Gedichte von Pier Paolo Pasolini

Pier Paolo Pasolini (1922-1975) war nicht nur ein heraus-ragender Filmregisseur, er hat auch Romane, Erzählungen und Gedichte geschrieben. Seine Lyrik ist geprägt von sozialer Anklage und Kritik an der Gesellschaft. Unter dem Titel „Nach meinem Tod zu veröffentlichen“ sind jetzt Gedichte aus den Jahren 1955 bis 1974 in einem voluminösen Band im Suhrkamp Verlag erschienen. Mit Empathie und Ausflügen in die Philosophie wird auf sehr persönliche Weise in die Welt geschaut. Aus dem Italienischen übersetzt und mit einem Nachwort von Theresia Prammer. Zweisprachig, italienisch und deutsch. Unbedingt lesenswert.

  • Zitat aus dem Gedicht „Die Suche nach dem Relativen“:
  • „Wer hat Angst vor Balzac? Ich.
  • Dreyer und Mizoguchi auf dem absteigenden,
  • Murnau und Renoir auf dem aufsteigenden Ast.
  • Keatons Spiel ganz anders als das von Flaherty.
  • Die Diegese verliert an Boden zugunsten der Mimesis,
  • aber weder Platon noch Aristoteles hatten
  • die Option der erlebten Rede erwogen;
  • nun gut, auch Letztere ist im Sinken begriffen. (…)“
  1. September 1969

Mehr zum Buch: nach-meinem-tod-zu-veroeffentlichen-t-9783518430095

Der chinesische Film

Der chinesische Film ist in seiner Entstehung und Entwicklung von vielen Besonderheiten geprägt. Stefan Kramer hat vor 25 Jahren bei Metzler eine umfängliche „Geschichte des chinesischen Films“ publiziert, die noch immer als Basiswerk gelten kann. Für die Reihe Filmgeschichte kompakt war eine starke Komprimierung und Aktualisierung notwendig, die beeindruckend gelungen ist. Fünf Zeitphasen strukturieren das Buch: 1896-1919 (Abendländisches Schattenspiel: Kolonialer Einfluss und kultureller Wandel), 1920-1949 (Elektrische Schatten: Attraktionen von Technik und Gesellschaft), 1949-1978 (Massenkultur: Postkolonialismus und ideologische Erziehung), 1978-1994 (Modernisierung: Film-Literatur), 1994-2021 (Standardisierung und Partikularisierung: Globale Märkte, urbaner Wandel und neue Bildschirmmedien). Auf 140 Seiten findet man viele pointiert formulierte Erkenntnisse. Mit Abbildungen und Personenregister. Coverfoto: Cathay Cinema in Shanghai. Mehr zum Buch: aspx?ISBN=9783967075656#.YfFsTC9XZHc

Die deutsche Westküste im Film

Die Westküste in Schleswig-Holstein ist ein beliebter Schauplatz für Kino-, Fernsehfilme und Serien. Kai Labrenz, als Fotograf mit der Gegend bestens vertraut, führt uns zu den wichtigsten Drehorten, beschreibt Filmhandlungen und Produktionshintergründe. Seine Stationen sind Dithmarschen, Eiderstedt, Husum, Südtondern, die nordfriesischen Inseln und Amrum. Zu den ausführlicher behandelten Filmen gehören ROSEN IM HERBST (1955), DER PFARRER VON ST. PAULI (1968), DER SCHIMMELREITER (1977 und 2008), TOD AUF AMRUM (1998), RUBBELDIEKATZ (2011) und ERLÖSUNG (2016). Natürlich sind es vor allem die Serien, die viel Raum einnehmen. Am umfangreichsten ist das Kapitel über Husum, wo das jährliche Filmfestival seit 1986 für große Aufmerksamkeit sorgt. Auch die Insel Sylt ist gut vertreten. Hervorragend: die vielen Abbildungen von Personen und Schauplätzen. Ein schöner Reiseführer. Mehr zum Buch: debehr.de/buch.php?id=732

