Dennis Hopper – The Lost Album

Im Berliner Martin-Gropius-Bau wird heute eine besondere Fotoausstellung eröffnet. In Zusammenarbeit mit dem Dennis Hopper-Trust werden erstmals in Europa über 400 Vintage-Prints von Hopper präsentiert, die erst nach seinem Tod, verborgen und fast vergessen, wieder gefunden worden sind. Im Fort Worth Art Center Museum in Texas waren sie 1969 zu sehen. Hopper (1936-2010) hat in den 1960er Jahren mit Leidenschaft fotografiert: Schauspieler, Künstler, Friedhöfe, Stierkämpfe, politische Ereignisse. George Seeßlen hat in der neuen Zeit (Beilage „Kultursaison“) darüber einen sehr schönen Text geschrieben. Auf dem Plakat, unschwer zu erkennen, ist Paul Newman 1964 im Schatten eines Zauns zu sehen.

Babelsberger Professoren

Auch Filmhochschulen müssen sich in der Konkurrenz profilieren. Dafür reichen offenbar nicht die Auszeichnungen von Studentenfilmen. Die HFF ‚Konrad Wolf’ in Babelsberg, mit 58 Jahren die älteste deutsche Filmhochschule, wirbt jetzt mit einer Publikation über ihre Lehr-kräfte. Zehn Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs Drehbuch/Dramaturgie porträtieren in einem Buch den noch amtierenden Präsidenten und 34 Professorinnen und Professoren der elf Studiengänge. Die Texte – je zwei bis drei Seiten – sind informativ und natürlich den Protagonisten zugeneigt. Aufmacher ist jeweils ein Foto. Ein Anhang listet die Lehrenden und ihre „Schaffenszeit“ an der HFF von 1954 bis in die Gegenwart auf. Herausgegeben von der Kanzlerin Brigitte Klotz und dem Dramaturgie-Professor Torsten Schulz.

Bernd Eichinger

Mit der Abkürzung BE habe ich bisher vor allem das Berliner Ensemble verbunden. Und Eichinger war eben Eichinger. Seine Witwe Katja führt für den Buchtitel eine autobiografische Quelle ins Feld, die auf den existentiellen Subtext Let it B.E. verweist. Fünf Jahre waren Bernd und Katja Eichinger verheiratet, dann starb er am 24. Januar 2011, und die Witwe begann zu schreiben. Es ist ein erstaunliches Buch, das jetzt bei Hoffmann & Campe erschienen ist, geprägt von der Nähe der Autorin zum Protagonisten: intim in vielen Details, sehr gut recherchiert, besser formuliert als manche andere, zeitgleich erschienene (Auto-)Biografie. Briefe, Tagebucheintragungen, handschriftliche Zettel und Dokumente konkretisieren den Text der Autorin. Er wird eingerahmt von Schilderungen des Sterbetages, bei denen auch Auslassungen angenehm auffallen. Die Biografie von Detlef Dreßlein und Anne Lehwald bei Heyne 2011 war ein Schnellschuss. Katja Eichingers Biografie hat eine ganz andere Dimension. Dafür gebührt ihr Respekt. Mit 44 schwarzweißen und farbigen Abbildungen, aber leider ohne Personen- und Filmtitel-Register.

Resonanz-Räume

In zwanzig Beiträgen geht es um die Stimme. Sie ist – trotz ihrer großen Bedeutung im Tonfilm und in den Medien der letzten Jahrzehnte – ein relativ wenig erforschtes Thema der Filmgeschichte. In vier großen Kapiteln (Zeitbilder / Identitätsbilder / Nicht-menschliche Stimmen / Stimm-Techniken, Stimm-Wirkungen) fügen sich die Texte zu einem interessanten audio-visuellen Panorama, beginnend mit der Frühzeit des amerikanischen, französischen und russischen Tonfilms. Bei David Assmann geht es dann um die Stimmfärbung von law and order in den Figuren John Waynes und James Stewarts, Larson Powell beschreibt das Verhältnis von Bild und Stimme in Konrad Wolfs GETEILTEM HIMMEL, Oliver Kreutzer die Filmstimmen von Doppelgängern, Zwillingen und Gender-Überläufern und die Herausgeberin Oksana Bulgakowa den Klang der 1950er Jahre am Beispiel von Marlon Brando und Innokenti Smoktunowski. Claudia Schmölders geht in ihrem sehr interessanten Beitrag der Frage nach, warum Frauenstimmen in historischen Mediendokumenten völlig unterrepräsentiert sind. In zwei Interviews kommen die Tonmeister Ben Burtt und Jim Webb zu Wort. Das ausdrucksstarke Titelfoto stammt von einem Photoplay-Cover aus dem Jahr 1929.

