17. Juni 2015
Verräter
Die Einleitung von Hans Richard Brittnacher, der von Thomas Koebner die Herausgeberschaft der Buchreihe „Projektionen“ übernommen hat, beginnt so: „Das Urteil über den Verräter sprechen die Verratenen: Über Judas haben die Christen den Stab gebrochen, über Don Juan die verlassenen Frauen, über Leo Trotzki die Stalinisten, über Schenk Graf von Stauffenberg die Nazis, über Edward Snowden die amerikanische Regierung. Die Gründe des Verrats spielen in der Wahrnehmung der Verratenen kaum eine Rolle, die Dunkelheit, in die der Verräter sein Handeln hüllt, umso mehr. Deshalb hat der Verräter schlechte Karten.“ Acht Texte über Verräter sind in diesem Buch versammelt. Fünf haben mir besonders gut gefallen: Jürgen Heizmanns Anmerkungen zu THE THIRD MAN von Carol Reed und den Roman von Graham Greene („Der Verräter aus verlorener Unschuld“), Kai Spankes Essay über den Verrat im Mafiafilm, speziell in THE GODFATHER und GOODFELLAS („Keine Frage der Ehre“), Achim Küppers Reflexionen über Kopie und Auslöschung in Anthony Minghellas Film THE TALENTED MR. RIPLEY („Verrat am ‚Original’? Oder: Die Kunst der Fälschung“), Hans Richard Brittnachers Porträtierung des Judas im Film („’Mit einem Kuss verrätst Du mich?’“) und Thomas Koebners Überlegungen zum Verrat als Leitmotiv im Spionagegenre, mit Hinweisen auf Graham Greene und John le Carré und interessanten Anmerkungen zu THE SPY WHO CAME IN FROM THE COLD, THE HUMAN FACTOR, L’ARMÉE DES OMBRES, OBERST REDL und THE CONSTANT GARDENER. An Karin Wielands Text über Marlene Dietrich („Treue und Verrat“) hat mich der herablassende Ton gestört. Mehr zum Buch: 0#.VW9hKhyWFgs