Walter Plathe

2017.Ich habe nichts ausgelassenBekannt wurde er deutschland-weit mit der ZDF-Serie DER LANDARZT, in der er in 181 Folgen von 1992 bis 2009 den Arzt Dr. Ulrich Teschner spielte. In der DDR war er zuvor ein vielseitig einzusetzender Dar-steller im Fernsehen (zum Beispiel in den Serien MÄRKI-SCHE CHRONIK und TREFF-PUNKT FLUGHAFEN), in Kinofilmen und auf der Bühne. Jetzt hat Walter Plathe (*1950) seine Autobiografie geschrie-ben, sie ist im Verlag Neues Leben erschienen und hat den ironisch gemeinten Titel „Ich habe nichts ausgelassen“. In 14 Kapiteln erzählt Plathe seine Lebensgeschichte – inklusive der vorgeburtlichen Phase vieler unglücklicher Umwege seiner Mutter Melitta, zu der er eine intensive Beziehung hatte. Anekdotenreich wird der Weg von der Schule in den Beruf geschildert: die Überlegungen, Tierarzt zu werden, die Ausbildung auf der Schauspielschule, die ersten Erlebnisse auf der Bühne, die Affinität zu Heinrich Zille und Otto Reutter, die kleinen Konflikte mit den Machtstrukturen der DDR. Interessant sind die Erfahrungen mit dem Fernsehfunk und die persönlichen Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit Frank Beyer. Die Erlebnisse mit drei Dackeln sind vielleicht weniger mitteilenswert als die Erinnerungen an drei Pianisten, die den singenden Plathe begleiteten. 1989 verließ er die DDR, zu der er aber insgesamt eine Zuneigung behalten hat. Auch Privates ist nicht ausgespart. Diese Memoiren eines Volksschauspielers haben ihren Charme. Mit Abbildungen. Mehr zum Buch: nichts-ausgelassen.html

Filmmusik und Narration

2017.Filmmusik + NarrationDer Band dokumentiert in elf Texten ein Symposium, das im September 2013 an der Dresde-ner Hochschule für Musik statt-gefunden hat. Es geht in allen Beiträgen um die Beeinflussung des filmischen Erzählens durch die Musik. Panja Mücke analy-siert (mit Notenbeispielen) die Originalkompositionen Giuseppe Becces zu TARTÜFF von F. W. Murnau. Robert Rabenalt kon-kretisiert den Zusammenhang von Narration und Musik im Film an verschiedenen Beispie-len (u.a. IL MERCENARIO, KILL BILL VOL.2, STRANGER THAN FICTION und YOJIMBO). Auch der Literaturwissenschaftler Willem Strank verweist in seinen „Überlegungen zur Intertextualität von Filmmusik“ auf konkrete Beispiele: Malicks THE NEW WORLD, den Song „Shall We Gather At The River?“ und 2001: THE SPACE ODYSSEY von Stanley Kubrick. Josef Kloppenburg informiert in seinem Text „Filmsyntax und Filmmusik“ sachkundig über die Fachliteratur. Guido Heldt erhofft sich Inspirationen für die Musikforschung von der Erzähltheorie. Markus Bandur formuliert „Grundüberlegungen zur Bedeutung der Musik für das filmische Erzählen“. Wolfgang Thiel erinnert an „Möglichkeiten und Grenzen ‚sprechender’ Orchesterklänge in Berlin-Spielfilmen zwischen 1945 und 1975“. Federico Celestini sieht die „Narration aus Sicht der Musik- und Literaturwissenschaft“ (Michail M. Bachtin, Gustav Mahler). Bei Hans J. Wulf geht es um „Suprasegmentale Funktionen der Filmmusik“. Claudia Bullerjahn beschäftigt sich mit Musik und Narration im Westernfilm. Und Julia Heimerdinger informiert über Elektroakustik im Film. Die meisten Texte richten sich speziell an Musikwissenschaftler/innen. Abbildungen nur im TARTÜFF-Text. Es fehlen Angaben zu den Autorinnen und Autoren. Mehr zum Buch: filmmusik-und-narration.html

