die verschiedenen Versionen von CHARLEYS TANTE und über Liselotte Pulvers Paraderollen des weiblichen Crossdressing, ergänzt von Texten über Peter Alexander, die Tanten-Inflation der 1960er Jahre, das Take-off der Neunziger (MÄNNER, DER BEWEGTE MANN) und die „Adepten der Tanten“ in den letzten Jahren, endend mit Detlev Bucks RUBBELDIEKATZ. Die Autorinnen gehen auch auf internationale Remakes der Filme ein und verknüpfen ihre Analysen mit gesellschaftlichen Befunden, die sie wissenschaftlich gut absichern. Der Anhang enthält eine umfangreiche Bibliografie und eine Titelliste der Filme. Die Abbildungen sind von mittlerer Qualität. Mehr zum Buch: http://wvttrier.de/top/Beschreibungen/ID1251.html