Lola-Filme

2013.Lola Film„Lola-Filme“ sind für Simon Richter, Professor an der University of Pensylvania, ein Subgenre des Frauenfilms und des Melodrams. Sie haben zwei Namens-Ursprünge: die historische Figur Lola Montez (1821-1861), Geliebte des Königs Ludwig I. von Bayern, und vor allem die Figur der feschen Lola in Josef von Sternbergs Film DER BLAUE ENGEL (1931) mit Marlene Dietrich. 49 Titel nennt die Filmografie am Ende des Buches „Women, Pleasure, Film“ als Beispiele für Lola-Filme. Die bekanntesten sind, neben dem BLAUEN ENGEL, LOLA MONTEZ (1955) von Max Ophüls, LOLA (1961) von Jacques Demy, LOLITA (1962) von Stanley Kubrick, LOLA (1981) von Rainer Werner Fassbinder und LOLA RENNT (1998) von Tom Tykwer. In 16 Kapiteln entfaltet Richter ein differenziertes Lola-Spektrum, ich nenne acht: „“Lola Doesn’t Kill and Lola Doesn’t Die“, „Lola’s Legs“, „Lola’s Bedroom and the Staircase to Paradise“, „Lola and Motherhood“, „Lola, Race, and Ethnicity“, „Lola’s Menagerie“, „The Colors of Lola“, „It’s Lola’s Time“. Es ist erstaunlich, wieviel Material für Interpretation und Analyse die Filme hergeben. Mit zehn Abbildungen ist das Buch sparsam illustriert. Auf den vier Titelfotos sehen wir Lola Montez (oben) auf einem Foto der George Grantham Bain Collection, Ashleigh Sumner (rechts) in dem Film AND THEN CAME LOLA (2009) von Ellen Seidler und Megan Siler, Lothar Lambert (Mitte) als Lola in seinem Film IN HASSLIEBE LOLA (1995) und Marlene Dietrich (unten) in DER BLAUE ENGEL (1930) von Josef von Sternberg. Mehr zum Buch: 10.1057/9781137309730

Filme.Macherinnen

2013.FilmeMacherinnenCoverDie Münchner Hochschule für Fernsehen und Film hat sich in den letzten Jahr-zehnten sehr gezielt für die Situation ihrer Studentin-nen und Absolventinnen (sie heißen neuerdings „Alumnae“) interessiert. Sie hat Umfragen organisiert und Symposien veranstaltet. Jetzt ist ein Buch erschienen, das die Erfolgsgeschichte der HFF aus der Sicht der Frauen darstellt. Im Mittelpunkt (300 Seiten) stehen 41 Gespräche, die Henrietta Kaiser mit Absolventinnen geführt hat. Darunter sind einige sehr prominente Frauen (Doris Dörrie, Amelie Fried, Katja von Garnier, Nina Grosse, Jeanette Hain, Sherry Hormann, Caroline Link, Vivian Naefe, Maris Pfeiffer, Uschi Reich), für die das HFF-Studium zum Beginn einer Karriere wurde. Die Gespräche sind sehr informativ und gehen auch individuell auf die Situationen der Befragten ein. Claudia Schröter hat in einer Online-Befragung unter 364 HFF-Absolventinnen erkundet „Wie geht es den Frauen der HFF heute?“ (40 Seiten). Hier sind vor allem die statistischen Ergebnisse interessant. Die Dritte um Bunde der Herausgeberinnen, Monika Lerch-Stumpf, ist der HFF seit über 30 Jahre als Lehr- und Forschungskraft verbunden. Ihre „Geschichte der HFF“ (70 Seiten) rundet mit großer Sachkenntnis die Darstellung der Institution ab. Mehr zum Buch: default_film