Orte der Klassik

2017.Orte der KlassikEine Dissertation, die an der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden ist. Anett Werner analysiert darin die Filmszeno-grafie als Bedeutungs- und Stimmungsträger am Beispiel von DEFA-Literaturverfilmun-gen der 50er, 60er und 70er Jahre. Ein erster Schwerpunkt sind drei Filme von Martin Hellberg: KABALE UND LIEBE (1959), EMILIA GALOTTI (1958) und MINNA VON BARNHELM (1962). Es geht dabei um räumliche Antago-nismen (Adel / Bürgertum), um Opulenz und Minimalismus (unterschiedliche Ausstattungskonzepte in der DEFA-Verfilmung der EMILIA, in einer östlichen und einer westlichen Fernsehadaption) und um Preußentum und Berlin-Veduten (in Hellbergs MINNA, und wiederum einer ost- und einer westdeutschen Fernsehverfilmung). Zwei Fernsehfilme stehen für die 60er Jahre: EFFI BRIEST von Wolfgang Luderer (1969) und KLEINER MANN – WAS NUN? (1967) von Hans-Joachim Kasprzik. Im ersten Fall wird noch einmal nach dem Preußentum gefragt (und ein Vergleich mit Fassbinders Film FONTANE EFFI BRIEST unternommen), im zweiten Fall richtet sich der Blick auf soziale Gegenwelten (Mietskaserne / Laubenkolonie). Vier Filme repräsentieren die 70er Jahre: DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHERS (1976) und LOTTE IN WEIMAR (1975) von Egon Günther, AUS DEM LEBEN EINES TAUGENICHTS (1973) von Celino Bleiweiß und DIE ELIXIERE DES TEUFELS (1973) von Ralf Kirsten. Die Autorin verbindet in ihrem Text sehr kenntnisreich Literatur-, Kunst- und Filmgeschichte, würdigt die Leistung der verschiedenen Szenografen im Studio und an Außenschauplätzen und öffnet den Blick auf Architektur und Ausstattung in den genannten Filme durch Verweise auf Produktionen aus anderen Ländern oder aus dem DEFA-Studio. Die 239 Abbildungen in Schwarzweiß und Farbe haben auch in den kleinen Formaten eine sehr gute Druckqualität. Eine beeindruckende Publikation. Band 2 der Reihe „Scenographica. Studien zur Filmszenographie“ im Verlag VDG Weimar. Coverfoto: DIE ELIXIERE DES TEUFELS. Mehr zum Buch: orte_der_klassik-1861.html

Carl Laemmle – Ausstellung und Katalog

2016.Carl LaemmleIm „Haus der Geschichte Baden-Württemberg“ findet zurzeit die Ausstellung „Carl Laemmle presents – Ein jüdischer Schwabe erfindet Hollywood“ statt. Man kann sie noch bis zum 30. Juli 2017 besuchen. Wer an amerikanischer Studiogeschichte interessiert ist, aber eine Reise nach Stuttgart scheut, sollte sich unbedingt den beeindruckenden Katalog beschaffen, der die Ausstellung sorgfältig dokumentiert. Fotos, Briefe, Plakate und Abbildungen anderer Exponate erzählen die Lebensgeschichte von Carl Laemmle (1867-1939), der im schwäbischen Laupheim geboren wurde, mit 17 Jahren seine Familie verließ und in Amerika Karriere machte. Er war der Gründer der Universal Studios; seine Idee, die Filmproduktion von der Ost- an die Westküste zu verlagern, weil hier das Wetter sonniger und die Löhne niedriger waren, hatte die Etablierung von Hollywood zur Folge. Zu den von Laemmle produzierten Filmen gehörten THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME (1923), THE PHANTOM OF THE OPERA (1925), ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT (1930), DRACULA und FRANKENSTEIN (1931) und IMITATION OF LIFE (1934). Vor allem die Fotos mit den entsprechenden Informationen vermitteln einen Eindruck von der Schaffenskraft dieses Produzenten, dessen 150. Geburtstag im Januar dieses Jahres gefeiert wurde. Mehr zur Ausstellung: www.carl-laemmle-ausstellung.de/

