Handbuch Angewandter Dramaturgie

2015.Handbuch DramaturgieDramaturgie ist – theoretisch und praktisch – ein Schlüssel-begriff für die Erzählstruktur von Kino- und Fernsehfilmen. Die Literatur zu diesem Thema ist seit Jahren inflationär, sie gibt Spielregeln vor, fordert Innova-tionen, erteilt Ratschläge. Kerstin Stutterheim, Professorin für AV-Mediendramaturgie und -Ästhetik an der Filmuniversität Konrad Wolf in Potsdam-Babelsberg, hat jetzt ein „Handbuch“ publiziert, das man wohl für einige Zeit als Standardwerk bezeichnen kann. Die Autorin verfügt über große theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen, konkretisiert ihren Leitfaden mit vielen Filmbeispielen und öffnet den Blick auch für alternative Möglichkeiten. Sie beginnt mit einem historischen Rückblick („Dramaturgie als Theorie und Methode“), formuliert dann Basiskenntnisse zum „Praxisbasierten Wissen der Dramaturgie“, widmet sich der „Personage“ (Charaktere und Figuren), unternimmt eine „Heldenreise“, kommt auf neue Formen zu sprechen („Modern, poetisch und offen“), beschreibt „Intrigen und Gegenintrigen“, erinnert an die Entwicklung des epischen Films („Die Poesie mäandernder Erzählungen“), charakterisiert die Besonderheiten der Komödie („Das Einfache, das so schwer zu machen ist“) und endet mit den Kapiteln „Dramaturgie im Dokumentarfilm“ und „Dramaturgie im Fernsehen“. Eingefügt sind drei beeindruckende „Case Studies“, in denen beispielhaft drei Filme analysiert werden: THE SHINING (1980) von Stanley Kubrick, COLLATERAL (2004) von Michael Mann und SPELLBOUND (1945) von Alfred Hitchcock. Das Film-Verzeichnis am Ende des Buches listet 146 Titel auf, die im Text verarbeitet sind. Als schnell zu handhabende Gebrauchsanweisung fürs Storytelling ist die Publikation ungeeignet, man muss sich schon auf die größeren Zusammenhänge, die hier dargestellt werden, einlassen. Dann bringt die Lektüre großen Gewinn. Mit umfangreicher Bibliografie und wenigen Abbildungen. Mehr zum Buch: 75431&cid=348

William Dieterle

2015.DieterleWilhelm Dieterle (1893-1972) war ein deutscher Schauspieler und Film-regisseur, der 1930 zu Warner Bros. nach Hollywood ging, seinen Vornamen anglisierte und in vielen Genres, vor allem mit Biopics erfolgreich war. Er spielte eine Schlüsselrolle für das deutschsprachige Filmexil ab 1933. Die Dissertation von Larissa Schütze (Ludwig-Maximilian-Universität München) ist für mich vorbildlich in der Verknüpfung von politischen und künstlerischen Fragestellungen. Das erste Kapitel ist dem Familienunternehmen „Warner Bros. Pictures Inc.“ gewidmet, das 1923 gegründet wurde, mit Ernst Lubitschs Film THE MARRIAGE CIRCLE (1924) sofort einen künstlerischen Erfolg hatte und von vier Brüdern organisiert wurde: Harry, dem Boss, Albert, dem Verkäufer, Samuel, dem Techniker, und Jack, dem Allrounder. Das Studio gehörte schnell zu den Majors in Hollywood, es war das erste, das schon Mitte der 1930er Jahre den Nazis den Kampf ansagte und mit CONFESSIONS OF A NAZI SPY (1939) einen der bekanntesten Anti-Hitler-Filme produzierte. In ihren zwei Hauptkapiteln beschreibt die Autorin Dieterles Arbeit bei Warner, die mit deutschsprachigen Filmversionen begann, sich mit low budget-Produktionen fortsetzte und in der Zusammenarbeit mit Max Reinhardt bei MIDSUMMER NIGHT’S DREAM (1935) zu einer ersten großen Herausforderung führte. Allein dieser Produktion sind 60 Textseiten gewidmet. Dann folgt das umfangreichste Kapitel über die Jahre 1936 bis 40, das von Dieterles Filmbiografien bei Warner handelt (THE STORY OF LOUIS PASTEUR, THE LIFE OF EMILE ZOLA und ein Beethoven-Projekt mit Fritz Kortner), von Dieterles zunehmender Einbindung in die politisch aktive Emigration (1938/39), von der Zusammenarbeit mit Wolfgang Reinhardt und Paul Muni bei dem Großprojekt JUAREZ (1939), das zu einem Reinfall wurde, von ökonomischen und künstlerischen Konflikten bei Dieterles letztem Film für Warner, DR. EHRLICH’S MAGIC BULLET mit Edward G. Robinson und Albert Bassermann. Zuvor hatte ihn das Studio an RKO für die Realisierung von THE HUNCHBACK OF NOTRE DAME mit Charles Laughton ausgeliehen. Im Juli 1940 wurde er von Warner gekündigt. – Die Lektüre des Buches ist spannend, man wird durch keine Fotos abgelenkt, ich bin sehr beeindruckt. Mehr zum Buch: titel/60461.html

