04. März 2014
Film und Filmtheorie
Der Band enthält die Beiträge, die im Mai 2013 auf der psychoanalytisch-literaturwissenschaftlichen Tagung zum Thema „Film und Filmtheorie“ in Freiburg vorgetragen wurden. Das sind neun Texte, die sich in der Regel auf einen Film konzentrieren und ihre theoretischen Ansprüche durchaus einlösen. Gerhard Schneider unternimmt eine „kulturpsycho-analytische“ Interpretation von Alfred Hitchcocks PSYCHO (1960). Marcus Stiglegger definiert die „Seduktions-theorie“ des Films am Beispiel von Darren Aronofskys BLACK SWAN (2010). Bei Mechthild Zeul geht es – mit großem theoretischen Vorlauf – um die „Erwartungsverletzungen“ am Beispiel von RAISING AROZONA (1987) der Brüder Joel und Ethen Coen. Joachim Pfeiffer analysiert die Inszenierung der Träume in Ingmar Bergmans WILDEN ERDBEEREN (1957). Auch Tatjana Jesch beschäftigt sich mit der Traumdarstellung, ihr Film ist Christopher Nolans INCEPTION (2010). Bei Claudia Liebrand kommt ein zweiter Hitchcock-Film ins Spiel: SPELLBOUND (1945); für Psychoanalytiker immer ein ergiebiges Thema. Angelika Sandholz interessiert der Eifersuchtswahn in Luis Buñuels ÉL (1953). Bei Ortrud Gutjahr geht es um Selbstbehauptungswillen und Todesverlangen in Fatih Akins GEGEN DIE WAND (2004). Christa Rohde-Dachser nimmt drei Filme als Untersuchungsbeispiele: DEAD MAN (1995) von Jim Jarmusch, KIRSCHBLÜTEN – HANAMI (2008) von Doris Dörrie und MELANCHOLIA (2011) von Lars von Trier. Ihr Thema sind die Variationen des „Erlösungsmythos“. Die Konkretisierung in den Filmbeispielen kommt den Texten zugute. Mehr zum Buch: 400sjcsd2q5
28. Februar 2014
Chaplin in Deutschland
Norbert Aping ist Jurist, er leitet das Amtsgericht in Buxtehude. Sein Hobby ist die Charlie Chaplin-Forschung. Vor drei Jahren hat er das Buch „Liberty Shtunk! Charlie Chaplin und die Nationalsozia-listen“ publiziert. Jetzt geht es um die Verzögerung, mit der Chaplin und seine Filme in die deutschen Kinos kamen. Im Zuge des Ersten Weltkriegs und seiner Folgen bewirkten die Beschränkungen des US-Exports und des deutschen Imports, Zensurfragen und Konkurrenzen, dass der erste Chaplin-Film THE RINK (1916; deutscher Titel: CHAPLIN LÄUFT ROLLSCHUH) erst im August 1921 im Beiprogramm im Ufa-Palast am Zoo zu sehen war. Da war der Komiker längst weltweit bekannt, Filmkritiker und Intellektuelle beschwerten sich über die Verspätung, es war bereits das erste Chaplin-Buch in deutscher Sprache erschienen. Aping hat alle Aspekte der Verspätung genau recherchiert, in Archiven geforscht, Zeitungen und Zeitschriften ausgewertet und die Chaplin-Rezeption bis 1924 bis ins Detail dokumentiert. Dazu gehören auch die Reaktionen auf den ersten abendfüllenden Spielfilm THE KID (1921, deutsche Erstaufführung im November 1923), der natürlich ein großer Erfolg beim Publikum und der Kritik wurde. Das Buch enthält viele hochwertige Abbildungen. Vorwort: Daniel Kothenschulte. Man kann davon ausgehen, dass Aping inzwischen die deutsche Chaplin-Rezeption der Jahre 1925 bis 1933 erforscht. Mehr zum Buch: chaplin-in-deutschland.html
26. Februar 2014
Importing Asta Nielsen
Im September 2011 fand im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main die internationale Konferenz „Importing Asta Nielsen“ statt, in der es um die Strategien bei der Etablierung des Starsystems in den frühen 1910er Jahren ging. Die dänische Darstel-lerin (1881-1972) hatte sich 1911 vertraglich verpflich-tet, jährlich zehn Filme unter der Regie ihres dama-ligen Ehemannes Urban Gad, exklusiv für die „Deutsche Bioscop“ zu drehen und damit den Grundstein für ihre Karriere gelegt. Sie wurde zum ersten international bekannten Filmstar. Das Buch, herausgegeben von Martin Loiperdinger und Uli Jung, dokumentiert die Tagungsbeiträge, ergänzt durch diverse zusätzliche Texte. Insgesamt sind es dreißig Beiträge, die uns die Markteroberung durch diesen Star vor Augen führen: in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Spanien, Schweden, Großbritannien, Italien, Russland, den Niederlanden, Frankreich, den USA, Brasilien, Australien und Japan. Drei Beiträge analysieren am Ende etwas genereller die Positionierung des Nielsen-Status. Die Abbildungen (Filmfotos, Porträts, Zeitungsanzeigen, Plakate, spezielle Werbemaßnahmen) sind brillant. Ein wichtiger Band zur Geschichte des frühen Kinos. Cover-Abbildung: Plakatausschnitt DER TOD IN SEVILLA (1913). Mehr zum Buch: srch&ID=161 .