Pina – Der Film und die Tänzer

Dies ist mehr als „das Buch zum Film“. Natürlich steht der Film PINA von Wim Wenders im Zentrum der Publikation. Donata Wenders hat die Dreh-arbeiten fotografisch begleitet und den experi-mentellen Charakter der 3-D-Produktion eindrucksvoll dokumentiert. Darüber hinaus ist ihr ein sehr persönlicher Blick hinter die Kulissen des Wuppertaler Tanztheaters gelungen. Mit einem Text von Wim Wenders. Drucktechnisch auf höchstem Niveau. Verlag: Schirmer/Mosel.

Der Nationalsozialismus im Film

Das Buch von Sonja Schultz hat alle Qualitäten für ein „Filmbuch des Monats“. Aber ich gestehe, dass es mich stört, einen Monat lang auf der Eröffnungsseite meiner Homepage die aufgereihten Hakenkreuz­fahnen aus Leni Riefenstahls TRIUMPH DES WILLENS vor Augen zu haben. Mutig, fleißig und aufmerksam hat sich die Autorin in ihrer Dissertation (Humboldt-Universität Berlin) durch achtzig Jahre Weltfilmgeschichte hindurchgearbeitet und die Darstellung des Nationalsozialismus im internationalen Spiel- und Dokumentarfilm erforscht. Auf rund 400 Filme lässt sie sich genauer ein, beginnend mit HITLER ÜBER DEUTSCHLAND (1932), endend mit IRON SKY (2012) von Timo Vuorensola. Sie geht – mit Vor- und Rückgriffen – chronolo-gisch vor, ordnet in Dekaden und bildet Schwerpunkte, auch was den Umfang der Epochen betrifft. Natürlich werden die wichtigsten Filme genauer analysiert, aber oft müssen auch kurze Hinweise ausreichen, wobei sich die Autorin darauf verlassen kann, dass viele Titel in guter Erinnerung sind. Mit einer umfangreichen Bibliografie lädt sie zur vertiefenden Lektüre ein. Im Stil vermeidet Sonja Schulz soweit wie möglich den Wissenschaftsjargon, sie ist konkret in den Beschrei-bungen und nüchtern in den Bewertungen. Mit Quellenhinweisen und Fußnoten sichert sie sich ausreichend ab, nervt aber den Leser nicht über die Maßen. Für ihre Arbeitsleistung gebührt der Autorin großer Respekt. Bertz + Fischer haben wie immer viel Arbeit in den Band investiert, er ist gut lektoriert, zu den schwarzweißen Abbildungen kommt in der Mitte des Buches ein 32seitiger Farbteil. Also doch ein Buch des Monats.

Raum und Identität im Film

Neun Texte versammelt dieser Band. Sie wurden im Herbst und Winter 2010/11 an der Philosophischen Fakultät in Sarajewo (Bosnien-Herzegowina) als Vorlesungen vorgetragen und sollten eine Diskussion darüber anregen, „in wieweit der Film als Medium und Kunstform zur Konstitution der Identität und des Raumes in der globalen Kultur beiträgt.“ Im Ergebnis stellen sich wenig konkrete Verbindungen her, aber einzelne Beiträge haben große Qualitäten, zum Beispiel der Text des Wiener Professors Klemens Gruber über die „Räume der Avantgarde“, die Reflexion des Konstanzer Medienwissen-schaftlers Joachim Paech über „Verkörperte Zeit“ in Christopher Nolans PRESTIGE, die Interpretation des Philosophen Samir Arnautovic der Metaphysik in den Filmen von Stanley Kubrick, die Entdeckungen des Studenten und Kommunalen Kinomachers Tim Glaser „Zur Präsenz unheimlicher Medien im modernen japanischen Horrorfilm“ und natürlich die medialen Zukunftsüberlegungen von Georg Seeßlen „Do Androids Dream of Virtual Spaces?“. Mehr zum Buch: 338–raum-und-identitaet-im-film.html

