Die blaue Mütze

Die blaue Mütze hatte er auf dem Kopf, als er mit elf Jahren eine Hauptrolle in Gerhard Lamprechts Film IRGENDWO IN BERLIN spielte. Das war im Jahr 1946, und er hieß noch Charles Knetschke. Ab 1952 nannte er sich Charles Brauer, besuchte die Max-Reinhardt-Schule in Berlin und bekam anschließend ein Engagement am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg unter der Intendanz von Gustaf Gründgens. Unter den vielen Geschichten aus seinem Leben, die er in diesem Buch erzählt, sind die Erlebnisse auf der Bühne besonders interessant, denn er erinnert sich gut an Regisseure, Darstellerinnen und Darsteller, mit denen er zusammengearbeitet hat. Seine ersten Fernseherfahrungen machte er in den 1950er Jahren als Sohn in der Serie FAMILIE SCHÖLERMANN. Richtig populär wurde er als Partner von Manfred Krug in der Rolle des Hamburger TATORT-Kommissars Peter Brockmöller (38 Folgen). Sein Lieblingsautor ist John Grisham, er hat 28 Romane als Hörbücher eingesprochen. Von 1966 bis 1976 war er mit der Schauspielerin Witta Pohl verheiratet, dann lebte er bis zu ihrem Tod 1986 mit der Schauspielerin Lisi Mangold zusammen und inzwischen ist er mit der Bühnenbildnerin Lilot Hegi verheiratet. Er wohnt in der Nähe von Basel. Seine Autobiografie ist beeindruckend und höchst lesenswert. Mit einem biografischen Text „Charlie“ von Thomas Blubacher und zahlreichen Abbildungen. Mehr zum Buch: zytglogge.ch/Die-blaue-Muetze-978-3-7296-5114-2

Tatort Ost

Eine Dissertation, die am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ in Bonn entstanden ist. Katja Spranz untersucht darin die Darstellung von Recht und Unrecht in Fernsehkrimiserien der DDR. Im Mittelpunkt steht die soziologische Analyse der Sendereihen DER STAATS-ANWALT HAT DAS WORT (130 Folgen von 1965 bis 1989) und POLIZEIRUF 110 (131 Folgen von 1971 bis 1989). Jede Folge konkretisierte damals ein The-ma, einen Fall. Zu den Tat-beständen gehörten Schädigung sozialistischen Eigentums, Erpressung, Kindestötung, Rowdytum und Asozialität. Nicht thematisiert wurden die Stasi, Republikflucht und rechtsradikale Straftaten. Die Serie DER STAATSANWALT HAT DAS WORT wurde jeweils eingeleitet und beendet mit einem Statement des Staatsanwalts Peter Przybylski. Zu den wichtigsten Ermittlern der Reihe POLIZEIRUF 110 gehörten Peter Fuchs (gespielt von Peter Borgelt), Vera Arndt (gespielt von Sigrid Göhler), Jürgen Hübner (Jürgen Frohriep), Lutz Subras (Alfred Rücker), Woltersdorf (Werner Tietze), Lutz Zimmermann (Lutz Riemann). Die Autorin beschreibt sehr präzise das Bild der DDR in den beiden Serien. In einem Exkurs am Ende wird der Blick auf die DDR von außen am Beispiel des Films DAS LEBEN DER ANDEREN (2006) von Florian Henckel von Donnersmarck formuliert. Das Buch hat große Qualitäten. Mit einem Vorwort von Werner Gephart. Keine Abbildungen. Mehr zum Buch: klostermann.de/epages/63574303.sf/de_DE/?ObjectID=315682512