25. Februar 2014
Kinematographisches Handeln
Der Filmemacher und Medienwissen-schaftler Rainer Bellenbaum reflektiert zunächst philosophisch und filmhistorisch die kinematografischen Handlungsmodelle in der Frühzeit; da geht es vor allem um die Brüder Lumière, Edwin S. Porter und David W. Griffith. Als philosophische Stützpfeiler dienen Hannah Arendt, Jacques Lacan und Jürgen Habermas. Im zweiten Kapitel werden die Produktionsmittel durchdacht; dafür sind ihm Hans Richter, Viking Eggeling, Fernand Léger, Man Ray, Germaine Dulac, Luis Bunuel, Dziga Vertow und Marcel Duchamp die wichtigsten Protagonisten. Philosophische Schützenhilfe kommt von Henri Bergson und Gilles Deleuze. Das dritte Kapitel heißt „Film als Aktivität“. Schauplatz ist hier zunächst die USA, die handelnden Personen sind Maya Deren, Joseph Cornell, Stan Brakhage, Andy Warhol und Jonas Mekas, dann geht es über Kanada (Michael Snow) nach Europa, zu Michelangelo Antonioni, Jean-Luc Godard und Lars von Trier. Im vierten Kapitel, „Migrationen des Kinematografischen“, schließt sich der Gedankenkreis des Autors. Das Kino ist nicht mehr der wichtigste Ort des kinematografischen Handelns, sondern das Museum, der Ort für Ausstellungen. Hauptdarsteller sind nun Harun Farocki, Maurizio Lazzarato, Angela Melitopoulps, Omer Fast und Yael Bartana. 18 gut ausgewählte Abbildungen. Mehr zum Buch: k-handeln/index.html
24. Februar 2014
Herbert Linder
Er hat kluge, differenzierte Texte zum Thema Film geschrieben, die noch immer lesenswert sind. Sie erschienen ab 1964 in der Zeitschrift Filmkritik, ab 1967 in der Süddeutschen Zeitung, ab 1968 im Zürcher Tages-Anzeiger. Er galt als sehr intelligent, aber streitsüchtig. Persönlich habe ich ihn nicht kennen gelernt. Herbert Linder (1941-2000) ist der 17. Band der Reihe „Film & Schrift“ gewidmet. Die Hommage von Stefan Flach ist als fiktiver Dialog zweier „Nachgeborener“ gestaltet, die sich über die „Ästhetische Linke“ Gedanken machen. Rolf Aurich hat sich auf das Jahr 1972 konzentriert, ausgehend von einem Themenheft der Filmkritik zu Leni Riefenstahl (Redaktion: Herbert Linder und Herman Weigel). Er fördert sehr widersprüchliche Meinungen über Linder zutage. Die „Zeittafel“, hervorragend recherchiert, listet die sehr komplexen Tätigkeiten Linders in den 1960er und frühen 70er Jahren auf. 1971 wanderte er nach Amerika (N.Y.) aus, gab zwei Nummern der Zeitschrift Filmhefte heraus und betrieb in den folgenden Jahren ein Antiquariat für Filmliteratur, Fotografie und Architektur. Das Buch dokumentiert 31 Texte, darunter den phänomenalen Essay über Max Ophüls, „Die Lust am Sehen“, publiziert in der Filmkritik im Mai 1967. Und man kann viele Entdeckungen machen. Ich kannte zum Beispiel nicht seine Überlegungen zu den Marx-Brothers aus dem Tages-Anzeiger (1969) und hatte seine Assoziationen zu Amerika in der Filmkritik (April 1971) schlicht vergessen. Die beigefügte DVD enthält den Mitschnitt eines Gesprächs zwischen Raimund Koplin und Herbert Linder aus dem Frühjahr 1969. Mehr zum Buch auf der neuen Homepage des Verlages edition text + kritik: UxBV2xxiBgs
21. Februar 2014
Genre Hybridisation