Der absolute Film

„Absoluter Film“ war von den 1910er bis in die frühen 1930er Jahre die Avantgarde, die sich befreite von der Wiedergabe der Realität und vom Erzählen fiktiver Geschichten. Sie spielte mit den Formen, nahm Anregungen der Bildenden Kunst und der Musik auf und bereicherte das Kino auf individuelle Art. Die Anthologie aus Zürich, herausgegeben von Christian Kiening und Heinrich Adorf, ist ein klassischer Sammelband. Er enthält 58 Texte, chronologisch geordnet, beginnend mit Bruno Corradines „Chromatischer Musik“ (1912), endend mit der Dissertation „Das Lichtspiel“ von Victor Schamoni (1936). Natürlich sind die großen Protagonisten wie Walter Ruttmann, Hans Richter, László Moholy-Nagy, Germaine Dulac, Fernand Léger und Oskar Fischinger und wichtige Filmkritiker wie Rudolf Arnheim, Fritz Böhme, Bernhard Diebold vertreten. Selbstdarstellungen wechseln mit kritischen Beiträgen. Der Anhang enthält eine umfangreiche Biobibliografie der Autoren und ein 90seitiges Nachwort, das den „absoluten Film“ historisch einordnet. Vorbildlich ediert.

Emilie Altenloh

Diese soziologische Dissertation, verfasst vor hundert Jahren von Emilie Altenloh, heraus-gegeben von Alfred Weber, gedruckt 1914, also vor Beginn des Ersten Weltkriegs, ist legendär, weil sie erstmals wissenschaftliche Auskünfte über die Kino-Unternehmung der Frühzeit und die sozialen Schichten ihrer Besucher enthält. Altenloh hatte damals in Mannheim und Heidelberg die Kinosituation erforscht und 3.000 Fragebögen für ihre empirische Untersuchung verteilt. Ihre Beschreibung der technischen und wirtschaftlichen Bedingungen des Kinematographen und der Erwartungen der Zuschauer sind eine einmalige Quelle, auch wenn sie nicht heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen genügen mag. Das Buch wurde immer wieder zitiert, in den 1970er Jahren kursierte ein Raubdruck, nun ist, herausgegeben von Andrea Haller, Martin Loiperdinger und Heide Schlüpmann, bei Stroemfeld eine Neuausgabe erschienen. Sie enthält natürlich den vollständigen faksimilierten Text der Dissertation, wurde aber ergänzt durch zeitgenössische Rezensionen und sieben aktuelle Beiträge, die das Buch in einen historischen Zusammenhang stellen. (In einem meiner Filmbuchregale steht die Originalausgabe, die ich 1968 im Berliner Antiquariat von Carl Wegener in der Martin-Luther-Straße für 17 DM erworben habe.)

Peter Nestler

Das Warten hat sich gelohnt. 22 Filme von Peter Nestler liegen jetzt in technisch sehr gutem Zustand als verspäteter Gruß zum 75. Geburtstag als DVD vor. Es sind vor allem Filme aus den sechziger Jahren, die mich mit dem Dokumentaristen verbinden. EIN ARBEITERCLUB IN SHEFFIELD (1965) gehört bis heute zu meinen Lieblingsfilmen. Fünf DVDs ordnen das Werk – es handelt sich um seine deutschen Filme – in die Kapitel „Frühe Poetik“, „Verfolgte und Verfolger“, „Geschichte und Erinnerung“, „Natur und Kultur“ und „Ungarische Impressionen“. Kay Hoffmann fungiert als Herausgeber der Box im Zusammenwirken vom Haus des Dokumentarfilms mit der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen. Wieder schließt Absolut Medien eine Lücke in der Reihe „Die großen Dokumentaristen“. Im Bonusmaterial findet man das schöne Gespräch zwischen Christoph Hübner und Peter Nestler, das sie 1994 geführt haben. Vom Herausgeber Hoffmann stammt auch ein informatives Booklet, das der Box beiliegt.