Gerahmte Tiere

Eine Dissertation, die an der Hochschule für bildende Künste Hamburg entstanden ist. Katharina Swoboda untersucht darin Zoobauten als Sujets in Film und Video. Vier Kapitel strukturieren den Text: 1. Kadrierungen des Tierlichen. 2. Zoo, Film und Architektur. 3. Zoo-bauten in Bewegtbildern. 4. Inszenierungen der Grenz-überschreitungen oder Krieg als Dispositiv im Zoologischen Garten. Abschließend wird „Das Potential filmischer Darstellungen von Zooarchitekturen“ formuliert. Zu den Filmen, die ausführlich analysiert werden, gehören THE NEW ARCHITECTURE AND THE LONDON ZOO (1936) von László Moholy-Nagy, BESTIAIRE (2012) von Denís Coté, UNDERGROUND (1995) von Emir Kusturica, THE ZOOKEEPER (2001) von Ralph Ziman, ZOOTIERE IM BOMBENKRIEG (1995) von Alexander Kluge und die Videoarbeit ARENA (2001) von Anri Sala. Der Text hat ein hohes theoretisches Niveau, die Filmbeschreibungen sind konkret und präzise. Sehr lesenswert. Die Autorin lebt und arbeitet inzwischen in Wien. Mehr zum Buch: dom-publishers.com/products/gerahmte-tiere

Das Leben hat kein Geländer

Die Autobiografie des Schau-spielers Christian Redl beginnt am 20. April 1948 mit seiner Geburt im Kreiskrankenhaus Schleswig. Er wächst in kom-plizierten Familienverhältnissen mit zwei Stiefgeschwistern und einer herrschsüchtigen Groß-mutter in Hollingstedt, Ahrensbök und Kassel auf. Sein Vater war Pädagoge, seine Mutter Hausfrau. Nach Besuch der Grundschule wechselte er auf die Waldorfschule, spielte kleine Rollen am Kasseler Staatstheater und bewarb sich erfolgreich an der Westfälischen Schauspielschule in Bochum. Nach drei Jahren Ausbildung bekam er feste Engagements in Wuppertal, dann in Frankfurt am Main, in Bremen und schließlich am Schauspielhaus Hamburg, wo er unter den Intendanten Nils-Peter Rudolph, Peter Zadek und Michael Bogdanov große Rollen bekam. Die Theaterarbeit steht im Mittelpunkt der Autobiografie. Die Kinofilme sind eher ein Nebenschauplatz für ihn: SIERRA LEONE von Uwe Schrader (1987), TATTOO von Robert Schwendtke (2002) mit August Diehl als Partner, WHITE TIGER (2012) von Karen Shaknazarow. 1990 spielt er die Hauptrolle in dem Fernsehfilm DER HAMMERMÖRDER von Bernd Schadewald, seit 2006 ist er Hauptkommissar Thorsten Krüger in der Serie SPREE-WALDKRIMI. Die Fernseharbeit macht ihm offensichtlich Spaß. Und die Musik ist wichtig für sein Leben. Wir bekommen Einblicke in seine psychischen Krisen, seinen Hang zum Alkoholismus und seine Bezie-hungen zu Frauen. Er war mit der Schauspielerin Marlen Diekhoff verheiratet, einige Jahre mit der Schauspielerin Maja Maranow liiert und ist jetzt mit Martina X verheiratet. Der Text von Christian Redl (236 Seiten) ist beeindruckend: reflexiv, selbstkritisch, stellenweise auch bewegend. Unbedingt lesenswert. Mehr zum Buch: westendverlag.de/buch/das-leben-hat-kein-gelaender/

TRIANGLE OF SADNESS (2022)

Die Tragikomödie von Ruben Östlund erhielt bei den Film-festspielen in Cannes die „Goldene Palme“. Erzählt wird die Geschichte des Paares Carl und Yaya, die beide als Foto-models arbeiten, wobei Yaya in letzter Zeit erfolgreicher ist. Es kommt öfter zu Streitigkeiten. Als Influencerin darf Yaya mit Carl kostenlos an einer Kreuz-fahrt teilnehmen. Die Vorgänge an Bord der Luxusjacht nehmen groteske Formen an. Der Kapitän ist meist betrunken und verschwindet in seiner Kabine. Zwischen der Besatzung und den Passagieren gibt es Konflikte, die eskalieren, als ein Sturm aufkommt und alle kotzen müssen. Piraten überfallen das Schiff. Eine kleine Gruppe kann sich auf eine Insel retten, auch Carl und Yaya sind dabei. Abigail, auf der Yacht nur Putzfrau, gewinnt als Organisatorin eine Führungsrolle. Sie beginnt eine Beziehung mit Carl. Das Ende auf der Insel ist dramatisch. Ich finde den Film sehr originell. Die Besetzung mit Harris Dickinson (Carl), Charlbi Dean Kriek (Yaya), Woody Harrelson (Kapitän) und Dolly de Leon (Abigail) ist perfekt. Iris Berben spielt eine Nebenrolle. Bei Alamode ist jetzt die DVD des Films erschienen. Unbedingt sehenswert. Mehr zur DVD: medium/detail/triangle-of-sadness.html