Film und Geschichte

Bild 1Dokumentation des Bremer Film-symposiums 2014. Vier Themen strukturieren das Buch: „Archive und Archivmaterial“, „Migration von Bildern und Tönen“, „Modellierung und Aneignung von Geschichte“, „Siegfried Kracauer im Zeitalter der New Film History“. Ich nenne zehn Texte, die mich besonders interessiert haben: Thomas Elsaessers Reflexionen über den Umgang mit Archivaufnahmen in Harun Farockis AUFSCHUB (2008), Sven Kramers Hinweise auf die Differenz zwischen Geschichtsschreibung (wissenschaftlich) und Filmemachen (künstlerisch) in der Verwendung dokumentarischen Materials aus der Zeit des Shoah, Anne Barnerts Informationen über die „Staatliche Filmdokumentation“ am Filmarchiv der DDR (inzwischen hat sie darüber ein Buch publiziert), Matthias Steinles Erinnerungen an die Fernseh-Sendereihe HISTOIRE PARALLÈLE / DIE WOCHE VOR 50 JAHREN von Marc Ferro, Bernhard Groß’ Hinweise auf das Verhältnis von Film und Geschichte am Beispiel des frühen deutschen Nachkriegskinos, Winfried Pauleits Entdeckungen des Klangraums in dem Western THE THREE BURIALS OF MELQUIADES ESTRADA (2005) von Tommy Lee Jones, Sabine Mollers Interviews zu Filmwahrnehmung und Geschichtsbewusstsein beim Blick auf FORREST GUMP (1994) von Robert Zemecki, Gertrud Kochs Verortung von Siegfried Kracauer zwischen philosophischem Realismus und Historismuskritik, Nicholas Baers Konfrontation des CABINET DES DR. CALIGARI (1920) mit Grundsätzen der „New Film History“ und Mason Allreds Analyse des Lubitsch-Films MADAME DUBARRY (1919) im Umgang mit dem menschlichen Körper. Eine englische Version der Textbeträge ist als CD beigefügt. Die Abbildungen haben eine hervorragende Qualität. Mehr zum Buch: filmundgeschichte.html

UNSER KURZES LEBEN (1981)