Alain Resnais

Er war einer der großen Regisseure des französischen Kinos. Seine bekanntesten Filme sind NUIT ET BROUILLARD (1955), HIROSHIMA, MON AMOUR (1959) und L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD (1961). Alain Resnais (1922-2014) ist das Heft 63 der Film-Konzepte gewidmet. Die Herausgeberin Sophie Rudolph hat vor elf Jahren mit einer Dissertation über Resnais promoviert. Ihr Vorwort bringt uns in die Spur. Acht Texte befassen sich mit dem Werk. Thomas Weber äußert sich zu den frühen Filmen von Resnais. Bei Beate Ochsner und Mirjam Schaub geht es um L’ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD. Anna Magdalena Elsner erinnert sich an MURIEL OU LE TEMPS D’UN RETOUR (1963). Kristina Köhler beschreibt ihre Wiederbegegnung mit JE T’AIME, JE T’AIME (1968). Petr Mares richtet den Blick auf die Mehrsprachigkeit in den Filmen von Resnais. Jörg Schweinitz unternimmt eine persönliche Reflexion zu ON CONNAIT LA CHANSON (1997). Stefanie Diekmann beschäftigt sich mit VOUS N’AVEZ ENCORE RIEN VU (2012). Dokumentiert ist ein interessantes Gespräch von Suzanne Liandrat-Guiges und Jean-Louis Leutrat mit Alain Resnais (2005/06). Alle Texte haben ein hohes Niveau. Mehr zum Buch: Details.aspx?ISBN=9783967075762#.YfFppy9XZHc

KEINE ZEIT ZU STERBEN (2021)

Der letzte James Bond mit Daniel Craig. 160 Minuten mit einer Vorgeschichte, die zwanzig Minuten dauert und uns an das Kindheitserlebnis von Madeleine Swann erinnert, die gegen den maskierten Lyutsifer Safin um ihr Überleben kämpfen muss. Dann fährt Bond mit Madeleine nach Matera, wo er das Grab von Vesper Lynd besuchen will. Das Grab explodiert, Bond wird nur leicht verletzt. Hat Madeleine ihn verraten? Eigentlich ist Bond schon im Ruhestand, aber er ermittelt weiter, und wir begleiten ihn auf einer weiten Reise mit vielen Kehrtwendungen. Am Ende steht er auf dem Dach der Anlage von Safin, den er töten konnte, und wartet auf die Raketen, die auf die Insel abgeschossen wurden. Es gibt viele spannende Momente in diesem Bond-Film, aber auch Absurditäten, über die man nur lachen kann. Bei Universal sind jetzt DVD und Blu-ray erschienen. Mit interessantem Bonus-Material. Mehr dazu: no-time-to-die-auf-blu-ray-und-dvd/

Sechs Romane aus Amerika

In den vergangenen sechs Wochen habe ich sechs Romane aus Amerika gelesen, die mit dem Thema Film nichts zu tun haben, aber sehr zu empfehlen sind: „Die Lady im See“ von Raymond Chandler, „Crossroads“ von Jonathan Franzen, „Harlem Shuffle“ von Colson Whitehead, „Zum Paradies“ von Hanya Yanagihara, „Die Bierkönigin von Minnesota“ von J. Ryan Stradal und „King Zeno“ von Nathaniel Rich. Sie spielen an verschiedenen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten, aber es gibt in allen sechs Romanen eine große Amerika-Präsenz aus differenten Perspektiven.

Schauplätze: San Bernardino und der Little Fawn Lake in Kalifornien. Zeit: 1943. Der Detektiv Philipp Marlowe übernimmt den Auftrag, die verschwundene Ehefrau Crystal Kingsley zu suchen. Ist sie mit ihrem Liebhaber nach Mexiko geflüchtet? Marlowe ermittelt für den Ehemann. Wer ist die Leiche, die im See gefunden wird? Die Identifikation erfordert viel Arbeit, und wir werden von Raymond Chandler immer wieder überrascht. Bei Diogenes ist jetzt eine Neuübersetzung von Robin Detje erschienen. Mit einem informativen Nachwort von Rainer Moritz.

Schauplätze: ein fiktiver Vorort von Chicago und verschiedene Städte in Arizona. Zeit: Advent 1971/Ostern 1972. Wie erleben der evangelische Pfarrer Russ Hildebrandt, seine Frau Marion und ihre vier Kinder Clem, Becky, Perry und Judson den Beginn des Jahrzehnts? Aus ihren sehr verschiedenen Perspektiven wird auf 83o Seiten erzählt. „Crossroads“ heißt eine religiöse Jugendgruppe der Gemeinde. Der Roman von Jonathan Franzen ist Band eins einer geplanten Trilogie und sehr lesenswert. Die hervorragende Übersetzung stammt von Bettina Abarbanell.

