21. Mai 2017
THE PROWLER (1950)
Ein früher Film von Joseph Losey, gedreht 1950 in einem Studio in Hollywood und in der kalifornischen Wüste. Die Story stammt von den Deutschen Robert Thoeren und Hans Wilhelm, das Drehbuch von Dulton Trumbo (uncredited) und Hugo Butler. Erzählt wird die Geschichte des Streifen-polizisten Webb Garwood (beeindruckend gespielt von Van Heflin), der von der Ehefrau eines Discjockeys zu Hilfe gerufen wird, weil sie sich von einem Landstreicher verfolgt fühlt. Da die Frau attraktiv und wohlhabend ist, kümmert sich Garwood auch in der Folgezeit um sie, bringt ihren Mann um, was wie ein tragischer Dienstunfall aussieht, und heiratet die Witwe. Sie könnten eine schöne gemeinsame Zukunft haben, wenn sein Verbrechen keine Folgen hätte. Eine Schwangerschaft führt zu Vergangenheitsfragen, die aufgeklärt werden müssen. Ein in der Form fast klassischer Film Noir, hinter der Kamera stand Arthur C. Miller, der sich nach diesem Film zur Ruhe setzte, produziert wurde THE PROWLER von Sam Spiegel. In Deutschland wurde der Film 1957 unter dem Titel DEM SATAN SINGT MEINE KEINE LIEDER gezeigt. Jetzt ist bei SchröderMedia in der Reihe „Endless Classics“ die DVD erschienen, leider nur in der deutschen Sprachversion, aber sehenswert, weil der Täter (Garwood) die Identifikationsfigur für die Zuschauer ist. Mehr zur DVD: show=3100
19. Mai 2017
Filmplakate im Wirtschaftswunder
Karl-Heinz Fehrecke (1913-1994) war ein Grafiker, der in den 1950er und 60er Jahren viele Filmplakate entworfen hat. Im Steidl Verlag ist gerade ein Buch erschienen, das diese Plakate noch einmal in Erinnerung ruft. Auftraggeber war vor allem der NF-Filmverleih und später der Nora-Verleih. Franzö-sische und deutsche Filme stehen im Mittelpunkt der Publikation. Im Blickpunkt stehen in der Regel die Hauptdarsteller*innen, in Frankreich waren das zum Beispiel Barbara Laage, Fernandel, Françoise Arnoul, Jean Marais, Dany Robin, Raymond Pellegrin. Die populären deutschen Filme, die Fehrecke beworben hat, hießen HELDENTUM NACH LADENSCHLUSS (1955), MUSIK, MUSIK UND NUR MUSIK (1955, auch Cover-Abbildung), DIE MÄDELS VOM IMMENHOF (1955), LIANE, DAS MÄDCHEN AUS DEM URWALD, HOCHZEIT AUF IMMENHOF, GELIEBTE CORINNA (alle 1956), FERIEN AUF IMMENHOF, DER TOLLE BOMBERG, LIANE, DIE WEISSE SKLAVIN (alle 1957), ICH WERDE DICH AUF HÄNDEN TRAGEN (1958), ROMMEL RUFT KAIRO (1959), BOMBEN AUF MONTE CARLO (1960), DAS MÄDCHEN UND DER STAATSANWALT (1961). Plakate zu anderen Themen ergänzen den Abbildungsbereich. Mit einem Vorwort der Töchter Beate Fehrecke und Dagmar Rode, einem Text des Neffen Nicolaus Ott und einem Essay von René Grohnert. Abbildungen in sehr guter Qualität. Mehr zum Buch: 0212255659.html
18. Mai 2017
Bernd Eichinger
Er begann 1971 sein Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, gehörte zum „C-Kurs“ und hat nach eigenem Bekunden dort viel gelernt. Ihm ist das neue Heft der „Film-Konzepte“ gewidmet, das Judith Früh herausgegeben hat. Acht Beiträge haben mir besonders gut gefallen: das bisher nur partiell veröffent-lichte Gespräch von Judith Früh mit Bernd Eichinger über seine Zeit an der HFF: „Da merkt man, wie Film funktioniert“, Judith Frühs Text über Eichingers Studentenfilme und ihren Kontext („Pop, Protest und Politik“), Christine Heinleins Überlegungen zu Bernd Eichingers Drehbucharbeit („Schreiben, Leben, Kino“), Gundolf S. Freyermuths Essay über Eichingers Produktionspraxis medialer Adaption am Beispiel von DER NAME DER ROSE („Anpassungen eines Unangepassten“), Dominik Grafs Erinnerungen an Wolfgang Bülds Heimatfilm MANTA, MANTA („Im Land der 100 Talsperren“), Benjamin Pfahls Anmerkungen zu DAS MÄDCHEN ROSEMARIE („Remake eines Wirtschaftswunders“), Tobias Ebbrecht-Hartmanns Gedanken zum BAADER-MEINHOF-KOMPLEX als mediale Erinnerung der RAF („Im Malstrom der Bilder“) und Judith Frühs Gespräch mit Katja Eichinger über die Arbeit ihres Mannes („Im Kino ist jeder willkommen“). Eine interessante Publikation über den Produzenten und Regisseur Bernd Eichinger (1948-2011). Coverfoto: DER BAADER-MEINHOF-KOMPLEX. Mehr zum Heft: WQiFSCiJbV4