2015.DVD.Kurzes LebenBrigitte Reimanns Roman „Franziska Linkerhand“ ist das Hauptwerk dieser wichtigen DDR-Autorin, es blieb leider unvollendet und erschien 1974 postum. Ich habe es damals mit großem Interesse gelesen. Auch die Verfilmung von Lothar Warneke, die 1981 in die Kinos kam, hat mich sehr beeindruckt. Erzählt wird die Geschichte einer jungen Architektin (gespielt von Simone Frost), die sich nach ihrer Scheidung aus dem Team eines berühmten Professors in Ost-Berlin verabschiedet, um in einer Provinzstadt ihre eigenen Vorstellungen zu realisieren. In ihrer neuen Umgebung versucht sie, Berufs- und Privatleben so eng wie möglich zu verbinden, wenig Kompromisse zu machen und ihre Ansprüche zu verwirklichen. Sie findet in dem Kipperfahrer Trojanovicz (Gottfried Richter) einen neuen Partner, aber die Beziehung scheitert an seiner angepassten Haltung. Die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Chef (Hermann Beyer) entwickelt sich dagegen nach anfänglichen Schwierigkeiten positiv. Franziska bleibt nach ihrem Probejahr in der Provinzstadt. Das war damals ein relativ realistischer Blick ins Innenleben der DDR. Es ist sehr zu begrüßen, dass bei Absolut Medien jetzt die DVD erschienen ist. Zu den Extras gehören ein Audiokommentar der Drehbuchautorin Regine Kühn und ein Zeitzeugengespräch mit Lothar Warneke, der leider 2005 gestorben ist. Mehr zur DVD: Unser+kurzes+Leben

Wim Wenders 70

2015.Pixel.Heute wird Wim Wenders 70 Jahre alt. In den letzten Monaten sind ihm bereits viele Ehrungen zuteil geworden, bei der Berlinale im Februar erhielt er den Ehren-Bären, in seiner Geburtsstadt Düsseldorf wurden ihm eine Ausstellung im Museum Kunstpalast und eine Retrospektive im Filmmuseum gewidmet. Im SZ-Magazin erschien kürzlich ein lesenswerter Text von Gabriela Herpell über Wim, in der FAS ein schönes Interview von Peter Körte + Andreas Kilb, und heute gibt es sicherlich viele Glück-wünsche in der internationalen Presse. Ein besonderes Geburtstagsgeschenk hat sich Wim selbst mit der Publikation „Die Pixel des Paul Cezanne“ im Verlag der Autoren gemacht. Sie enthält 17 Texte von ihm zu Künstlerinnen und Künstlern, die in den letzten Jahren publiziert wurden oder hier erstmals zu lesen sind. Die Würdigungen gelten den Malern Edward Hopper, Andrew Wyeth und Paul Cezanne, den Photographen Peter Lindbergh und James Nachtwey, der Photographin Barbara Klemm, der Tänzerin Pina Bausch, dem Modedesigner Yohji Yamamoto, den Filmregisseuren Ingmar Bergman, Michelangelo Antonioni, Anthony Mann, Douglas Sirk, Samuel Fuller, Manoel de Oliveira und Yasujiro Ozu. Und weil Wim Wenders ein herausragender Autor ist, der in seinen Texten und Reden nie das schon oft Gesagte wiederholt, sondern immer neue Gedanken und Erkenntnisse formuliert, ist es ein großer Gewinn, dieses Buch zu lesen, das mit einem sehr persönlichen Bekenntnis beginnt: „Ich schreibe, also denke ich“, einem Rückblick auf sein Formulieren mit der Hand, mit der Schreibmaschine und schließlich mit dem Computer. Beeindruckend! Ich bewundere den Filmemacher und Fotografen Wim Wenders sehr, habe alle seine Filme gesehen, besuche seine Ausstellungen, soweit sie für mich erreichbar sind, und fühle mich ihm auch persönlich sehr nahe. 1991 habe ich in den Münchner Kammerspielen die Vorrede zu seiner „Rede über Deutschland“ gehalten (wim-wenders-deutschland/ ). Ich gratuliere ihm herzlich zu seinem 70. Geburtstag. Mehr zum Buch: wim-wenders.html

