31. März 2019
Volker Schlöndorff 80
Heute wird Volker Schlöndorff achtzig Jahre alt. Ich gratuliere ihm herzlich und wünsche ihm das Beste für die kommenden Jahre. Arthaus hat als Geburts-tagsgeschenk eine Blu-ray-Cassette mit sechs seiner Filme veröffentlicht: DER JUNGE TÖRLESS (1966, erstmals auf Blu-ray), BAAL (1970), DIE VERLORENE EHRE DER KATHARINA BLUM (neu in 4K restauriert), DIE BLECH-TROMMEL (1979), TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN (1985, erstmals auf Blu-ray), HOMO FABER (1991). Damit bedanken sich Robert Musil, Bert Brecht, Heinrich Böll, Günter Grass, Arthur Miller und Max Frisch bei Volker für die Verfilmung wichtiger Werke. Zu den Extras gehören: Interviews mit Volker u.a. über den Director’s Cut der BLECHTROMMEL, filmhistorische Dokumente, Storyboards, Pressehefte, geschnittene Szenen, Originaltrailer und die Episode DIE VERSCHOEBENE ANTIGONE aus dem Gruppenfilm DEUTSCHLAND IM HERBST (1977). Hervorragend zusammengestellt. Ein schönes Geschenk für den nun 80jährigen. Mehr zur Blu-ray-Edition: volker_schloendorff-blu-ray
30. März 2019
1000 ARTEN, REGEN ZU BESCHREIBEN (2017)
Der gerade 18 Jahre alt gewor-dene Mike hat beschlossen, auf unbestimmte Zeit sein Zimmer nicht mehr zu verlassen. Alle Versuche seiner Eltern und seiner jüngeren Schwester Miriam, ihn umzustimmen, sind vergebens. Die einzige Kommu-nikation zur Familie sind kleine Zettel, auf denen er aktuelle globale Regenphänomene beschreibt. Knapp 90 Minuten sind wir Augen- und Ohren-zeugen eines Familiendramas. Der Vater (Bjarne Mädel) rastet immer wieder aus, brüllt, verbrennt im Garten die Kindheitserinnerungen seines Sohnes. Die Mutter (Bibiana Beglau) stellt Schnittchen vor die verschlossene Tür, nimmt Kontakt zu einem Schulfreund von Mike auf, verliert die Hoffnung nicht. Miriam (Emma Bading) hat selbst viele Probleme und fühlt sich alleingelassen. Und es gibt für Vater, Mutter und Miriam auch noch einen Alltag, den sie bewältigen müssen. Wir sind immer wieder bei ihnen. Der Erstlingsfilm von Isa Prahl – Drehbuch: Karin Kaci – hat fast experimentelle Züge, es erfordert viel Geduld, sich auf ihn einzulassen, aber die schauspielerischen Leistungen sind hervorragend, die Kamera (Andreas Köhler) ist nah am Geschehen, und Mike bekommen wir auch am Ende nicht zu sehen. Die letzten Bilder zeigen den sonnenbeschienenen Horizont hinter dem Regen. Hoffnung? Die DVD des Films ist bei good!movies erschienen. Mehr zur DVD: 20Arten&searchcnid=-1
29. März 2019
Filmische Moderne
Lorenz Engell ist Professor für Medienphilosophie an der Bauhaus-Universität Weimar. Im Januar feierte er seinen 60. Geburtstag. 60 Kolleginnen und Kollegen haben ihm aus diesem Anlass eine Festschrift gewid-met, die von Oliver Fahle, Lisa Gotto, Britta Neitzel, Lars Nowak, Hedwig Wagner, André Wendler und Daniela Wentz im Transcript Verlag herausgegeben wurde: „Filmische Moderne“. Zu lesen sind 60 Texte über Filme aus dem Zeitraum 1959 bis 2018. Sie sind kurz, pointiert, reflektiert. Sie müssten dem Geehrten gefallen haben. Ich nenne 24 Autorinnen und Autoren, deren Beiträge mir besonders gut gefallen haben: Oliver Fahle über THE BIG COUNTRY (1959) von William Wyler, Martin Schlesinger über L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD (1961) von Alain Resnais, Lars Nowak über THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE (1962) von John Ford, Volker Pantenburg über THE NUTTY PROFESSOR (1963) von Jerry Lewis, Hermann Kappelhoff über BLOW UP (1966) von Michelangelo Antonioni, Michael Chion über ROSEMARY’S BABY von Roman Polanski, Gertrud Koch über WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE (1971) von Rainer Werner Fassbinder, Michaela Krützen über die Serie EIN HERZ UND EINE SEELE (1973), Vinzenz