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28. Januar 2022

Sechs Romane aus Amerika

In den vergangenen sechs Wochen habe ich sechs Romane aus Amerika gelesen, die mit dem Thema Film nichts zu tun haben, aber sehr zu empfehlen sind: „Die Lady im See“ von Raymond Chandler, „Crossroads“ von Jonathan Franzen, „Harlem Shuffle“ von Colson Whitehead, „Zum Paradies“ von Hanya Yanagihara, „Die Bierkönigin von Minnesota“ von J. Ryan Stradal und „King Zeno“ von Nathaniel Rich. Sie spielen an verschiedenen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten, aber es gibt in allen sechs Romanen eine große Amerika-Präsenz aus differenten Perspektiven.

Schauplätze: San Bernardino und der Little Fawn Lake in Kalifornien. Zeit: 1943. Der Detektiv Philipp Marlowe übernimmt den Auftrag, die verschwundene Ehefrau Crystal Kingsley zu suchen. Ist sie mit ihrem Liebhaber nach Mexiko geflüchtet? Marlowe ermittelt für den Ehemann. Wer ist die Leiche, die im See gefunden wird? Die Identifikation erfordert viel Arbeit, und wir werden von Raymond Chandler immer wieder überrascht. Bei Diogenes ist jetzt eine Neuübersetzung von Robin Detje erschienen. Mit einem informativen Nachwort von Rainer Moritz.

Schauplätze: ein fiktiver Vorort von Chicago und verschiedene Städte in Arizona. Zeit: Advent 1971/Ostern 1972. Wie erleben der evangelische Pfarrer Russ Hildebrandt, seine Frau Marion und ihre vier Kinder Clem, Becky, Perry und Judson den Beginn des Jahrzehnts? Aus ihren sehr verschiedenen Perspektiven wird auf 83o Seiten erzählt. „Crossroads“ heißt eine religiöse Jugendgruppe der Gemeinde. Der Roman von Jonathan Franzen ist Band eins einer geplanten Trilogie und sehr lesenswert. Die hervorragende Übersetzung stammt von Bettina Abarbanell.

Schauplatz: New York. Zeit: 1959 / 1961 / 1964. Der Möbel-händler Ray Carney hat sich eigentlich aus dem Gangstermilieu befreit, ist verheiratet, ein zweites Kind wird erwartet. Weil das ehrlich verdiente Geld nicht reicht, lässt sich Ray auf kleine Deals ein. Sein schwuler Cousin Freddie spielt dabei eine ambivalente Rolle. Aber sein Kumpel Pepper erweist sich  mehrfach als hilfreich. Es gibt viele spannende Situationen. Die Polizei hat das Nachsehen. Der Roman von Colson Whitehead ist ein spannender Blick in das Harlem der 1960er Jahre. Übersetzt von Nikolaus Stingl.

Schauplätze: New York und Hawaii. Zeit: 1893 / 1993 / 2093. Drei Romane, verbunden durch ein Haus am Washington Square. Der Blick zurück ist ebenso eine Vision wie der Blick in die Zukunft. Träume von Schwulen-Beziehungen vor 128 Jahren. Eine Hommage an die Hawaii-Inseln und Erinnerungen an die Aids-Epidemie vor 28 Jahren. Ein verändertes New York in 72 Jahren. Die Teile 1 und 2 habe ich sehr gern gelesen, im dritten Teil übertreibt die Autorin Hanya Yanagihara ein bisschen das Spiel mit Namen und Personen. Übersetzt von Stephan Kleiner. Claassen Verlag.

Schauplatz: Minnesota. Zeit: 1959 bis 2019. Zwei Themen: eine schwierige Familie und die Herstellung von Bier. Die Schwestern Helen und Edith sind zerstritten. Helen investiert viel Geld in ihre Bierbrauerei, Edith arbeitet in einem Altersheim und bäckt die besten Pies. Diana ist Waisenkind und wohnt bei ihrer Großmutter Edith. Als sie bei einem Diestahl erwischt wird, muss sie zur Strafe in einer Brauerei arbeiten. Das ändert ihr Leben. J. Ryan Stradal verbindet die beiden Themen auch emotional. Und man lernt viel über die Kunst des Bierbrauens. Übersetzt von Kathrin Bielfeldt. Diogenes Verlag.

Schauplatz: New Orleans. Zeit: Mai 1918 bis März 1919. Ein Kanal zwischen Mississippi und Lake Pontchartrain soll für die Stadt große Veränderungen bringen. Die Mafiapatin Beatrice Vizzini ist finanziell daran beteiligt. Ein Axtmörder treibt sein Unwesen. Der Ermittler Bill Bastrop, durch den Krieg traumatisiert, ist unermüdlich auf Spurensuche. Der junge Schwarze Izzy Zeno arbeitet am Kanalbau mit und bläst abends Trompete in einer Band. Die neue Musik wird erst Jass und dann Jazz genannt. Und dann kommt noch die Epidemie der Spanischen Grippe. Drei Hauptfiguren, ein spannender Plot. Übersetzt von Henning Ahrens. Rowohlt Berlin.

Und am 23. März erscheint ein siebter Amerika-Roman, den ich schon jetzt sehr empfehlen kann: „Der große Fehler“ von Jonathan Lee. Schauplatz: New York. Zeit: 1830-1903. Hauptfigur: Andrew Green, Initiator des Central Parks.