16. Mai 2017
Bud Spencer
Eigentlich hieß er Carlo Pedersoli, wurde 1929 in Neapel geboren, be-suchte das Gymnasium in Rom, lebte mit seinen Eltern vier Jahre in Lateinamerika, studierte dann Jura in Italien, wurde italienischer Meister im 100 Meter-Freistil-Schwimmen, ging noch einmal für drei Jahre nach Latein-amerika, kehrte nach Italien zurück, heiratete und gründete eine Pro-duktionsfirma für Tierdokumentationen. 1967 wurde aus Carlo Pedersoli der Schau-spieler Bud Spencer, der mit dem Film GOTT VERGIBT… DJANGO NIE! zum Star avancierte. Kai Glinka, Journalist beim Burda-Verlag und seit seiner Kindheit ein Fan von Bud Spencer, erzählt in dem 100-Seiten-Buch von Reclam Spencers Lebensgeschichte: gut recherchiert, unterhaltsam zu lesen, seriös in der Charakterisierung der Filme. Auch Terence Hill spielt in dem Buch eine wichtige Rolle. Die Geschichte endet mit Bud Spencers Tod am 27. Juni 2016. Mehr zum Buch: Spencer__100_Seiten
15. Mai 2017
Filme zwischen Spur und Ereignis
Es geht in diesem Buch um „Erinnerung, Ge-schichte und ihre Sichtbarmachung im Found-Footage-Film“. so der Untertitel der Publikation von Seraina Winzeler, die in Zürich die Deutschschweizer Niederlassung der Cinémathèque Suisse leitet und sich mit der Geschichte von Film-archiven beschäftigt. Nach einer histori-schen Verortung von Found-Footage analysiert die Autorin drei Filme: AUFSCHUB (2007) von Harun Farocki, PASSAGEN (1996) von Lisl Ponger und THE FILM OF HER (1996) von Bill Morrison. Bei Farocki geht es um die Überlieferung und Aktualisierung eines kollektiven Bildgedächtnisses der Shoah, bei Ponger um das Imaginäre des Dokumentarischen, bei Morrison um Fiktionalisierung und Ironisierung. Die Analysen sind sehr präzise, der Erkenntnisgewinn zu Medialität und Wirkungsweise von Filmbildern ist entsprechend groß. Einige Abbildungen wären hilfreich gewesen. Das Coverfoto stammt aus dem Film von Harun Farocki. Mehr zum Buch: 14a3c2ad44fa807bc
14. Mai 2017
Der Neue Mensch im revolutionären Russland
Vor hundert Jahren – 1917 – fanden in Russland die Februar- und die Oktoberrevolution statt, an die man erinnern darf, auch wenn man mit der aktuellen Putin-Politik nicht einverstan-den ist. In der „filmedition suhr-kamp“ ist gerade eine Auswahl von Filmen auf DVD erschie-nen, die vom „Aufbruch und Alltag im revolutionären Russ-land“ erzählen. Es handelt sich um vier Spielfilme und vier Kurz-filme. BETT UND SOFA (1927) von Abram Room erzählt die Geschichte einer emanzipierten Frau, die in Moskau in einer Dreier-beziehung lebt, schwanger wird, von den Männern zur Abtreibung aufgefordert wird, aber aus der Klinik flüchtet und mit ihrem Kind auf dem Land ein neues Leben beginnen will. DER MANN, DER DAS GEDÄCHTNIS VERLOR (1929) von Fridrich Ermler handelt von einem im Weltkrieg traumatisierten Unteroffizier, der sich zwar langsam an seine Vergangenheit erinnert, aber im modernen Leningrad Probleme mit der Gegenwart bekommt. Ein später Stummfilm mit vielen komö-diantischen Effekten. Auch DAS LEBEN IN DER HAND (1931) von Dawid Marjan ist noch ein Stummfilm. Er spielt in einem Wohnheim und einer Landmaschinenfabrik in der Ukraine, kontrastiert eine patente Frau mit ihrem trunksüchtigen Mann und lässt uns an einer