Hediger über NETWORK (1976) von Sidney Lumet, Kay Kirchmann über MESSER IM KOPF (1978) von Reinhard Hauff, Jörg Brauns über BLADE RUNNER (1982) von Ridley Scott, Gerd Zimmermann über PARIS, TEXAS (1984) von Wim Wenders, Britta Neitzel über MILLER’S CROSSING (1990) von Ethan und Joel Coen, Bernd Herzogenrath über NAKED LUNCH (1991) von David Cronenberg, Claudia Tittel über PULP FICTION (1994) von Quentin Tarantino, Johannes Boettner über FARGO (1996), Jürgen Müller über THE BIG LEBOWSKI von Ethan und Joel Coen, Katarzyna Wloszczynska über IN THE MOOD FOR LOVE (2000) von Wong Kar-Wai, Katharina Niemeyer über GOOD BYE, LENIN! (2003) von Wolfgang Becker, Joseph Vogl über CACHÉ (2005) von Michael Haneke, Frank Kessler über THE BOURNE ULTIMATUM (2007) von Paul Greengrass, Uta Holl über WALTZ WITH BASHIR (2008) von Ari Folman, Lisa Gotto über INCEPTION (2010) von Christopher Nolan, Hartmut Winkler über die Serie GRACE AND FRANKIE. Eine tolle Idee für eine Festschrift! Mehr zum Buch: filmische-moderne/
28. März 2019
Short Cuts – 755 Filmempfehlungen
Robert Lorenz ist Politik-wissenschaftler und Film-enthusiast. Er betreibt die Seite www.filmkuratorium.de . 2017 hat er das interessante Buch „Heartlands“ über den US-amerikanischen Südwesten im Film publiziert. Sein neues Buch „Short Cuts“ macht mich etwas ratlos. Auf 460 Seiten sind 755 kurze Filmempfehlungen zu lesen. Es gibt keine alphabeti-sche oder chronologische Ordnung. Ein Register der Originaltitel erschließt den Band. Der Prolog des Autors gibt die Richtung vor: „Die Auswahl der Filme, die in diesem Buch in prägnanten Miniaturen präsentiert werden, ist völlig subjektiv und folgt keinerlei Struktur. Doch soll gerade diese erratische Kumulation eine inspirierende Reise durch Dekaden, Genres und Stile ermöglichen.“ Die Vorliebe des Autors gilt dem amerikanischen Film. Ich schätze mal, 700 Produktionen stammen aus den USA. Aus Deutschland habe ich drei Filme entdeckt: METROPOLIS von Fritz Lang, DAS BOOT von Wolfgang Petersen und DIE KATZE von Dominik Graf. Enttäuschend: kein Film von Chaplin, Keaton oder Lubitsch, kein japanischer, kein chinesischer. Vieles dagegen von Altman, Cassavetes, De Palma, Huston, Kazan, Lumet, Pakula, Pollack, Scorsese, Wilder, Zinnemann, wie zu erwarten. Ja, die Texte sind „prägnant“. Vielleicht sollte man nicht danach suchen, was fehlt, sondern nur lesen, was man vorfindet. Zufallsentdeckungen. Dieser Umgang mit einem Buch fällt mir eher schwer. Aber ich werde mich bemühen. Mehr zum Buch: 1552424161&sr=1-16
27. März 2019
Monty Python
In der aktuellen Brexit-Krise würde man gern wissen, wie die Comedy-Gruppe Monty Python darauf reagiert hätte. Aber sie existiert leider nicht mehr. Fünf frühere Mitglieder sind noch am Leben, sie standen vor fünf Jahren zum letzten Mal gemeinsam auf der Bühne. Monty Python, das waren: Graham Chapman (1941-1989), John Cleese (* 1939), Terry Gilliam (*1940), Eric Idle (*1943), Terry Jones (* 1942) und Michael Palin (*1943). In der Reclam-Reihe „100 Seiten“ hat der Wiener Autor Andreas Pittler ein lesenswertes Buch über die Gruppe publiziert. Ein langes Kapitel ist der BBC-Serie MONTY PYTHON’S FLYING CIRCUS (1969-74) gewidmet. Dann geht es um ihre gemeinsamen Filme: MONTY PYTHON AND THE HOLY GRAIL (1975), LIFE OF BRIAN (1979) und THE MEANING OF LIFE (1983). Ein eigenes Kapitel informiert über die Arbeit von Terry Gilliam. Und am Ende wird auf Epigonen verwiesen: Pythons Wirkung auf die britische und deutsche Comedy. Der Autor schreibt kenntnisreich, es gibt Abbildungen und informelle Einschübe. Mehr zum Buch: Monty_Python__100_Seiten
26. März 2019
Franz Grothe
