bauhaus & film

So differenziert und gründlich ist das Verhältnis zwischen Bauhaus und Film bisher noch nie dargestellt worden. Thomas Tode, Autor und Filmemacher mit spezieller Bauhaus-Affinität, hat neue Recherchen initiiert und das Spektrum um den Bereich der hybriden Formen (Theatereinspielfilme, Lichtprojektionen, Entwürfe, Medienarchitektur) erweitert, weil ihm die bisherigen Erkenntnisse zu schmal erschienen. In der vorliegenden Publikation kommen viele unbekannte Materialien zum Vorschein, die zwar nicht den Filmcorpus vergrößern, aber den Umgang der Bauhäusler mit dem Film komplexer darstellen. Zu den 13 Autorinnen und Autoren des Bandes gehören neben dem Herausgeber, der einen grundlegenden Essay über interdisziplinäre Aspekte des Films am Bauhaus beisteuert, Norbert M. Schmitz, Birgit Hein, Jeanpaul Goergen, Olaf Bartels und Christian Hiller. Peter Schubert erinnert an die Arbeit der Ulmer Hochschule für Gestaltung in den 1960er Jahren. Niels Bolbrinker und Kerstin Stutterheim berichten über ihren Bauhaus-Film aus den Jahren 1997/98, der 2009 noch einmal überarbeitet wurde. Der Anhang enthält eine kommentierte Bibliografie zum Thema. Mehr zum Buch: www.boehlau-verlag.com/newbuchliste.aspx

Meine zehn Filme 2012

Die sind – in alphabetischer Reihenfolge – meine zehn Filme des Jahres 2012:  1. AMOUR von Michael Haneke.  2.  BARBARA von Christian Petzold.  3. CLOUD ATLAS von Tom Tykwer und Andy & Lana Wachowski.  4. DRIVE von Nicolas W. Refn.  5.  DER JUNGE MIT DEM FAHRRAD von Jean Pierre & Luc Dardenne.  6. OH BOY von Jan-Ole Gerster.  7. ROSAS KINDER von Julia von Heinz/Chris Kraus/Axel Ranisch/Robert Thalheim/Tom Tykwer.  8. SKYFALL von Sam Mendes.  9. TINKER TAILOR SOLDIER SPY von Tomas Afredson.  10. WAS BLEIBT von Hans-Christian Schmid.  Weil Hanekes Film nicht nur im Alphabet vorn steht, ist ihm auch das Bild gewidmet, verbunden mit einem Hinweis auf das Buch zum Film: 2012/09/liebe-das-buch/

Filmbuch des Jahres 2012

Das Jahr 2013 hat begonnen. Zwölf „Filmbücher des Monats“ habe ich 2012 vorgestellt (www.hhprinzler.de/filmbuecher/). Eines davon soll wieder das „Filmbuch des Jahres“ werden. Wie immer gibt es drei Kandidaten: „Der CALIGARI-Komplex“ von Olaf Brill (August), „A New History of German Cinema“ (November) und „Andrej Tarkovskij“ (Dezember). Ich entscheide mich für das amerikanische Buch über den Deutschen Film, weil sein Blick auf unsere Filmgeschichte mir besonders intensiv, bedenkenswert und originell erscheint. 88 Autorinnen und Autoren haben daran mitgearbeitet, ihre Texte konzentrieren sich jeweils auf ein Datum, dem sie ein Ereignis oder ein Thema zuordnen. In  komprimierter Form nehmen sie dazu Stellung. Mein Respekt gilt Jennifer M. Kapczynski und Michael D. Richardson, die das Buch herausgegeben haben, und Gerd Gemünden und Johannes von Moltke, in deren Reihe „Screen Cultures: German Film and the Visual“ es erschienen ist. Mehr zum Buch: www.camden-house.com/store/viewItem.asp?idProduct=13944 und www.hhprinzler.de/filmbuecher/a-new-history-of-german-cinema/