„Ein wenig Leben“

HB Yanagihara_25471_MR1.inddMeine Lektüre über Ostern war kein Filmbuch, sondern der Roman „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara, ein Geschenk meines Freundes Rosa von Praunheim. Ich habe die fast tausend Seiten wie im Sog gelesen, auch wenn man zwischendurch Pausen einlegen muss, weil die Selbstzerstörung der Hauptfigur Momente hat, die kaum auszuhalten sind. Erzählt wird die Geschichte von vier Männern, die seit ihrer College-Zeit befreundet sind: Jude St. Francis, der später Anwalt wird, Willem Ragnarsson, der als Schauspieler Karriere macht, Malcolm Irvine, der ein gefragter Architekt wird, und Jean-Baptiste Marion (genannt JB), der als Maler den Lebensweg seiner Freunde begleitet. Im Mittelpunkt des Romans steht Jude, eine charismatische Schmerzensfigur, der von Kindheit an zu leiden hat, dies mit zunehmender Verzweiflung und Hoffnung übersteht, aber niemandem seine schrecklichen Erlebnisse und Erfahrungen berichten kann. Die Geschichten der vier Protagonisten werden nicht chronologisch erzählt, sie beginnen, als sie 27 Jahre alt sind, sie enden rund 30 Jahre später, nur einer von ihnen überlebt. Verwandte und Freunde begleiten sie durch die Zeit, der Arzt Andy spielt eine wichtige Rolle, Jude wird von einem älteren Paar adoptiert, Willem wird zum Lebensgefährten von Jude. Wichtigster Schauplatz ist New York, aber mehr geografisch als zeitgeschichtlich, der 11. September kommt nicht vor. Am Rande spielt auch der Film eine Rolle, denn der Schauspieler Willem wird zum Star, dreht oft in Europa und muss Jude dann allein lassen; seine Arbeit wird sehr anschaulich beschrieben. Die Übersetzung von Stephan Kleiner liest sich gut, das Titelfoto stammt von Peter Hujar, der Roman hat große Qualitäten. Mehr zum Buch: ein-wenig-leben

Zwei Filme von Iris Gusner

2017.DVD.Alle meine MädchenSie war eine der begabtesten Regisseurinnen der DEFA. Iris Gusner (*1941) hat in Moskau studiert und von 1973 bis 1988 sechs Filme für die DEFA gedreht. Am erfolgreichsten war ALLE MEINE MÄDCHEN (1980). Er erzählt die Geschich-te von fünf Mädchen in einem Berliner Glühlampenwerk. Sie gelten als vorbildliche Brigade, aber als ein Regiestudent aus Babelsberg einen Film über sie dreht, werden die Konflikte zwischen ihnen deutlich. Ihre Meisterin erlebt einen Nervenzusammenbruch. Am Ende scheidet ein Mädchen aus dem Kollektiv aus. Der Film beeindruckt durch das Zusammenspiel des Ensembles, nur Lissy Tempelhof als Meisterin ist als Darstellerin bekannt. Als Dramaturgin wirkte Tamara Trampe mit, die Kamera führt Günter Haubold. Der Film ist jetzt als DVD bei Icestorm erschienen, zusammen mit Iris Gusners ein Jahr später entstandenem Film WÄRE DIE ERDE NICHT RUND… Hier wird die Geschichte einer deutschen Studentin erzählt, die in Moskau studiert, sich in einen syrischen Kommilitonen verliebt, von ihm ein Kind bekommt, aber am Ende beschließt, nicht nach Syrien auszuwandern, sondern in die DDR zurückzukehren. Ein Akt der Emanzipation. Die beiden Hauptdarsteller (Bozena Strykówna und Rasim Balajew) sind mir unbekannt. Der Film hat viele starke Momente, in Nebenrollen sind Lissy Tempelhof, Ursula Werner und Dieter Montag zu sehen. Ich erinnere gern an das Buch „Fantasie und Arbeit“, eine „Biografische Zwiesprache“ von Iris Gusner und Helke Sander, das 2009 im Schüren Verlag erschienen ist. Es enthält interessante Informationen zu den beiden Filmen. Mehr zu den DVDs: nicht-rund.html