Schauplatz: New York. Zeit: 1959 / 1961 / 1964. Der Möbel-händler Ray Carney hat sich eigentlich aus dem Gangstermilieu befreit, ist verheiratet, ein zweites Kind wird erwartet. Weil das ehrlich verdiente Geld nicht reicht, lässt sich Ray auf kleine Deals ein. Sein schwuler Cousin Freddie spielt dabei eine ambivalente Rolle. Aber sein Kumpel Pepper erweist sich  mehrfach als hilfreich. Es gibt viele spannende Situationen. Die Polizei hat das Nachsehen. Der Roman von Colson Whitehead ist ein spannender Blick in das Harlem der 1960er Jahre. Übersetzt von Nikolaus Stingl.

Schauplätze: New York und Hawaii. Zeit: 1893 / 1993 / 2093. Drei Romane, verbunden durch ein Haus am Washington Square. Der Blick zurück ist ebenso eine Vision wie der Blick in die Zukunft. Träume von Schwulen-Beziehungen vor 128 Jahren. Eine Hommage an die Hawaii-Inseln und Erinnerungen an die Aids-Epidemie vor 28 Jahren. Ein verändertes New York in 72 Jahren. Die Teile 1 und 2 habe ich sehr gern gelesen, im dritten Teil übertreibt die Autorin Hanya Yanagihara ein bisschen das Spiel mit Namen und Personen. Übersetzt von Stephan Kleiner. Claassen Verlag.

Schauplatz: Minnesota. Zeit: 1959 bis 2019. Zwei Themen: eine schwierige Familie und die Herstellung von Bier. Die Schwestern Helen und Edith sind zerstritten. Helen investiert viel Geld in ihre Bierbrauerei, Edith arbeitet in einem Altersheim und bäckt die besten Pies. Diana ist Waisenkind und wohnt bei ihrer Großmutter Edith. Als sie bei einem Diestahl erwischt wird, muss sie zur Strafe in einer Brauerei arbeiten. Das ändert ihr Leben. J. Ryan Stradal verbindet die beiden Themen auch emotional. Und man lernt viel über die Kunst des Bierbrauens. Übersetzt von Kathrin Bielfeldt. Diogenes Verlag.

Schauplatz: New Orleans. Zeit: Mai 1918 bis März 1919. Ein Kanal zwischen Mississippi und Lake Pontchartrain soll für die Stadt große Veränderungen bringen. Die Mafiapatin Beatrice Vizzini ist finanziell daran beteiligt. Ein Axtmörder treibt sein Unwesen. Der Ermittler Bill Bastrop, durch den Krieg traumatisiert, ist unermüdlich auf Spurensuche. Der junge Schwarze Izzy Zeno arbeitet am Kanalbau mit und bläst abends Trompete in einer Band. Die neue Musik wird erst Jass und dann Jazz genannt. Und dann kommt noch die Epidemie der Spanischen Grippe. Drei Hauptfiguren, ein spannender Plot. Übersetzt von Henning Ahrens. Rowohlt Berlin.

Und am 23. März erscheint ein siebter Amerika-Roman, den ich schon jetzt sehr empfehlen kann: „Der große Fehler“ von Jonathan Lee. Schauplatz: New York. Zeit: 1830-1903. Hauptfigur: Andrew Green, Initiator des Central Parks.

 

 

 

 

Marlene Dietrich und Paramount

Paramount war in den 1930er Jahren ein dominantes Hollywood-Studio mit gehobener Unterhaltung. Marlene Dietrich fungierte als einer der großen Stars. Ralf Bierod beschreibt in seinem Buch, wie ihre Filme unter der Regie von Josef von Sternberg (sechs Titel), Rouben Mamoulian, Frank Borzage und Ernst Lubitsch gegen den gesellschaftlichen Konsens verstießen und das Publikum provozierten. Einzelne Kapitel behandeln das Männerbild in den Tonfilmen Sternbergs, das Kino-Konzept von Paramount, den Geschlechterkampf in den Dietrich-Filmen und den diametralen Umbruch Paramounts nach 1938. Keine Abbildungen. Überarbeitete Neuauflage des Buches „Kein Held im Happy End“ (2014). Mehr zum Buch: Ralf+Bierod&s=books&sr=1-7