50 Jahre Oberhausen / DVD

1962/2012: 50 Jahre „Ober-hausener Manifest“. Einerseits wurde die „Geburts-stunde“ des Neuen Deutschen Films mit Publikationen, Veranstaltun-gen, Diskus-sionen und Symposien ausführlich gewürdigt. Andererseits gibt es in der „Edition Filmmuseum“ eine Doppel-DVD mit 19 Kurzfilmen aus den Jahren 1958 bis 1964, an denen alle 26 Unterzeichner des Manifests mitgewirkt haben. Hier sind – zur Erinnerung – ihre Namen: Boris von Borresholm, Christian Doermer, Bernhard Dörrie, Heinz Fuchner, Rob Houwer, Ferdinand Khittl, Alexander Kluge. Pitt Koch, Walter Krüttner, Dieter Lemmel, Hans Loeper, Ronald Martini, Hansjürgen Pohlan, Edgar Reitz, Raimund Ruehl, Peter Schamoni, Detten Schleiermacher, Fritz Schwennicke, Haro Senft, Franz-Josef Spieker, Hans Rolf Strobel, Heinz Tichawsky, Wolfgang Urchs, Herbert Vesely, Wolf Wirth. Es lohnt sich, am Ende dieses Jahres 2012 die Filme noch einmal zu sehen, weil sie Dokumente ihrer Zeit sind, in der Fotografie, im Kommentar, in der musikalischen Begleitung die späten 1950er und frühen 1960er Jahre in Erinnerung rufen. Es ist Geschichtsunterricht, wie er nur im Film stattfinden kann. Ein 20-Seiten-Booklet in drei Sprachen mit Beiträgen von Ralph Eue, Volker Baer und Haro Senft vertieft die Eindrücke, das Bonus-Material enthält Filme von Ulrich Schamoni und Wilhelm Roth. Mehr zur DVD: Die–Oberhausener-.html.

Rosas 70 neue Filme

Wer noch auf der Suche nach einem schönen Weihnachtsgeschenk ist, hier kommt ein Vorschlag: die Büchse mit siebzig neuen Filmen von Rosa von Praunheim. Es sind elf DVDs. Wenn man alle Filme hintereinander anschaut (was man auf keinen Fall tun sollte), dauert das zwanzig Stunden. Die bessere Lösung: zehn Tage à zwei Stunden. Und wenn einem ein Film nicht gefällt: einfach zum nächsten wechseln. Die Protagonisten sind sehr unterschiedlich, es geht um Vergangenheit und Gegenwart, um Komik und Tragik, um starke Frauen, sensible Heteros, starke Schwule, Transgender und andere Grenzbereiche. Im Schnitt dauern die Filme zwischen zehn und zwanzig Minuten, in der Mehrzahl sind es Dokumentarfilme (Portraits), und man lernt wirklich ungewöhnliche Menschen kennen. Meine bisherigen Lieblingsfilme (ich habe noch nicht alle gesehen): EVA MATTES (ein Portrait der Schauspielerin, 21 min), WERNER SCHROETER (das letzte Interview, 11 min.), EIN VATER STIRBT (Fritz Mikesch erzählt seinem 13jährigen Sohn von seinem Leben und stirbt kurz danach, 40 min.), PETER RAUE – ANWALT UND KUNSTLIEBHABER (über den Berliner Rechtsanwalt, der gerade Probleme mit seiner Mandantin Ulla Unseld-Berkéwicz hat, 20 min.), DAS ABATON (über Werner Grassmann, den Hamburger Kinomacher, 21 min.), KNUT IST GUT (über den begnadeten Radiomoderator Knut Elstermann, 15 min.), KLATSCHREPORTER (über Andreas Kurtz, den Reporter der Berliner Zeitung, 14 min.), MÖPSE IN NOT (Coregie: Oliver Sechting, 21 min.). Ich halte Rosa für einen charismatischen Interviewer – das macht die meisten dieser Filme so speziell. Die Cassette mit 70 Filmen kostet 99 €, pro Film sind das rund 1,40 €. Also: auch noch ein preiswertes Weihnachtsgeschenk. Nach Rosas Meinung müssen diese Geschenke ja spätestens im Oktober gekauft werden – aber da gab es die DVD-Box noch nicht. Mehr zur Box: 70-neue-filme-von-rosa-von-praunheim-11er-dvd-box.html