Familientragödie teilnehmen, die nur gesellschaftlich gelöst werden kann: durch die Stärkung der Frau. DER WEG INS LEBEN (1931) von Nikolai Ekk erzählt von dem Versuch eines jungen Kommunisten, eine Gruppe verwahrloster Jugendlicher durch die Arbeit auf einer Kollektiv-farm zu sozialen Wesen zu machen. Ein früher sowjetischer Tonfilm. Die vier Kurzfilme sind FILM-PRAWDA 18 (1924) von Dsiga Wertow, DER SAMOJEDENJUNGE (1928) von Nikolai Chodatajew, Olga Chodotajewa, Valentina und Sinaida Brumberg, DER SCHRECKLICHE WAWILA UND TANTE ARINA (1928) von Nikolai Chodatajew und Olga Chodotajewa und BEHERRSCHER DES ALLTAGS (1932) von Aleksandr Ptuschko. Das sehr informative Booklet stammt von Alexander Schwarz und Rainer Rother. Mehr zur DVD: film/583/Der+Neue+Mensch
12. Mai 2017
Inseln
Inseln können Sehnsuchtsorte und Paradiese sein, aber auch Orte der Einsamkeit und Ver-zweiflung. Capri oder Alcatraz. Band 10 der Reihe „Projektio-nen“, herausgegeben von Hans Richard Brittnacher, widmet sich in zwölf Texten dem Insel-Motiv in Literatur, Malerei und Film. Siebenmal geht es dabei um den Film. Eva Hiller beschreibt in ihrer anregenden Passage durch die Inselfilm-Geschichte aus-führlicher FINIS TERRAE (1929), STROMBOLI (1950), IT STARTED IN NAPLES (1960), LES CHOSES DE LA VIE (1970), CAST AWAY und THE BEACH (beide 2000) und macht dabei erstaunliche Beobachtungen über menschliche Verhaltensweisen in der filmischen Fiktion. Matthias Bauer beschäftigt sich mit Zeitsprüngen, Zeitkerkern, Zeitspeichern und Zeitläufen in zahlreichen Filmbeispielen. Jürgen Heizmann richtet den Blick auf die Insel Alcatraz und die vielen dort angesiedelten Gefängnisfilme. Achim Küpper analysiert die Bedeutung des Insularen in den Filmen von Wes Anderson. Von Kai Spanke stammt ein Beitrag über die Fernsehserie LOST (2004-2010). Birgit Ziener reflektiert sehr eindrucksvoll über die Externalisierung der Angst in zwei Horrorfilmen: THE MOST DANGEROUS GAME (1932) und KING KONG (1933), beide inszeniert von Ernest B. Schoedsack. Der erstgenannte Film entstand nach einer Erzählung von Richard Connell und wurde 1945 unter dem Titel A GAME OF DEATH von Robert Wise wiederverfilmt. Die Schauspielerin Jenifer Pötzsche untersucht in ihrem Beitrag die Inselpsychosen in Martin Scorseses SHUTTER ISLAND (2010). Alle Texte sind sehr anregend zu lesen und öffnen den Blick speziell für das Thema des Buches. Ein Verzeichnis von Insel-Filmen im Anhang verweist auf 74 Titel, ein deutscher Film ist nicht dabei. Coverfoto: LE MÉPRIS von Jean-Luc Godard. Mehr zum Buch: WNuVdCiJbV4
09. Mai 2017
Der Letzte der Ungerechten
Benjamin Murmelstein (1905-1989) war ab September 1944 der letzte sogenannte „Juden-älteste“ im Ghetto There-sienstadt. Claude Lanz-mann hat ihn 1975 in Rom in deutscher Sprache für den Film SHOAH interviewt, das Material dann aber in seinem Film nicht verwendet, sondern 2013 einen eigenen Film daraus gemacht. Das Buch, das jetzt im Rowohlt Verlag erschie-nen ist, dokumentiert das Interview und enthält Texte von Lanzmann zur Produktion des Films. Er verteidigt Murmelstein gegen Anschuldigungen, ein Handlanger der Nazis gewesen zu sein. Die Dialoge zwischen Murmelstein und Lanzmann sind eine spannende und berührende Lektüre. Mehr zum Buch: der-letzte-der-ungerechten.html
08. Mai 2017
„Tatort“ als Fernsehgeschichte