Robert Beavers

2017.Robert BeaversDer amerikanische Filmemacher Robert Beavers (*1949) lebt seit vielen Jahren in Europa. Im März wurden im Österreichischen Film-museum, das ihm sehr verbunden ist, verschie-dene Restaurierungen und seine drei jüngsten Filme gezeigt. Dazu erschien auch die erste Publikation über ihn, herausgegeben von Rebekah Rutkoff in der Reihe Synema/ Filmmuseum. Es ist bereits der 30. Band der Reihe. Das Buch in englischer Sprache enthält Beiträge u.a. von Gregory J. Markopoulos (bis zu seinem Tod Partner von Beavers), Jonas Mekas („Introduction to the Work of RB“), René Micha („RB or Absolute Film“), Rebekah Rutkoff („Toward RB’s Poetry“), Luke Fowler („Sonic Montage in the Works of RB“), P. Adams Sitney („Masked Rhythm in RUSKIN“), James Macgillivray („Architectural Thought in the Films of RB“), Eric Ulman („Notes on RB“), Susan Oxtoby („Love, Loss, and Eternity“) Haden Guest („Of Place and Portraiture“), ein Gespräch von Ute Aurand mit Beavers über THE STOAS und sechs Texte des Filmemachers über seine Arbeit. Im Anhang findet man eine detaillierte Filmografie und eine ausgewählte Bibliografie. Mit zahlreichen Abbildungen in sehr guter Qualität. Mehr zum Buch: 1484552585701

Späte Stummfilme

2017.Späte StummfilmeAusgangspunkt für das Buch war eine Ringvorlesung an der Universität Bielefeld im Winter-semester 2015/16. Dokumentiert sind 16 Texte, die sich in der Regel jeweils einem Film widmen und seine ästhetische Bedeutung analysieren. Vom Initiator und Herausgeber Heinz-Peter Preußer stammt ein informatives Vorwort. Meinolf Schumacher beschäftigt sich mit dem Heldenepos DIE NIBE-LUNGEN von Fritz Lang. Bei Matthis Kepser geht es um Eisensteins PANZERKREUZER POTEMKIN und den Russischen Formalismus. Preußer positioniert Abel Gance’ NAPOLEON zwischen ästhetischer Innovation und nationalistischem Gründungsmythos. Nathalie Mälzer verweist auf die Kunst der Zwischentitel in Carl Theodor Dreyers LA PASSION DE JEANNE D’ARC. Claudia Liebrand befasst sich mit montierten Körpern und Gesten in Robert Wienes ORLAC’S HÄNDE. Matteo Galli erinnert an VARIETÉ von E. A Dupont. Helmut G. Asper sieht die Stummfilm-oper DER ROSENKAVALIER von Robert Wiene zwischen Experiment, Film-Volksoper und Ausstattungsfilm. Irmbert Schenk untersucht DIE WEISSE HÖLLE VOM PIZ PALÜ von Arnold Fanck und G. W. Pabst („’Gipfel der Filmkunst’ versus ‚blödes Märchen’“). Norbert M. Schmitz erinnert an das surrealistische Kino und die Montagetechnik des Stummfilms am Beispiel von UN CHIEN ANDALOU von Luis Bunuel und Salvador Dalí. Judith Ellenburger entdeckt die Filmästhetik des Seriellen in THE CROWD von King Vidor. Julian Hanich unternimmt eine Reise ans Ende der Nacht in F. W. Murnaus SUNRISE („Moderne und Modernisierungsängste“). Torsten Voß vergleicht Großstadt-Phantasmagorien von Fritz Lang (METROPOLIS) und Walther Ruttmann (BERLIN. DIE SYMPHONIE DER GROSSSTADT). Von Annemarie Weber stammt eine „Marginalie“ zur Verwertungs-geschichte der Standfotos von Horst von Hartlieb (METROPOLIS). Joachim Michael hat den Film SAO PAULO, A SINFONIA DA METRÓPOLE von Adalberto Kemeny und Rudolf Rex Lustig entdeckt. Karl Prümm erzählt sehr präzise die Produktionsgeschichte von MENSCHEN AM SONNTAG. Dominik Oth schlägt einen Bogen von Charlie Chaplins THE GOLD RUSH zu CITY LIGTHS. Alle Texte sind sachkundig und lesenswert. Ein beeindruckendes Buch über den internationalen Film der späten 1920er Jahre. Mit Abbildungen. Mehr zum Buch: spaete-stummfilme.html