Lichtspielschlummer, Daumenkino und anderes

2015.LichtspielschlummerDie Zeitschrift Die Horen wurde 1955 gegründet, seit 2012 wird sie von Jürgen Krätzer heraus-gegeben, und die neueste Nummer (258) handelt vom Kino. Ihr Titel: „Lichtspielschlummer, Daumenkinos und tote Hunde“. Für die Zusammenstellung ist der Tübinger Germanist Franz Huberth verantwortlich. 35 Texte sind sieben Kapiteln zugeordnet, die relativ geheimnisvolle Überschriften tragen: „Das Wunder der drei erbebenden Wasserringe im Glas“, „Entsetzen lag im Saal“, „Kommen Sie! Schauen Sie sich das an!“, „Die Besetzung klingt sensationell“, „Geschichten, die niemals passieren, doch jeden Moment beginnen könnten“, „Geld nehme ich keins mit“ und „Das war kein Lächeln“. Ich nenne mal 16 relativ bekannte Autorinnen und Autoren: Durs Grünbein (sein Gedicht heißt „Der Projektor“), Michael Funke („Filmbesuch mit Vierzehn“), Judith Kuckart („Sommer 1974“), Patrick Roth („Sechs oder sieben Dinge, die ich von ihr weiß“, aus seinem Filmtagebuch), Antje Vollmer und Hans-Eckhardt Wenzel (aus ihren Briefwechsel über Rainer Werner Fassbinder), Thomas Jeschner („Über die Möglichkeit, ein Kino zu verwüsten“), Claus Löser (über Jean-Luc Godard und über seinen Großvater, dem die „Stern-Lichtspiele“ in Chemnitz gehörten), Georg Klein (über das Schlafen im Kino), Monika Rinck (über ungesehene Filme), Stefanie Reis („Vom Finden und Zeigen der Filme“), Stephanie Schmitt („Tote Hunde“), Thomas Koebner („Der Blick aus dem Fenster. Ein symbolisches Arrangement im Gemälde, in der Literatur und im Film“), Konrad Bohley („Film, Film Film“), Kai Bleifuss („Parallel-montage“), Philippe Beck (zwei Gedichte für Robert Altman und Roberto Rossellini). Von der Kunsthistorikerin Julia König stammt ein lesenswerter Essay über Filmplakate (mit 16 Abbildungen), Volker Gerling, Absolvent der HFF Potsdam, erzählt von seinen Erfahrungen als „Daumenkinograph“ (mit 24 Abbildungen). Eine interessante Lektüre und für 14 € sehr preiswert. Mehr dazu: tote-hunde.html

Arbeit in der Filmkomödie

2015.Fun Works.kleinArbeiten kann komisch sein. Judith Ellenbürger analysiert in ihrer Dissertation (Uni-versität Bamberg) sieben Filme berühmter Darsteller und Regisseure, die in der Filmgeschichte ihren festen Platz haben. 1. THE MUSIC BOX (1932) von James Parrott mit Stan Laurel und Oliver Hardy. Es geht um ein Klavier, eine lange Treppe und zwei Sisyphosse. 2. SAFETY LAST! (1923) von Fred C. Newmeyer und Sam Taylor mit Harold Lloyd. Er handelt vom Drang in die Höhe und dem ameri-kanische (Alb-)Traum vom sozialen Aufstieg. 3. DER LETZTE MANN (1924) von Friedrich Wilhelm Murnau mit Emil Jannings. Er schildert den Abstieg eines alten Angestellten in einem Berliner Hotel. 4. THE GENERAL (1926) von Buster Keaton und Clyde Bruckman mit Buster Keaton. Er erzählt den Kampf eines Lokomotivführers im amerika-nischen Bürgerkrieg um seine Lokomotive und war damals ein großer Misserfolg. 5. SHOW PEOPLE (1928) von King Vidor mit Marion Davies. Er porträtiert den Aufstieg einer unbekannten Komödiantin zum Star und ihren Abstieg. Er basierte auf der Biografie von Gloria Swanson. 6. À NOUS LA LIBERTÉ (1931) von René Clair mit Henri Marchand und Raymond Cordy. Er nimmt die Verbindung zwischen zwei Kleinganoven, die sich sehr unterschiedlich entwickeln – der eine wird Fabrikbesitzer, der andere bleibt arbeitslos – zum Ausgangspunkt einer Satire, die in einer Utopie endet: beide ziehen als Landstreicher über die Straßen. 7. MODERN TIMES (1936) von und mit Charles Chaplin, der als Fließbandarbeiter buchstäblich verrückt wird, mehrfach im Gefängnis landet und am Ende mit einem Straßen-mädchen (Paulette Goddard) einer ungewissen Zukunft entgegen geht. Die Autorin analysiert sachkundig, stellt theoretische Zusammenhänge her und liefert damit einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Filmkomödie. Die Abbildungen – meist Screenshots – sind unterschiedlich in ihrer Qualität. Coverfoto: Chaplin in MODERN TIMES. Mehr zum Buch: 978-3-7705-5919-0.html