Eine Dissertation, die an der Hochschule für Fernsehen und Film in München entstanden ist. Judith Früh setzt sich mit der Geschichte des „Tatort“ von 1970 bis Ende 2014 auseinander. Sie beschäftigt sich mit „Historio-grafien und Archäografien eines Mediums“ (so der Untertitel). Mehr als 50 Buchpublikationen gibt es inzwischen über den „Tatort“, die von der Autorin – zusammen mit Rezensionen und Online-Seiten – sorgfältig ausge-wertet wurden. Sie unterscheidet zwischen Zuschauererfolg (Quote) und künstlerischem Erfolg (Grimme-Preis oder andere Auszeichnungen). Heute unvorstell-bar: Die Folge ROT…ROT…TOT vom 1. Januar 1978 hatte 26,57 Mio. Zuschauer; damals war Werner Schumacher der Stuttgarter Kommissar Lutz und Curd Jürgens spielte den gesuchten Mörder; jüngst wurden beim Münster-Tatort FANGSCHUSS 14,56 Mio. gemessen, und das gilt als Rekord für die letzten 25 Jahre. Judith Früh widmet sich in ihrem historiografischen Teil den Kanones, Anfängen, Zäsuren, Verläufen, Krisen und Enden der „Tatort“-Reihe (sie nennt das „Ordnungen das Narrativen“) und stellt dem Annalen und Chronik, Alphabet und Listen gegenüber („Ordnungen des Nicht-Narrativen“). Im zweiten Teil geht es um „Archäografien“, also um den Erhalt und die Verwertung des Programms. Die Schilderung der Archivierung ist zunächst noch weitgehend unabhängig vom „Tatort“, die Verantwortung liegt bei den Fernsehanstalten, es handelt sich hier um die Erschließung, den Zugang, die Digitalisierung und die Vernichtung („Die Materialität des Archivs“). Dann kommen wir, auf den „Tatort“ bezogen, zur Erstausstrahlung, Wiederholung, Remotierung und Kanonisierung („Die Immaterialität des Programms“) und schließlich zur „Materialität der Verwertung“ durch Ökonomisierung und Aufwertung. Mit ihrer Systematisierung und Zuordnung hat die Autorin eine beeindruckende Arbeit geleistet, die für „Tatort“-Fans unbedingt lesenswert ist. Der Anhang enthält ein Interview von Judith Früh mit dem „Tatort“-Koordinator Gebhard Henke (WDR) und eine alphabetische Auflistung der DVD-Veröffentlichungen. Coverfoto: Screenshot aus der Tatort-Folge SCHWINDELFREI (2013). Mehr zum Buch: WK2lZyjzTV4 / Zu sehen sind viele „Tatorte“ im Übrigen in der Programmgalerie des Museums für Film und Fernsehen im Filmhaus am Potsdamer Platz.
07. Mai 2017
BERLIN ECKE VOLKSBÜHNE (2005)
Frank Castorf verabschiedet sich in diesem Sommer nach 25 Jahren als Intendant der Volks-bühne am Rosa-Luxemburg-Platz, im Herbst wird dort Chris Dercon sein Nachfolger, der Streit über diese Entscheidung ist noch immer heftig. Das Haus der Volksbühne beherrscht einen Platz, der natürlich eine eigene Geschichte hat. Die wird in dem Dokumentarfilm BERLIN ECKE VOLKSBÜHNE von Britta Wauer erzählt, den es jetzt bei der Edition Salzgeber als DVD gibt. Die Dreiecksfläche im Scheunenviertel, geplant und bebaut vor über hundert Jahren, hieß zunächst Babelsberger Platz, dann Bülowplatz, in der Nazizeit Horst-Wessel-Platz, nach dem Krieg Liebknechtplatz, ab 1947 Luxemburgplatz und seit 1969 Rosa-Luxemburg-Platz. Die Volksbühne wurde 1914 eröffnet, im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört und in den 50er Jahren wiederaufgebaut. Wichtige Gebäude am Platz sind außerdem das Babylon-Kino (entworfen von Hans Poelzig) und die Parteizentrale der Linken, die früher das Haus der Kommunistischen Partei Deutschlands war. Der Film von Bettina Wauer stammt aus dem Jahr 2005, wurde für das ZDF produziert und dauert 52 Minuten. Es kommen viele Zeitzeugen zu Wort, die Geschichte wird vor allem durch dokumentarisches Material präsent gemacht, das geschickt montiert ist und gelegentlich in Zeichnungen mutiert. Auch Heinrich Zille wird so einbezogen. Zentrale historische Ereignisse vor Ort waren der Blutmai 1929 und die Morde an zwei Polizeihauptleuten 1931; zu den Tätern gehörte damals Erich Mielke, später Stasi-Minister in der DDR. Der Film hat große Qualitäten. Zum Bonusmaterial gehört ein 5-Minuten-Film über die Kinoorgel im Babylon. Mehr zur DVD: artikel&id=588