Orson Welles

Vor 82 Jahren wurde der Film CITIZEN KANE von Orson Welles uraufgeführt. Er gilt als einer der besten Filme aller Zeiten. Am Institut für Europäische Kunstgeschichte an der Universität Heidelberg fand von November 2021 bis Februar 2022 eine Film- und Vortragreihe statt, deren Beiträge in diesem Band dokumentiert sind. Bei Tanja Prokic geht es um die In/Aktualität eines Klassikers. Guido Isekenmeier untersucht intertextuelle und interfilmische Bezüge von/in/auf Orson Welles‘ CITIZEN KANE. Peter Moormann äußert sich zu Bernard Hermanns klanglichem Kaleidoskop für CITIZEN KANE. Alf Gerlach betrachtet den Film aus psychoanalytischer Perspektive. Fabienne Liptay verbindet CITIZEN KANE mit THE OTHER SIDE OF THE WIND: „Hinterlassenschaft und Unvollendung“. Alle Texte haben ein hohes theoretisches Niveau. Abbildungen in akzeptabler Qualität tragen zur Anschaulichkeit bei. Band 68 der Reihe Film-Konzepte. Mehr zum Buch:Details.aspx?ISBN=9783967077315#.ZCgcZC221Hc

111 Sisi-Orte in Europa

Im Kino ist zurzeit der Film SISI & ICH von Frauke Finsterwalder zu sehen, den ich sehr beeindruckend finde. Kaiserin Elisabeth spielt darin allerdings nur eine Nebenrolle. Das Buch von Sabine M Gruber ist ein Reiseführer zu Orten, an den Sisi gelebt, die sie besucht hat oder die mit ihr eine Verbindung haben, beginnend in Feldafing mit ihrem Lieblingshotel Strauch. Natürlich dominiert Wien mit der Amalienburg, der Anlegestelle Nussdorf, der Augustinerkirche, der Promenade im Wienerwald, dem Hofsalonwagen, der kaiserlichen Wagenburg, dem Schloss Schönbrunn, der Villa Hermes, dem Volksgarten-Denkmal, der Votivkirche und der Kapuzinergruft (wo sie beerdigt ist). Aber auch Budapest, Korfu, Bad Ischl (mit Sisis Glücksplatz am Wasserfall), Genf und Mallorca spielen eine große Rolle. Besonders schön: der Besuch im Teatro La Fenice in Venedig am 25. November 1856 mit einer Aufführung der Oper „Gemma di Vergy“ von Gaetano Donizetti. Interessante Lektüre, wenn man sich für das Leben von Kaiserinnen interessiert. Mehr zum Buch: 111-sisi-orte-in-europa-die-man-gesehen-haben-muss-6691?number=85045

Im Paradies

Die Schauspielerin Asta Nielsen (1881-1972) war ein Star des deutschen Stummfilms, sie veröffentlichte 1961 ihre Auto-biografie und schrieb Erzählun-gen. Vier sind im vorliegenden Buch zu lesen: „Ein Tag im Paradies“, „Eine Rose ist eine Rose ist – nicht immer – eine Rose“, „La Bohème“ und „Weihnachten in Massa“. Es sind sehr persönliche Geschichten, die hier erzählt werden. Das Besondere des Bandes sind die Illustrationen der Zeichnerin Kat Menschik, die den Texten von Asta Nielsen eine zusätzliche Dimension geben. Die 24 ganzseitigen Abbildungen haben große Qualitäten. Der letzte Nielsen-Text des Bandes stammt aus ihrem Hiddensee-Tagebuch und erzählt vom Besuch des mit ihr befreundeten Ehepaares Joachim und „Muschelkalk“ Ringelnatz im Sommer 1929. Sehr originell. Mehr zum Buch: www.galiani.de/NielsenMenschikParadies