Moriz Seeler

2015.Seeler.kleinerIn seinem Vornamen vermisst man das t. Aber diese Schreib-weise war ihm wichtig. Moriz Seeler war Schriftsteller, Theaterregisseur und – für kurze Zeit – auch Filmproduzent. Geboren 1896 in Greifenberg in Pommern, ermordet 1942 nach der Deportation in der Umgebung von Riga. Bei Hentrich & Hentrich, einem Verlag, der sein Programm auf jüdische Kultur und Zeit-geschichte ausgerichtet hat, ist jetzt ein Moriz Seeler-Porträt von Wolfgang Jacobsen erschienen, das auf der Basis genauer Recherchen seine Lebens-geschichte erzählt, die ab 1915 weitgehend in Berlin stattfand, zeitweise eng mit dem Wirken des Schauspielers und Schriftstellers Hans Heinrich von Twardowski verbunden war und 1929 einen nachhaltigen Beitrag zur deutschen Filmgeschichte geleistet hat. Seeler gehörte damals zu den Initiatoren des Films MENSCHEN AM SONNTAG, an dem u.a. Kurt und Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer, Billie Wilder, Eugen Schüfftan und Fred Zinnemann beteiligt waren. Über diesen späten Stummfilm kursieren viele Produktionslegenden, die Jacobsen auch teilweise referiert, aber – orientiert an der Funktion von Moriz Seeler – zum Teil korrigieren kann. Sein Kapitel „So war es und nicht anders?“ (S. 96-114) ist ein Beispiel für gute Recherchen und kluge Absicherungen. Auch die anderen Kapitel dieser Biografie sind höchst lesenswert, weil sie an einer nicht sehr prominenten Person paradigmatisch den historischen Bruch zwischen der Kultur der Weimarer Republik und den Verbrechen der Nazi-Zeit in Erinnerung rufen. Der Anhang mit Dokumenten und einem Werkverzeichnis von Moriz Seeler ist umfangreich, es wird vielen Helferinnen und Helfern für die Unterstützung bei den Recherchen gedankt. Nach Hanns Brodnitz (auch bei Hentrich & Hentrich) wird damit eine weitere Biographie aus der Vergessenheit geholt. Mehr zum Buch: herrschaften.html

