22. Februar 2017
Gilmore Girls
GILMORE GIRLS war eine amerikanische TV-Serie, die mit großem Erfolg von 2000 bis 2007 in sieben Staffeln mit insgesamt 153 Folgen ausge-strahlt wurde. In Deutschland war sie auf VOX zu sehen. Karla Pauls Büchlein in der Reclam-Serie „100 Seiten“ ist eine dezidierte Liebeserklärung, die gut begründet wird und sich vor allem an die Fans der Serie richtet. Zunächst werden alle Angehörigen der Gilmore-Familie vorgestellt und charakterisiert. Dann geht es um den Schauplatz Stars Hollow und seine Bewohner, bis hin zu Kirk Gleason und seine 61 Jobs, die präzise aufgelistet sind. Wir werden informiert über die Gilmores und die Liebe, über Bücher, Songs und Filme, die in der Serie eine Rolle spielen. Es folgen 42 Zitate aus den inzwischen legendären Dialogen, einige Hinweise für Insider und die schönsten Fehler der Serie. Den Abschluss bilden zwei Kurzinterviews: mit der Genderforscherin Heike Mißler und dem Medienwissenschaftler Herbert Schwaab. Seit November 2016 gibt es eine vierteilige Fortsetzung der Serie. Mehr zum Buch: gilmore_girls
21. Februar 2017
Gangsterwelten
Eine erste Welle von Gangster-filmen entstand um 1930 in den USA, eine zweite in den 1950er Jahren in Frankreich. Im vor-liegenden Band, den Hermann Doetsch und Andreas Mahler herausgegeben haben, geht es um „Faszination und Funktion des Gangsters im französischen Nachkriegskino“. Einem einlei-tenden Text der beiden Heraus-geber folgen acht Essays. An-dreas Mahler reflektiert über die Vereinsamung des Gangsters in der abstrakten Gesellschaft („Vom Patron zum Samourai“). Susanne Dürr schlägt den historischen Bogen zum amerikanischen Gangsterfilm als Vorläufer („Die Paten des film noir“). Bei Hermann Doetsch geht es um den heist-Film und die Technisierung der Lebenswelt in Jules Dassins DU RIFIFI CHEZ LES HOMMES (aus dem Film stammt auch das Cover-foto). Wolfram Nitsch untersucht Handwerk und Hasardspiel in Melvilles BOB LE FLAMBEUR („Der Gangster als Spieler“). Maria Imhof richtet den Blick auf Topographien des Verbrechens im französischen Gangsterfilm („Zwischenräume“). Jörg Dünne beschäftigt sich mit „Gangstern am Pool“. Wolfgang Lasinger erinnert an den „flic“ als Einzelgänger in POLICE von Maurice Pialat („Zwischen den Fronten“). Dunja Bialas thematisiert Aspekte des französischen Gangsterfilms der 2000er und 2010er Jahre („Von Ex-Bullen, Rechercheuren und Reanimateuren“). Alle Beiträge sind konkret an Filmbeispielen orientiert. Mit Abbildungen und Literaturhinweisen. Es fehlen Kurzbiografien der Autorinnen und Autoren. Mehr zum Buch: gangsterwelten?c=738
19. Februar 2017
DIE FRAU MIT DER KAMERA (2015)
Der Film über ihre Freundin, die Fotografin Abisag Tüllmann (1935-1996) war ein Herzens-projekt von Claudia von Alemann. Nach der Kinoauswertung ist er jetzt bei good!movies als DVD erschienen. Mir hat dieses Porträt, das mit einem langsamen Gang durch die Wohnung kurz nach ihrem Tod beginnt und mit dem Foto endet, das wir auf dem DVD-Cover sehen, sehr gut gefallen. Es ist nicht nur der Film über eine große Künstlerin, sondern auch über eine Freundschaft, die diese beiden Frauen über mehr als drei Jahrzehnte verbunden hat. Hunderte von Fotos führen uns zurück in die Konflikte der 1960er und 70er Jahre, beginnend mit der Unterzeichnung des Oberhausener Manifests. Freundinnen und Freunde erzählen von Abisag Tüllmanns Leben und ihrer Arbeit, darunter die Malerin Sigrid Baumann-Senn, die Fotografin Barbara Klemm, der Designer Josef Bar-Pereg, die Produzentin Helma Schleif. Sie war Standfotografin bei den Filmen DIE ALLSEITIG REDUZIERTE PERSÖNLICHKEIT von Helke Sander und DIE REISE