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Anton Corbijn

Er ist einer der großen Fotografen der Gegenwart und ein interessan-ter Filmemacher: Anton Corbijn (*1955). Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg widmet ihm zur Zeit eine Ausstellung, die noch bis 6. Januar 2019 zu sehen ist. Sie hat den Titel „The Living and the Dead“. Gezeigt werden 120 Fotografien, die zum Teil noch unveröffentlicht sind. Im Verlag Schirmer/Mosel ist gerade ein „Selbstportrait“ von Corbijn erschienen, das auf einem Gespräch mit der französischen Schriftstellerin Maria-Noel Rio basiert. Sehr reflektiert erzählt er von seinem Leben in Holland und in England, von seiner Affinität zur Musik und zur Fotografie, von den unterschiedlichsten Menschen, die ihm in seinem Leben begegnet sind, von seiner Filmarbeit (CONTROL, THE AMERICAN, A MOST WANTED MAN, LIFE), von den Inspirationen durch Andrej Tarkowskij und Jacques Tati, von der speziellen Kunst des Porträtierens und von visueller Poesie. Die 30 Seiten liest man wie im Flug und weiß am Ende deutlich mehr über das Denken und Fühlen dieses Künstlers. 23 Fotos und ein Lebenslauf sind angefügt. Ein kleines, wunderbares Buch. Mehr zur Ausstellung: antoncorbijn106.html Mehr zum Buch: nfohk2bfc92

Irving Penn

Im C/O Berlin ist zurzeit die Ausstellung „Centen-nial“ des „Jahrhundert-fotografen“ Irving Penn (1917-2009) zu sehen. Ich finde sie grandios. Auf zwei Etagen werden rund 240 Exponate gezeigt, elf Themen geben die Zeit- und Raumstruktur vor: „Lebenszeichen, 1939-47“ (Momente und Arrange-ments aus New York, Mexiko, Italien), „Existentielle Portraits, 1947-48“ (Prominente in einem jeweils speziellen, meist engen Raum, darunter Georgia O’Keeffe, Elsa Schiaparelli, George Grosz, Salvador Dali, Jerome Robbins, Igor Strawinsky, Le Corbusier, Alfred Hitchcock, Peter Ustinov, Truman Capote, Joe Louis, W. H. Auden, Spencer Tracy), „In Vogue, 1947-50“ (Titelgeschichten für die Zeitschrift), „Cuzco, 1948“ (Menschen in der peruanischen Stadt), „Aktaufnahmen 1949-50“ (eigenwillige Körperausschnitte), „Kleine Gewerbe, 1950-51“ (Menschen in London und New York mit Werkzeugen oder Gegenständen aus ihrem Arbeitsbereich), „Klassische Portraits, 1948-62“ (darunter T. S. Eliot, Marlene Dietrich, Jean Cocteau, Miró und seine Tochter, Richard Burton, Cecil Beaton, Audrey Hepburn, Yves Saint Laurent, Francis Bacon, Colette, Carson McCullers, Pablo Picasso), „Ethnographische Portraits, 1967-71“ (meist aufgenommen für Vogue in Neuguinea und Marokko), „Zigaretten, 1972“ (fotografiert in New York), „Zeitkapseln, 1960er Jahre-2007)“ (ungewöhnliche Portraits u.a. von Tom Wolfe, Truman Capote, Arthur Penn und Warren Beatty, Ingmar Bergman, Joan Didion, Zaha Hadid, Richard Avedon, Gianni Versace; Personen in exotischen Kostümen), „Stillleben, 1968-2007“. Es lohnt sich, die Ausstellungsräume mehrmals zu durchqueren. – Die erste Station der Ausstellung war im vergangenen Jahr das Metropolitan Museum of Art in New York. Der Katalog ist bei Schirmer/Mosel erschienen, herausgegeben von Maria Morris Hambourg und Jeff L. Rosenheim, mit Texten von Alexandra Dennett, Philippe Garner, Adam Kirsch, Harald E. L. Prins, Vasilios Zatse und dem Herausgeberteam. 365 Abbildungen in bester Qualität. Man kann sich stundenlang mit diesem Buch beschäftigen. Mehr zur Ausstellung: irving-penn-centennial-berlin . Mehr zum Buch: Penn_Centennial.pdf