Grenzgänger des 20. Jahrhunderts

Heinrich Hauser (1901-1955) war ein deutscher Schriftsteller, Journalist, Fotograf und Wel-tenbummler. Er gehörte in den 1920er Jahren zu den Mitarbei-tern der Frankfurter Zeitung, veröffentlichte erfolgreiche Romane wie „Das zwanzigste Jahr“ (1925), „Brackwasser“ (1928), „Donner überm Meer“ (1931) und „Notre Dame von den Wogen“ (1937). Er war ein Anhänger von Hermann Göring, sympathisierte aber nicht mit Adolf Hitler. 1939 ging er ins US-amerikanische Exil, kehrte 1948 nach Deutschland zurück und publizierte weiterhin Romane und Reportagen, die vor allem mit den Bereichen Technik zu tun hatten. Das vorliegende Buch, herausgegeben von Sebastian Susteck, würdigt die Arbeiten von Heinrich Hauser. Ein herausragender Text über Hauser und den Film stammt von Jeanpaul Goergen. Detailliert werden hier die Entstehung und Rezeption der Dokumentarfilme WINDJAMMER UND JANMAATEN. DIE LETZTEN SEGELSCHIFFE (1930) und WELTSTADT IN FLAMMEN. EIN BERICHT ÜBER CHICAGO (1931) beschrieben. Auch Hausers Arbeit als Filmkritiker wird thematisiert, seine Texte über Murnaus SUNRISE („nicht gut“), den Kriegsfilm WINGS von William A. Wellman („verlogen“) oder das Gesellschaftsdrama GREED von Erich von Strohheim („der grauenvollste Realismus, den wir bisher auf der Leinwand gesehen haben“) waren sehr radikal in ihrem Urteil. Goergens Text fügt sich gut ins Buch, das auf einer Tagung basiert, die im September 2021 an der Ruhr-Universität Bochum stattfand. Mehr zum Buch: vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/detail/index/sArticle/58005

Jim Jarmusch-Collection

Im Januar konnte der Filme-macher Jim Jarmusch seinen 70. Geburtstag feiern. Er gilt als einer der großen des ameri-kanischen Independent-Films. Musik spielt in seinen Filmen eine große Rolle. Aus Anlass seines runden Geburtstags ist bei Playon eine Jim Jarmusch-Collection mit elf Filmen auf Blu-ray erschienen. Dies sind die Titel, die man dort findet: der Manhattan-Film PERMANENT VACATION (1980) mit Chris Parker, die Hipster-Geschichte STRANGER THAN PARADIES (1984) mit John Lurie, der Louisiana-Film DOWN BY LAW (1986) mit John Lurie, Tom Waits und Roberto Benigni, die Elvis Presley-Hommage MYSTERY TRAIN (1989), der Episodenfilm NIGHT ON EARTH (1991) mit Winona Ryder, Armin Mueller-Stahl und Roberto Benigni, der Western DEAD MAN (1995) mit Johnny Depp und Robert Mitchum, der Dokumentarfilm über Neil Young YEAR OF THE HORSE (1997), der Mafia-Film GHOST DOG: THE WAY OF THE SAMURAI (1999) mit Forrest Whitacker, der Episodenfilm COFFEE AND CIGARETTES (2003) mit Iggy Pop, Cate Blanchet, Steve Coogan und Bill Murray, das Roadmovie BROKEN FLOWERS (2005) mit Bill Murray und Sharon Stone und der Dokumentarfilm über Iggy Pop GIMME DANGER (2016). Meine persönlichen drei Lieblingsfilme sind DOWN BY LAW, DEAD MAN und BROKEN FLOWERS. Aber es ist schön, auch die anderen Filme wiederzusehen. Zu den Extras gehören Interviews, Musikvideos und Outtakes. Ein wunderbares Geschenk für Jim Jarmusch-Fans. Mehr zur Collection: 12&page=1&nav2=NEW&nav1=FILM&id=1112894