Audrey Hepburn

2015.Audrey H.2Zurzeit ist in der Londoner National Portrait Gallery die Ausstellung „Audrey Hepburn. Portraits of an Icon“ zu sehen. Marion Löhndorf hat darüber einen sehr kriti-schen, aber lesenswerten Text in der August-Ausgabe von epd Film geschrieben. Der begleitende Katalog ist jetzt in einer deutschen Ausgabe bei Schirmer/Mosel erschienen. Er ist quasi der Ersatz für eine aktuelle Reise nach London. Die Fotos und Dokumente sind hervorragend reproduziert, die Texte rufen die vielen Momente der Bewunderung in den 1950er und 60er Jahren in Erinnerung und informieren auch über Audrey Hepburns soziales Engagement nach dem Abschied aus der Filmwelt. Ihr Sohn Luca Dotti hat ein kurzes Vorwort beigesteuert, von der Kuratorin Helen Trampeter stammt ein würdigender Essay („Der Weg zur modernen Ikone“), vom Co-Kurator Terence Pepper eine informative Lebens-Chronik. Im Mittelpunkt stehen die Abbildungen für die vier Phasen „Kindheit und erste Erfolge in Großbritannien, 1929-1952“, „Bühne und Film in Amerika, 1951-1960“, „Film- und Modeportraits, 1960er Jahre“, „Vermächtnis und spätere Jahre, 1971-1993“. Ein schönes Buch! Audrey Hepburn gehörte natürlich auch zu meinen „Traumfrauen“ der 50er Jahre, denen 2006 meine letzte Retrospektive der Berlinale gewidmet war. Ich habe damals in der SZ einen kurzen Text über sie geschrieben: 2006/02/audrey-hepburn/ . Und DIE GESCHICHTE EINER NONNE von Fred Zinnemann ist für mich noch immer einer ihrer besten Filme. Mehr zum Buch: 75&products_id=777

NATIONAL GALLERY

2015.DVD.National GalleryEr ist inzwischen 85 Jahre alt und dreht unermüdlich dokumentarische Filme, die für mich zum Besten welt-weit gehören, das es in diesem Genre gibt. Frederick Wiseman hat zuletzt den Film NATIONAL GALLERY realisiert, der 2014 in Cannes Premiere hatte, bei uns auch in den Kinos lief und jetzt bei Kool als DVD erschienen ist. Für alle, die an Bildender Kunst interessiert sind und gern ins Museum gehen, ist dies ein Pflichtfilm. Man muss sich für ihn allerdings ein bisschen Zeit nehmen, denn er dauert drei Stunden. Er führt uns in das Londoner Museum am Trafalgar Square, zeigt berühmte Bilder und aufmerksame Besucher, begleitet erfahrene Führerinnen und Führer durch die Räume, erweitert damit unseren Blick auf die Werke von Rubens, Rembrandt, Vermeer, Caravaggio, Turner und Tizian, beobachtet Restauratoren bei der schwierigen Arbeit, verfolgt interne Diskussionen über Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, entfaltet die innere Struktur einer Kultureinrichtung, in der mit großer Verantwortung gearbeitet wird. Es ist, wie alle Filme von Wiseman, eine Entdeckungsreise in eine Welt, die uns normalerweise nicht zugänglich ist, weil wir sie nur aus der Besucherperspektive kennen. Wir sehen ja nicht, mit welcher Sorgfalt ein Bild gehängt, ausgeleuchtet oder gesäubert wird. Zu den großen Momenten des Films gehört die Beobachtung einer Gruppe Sehbehinderter, denen von einer Museumspädagogin mit gestanzten Vorlagen und genauer Beschreibung Camille Pissarros Gemälde „Boulevard Montmarte bei Nacht“ nahe gebracht wird. Eine andere Museumsführerin bildet mit quasi tanzenden Händen die inneren Bewegungen eines Rubens-Gemäldes ab. Man kann in diesem Film unendlich viel entdecken. Einen Off-Kommentar des Filmemachers gibt es nicht. Er beherrscht die Kunst der Montage, er hatte in acht Wochen Drehzeit 170 Stunden Material aufgenommen. Die drei Stunden Film-Zeit vergehen wie im Fluge. Wisemans Film hat mir noch besser gefallen als Johannes Holzmanns Film DAS GROSSE MUSEUM, der uns ins Kunsthistorische Museum in Wien führt und auch sehr zu empfehlen ist. Frederick Wiseman ist einfach nicht zu übertreffen. Mehr zur DVD: nationalgallery.php4