Er war einer der großen deut-schen Filmkomponisten, seine erste Filmmusik schuf er für die Komödie DIE NACHT GEHÖRT UNS (1929) von Carl Froehlich. Ein Versuch, in Hollywood Karriere zu machen, scheiterte 1936. Er kehrte nach Deutsch-land zurück und arrangierte sich mit dem NS-Regime. Aber er konnte nach 1945 seine Arbeit fortsetzen, zuerst im Kinofilm, ab 1965 im Fernsehen. Er hat die Musik zu rund 170 Spielfilmen geschrieben, zu seinen erfolgreichsten Arbeiten gehörten FANFAREN DER LIEBE, DIE TRAPPFAMILIE und DAS WIRTSHAUS IM SPESSART. In der Reihe „Komponisten in Bayern“ ist jetzt ein Buch über ihn erschienen, herausgegeben von Theresa Henkel und Franzpeter Messmer. Acht Texte würdigen sein Leben und seine Arbeit. Ein Basistext stammt von Lutz Fahrenkrog und Melanie Kuhn: „Auf den Flügeln bunter Träume“. Alexander Hess porträtiert Grothes erste Frau, Kirsten Heiberg. Jürgen Brandhorst informiert über die Franz Grothe-Stiftung. Alexander Schatte unternimmt einen Streifzug durch das Archiv der Franz Grothe-Stiftung. Michael Braun setzt sich mit dem Filmkomponisten in der Zeit des Nationalsozialismus auseinander. Roland Mörchen würdigt Grothes Filmschaffen nach 1945. Kay Westermann fokussiert seinen Text auf die Musik zum WIRTSHAUS IM SPESSART. Mechthild von Schoenebeck analysiert sehr differenziert die Stilmerkmale der Erfolgsschlager von Franz Grothe. Eine beeindruckende Publikation. Mit einem Bildteil, einem Literatur-verzeichnis und einem Personenregister. Mehr zum Buch: franz-grothe/
24. März 2019
DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE (1932)
In seiner Kommentierten Filmografie des Fritz Lang-Buchs der Reihe Film (1987) schrieb Enno Patalas: „Stimmen ertönen hinter Vorhängen und dringen aus Attrappen, tech-nisch reproduziert, aber so, daß man den Sprechenden für gegenwärtig hält. Mögliche Widerrede ist auf der Platte schon eingeplant. Oder es will einer reden, aber wenn der, dem er etwas zu sagen hat, ihm gegenübersteht, erkennt er ihn nicht und verschließt sich. Gestörte Kommunikation, vorgetäuschte, verhinderte, zur Übermittlung von Befehlen pervertierte, ist für die ganze Geschichte im TESTAMENT bestimmend. Stimme und Körper treten auseinander. Stimme nicht länger als natürliches Organ eines mit Verstand begabten Einzelnen, sondern abgetrennt vom Körper, entfremdet, verselbständigt, über-tragen, Prothese oder Fremdkörper. Mabuse ist stumm in diesem ersten Mabuse-Tonfilm“ (S. 102/103). So lässt sich dieser rätselhafte Film sprachlich auf den Punkt bringen. Über die Produktionshintergründe kann man sich gut in der Lang-Biografie von Norbert Grob informieren (S.181ff.). Bei atlas film sind jetzt DVD und Blu-ray des Films erschienen, mit einem sehr informativen Booklet (faksimilierter Illustrierter Film-Kurier, Texte von Martin Koerber über die Restaurierung und Digitalisierung des Films und seine Geschichte, zeitgenössische Drehberichte u.v.a.). Zu den Extras gehört ein Poster mit großformatigem Original-Kinoplakatmotiv von 1933, maßstabsgerecht verkleinert. Ideen und Sorgfalt der Reihe „Nero-Film-Klassiker“ sind beeindruckend. Mehr zur DVD: http://atlas-film.de/mabuse.html
23. März 2019
NICO, 1988 (2017)
Ihr wirklicher Name war Christa Päffgen, sie stammte aus Köln, nannte sich seit den späten 50er Jahren Nico, war zuerst Supermodel, ging dann nach New York, lernte Andy Warhol kennen, wurde Sängerin der Gruppe „The Velvet Underground“, war mit Alain Delon liiert (der gemeinsame Sohn heißt Ari), wurde drogensüchtig, gab Konzerte in vielen europäischen Städten und starb im Alter von 49 Jahren nach einem Fahrradunfall 1988 auf Ibiza. 1995 hat Susanne Ofteringer Nico in dem Dokumentarfilm NICO ICON porträtiert. Der Spielfilm der italienischen Regisseurin Susanna Nicchiarelli erzählt Episoden aus Nicos letzten Lebensjahren, Schauplätze sind Paris, Prag, Nürnberg, Manchester und die italienischen Küste. Die dänische Schauspielerin und Sängerin Trine Dyrholm ist in der Titelrolle herausragend, sie singt auch selbst. Toller Soundtrack, sehr bewegliche Kamera, ein spannendes Roadmovie, das jetzt bei good!movies als DVD erschienen ist. In englischer Sprache mit deutschen Untertiteln. Mehr zur DVD: Nico&searchcnid=-1