Filmgeräusch

Ein wunderbares Buch. Es handelt vom Hören im Kino, von den Geräuschen im Film. Zwei Autoren – Frieder Butzmann und Jean Martin – haben sich mit Sensibilität und Neugier auf die Tonspur konzentiert und können ihre Erkenntnisse in einer nachvoll-ziehbaren Sprache vermitteln. Schon das Vorwort, das den Entstehungs-prozess des Buches beschreibt, nimmt den Leser auf die Reise mit: in eine Klangwelt, die in den vergangenen vier Jahren für die beiden Autoren zu einer konkreten Erfahrungswelt wurde. Am Anfang stehen eher allgemeine Überlegungen zum Ton im Film, dann folgt das zweite Kapitel, „Geräuschwelten“: erste Definitionen, Musik, Hörspiel, Klangkunst, die menschliche Stimme und die Entwicklung der Technik. Das dritte Kapitel ist dem „Wahrnehmungsfeld“ gewidmet. Da geht es um den „Seherhörer“, um künstliche Klänge, Sound Design, die Praxis von Walter Murch, die Theorien von Michel Chion und das Klangbad des Surround in sechs Kanälen. Im Zentrum steht der vierte Teil, „Filmgeräusche“, mit den Unterkapiteln Atmo, Stille, Ton im Dokumentarfilm, evokative Geräusche (Regen, Gewitter, Radio, Wind, Telefonklingeln), Reifenquietschen, Engel, Urmenschen, Roboter und Science Fiction. Am Ende werden beispielhafte Einzelfilme genauer analysiert: DIE DRITTE GENERATION von Fassbinder, ERASER-HEAD von David Lynch, PLAY TIME von Jacques Tati, THE BIRDS von Alfred Hitchcock, der Alltagshorror in EXORCIST und HALLOWYN, die Geräusche in UNTER DEN BRÜCKEN von Helmut Käutner, die Stimmen in SINGIN’ IN THE RAIN von Stanley Donen und Gene Kelly, Antonionis BLOW UP und Brian de Palmas BLOW OUT, schließlich die Suche nach Geräuschen in LISBON STORY von Wim Wenders. Und am Ende geht es um Werner Herzogs LAND DES SCHWEIGENS UND DER DUNKELHEIT. Hier haben zwei musikalisch geprägte Menschen beeindruckende Grundlagenarbeit geleistet. Keine Abbildungen, man hört die Filme. Mit Bibliografie, Filmliste und Personenindex. Mehr zum Buch: filmgeraeusch.html. Und zum Thema des Buches gibt es eine eigene Internetseite: www.filmgeraeusch.weebly.com

Europa im Sattel

Der Western, ein uramerikani-sches Genre seit über hundert Jahren und inzwischen ziemlich aus der Mode, hat in Europa phasenweise zu interessanten Varianten geführt, die im Herbst 2011 beim achten „Cinefest“ und beim 24. filmhistorischen Kon-gress in Hamburg thematisiert wurden. 14 Beiträge sind in diesem Buch dokumentiert, sie handeln von der Frage nach der Existenz eines „Euro-Western“, von Phil Jutzis FEUERTEUFEL, dem Isar-Western, den DEFA-Indianer-filmen, den westdeutschen Karl-May-Filmen, den Western-motiven um Neuen Deutschen Film, den Folgen der MAGNIFICENT SEVEN in der UdSSR, dem sowjetischen Western als patriotischem Genre, der Western-Parodie LIMONADEN-JOE, dem Italo-Western und der mexikanischen Revolution, dem politischen Western in Europa 1966-1975, den österreichischen „postmodern sixshooters“, den Horrorelementen im italienischen Western und den deutschen Stummfilm-Western 1918-1921. Zu den 14 Autoren gehören Thomas Klein, Thomas Brandlmeier, Tim Bergfelder, Günter Agde, Harald Steinwender und der Redakteur des Bandes, Johannes Roschlau; zwei Autorinnen (Andrea Mariani und  Alexandra Matsouka) sind auch dabei.

Gert Fröbe (2)