Handbuch Nachkriegskultur

2013.NachkriegskulturNur ein Fünftel des Buches ist dem Film gewidmet, aber er wird hier als Teil der Nachkriegskultur ernstgenommen und in einen größeren Zusammenhang gestellt. Das macht die Publikation so interessant. Das Herausgeberpaar Elena Agazzi (Bergamo) und Erhard Schütz( Berlin) hat zwölf Themenkomplexe gebildet, denen es wichtige Werke der Literatur (Romane, Erzählungen, Theaterstücke, vor allem auch Sachbücher) und des Films aus den Jahren 1945 bis 1962 zuordnet: Krieg und Zivilisationsbruch, Gefangenschaft und Heimkehr, Flucht und Vertreibung, die Schuldfrage, Seelenheil und Religion, technische Zeit, die atomare Situation, Kritik der Medienkultur, Kulturimport, Nonkonformismus und Experiment, Wünsche des Alltags, neue Jugend. Insgesamt 116 Bücher, Stücke, Filme werden von 52 Autorinnen und Autoren in Einzeltexten kommentiert. In diesen Texten, es handelt sich dabei um jeweils zwei bis fünf Druckseiten, geht es einerseits um die zeitgenössische Bedeutung der Bücher und Filme, andererseits aber auch um ihre Relevanz aus heutiger Sicht. Nicht alle Texte können ihren Anspruch einlösen, aber es entsteht ein erstaunlich komplexes Bild der Zeit. Erhard Schütz hat eine sehr umfängliche und kluge Einführung geschrieben, und jedem Thema ist eine kurze Einführung vorangestellt. Mit fast 130 € Ladenpreis ist das Buch eine mittlere Investition. Mehr zum Buch: 9783110221398.pdf

Figurenspiele

2013.FigurenspieleSchon das Blättern in diesem Buch ist ein Vergnügen: die fünf Kapitel und die 22 Texte sind durch einfarbige Seiten verbunden, die den Farbton des Titelkostüms aus dem Film FUNNY FACE aufnehmen. Das Papier ist gut, die Fotos sind excellent gedruckt, das Layout hat einen subtilen Reiz. Katharina Sykora, Professorin für Kunstgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, hat sich immer wieder mit Figuren des Erzählkinos beschäftigt, die in Typologie, Interaktion und Habitus ein besonderes Potential haben und durch Inszenierung, Kamera und Licht spezielle Wirkungen erzielen. Die hier versammelten Texte sind zwischen 1989 und 2012 in zum Teil sehr entlegenen Publikationen erschienen, und es war eine wunderbare Idee, sie zu einer Anthologie zu vereinen. Die fünf Kapitel heißen: Diven, Majestäten, Männlichkeiten, Großstadtfiguren, Fotojäger. Alle Texte sind lesenswert, fünf finde ich ganz besonders schön: über Kim Novak („Blond in Schwarzweiß und Technicolor“), über die beiden Katharina-Filme aus dem Jahr 1934, THE SCARLET EMPRESS mit Marlene Dietrich und CATHERINE THE GREAT mit Elisabeth Bergner („Nero im Reifrock oder Venus im Pelz“), über Jean Cocteaus ORPHÉE (1949) mit Jean Marais („Kino-Poet im Zweilicht“), über Werner Hochbaums VORSTADTVARIETÉ (1935) mit Luise Ullrich und über das Fotografieren in Edward Yangs YI YI, A ONE AND A TWO (2000). Eigentlich ist dies ein „Buch des Monats“. Deshalb kombiniere ich diesen Hinweis mit der Vorstellung meines Oktober-Buchs. Mehr zum Buch: figurenspiele.html

Gerd Kroske

2013.Gerd KroskeGerd Kroske (*1958) ist unter den deutschen Dokumentaristen ein besonderer Spurensucher und Entdecker. Er hat nach dem Studium an der HFF ‚Konrad Wolf’ in Babelsberg vier Jahre als Autor, Dramaturg und Regisseur im DEFA-Dokumentarfilmstudio gearbeitet und ist seit 1991 freier Autor und Regisseur . Seine Filmografie umfasst 16 Titel, in der DVD-Box, die jüngst bei Absolut Medien erschienen ist, sind 13 Filme enthalten. Relativ bekannt wurde sein Porträt DER BOXPRINZ (1999/2000) über den Selbstruin des Boxers Norbert Grupe. Sehr berührend ist die Leipzig-Trilogie KEHRAUS (1990), KEHREIN, KEHRAUS (1997) und KEHRAUS, WIEDER (2006), eine Langzeitbeobachtung von drei Protagonisten, die bei der Straßenreinigung beginnt und auf dem Armenfriedhof endet. Kroske interessiert sich besonders für den Rand der Gesellschaft, seine Filme handeln oft von Verlierern und fragen nach den Verantwortlichen. VOKZAL – BAHNHOF BREST (1993/93) ist ein Schwarzweiß-Film über die Grenzstation zwischen Weißrussland und Polen und ihre Geschichte. In GALERA (1998) beobachtet Kroske Jugendliche in St. Petersburg, Mantes-la-Jolie (Frankreich), Rio de Janeiro und Berlin. DIE STUNDENEICHE (2006) setzt einem Baum am Berliner Autobahnring ein Denkmal, der 2004 gefällt wurde und als Skulptur der Bildhauerin Franziska Uhl überlebt. SCHRANKEN (2009) erzählt von erfolgreichen und von tragisch endenden Fluchtversuchen an der DDR-Grenze der 80er Jahre. HEINO JAEGER – LOOK BEFORE YOU KUCK (2012) ist der Nachruf auf den Maler und Kabarettisten, der dem Alkohol verfiel: ein Spagat zwischen Komik und Verzweiflung. Für das Booklet hat Christa Blümlinger einen sehr lesenswerten Text verfasst. Mehr zur Box: edition&list_item=53