22. März 2019
BRECHT
Heute Abend wird auf arte der zweiteilige Film BRECHT von Heinrich Breloer ausgestrahlt, der bei der Berlinale seine Premiere hatte. Als Doku-Fiction konzipiert, erzählt der Film in zweimal 90 Minuten Phasen aus dem frühen und späten Leben des berühmten Autors. Die Exilzeit ist bis auf einige kurze Rückblenden ausgespart. Parallel hat Breloer jetzt im Verlag Kiepenheuer & Witsch das Buch „Brecht“ als „Roman seines Lebens“ publiziert. Auch hier mischen sich Fiction und Dokumente. Nahe im Film sind die beiden Romanteile „Die Liebe dauert oder dauert nicht“ und „Das Einfache, das schwer zu machen ist“, sie haben beide einen Umfang von 220 Seiten. Eingeschoben auf 40 Seiten sind „Szenen aus dem Exil“. Eingeleitet wird das Buch mit einem sehr persönlichen Text Breloers: „Unterwegs zu Bertolt Brecht“: hier erzählt der Autor (*1942), welche Rolle Brecht in seinem Leben spielte. Ende der 70er Jahre hat er bereits Gespräche mit Zeitzeugen für eine Fernsehdokumentation geführt, die zum Teil jetzt verwendet werden konnten. Es sind vor allem Frauen, die dokumentarisch oder gespielt zu sehen und zu hören sind: Paula Banholzer (Brechts erste Liebe), Helene Weigel (erste Begegnung 1923), Marianne Zoff, Ruth Berlau, Elisabeth Hauptmann, Marta Feuchtwanger, Regine Lutz, Käthe Reichel, aber natürlich auch sein lebenslanger Freund Caspar Neher, sein Bruder Walter Brecht, der Sänger Ernst Busch, der Komponist Kurt Weill und viele andere. Auch die zahlreichen Abbildungen im Buch wechseln zwischen Dokument und Spiel. Tom Schilling als junger und Burkhart Klaußner als alter Brecht sind sehr präsent (auch auf dem Cover). Beeindruckend: 15 doppelseitige Abbildungen von Werkfotos mit Breloer als Regisseur und Gernot Roll hinter der Kamera. Eine schöne Begleitpublikation. Mehr zum Buch: roman-seines-lebens.html
21. März 2019
Karl Fruchtmann
Als „Jude, Schriftsteller und Regisseur“ hat sich Karl Fruchtmann einmal bezeichnet. 1915 in Thüringen geboren, verlässt er Deutschland 1934, macht in der Schweiz sein Abitur, kehrt 1937 nach Deutschland zurück, wird inhaftiert, in ein Konzentra-tionslager eingewiesen, das er aber nach mehreren Monaten verlassen darf, um nach Palästina auszuwandern. Später wohnt und arbeitet er in London. 1958 verlegt er seinen Wohnsitz wieder nach Deutschland, wird beim WDR ausgebildet und dreht ab 1963 21 Filme für Radio Bremen. 2003 stirbt er im Alter von 87 Jahren. Ihm ist Band 3 der Reihe „Fernsehen, Geschichte, Ästhetik“ gewidmet, den Torsten Musial und Nicky Rittmeyer bei edition text + kritik herausgegeben haben. Vier hervorragende Texte stehen im Zentrum: Michael Töteberg hat umfassend im Nachlass von Karl Fruchtmann recherchiert („Man muss sich konfrontieren“, 40 Seiten). Torsten Musial informiert über die Anfänge des Fernsehspiels bei Radio Bremen („Ein besonders guter Sender mit eigenem Charakter“, 26 Seiten). Karl Prümm analysiert das bildmächtige und experimentelle Werk von Karl Fruchtmann („Nah bei den Opfern, solidarisch mit den Überlebenden“, 50 Seiten). Nicky Rittmeyer informiert über sein Leben („Chronik“, 38 Seiten). In ausgewählten Zitaten und zwei unveröffentlichten Texten aus dem Nachlass kommt Fruchtmann selbst zu Wort. Eine vorbildliche Publikation mit Abbildungen in guter Qualität. Beigefügt ist eine DVD des Films KADDISCH NACH EINEM LEBENDEN (1969). Coverabbildung: Werkfoto von 1980. Mehr zum Buch: XIghIekqtW8