Im Februar 2012 fand in Mainz eine Konferenz zum Thema „A Paradigm of Cultural Globalization“ statt. Die Vorträge – alle in Englisch – wurden jetzt in der Reihe „Marbur-ger Schriften zur Mediendrama-turgie“ publiziert. Einige interessante Texte wurden hinzugefügt. Der Horizont ist weit gespannt. Es geht um Geschichte und Gegenwart, um diverse Genre, einzelne Filme und auch einige weit entfernte Länder. Die beiden Herausgeber, Ivo Ritzer und Peter W. Schulze (Mainz), haben eine ausführliche Einleitung verfasst. Ich wähle sechs Texte aus, die mich am meisten interessiert haben: Marcus Stigleggers Referat über den Gothic Horror in Antonio Margheritis Spaghetti-Western. Dimitri Eleftheriotis’ Essay über die Filme von Jules Dassin (ihm haben wir 1984 eine Hommage der Berlinale gewidmet), Ivo Ritzers Vortrag über „Hybridisation, Deterritorialism, and the Post-Colonial Imaginary in Transnational Philippine Media Culture“ (auch wenn das philippinische Kino mir eher fremd ist), Barry Keith Grants Überlegungen zu Bram Stokers „Dracula“ und den beiden Verfilmungen von Murnau und Herzog, Irina Gradinaris Erkenntnisse über das neue russische Action-Kino von Aleksay Balabanov und Oksana Bulgakowas Text über den Umgang mit Genres und den zeitweiligen Verzicht darauf im sowjetischen Kino von den 1920er bis in die 50er Jahre. Die Abbildungen sind technisch perfekt, auch wenn sie manchmal relativ klein erscheinen. Mehr zum Buch: global-cinematic-flow.html
20. Februar 2014
Dokumentarfilm-Ausbildung
Es geht um die Ausbildung zum Filmdokumentaristen. Der Herausgeber Edmund Ballhaus ist Volkskundler und Filmemacher. Sein Buch hat eine klare Struktur: in vier Kapiteln werden die Filmhochschulen, die Kunsthochschulen, die ethnologischen und die kulturanthropologischen Institute Deutschlands, der Schweiz und Südtirols (Bozen) mit ihren Unterrichtskonzepten vorgestellt. Es gibt Interviews und Projektberichte. In einem letzten Kapitel werden Dokumentarfilmkonzepte und Repräsentationsformen im Umbruch thematisiert. Zu den Autoren gehören einige mir bekannte Protagonisten der Filmausbildung: Mathias Allary, Pepe Danquart, Dietrich Leder, Klaus Stanjek, Heiner Stadler, Dominik Wessely. Man spürt ihre oft langjährige Lehrerfahrung, Das Telefonat des Herausgebers mit Thomas Schadt hat einen fast dokumentarischen Duktus. Schadt bringt immerhin auch die Berliner dffb ins Spiel, die ansonsten in diesem Band nicht vorkommt, weil sie keinen eigenen Dokumentarfilm-Schwerpunkt hat. Auch die Wiener Filmakademie fehlt. Diese Lücken verwundern, aber die Lektüre der Texte vor allem von Leder (KHM, Köln), Stadler (HFF München), Stanjek (HFF Babelsberg) und Wessely (ifs, Köln) lohnt sich. Keine Abbildungen. Mehr zum Buch: =102864&verlag=4
19. Februar 2014
Zur Genese des Jungen Deutschen Films
Mit dieser Dissertation hat Michaela Ast 2013 an der Ruhr-Universität in Bochum promo-viert. Der Titel „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.“ ist ein Zitat aus dem „Oberhau-sener Manifest“ vom Februar 1962. Die Autorin stellt ihren Text methodisch in den Zusammenhang der „New Film History“, sie untersucht das Entstehen des Jungen Deutschen Films nicht primär an den Filmen selbst, sondern stellt sie in den größeren Zusammenhang (film)politischer, (film)publi-zistischer und gesellschaftlicher Veränderungen. Ein wichtiger Aspekt sind für sie die „Westdeutschen Kurzfilmtage“ in Oberhausen. Auch die Zeitschrift Filmkritik spielt für sie eine große Rolle. Sie hat in den Archiven sorgfältig recherchiert (davon zeugen 1.369 Quellenhin-weise). Eigene Kapitel gelten der Frage „Operationalisierung des Films für Gesellschaftskritik oder Operationalisierung von Gesellschaftskritik für den Film?“ und dem Verhältnis des Jungen Deutschen Films zu Sprache und Literatur. Der Anhang enthält reproduzierte Dokumente und fünf Interviews mit Zeitzeugen, mit den Manifest-Unterzeichnern Bernhard Dörries und Haro Senft, dem damaligen Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage Hilmar Hoffmann, dem filmpolitisch sehr engagierten Tagesspiegel-Redakteur Volker Baer und der Schauspielerin Hanna Schygulla. Das Cover-Foto stammt von Haro Senft. Mehr zum Buch: wir-glauben-an-den-neuen.html