NACH LYON von Claudia von Alemann. Ein eigenes Kapitel ist ihren Theaterfotografien gewidmet. Sie war sozial engagiert und hat Obdachlose fotografiert, sie war unterwegs in Algerien, in Rhodesien, in Israel. Sie hat langsam und sehr nachdenklich gesprochen, schnell und meist im entscheiden Moment auf den Auslöser der Kamera gedrückt. Porträts von Künstlerinnen und Künstlern ist ebenfalls ein eigenes Kapitel gewidmet. Am Ende des Films gibt es Ausschnitte aus einem späten Interview, in dem sie sich über Veränderungen in der Fotografie äußert. Beeindruckend! Mehr zur DVD: 81&cid=15588
16. Februar 2017
Stanley Kwan
Er gehört – wie sein Kollege Wong Kar-wei – zur Second Wave des Hongkong-Kinos, die in den 1980er Jahren mit der Filmarbeit begonnen hat. Sechsmal war er mit einem Film auf der Ber-linale: zuerst mit LOVE UNTO WASTE (1987) im Forum, mit FULL MOON IN NEW YORK (1990) im Panorama und viermal im Wettbewerb: mit den Filmen CENTER STAGE (1992), RED ROSE WHITE ROSE (1995), HOLD YOU TIGHT (1998, ausgezeichnet mit dem Alfred Bauer-Preis und einem Teddy Award) und THE ISLAND TALES (2000). Dem Regisseur Stanley Kwan ist das neue Heft der Film-Konzepte (Nr. 45) gewidmet, das Johannes Rosenstein herausgegeben hat. Er verortet Kwan in seinem Einleitungstext im Hongkong-Kino und richtet dann den Blick auf „(Melo-)Drama und (Homo-)Sexualität“ in seinem Werk. Anna Stecher vergleicht den Film EVERLASTING REGRET (2005) mit der literarischen Vorlage von Wang Anyi. Bei Martin Gieselmann geht es um Raum- und Zeitkonzeptionen in FULL MOON IN NEW YORK und EVERLASTING REGRET. Isabel Wolte untersucht die China-Motive in FULL MOON IN NEW YORK. Tim Trausch reflektiert über den wiederholten Selbstmord in CENTER STAGE. Clemens von Haselberg begibt sich auf die Suche nach Hongkong in LOVE UNTO WASTE. Hendrike Bake analysiert den frühen Kwan-Film ROUGE (1988). Alle Beiträge sind sachkundig und machen auf die Filme neugierig. Das Coverfoto stammt aus dem Film ROUGE. Mehr zum Heft: WJtLKyjzTV4
13. Februar 2017
Helene Schwarz wird 90
Sie war viele Jahrzehnte als Assistentin in der Studien-leitung die Seele der Deutschen Film- und Fernsehaka-demie Berlin. Ihre positive Ausstrahlung hat auch in Konfliktzeiten für Ausgleich gesorgt. In ihrem Büro trafen sich Studenten, Absolventen und Dozenten. 2005 drehte Rosa von Praunheim den Dokumentarfilm WER IST HELENE SCHWARZ?. Sie erhielt die Berlinale-Kamera und ist Ehrenmitglied der Deutschen Filmakademie. 1969 gründete sie eine Skatrunde, die sich an jedem Donnerstag zum Spiel trifft. Wer verliert, zahlt in die Kasse, und alle paar Jahre wird daraus der Helene-Schwarz-Preis finanziert: für einen dffb-Film des zweiten Jahrgangs. Ich habe mit Helene zehn Jahre als Studienleiter eng zusammengearbeitet und gehöre seit der Gründung zur Skatrunde. Heute feiert Helene, man kann es kaum glauben, ihren 90. Geburtstag, und ausnahmsweise wird deshalb an einem Montag gespielt. Rosa, ein regelmäßiger Mitspieler, sagt dazu: „Ist das nicht wunderbär?“
11. Februar 2017
ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG (1972)
Heute hat als „Berlinale Special“ in der Volksbühne am Rosa-Luxem-burg-Platz die digitalisierte Fassung von Rainer Werner Fassbinders Serie ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG Premiere. Gezeigt werden die Folgen 1 und 2, morgen die Folgen 3, 4 und 5. Jede Folge dauert zwischen 90 und 100 Minuten. Die Serie musste – 45 Jahre nach ihrer Entstehung – aufwändig restauriert werden, weil das Ausgangsmaterial Schaden genommen hatte. Sie wurde damals als WDR-Produktion in Köln und Mönchengladbach realisiert und war vor allem bei