Der Pakt

2017.Der PaktDie amerikanische Ausgabe des Buches („The Collaboration“) erschien im Herbst 2013. Ben Urwand (*1977) hat sich mit spürbarer Leidenschaft in sein Thema vertieft, und sein Buch hat zumindest eine Qualität: es stellt Fragen an das Verhalten der Studiobosse in Hollywood in den 1930er Jahren, die bisher gern tabuisiert wurden. In der Beantwortung dieser Fragen bleibt Urwand allerdings oft vage und hypothetisch, weil es große Lücken in den schriftlichen Quellen gibt. Seine These, dass Hollywood in den 1930er Jahren aus wirtschaftlichem Interesse mit den Nazis „kollaboriert“ hat, klingt provokant, lässt viele differenzierte Aspekte außer Acht und hat natürlich sogleich heftigen Widerspruch ausgelöst. Die sechs Kapitel haben eher lakonische Titel: „Hitlers Filmobsession“, „Auftritt: Hollywood“, „’Gut’“, „’Schlecht’“, „’Abgebrochen’“ (das bezieht sich auf Hitlers Reaktionen bei internen Vorführungen) und „Film ab“. Urwand hat ausführlich recherchiert; es gibt insgesamt 980 Zitate und Quellenverweise. Zwei Schlüsselfiguren sind der damalige deutsche Konsul in Los Angeles, Georg Gyssling, und der Leiter der amerikanischen Production Code Administration, der sehr konservative Joseph I. Breen, ein ausgewiesener Antisemit. Ihr Zusammenspiel hatte sicherlich fatale Folgen, denn Gyssling wurden neue Produktionen oft zur Begutachtung vorgeführt, und er konnte seine Vorbehalte offenbar erfolgreich vermitteln. Hierfür gibt es allerdings selten belastbare Dokumente, denn meist wurden Entscheidungen im Produktionsprozess telefonisch oder in internen Sitzungen vermittelt. So behilft sich der Autor oft mit der Einschränkung „wahrscheinlich“ oder „vermutlich“. Urwand dokumentiert natürlich den deutschen Zensurkampf um ALL QUIET ON THE WESTERN FRONT, der auch Auswirkungen auf die Fassungen anderer Länder hatte. Interessant ist seine ausführliche Schilderung der erfolgreichen Versuche, die Verfilmung des satirischen Romans „It Can’t Happen Here“ von Sinclair Lewis zu verhindern. Was leider fehlt, sind konkrete Zahlen für den wirtschaftlichen Erfolg der amerikanischen Filme in Deutschland. Man weiß, dass vor allem die Komödien sehr viele Zuschauer hatten. Aber man weiß nicht, um wieviel Geld es bei der Connection zwischen Deutschland und den Hollywood-Studios im Kern ging. Die deutsche Übersetzung liest sich oft sehr holperig. Mehr zum Buch: der-pakt-1017659-001–3

Kippbilder der Familie

2017.Kippbilder der FamilieEine Dissertation, die an der Ruhr-Universität Bochum entstanden ist. „Kippbilder“ verändern bei Perspektivwechsel der Betrachter ihre Bedeutung. Anja Michaelsen setzt sich in ihrem zweiteiligen Text mit der Adoption als Kippbild ausein-ander. Im ersten Teil geht es um das „Mutteropfer“ im Holly-wood-Melodram, um Biopolitik und Klassenhierarchie. Zentra-les Filmbeispiel ist STELLA DALLAS (1937) von King Vidor; er wird zunächst mit MILDRED PIERCE (1945) von Michael Curtiz verglichen und dann mit ALL I DESIRE (1953) von Douglas Sirk. Im einen Fall geht es um Mütterliche Entlastungsfantasien, im anderen um die Zuschauerin als „ideale“ Mutter. Die Filme werden sehr konkret und anschaulich in ihren Perspektiven auf die Adoption analysiert. Im zweiten Teil geht es um „Krisennarrative transnationaler Adoption“, um Ursprung, „Rasse“, Heimat. Filmbeispiele sind hier zwei Fernsehproduktionen: DAUGHTER FROM DANANG (2002) von Gail Dolgin und Vicente Franco und FIRSTPERSONAL PLURAL (2000) von Deann Borshay Liem. Der Blick richtet sich dabei auf fehlende Väter, Weiß und Schwarz, Heimatgefühle. Die Filme sind natürlich weniger bekannt, werden aber genau beschrieben. Im Schlusskapitel äußert sich die Autorin über die Bedeutung „biologischer“ Beziehungen für die „neue“ Familie. Interessante Lektüre. Coverfoto: FIRST PERSONAL PLURAL. Mehr zum Buch: kippbilder-der-familie