Der Autor und Regisseur Michael Strauven (*1940), jahrzehntelang bei ARD/SFB für Film und Kultur zuständig, hat ebenfalls eine Fröbe-Biografie geschrieben. Sie ist im Tonfall sehr salopp, meinungsfreudig, was die Filme betrifft, und ziemlich gut recherchiert. Strauven profitiert erstens von einer eigenen Fröbe-Sendung in der Reihe „Legenden“ (2010) und hat zweitens im Sommer 2012 weitere Gespräche mit Freunden und Hinter-bliebenen geführt und Archive konsultiert. Das Fröbe-Leben und die Fröbe-Filme halten sich im Textumfang die Waage. Strauven bewertet die Filme weitgehend aus heutiger Sicht und spitzt das im Anhang systematisch zu; von den rund 100 Filmen und Fernseh-sendungen findet er fünf „unbedingt sehenswert“, zwanzig „sehenswert“, 13 „interessant“ , sechs „verzichtbar“, 48 „uninteressant“ und die restlichen „bedingt sehenswert“, „nett“, „ärgerlich“, „schwer genießbar“ oder „ungenießbar“. Seine Beurteilungen erfolgen offensichtlich nach Anschauen in jüngster Zeit. Das gibt dem Buch, zumal der Autor nicht vor dem „Ich“ zurückscheut, eine subjektive Dimension. Titelbild: Fröbe in GANOVENEHRE (1966), nun ja. Mehr über das Buch: jedermanns-lieblingsschurke.html

Franz Stadler

Rund vierzig Jahre hat Franz Stadler (*1940) das Berliner Pro-grammkino „Filmkunst 66“ in der Bleibtreu-straße geleitet. Als gelernter Filmkauf-mann, autodidak-tischer Kinotechniker und individueller Cineast ist er zu einem Protagonisten der Berliner Kino-geschichte geworden. Jetzt hat er, auf Tagebuchnotizen gestützt, Erlebnisse und Erfahrungen zu Papier gebracht. Logisch, dass es 66 Geschichten sind, die er erzählt, eingerahmt von einem Prolog, vier Vorgeschichten und einem Epilog. Dazu kommt ein schönes Vorwort von Tom Tykwer, der ja selbst eine Berliner Kinolegende ist. Stadlers Erinnerungen sind locker formuliert, sie handeln von sehr speziellen Festivals, einzelnen Filmen (HAROLD & MAUDE, HELZAPOPPIN, KINDER DES OLYMP, seinem Lieblingsfilm), von prominenten Besuchern (Jack Nicholson, William S. Burroughs, Jack Palance, Dennis Hopper, Bundespräsident Köhler, Günther Jauch), Weihnachts- und Silvesterprogrammen, von Lehrjahren als Filmförderer (FFA), Filmjuror (FBW), Kinojuror (Vergabeausschuss für die Kinoprogrammpreise des Bundes). Es gibt eine Typologie der deutschen Filmkritik und der Kinobesucher. Das alles fügt sich zum Erfahrungsspektrum eines sensiblen Kinobetreibers, der große Erfolge und auch einige Misserfolge hatte. Ich erinnere mich an viele Besuche im alten und im neuen Filmkunst 66, vor allem an die zwei Tage mit der ersten HEIMAT von Edgar Reitz. Jeder Geschichte fügt Stadler eine Kurzinfo hinzu: „Was 19xx sonst noch geschah“ oder „Kleine Geschichte der Bleibtreustraße“ oder „AG Kino und FiFiGe“ oder „Regina Ziegler“ oder einfach ein originelles Zitat. Mehr zum Buch: www.rediroma-verlag.de/index.php?det=655

Gert Fröbe (1)

Am 25. Februar 2013 wird sein 100. Geburtstag gefeiert. Kein Wunder, dass uns auf dem Buchmarkt mehrere Publikationen darauf vorbereiten. Hier ist die erste, verfasst von der Focus-Redakteurin Beate Strobel. Sie konzentriert sich auf die Lebensgeschichte, die ja abwechslungsreich genug ist, geht wenig in die Tiefe der einzelnen Rollen, die Fröbe als Charakterdarsteller in den 1950er und 60er Jahren zu einem internationalen Star machten. Das Privatleben mischt sich bei Strobel mit den beruflichen Herausforderungen, fünf Ehen müssen angemessen erzählt werden. Die Hauptquelle der Autorin ist Fröbes Autobiografie „Auf ein Neues, sagte er…und dabei fiel ihm das Alte ein“ (1988), erschienen im Jahr seines Todes. Die 30 Kapitel auf 170 Seiten wirken ein bisschen kleinteilig, die 45 Abbildungen kommen wegen der Papierqualität nicht wirklich zur Geltung. Aber das Titelbild (Foto: Wolfgang Gaedigk) ist wirklich schön, weil es auf schauspielerische Typisierung verzichtet. Mehr zum Buch: 346a8&navsection=2.