den Zuschauern ein großer Erfolg. Die Hauptrollen spielten Gottfried John, Hanna Schygulla, Luise Ullrich und Werner Finck. Am Montag um 18 Uhr diskutieren im Filmhaus am Potsdamer Platz zunächst Juliane Lorenz, Saskia Walker und Martin Wiebel über die Fassbinder-Serie und anschließend Philipp Leinemann, Hans-Christian Schmid und Jörg Winger über die aktuelle Entwicklung des Serienformats in Deutschland. Moderation: Klaudia Wick. Ab Montag ist die Serie auch täglich von 10 bis 18 Uhr in der Mediathek Fernsehen im Filmhaus zu sehen. Bei Studiocanal sind zeitgleich DVD und Blu-ray erschienen. Mehr zur Blu-ray: acht_stunden_sind_kein_tag-blu-ray
10. Februar 2017
Future imperfect
Die Retro-spektive der Berlinale wird wie immer von der Deutschen Kinemathek verantwortet, ihr Thema bezieht sich auf die aktuelle Sonderaus-stellung im Museum für Film und Fernsehen: Science-Fiction-Film. Es werden 27 internationale Spielfilme und zwei Kurzfilme gezeigt, die Vorführungen finden im CinemaxX 8 und im Zeughauskino statt. Die Publikation zur Retrospektive trägt den Titel „future imperfect“ und ist im Verlag Bertz + Fischer erschienen. Das Herausgeber-Trio – Connie Betz, Rainer Rother, Annika Schaefer – führt ins Thema ein. Sherryl Vint informiert über den amerikanischen Science-Fiction-Film seit den 1950er Jahren („Imperfect futures and ominous imaginaries“). Bei Mark Bould geht es um die Dystopie im Science-Fiction-Film („Between the sleep and dream of reason“). Von Tobias Haupts stammt eine kurze Geschichte des deutschen Science-Fiction-Films („The empty sky“). Aidan Power untersucht die europäischen Science-Fiction-Filme der 1960er und 70er Jahre („Modern inclinations“). Matthias Schwarz beschäftigt sich mit dem Science-Fiction-Film im kommunistischen Osteuropa („Archaeologies of a past future“). Der Band erscheint in Kooperation mit dem Museum in Modern Art, alle Texte in englischer Sprache. Sie sind sehr lesenswert und werden von zahlreichen Abbildungen in guter Qualität ergänzt. Das Coverfoto stammt aus dem tschechoslowakischen Film IKARIE XB 1 (1963). Mehr zur Retrospektive retrospektive/index.html und zum Buch: http://www.bertz-fischer.de/futureimperfect.html
08. Februar 2017
Zehn Tage im Februar
Noch ein Buch, mit dem man sich gut auf die Berlinale vorbe-reiten kann. Was könnte auch sonst mit dem Titel „Zehn Tage im Februar“ gemeint sein? Dies ist ein Roman. Heike-Melba Fendel erzählt von einer Frau, die am Eröffnungstag des Festi-vals zuhause einen Zettel ihres Mannes vorfindet, mit dem sie sich am Vorabend heftig gestrit-ten hat: „Ziehe für zehn Tage zu Sepp, das ist besser für uns beide.“ Es ist das Jahr 2013, zur Eröffnung wird der Film THE GRANDMASTER von Wong Kar-Wai gezeigt, mit dem unsere allein gelassene Erzählerin nicht viel anfangen kann. Sie erinnert sich, dass sie zwölf Jahre zuvor mit dem Mann, damals in Köln, den Film IN THE MOOD FOR LOVE gesehen hatte, den sie beide nicht mochten. Und wir erfahren – immer aus der Perspektive der Frau – viel über ein Leben zwischen Köln und Berlin, über die Gründung einer Firma, die sie zusammen mit ihrer Freundin, der Fotografin Marianne betreibt, über Festivalreisen nach Edinbourgh, Cannes, Venedig und Hof, über den Umgang mit Untermieterinnen, über Begegnungen mit Tim Burton, über die Rituale beim Berlinale-Dining-Club im Kaisersaal, über Mahlzeiten im Einstein Unter den Linden, über das gefährliche Fahrradfahren bei Nacht und, immer wieder, über die Egomanien des Mannes. Wie ein roter Faden zieht sich ihre Verehrung für die Filmemacherin Jane Campion durch das Buch. Sie hat alle Filme von ihr gesehen, sie mehrfach auf Festivals getroffen, sieht schließlich in Berlin die Serie TOP OF THE LAKE und hat daran viel auszusetzen. Heike-Melba Fendel ist eine gute Erzählerin, sie mischt Authentisches mit Fiktivem, lässt uns an überraschenden Assoziationen teilnehmen. Die Lektüre ist spannend, und den Schluss verrate ich nicht. Mehr zum Buch: zehn-tage-im-februar.html