Spuren eines dritten Kinos

UMS2061_2.inddWenn das „Erste Kino“ in Nord-amerika lokalisiert ist und das „Zweite“ in Europa, dann verteilt sich das Dritte auf den Rest der Welt. Es gab ein historisches Drittes Kino in den 1960er und 70er Jahren, und es gibt ein World Cinema der Gegenwart. Von ihm handelt – in aus-schnitthafter Konkretisierung – das vorliegende Buch. Es schließt an eine Filmreihe an, die im Sommer 2010 im Berliner Zeughaus-kino stattfand und von der Herausgebergruppe Foerster/Perneczky/ Tietke/Valenti, die sich „The Canine Condition“ nennt, kuratiert wurde. Finanziert hat die Publikation der FU-Sonderforschungsbereich „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“. Zu Beginn geht es um die Präsentation und Archivierung des Dritten Kinos, speziell um die Rolle des Berliner Arsenals. Dann richtet sich der Fokus auf vier Länder: China, Nigeria, die Philippinen und Brasilien. Zu jedem Land gibt es drei informative Texte. Neben den vier Editoren sind zehn Autorinnen und Autoren an dem Buch beteiligt, das sich mit Ästhetik, Politik und Ökonomie beschäftigt. Die Umschlagabbildung stammt aus dem Film DERNIER MAQUIS von Rabah Ameur-Zaimeche. Weitere Aktivitäten zum Thema (Filmreihen, Publikationen) sind angekündigt. Mehr zum Buch: www.transcript-verlag.de/ts2061/ts2061.php

DIE ANDERE HEIMAT

2013.Andere HeimatMorgen kommt ein großer Film in die deutschen Kinos, der vierte HEIMAT-Film von Edgar Reitz, DIE ANDERE HEIMAT, mit dem Untertitel Chronik einer Sehnsucht. Die Kraft dieses Autors und Regisseurs ist bewundernswert, er wird demnächst 81 Jahre alt, gehörte vor mehr als fünfzig Jahren zu den Unterzeichnern des Oberhausener Manifests und hat in den letzten zwei Jahren einen Vier-Stunden-Film realisiert, der viele Merkmale eines Alters- und Meisterwerks hat. Ich wünsche ihm viele Zuschauer, die mit Neugier und Geduld ins Kino gehen und sich auf diesen Schwarz-weiß-Film einlassen. Zeitgleich ist jetzt im Schüren-Verlag das Filmbuch zur ANDEREN HEIMAT erschienen. Edgar Reitz nennt es „Mein persönliches Filmbuch“ – und in der Tat ist es, zweigeteilt, ein eigenes Werk. Der erste Teil erzählt den Film in seiner fertigen Form, aber in einer durchaus originären Sprache, er enthält keine Filmfotos, er vertraut auf einen Leser, der den Film vielleicht schon gesehen hat und bei der Lektüre neue Aspekte und Subtexte entdeckt. Der zweite Teil handelt von der Filmentstehung, der Stoffentwicklung, der Arbeit mit den Schauspielern (zitiert werden hier Gespräche mit Thomas Koebner), der Kameraführung, dem Schnitt, der Produktion. Das liest sich spannend und macht noch einmal deutlich, wieviel Kreativität in die ANDERE HEIMAT investiert wurde. Mehr zum Buch: die-andere-heimat.html