18. Februar 2014
TAT/ORT
Mit der Krimireihe in unserem Ersten Fernsehprogramm hat dieses Buch nicht das Geringste zu tun. Es handelt sich vielmehr um die Dissertation des Schweizer Filmwissenschaftlers Johannes Binotto, mit der er 2010 in Zürich promoviert hat. Den Eingang in seinen Text bildet das Horrorhotel „The Castle“ in Chicago, das der Serienmörder H. H. Holmes in den 1890er Jahren erbauen ließ und zu einem Tatort machte. Am Ende, als Ausgang, sind wir in dem von Gregor Schneider ab 1985 erbauten „Haus ur“ in Mönchengladbach-Rheydt, das wie ein Irrgarten funktioniert. Auf der Basis des von Freud und Lacan für die Psychoanalyse definierten „Unheimlichen“ schlägt Binotto einen großen historischen Bogen durch die Kulturgeschichte, von Giovanni Battista Piranesi über Edgar Allen Poe, Charlotte Perkins Gilman, H. P. Lovecraft bis zu Fritz Lang („Obskure Kammern“) und Dario Argento („Perverse Räume“). Bei jeder Person findet der Autor einen für die Thematik individuellen Kern. Und wer eine Affinität zum Unheimlichen hat, wird mit vielen Entdeckungen konfrontiert. Dass Binotto ein glänzender Stilist ist, wissen wir u.a. aus seinen Texten für das Film-Bulletin. Seine Dissertation wurde von Elisabeth Bronfen wissenschaftlich betreut. Ein kleiner Nachteil des Buches: die Abbildungen sind technisch nicht gerade brillant. Titelfoto: Detail aus Hans Holbeins „The Ambassadors“ (1533). Mehr zum Buch: tatort-2178
14. Februar 2014
Hollywood in Kodachrome
Dies ist ein ganz spezielles Bilderbuch. Es handelt von den großen Hollywood-Stars der 1940er Jahre. Alle Fotos in den schönsten Farben, nichts ist verblasst. Mehr Hoch-glanz ist kaum vorstellbar. Es geht auf 328 Seiten um die Göttinnen und Götter der Zeit. Um ihre Gesichter, ihre Figur, ihre Kleider oder Anzüge, um Hüte und Schuhe, um Frisuren, Augen, Lippen, Hände und Schmuck, um privates Leben und öffentliche Auftritte, zu zweit, auch in Gruppen, aber vor allem allein, mit sich und dem Fotografen, der zu Posen animiert oder nur das Gesicht porträtiert. So sehen wir u.a. Ingrid Bergman, Bette Davis, Marlene Dietrich, Rita Hayworth, Hedy Lamarr, Jane Russell, Barbara Stanwyck, Fred Astaire, Humphrey Bogart, Montgomery Clift, Gary Cooper, William Holden, Frank Sinatra und 100 andere Stars, deren Namen zum Teil nur noch Spezialisten bekannt sind. Fotografiert von den Großen der Zeit, zum Beispiel George Hurrell, Clarence Sinclair Bull, Paul Hesse, Eugene Robert Richee. Auch der Krieg kommt ins Bild: Stars in Uniform, patriotisch vor der amerikanischen Flagge positioniert. Ein eigenes Kapitel gilt der Werbung: Zigaretten, Lippenstifte, Max Factor, Royal Crown Cola, Mint Cocktail, Lipton Tea. David Willis und Stephen Schmidt haben die Publikation herausgegeben, Rhonda Fleming hat ein Vorwort geschrieben. Titelbild: Lauren Bacall. Unser Freund Rick Rentschler hat uns das Buch aus Amerika mitgebracht. Danke! Mehr zum Buch: 9780062265548