07. Februar 2017
Mit Harald Martenstein im Kino
Mit diesem Buch kann man sich auf die Berlinale vorbereiten. Denn von den 81 Texten, die hier versammelt sind, erzählen 78 von Erfahrungen, die Harald Martenstein bei diesem Festival gemacht hat, von persönlichen Erlebnissen und natürlich auch von Filmen. Er schreibt seit vielen Jahren Kolumnen für den Tagesspiegel und die Zeit, die oft sehr amüsant sind, weil sie überraschende Verbindungen herstellen und einer eigenen Logik folgen. Für diese Antho-logie hat der Autor Kolumnen aus den Jahren 1999 bis 2016 ausgewählt. Sieben längere, sehr lesenswerte Texte sind einzelnen Filmen gewidmet: NACHTGESTAL-TEN von Andreas Dresen, PARADISO von Rudolf Thome, GOSFORD PARK von Robert Altman, 25TH HOUR von Spike Lee, COMANDANTE von Oliver Stone, STANDING OPERATION PROCEDURE von Errol Morris und FEUERHERZ von Luigi Falorni. Außerdem geht es zum Beispiel um West und Ost im Berlin vor der Jahrtausendwende, den Berlinale-Palast, Dieter Kosslick, Parties und Empfänge, Pressekonferenzen und Stars, um Wowi, Helmut Dietl, Roberto Benigni, Angelina Jolie, Robert De Niro, Carla Bruni, Rolf Eden und Klaus Lemke, um die „Neun-Uhr-Filme“ (morgens, für die Presse), die ersten und die letzten zwanzig Minuten eines Films, Sex im Film, „schlechte“ Filme, „Konsensfilme“, die Frauenquote, die RAF im Film, die vielen Fragen in den Dialogen von GNADE, Houellebecq, Cinema for Peace, „Kunstscheiß“ und das Schreiben eines Drehbuchs. Der erste Text fragt sehr persönlich „Warum das Ganze?“, der zweite handelt von der Arbeit als Filmredakteur. Insgesamt: viel Stoff für 200 Seiten. Die Lektüre ist natürlich kurzweilig. So allein wie auf dem Coverfoto war der Autor bei der Berlinale sicherlich selten in einem Kino. Mehr zum Buch: e489105.rhd
05. Februar 2017
THE NIGHT MANAGER (2016)
Eine Mini-Serie mit acht Folgen à 45 Minuten nach dem Roman von John le Carré. Diesen Autor lieben wir seit vielen Jahren, haben den „Nachtmanager“ Mitte der 90er Jahre gelesen und waren sehr gespannt auf die Verfilmung, die jetzt auf DVD zu sehen ist. Sie ist sehr gelungen. Erzählt wird die Geschichte des ehemaligen Soldaten Jonathan Pine (gespielt von Tim Hiddle-ston), der mit dem britischen Geheimdienst zusammen-arbeitet, und des Waffenhänd-lers Richard Roper (Hugh Laurie), der Deals mit Terroristen im Nahen Osten macht. Um ihn zu überführen, dringt Pine in Ropers engsten Kreis ein. Dabei erkennt er auch die schwierige Situation von Ropers attraktiver Frau Jed (Elizabeth Debicki), zu der er sich hingezogen fühlt. In Le Carrés Roman war Pines Verbindungsperson zu MI6 noch ein Mann, jetzt ist es die schwangere Agentin Angela Burr (Olivia Colman). Die Modernisierungen haben der Geschichte gut getan, die wechselnden Schauplätze (Kairo, London, Mallorca, Naher Osten) sind durch eindrucksvolle Aufnahmen miteinander verbunden, Musik und Kameraführung wirken exzellent, die genannten Darsteller und Darstellerinnen spielen hervorragend zusammen, auch die Nebenrollen sind bestens besetzt. Die beiden Protagonisten liefern sich einen existentiellen Zweikampf. Als Regisseurin hat Susanne Bier gut gearbeitet. Fragt sich nur, ob es eine zweite Staffel gibt, das offene Ende deutet darauf hin. Die DVD enthält 57 Minuten Bonus-Material. Mehr zur DVD: 9154db5bb8c36