Japan. Die Monsterinsel

Jörg Buttgereit ist Regisseur verschiedener Arthouse-Horrorfilme und hat 2006 einen Führer durchs japanische Monsterkino publiziert. Jetzt gibt es eine erweiterte und aktualisierte Neuauflage. Sie reicht bis ins Jahr 2021: GODZILLA VS. KONG und GODZILLA SINGULAR POINT (Serie). 82 Titel aus den Bereichen Godzilla, Gamera, Guila, Gappa, Furankenshutain und Kingu Kongu werden sachkundig beschrieben. Als Gastautoren sind u.a. Ulrich von Berg, Christian Keßler, Claus Löser, Julie Miess, Lothar Mikos, Olaf Möller, Andreas Rauscher, Hans Schifferle († 2021), Marcus Stiglegger, Bodo Traber und Jenni Zylka beteiligt. Buttgereit war mehrfach in Japan und hat dort mit Monsterdarstellern, Regisseuren und Special-Effects-Machern gesprochen. Auszüge aus den Interviews sind im Buch dokumentiert. Als Abbildungen dienen zahlreiche Plakate. Nicht nur für Horrorfilm-Fans eine lohnende Lektüre. Mehr zum Buch: martin-schmitz-verlag.de/Buttgereit/Buch.html

JAPANIME

Zeichentrickserien aus Japan haben seit Jahrzehnten eine große internationale Fangemeinde. Anime gilt als Genrebezeichnung. Das Buch von Clément Cusseau und Sébastien Abdelhamid ist ein Reise-führer durch das Universum des Anime, beginnend mit der Serie ASTRO BOY (1963), endend mit RADIANT (2018). 70 Titel werden in chronologischer Reihenfolge vorgestellt, mit einer Kurzfassung der Handlung und ausführlichen Kommentaren zu den Besonderheiten. Gelegentlich gibt es persönliche Einschätzungen des Youtubers Chef Otaku. Längere Texte sind zwischendurch den Themen Anime und Zensur, die Filme DRAGON BALL, Darstellung der Frauen im Anime, Adaptionen von Realfilmen und Animes in Deutschland gewidmet. Die Abbildungen sind hervorragend. Ein Basiswerk. Mehr zum Buch: japanime-9783831042791

IN THE MOOD FOR LOVE (2000)

Dies ist der für mich schönste Film von Wong Kar-Wai. Zwei Ehepaare beziehen in Hongkong 1962 benachbarte Wohnungen: Chow Mo-wan, Redakteur einer lokalen Zeitung, und seine Frau, die als Schichtarbeiterin tätig ist, Herr Chan, meist auf Geschäftsreisen unterwegs, und Chan Li-zhen, die als Sekretärin arbeitet. Es gibt eine Affäre zwischen Frau Chow und Herrn Chan, der sie heimlich auf eine Japanreise mitnimmt, und eine wachsende Sympathie zwischen Mo-wan und Li-zhen, die aber zu keiner Intimität führt. Die Vermieterin, Frau Suen, überwacht die Hausgemeinschaft. In einem Hotelzimmer kommt es zu ein Treffen zwischen Mo-wan und Li-zhen, aber wir erfahren, dass dort nichts passiert ist. Beide wissen, dass es für sie keine gemeinsame Zukunft gibt. Mehrfach führen ihre Wege aneinander vorbei, zuletzt 1965, als Herr Chan und Li-zehn mit ihrem Sohn wieder in ihre alte Wohnung gezogen sind, und Chow Mo-wan dort vorbeischaut, ohne sie zu treffen. Die Erzählweise mit Andeutungen und Auslassungen finde ich wunderbar. Wir sind ganz nahe bei Li-zhen (gespielt von Maggie Cheung) und Mo-wan (Tony Leung Chiu Wai). Die Kameraführung (Christopher Doyle, Pin Bing Lee) ist beeindruckend. Bei Koch Media sind jetzt DVD und Blue-ray des Films erschienen. Unbedingt sehenswert. Mehr zur DVD: special_edition_4k_uhd_blu_ray_dvd/