Otto Preminger

2013.PremingerIn meinem DVD-Regal stehen bereits zwölf Filme des großen Regisseurs Otto Preminger (1905-1986), da ist es ein Glücksfall, dass kürzlich bei cine qua non eine Box mit drei Filmen erschienen ist, die mir bisher fehlen: THE MOON IS BLUE (1953), eine komödian-tische Dreiecksgeschichte mit William Holden, Maggie McNamara und David Niven, SAINT JOAN (1957), ein Historiendrama mit Jean Seberg, Richard Widmark und Richard Todd, und ADVISE AND CONSENT (1962), ein Politthriller mit Henry Fonda, Charles Laughton und Don Murray. Preminger, österreichischer Emigrant, dem 1999 die Retrospektive der Berlinale gewidmet war, hat in vielen Genres gearbeitet und ist vor allem als Schauspieler-Regisseur in die Geschichte eingegangen. Das bestätigen alle drei Filme und auch die wunderbare 2-Stunden-Dokumentation PREMINGER – ANATOMY OF A FILMMAKER (1991) von Valerie A. Robins, die zum Bonus-Material der DVD-Box gehört. Sie enthält Interviews u.a. mit Peter Bogdanovich, Michael Caine, Deborah Kerr, Burgess Meredith, Don Murray, Frank Sinatra und James Stewart. Im beigefügten Booklet steht ein schöner Text über den legendären Titeldesigner Saul Bass. Mehr zur DVD-Box: otto-preminger-meisterwerke

Dario Argento

Bild 1Er hat seit 1970 zwanzig Filme fürs Kino inszeniert und drei fürs Fernsehen. Viele seiner Filme waren bei uns nie im Kino zu sehen, aber er hat inzwischen auch in Deutschland eine große Fangemeinde. Der Italiener Dario Argento (*1940) ist Spezialist für Giallo-Thriller und Gothic-Horror, und dieses Buch öffnet den Blick in eine Albtraum-Welt. 33 Autorinnen und Autoren haben mitgearbeitet, mit spürbarer Leidenschaft und großer Sachkenntnis. Von den zwölf Texten im ersten Teil des Buches haben mir acht besonders gut gefallen: Marcus Stigleggers „erste Annäherung“ an Argentos Œuvre, Joanna Barcks kluger Essay über die Beziehungen des Regisseurs zur Bildkunst, Johannes Binottos Überlegungen zu den „unheimlichen Räumen“ von DA, Ivo Ritzers Beobachtungen zu Genre und Gender, Dominik Grafs lebhafte Erinnerungen an die Musik der frühen Filme von DA, Sebastian Seligs Reise zu den Drehorten von SUSPIRIA (1977), Heiko Nemitz’ Unterscheidungen zwischen DA und Brian DePalma und Michael Flintrops Faktensammlung zu DAs Schwierigkeiten mit der Justiz. Der zweite Teil ist eine kommentierte Filmographie mit einem in der Regel vierseitigen Text zu jedem Titel. Im Anhang: Cast und Credits, Bibliografie und Index. Viele, technisch hervorragende Abbildungen. Auf dem Titel: OPERA (oben) und SUSPIRIA (unten). Band 16 der Reihe „Deep Focus“ von Bertz + Fischer. Mehr zum Buch: products_id=405

Christoph Waltz

2013.Christoph WaltzNach seinem zweiten Oscar als Darsteller in einem Film von Quentin Tarantino war er endgültig ein Weltstar. Das macht die Fans neugierig auf eine Biografie. Und das Leben von Christoph Waltz (* 1956) liefert ausreichend Stoff dafür. Gernot Wolfson hat gut recherchiert und konzentriert sich weitgehend auf die Fakten, auf die Familien-geschichte, die Ausbildung am Wiener Max Reinhardt-Seminar und bei Stella Adler in New York, die vielen Haupt- und Nebenrollen im Film und Fernsehen der 1980er, 90er und frühen 2000er Jahre, bis zur Entdeckung durch Tarantino im Sommer 2008. Den ersten Teil seiner Biografie (50 Seiten) nennt Wolfson „Sisyphos“, den zweiten Teil (60 Seiten) „Glorios“. Der handelt dann vor allem von INGLOURIOS BASTERDS und DJANGO UNCHAINED, von Preisverleihungen, Projekten und Publicity. Die „exklusive Biografie“, mit vielen Abbildungen, ist eine gut gemeinte Hommage. Mehr zum Buch: 3131-christoph-waltz/