Krieg und Liebe

Der Schriftsteller Erich Maria Remarque (1898-1970), der mit dem Roman „Im Westen nichts Neues“ 1929 sein international erfolgreichstes Buch publizierte, war dreimal verheiratet (zwei-mal mit derselben Frau) und hatte in seinem Leben viele Liebesbeziehungen und Affären, am bekanntesten ist wohl die Liaison mit Marlene Dietrich, die 1935 oder 36 in Venedig begann. Hans Boeters, im Hauptberuf Patentanwalt, thematisiert in seinem Roman „Krieg und Liebe“ das Verhältnis von Remarque zu den Frauen, beginnend mit den traumatisierenden Erfahrungen als Kind, dessen Mutter dem älteren Bruder Arthur mehr Liebe zukommen ließ; Arthur starb mit fünf Jahren. Die wichtigsten Lebensstationen von Remarque waren Osnabrück (sein Geburtsort), Hannover, Berlin und ab 1932 Porto Ronco im Tessin; längere Aufenthalte in Paris, New York und Los Angeles haben meist berufliche Gründe. Dem Autor standen für seine Recherchen viele Quellen zur Verfügung, vor allem konnte er aus Briefen und Tagebüchern zitieren, die inzwischen publiziert sind. Boeters fokussiert seinen eigenen Text auf entscheidende Begegnungen und Momente, die er erstaunlich präzise beschreibt. Eine wichtige Rolle spielen dabei Kleidung, Blicke, Körpersprache, Schauplätze, Atmosphäre, Alkohol, Zigaretten. Es gibt Momente, wo die Detailverliebtheit nervt, da kann man auch ein paar Seiten auslassen. Aus der Filmwelt sind nicht nur Marlene Dietrich und Remarques dritte Ehefrau, Paulette Goddard, präsent, sondern auch Hedy Lamarr, Greta Garbo, Gloria Swanson, Walther Ruttmann, Josef von Sternberg, Charles Chaplin und viele andere. Ohne Abbildungen, mit Zeittafel. Coverfoto: Remarque mit Paulette Goddard. Mehr zum Buch: krieg-und-liebe/

Abschied vom gedruckten „Filmdienst“

Heute ist die letzte gedruckte Ausgabe des Filmdienstes erschienen, nach siebzig Jahren ist Schluss. Das vor-liegende Heft ist aus gegebe-nem Anlass ein besonderes. 26 Autorinnen und Autoren verabschieden sich mit einem persönlichen Text unter der Kafka variierenden Über-schrift „Im Kino gewesen. Geschrieben“. Da liest man wunderbare, zum Teil sehr persönliche Reminiszenzen von Wilfried Reichart an Kino und Heimkino, Michael Ranze an Vincente Minnellis THE BAND WAGON, Ulrich Kriest an Straub-Huillet, Franz Everschor an Filmmusik, Ralf Schenk an das Kino in seiner Kindheit auf dem Dorf, Rainer Gansera an den Filmkritiker Gunter Groll, Alexandra Wach an das Filmmuseum in Amsterdam, Esther Buss an Texte von Maria Lang, Jörg Gerle an den Nachspann oder Claus Löser an das Kino seines Großvaters in Hilbersdorf. Die zwanzig Zeichnungen auf dem Titel (TAXI DRIVER) und im Heft stammen von Wolfgang Diemer. Daniel Kothenschulte macht sich Gedanken darüber, warum das Kino in Vincent van Gogh verliebt ist. Felicitas Kleiner rezensiert Blu-ray und DVD von Peter Bogdanovichs THE LAST PICTURE SHOW und gibt der neuen STAR WARS-Episode vier Sterne. Man blättert und liest, freut sich und ist doch traurig, dass dies die letzte Ausgabe sein soll, die man in der Hand hält. „Fürchtet Euch nicht! Große Veränderungen stehen kurz bevor!“ heißt es auf der letzten Umschlagseite. Ja, den Filmdienst gibt es künftig „online“. Und wer eine gedruckte Filmzeitschrift bevorzugt, möge doch epd film abonnieren. Aber das tue ich bereits seit 34 Jahren. Also bedanke ich mich bei Horst Peter Koll, dem scheidenden Chefredakteur der Zeitschrift, für die tolle Arbeit, die er geleistet hat, und lasse es offen, ob und wie oft ich künftig filmdienst.de aufrufen werde.

Im vergangenen Februar habe ich während der Berlinale eine Laudatio auf den Filmdienst gehalten, der damals mit einem „Caligari Filmpreis“ ausgezeichnet wurde. Hier kann man den Text lesen: siebzig-jahre-filmdienst/ 

Film Stadt Berlin (Weihnachtsgeschenk 7)

„Film Stadt Berlin“ heißt eine DVD-Reihe von Icestorm, in der bekannte und weniger bekannte Filme, meist von der DEFA produziert, mit Geschichten über Menschen in dieser Stadt zu er-werben sind. Nr. 1: EINE BERLINER ROMANZE (1956) von Gerhard Klein. Uschi (Annekathrin Bürger in ihrer ersten Rolle) lernt den Beruf der Ver-käuferin im HO-Warenhaus am Alexanderplatz, Hans (Ulrich Thein) arbeitet zunächst als Autowäscher und dann in einem Abbruchunternehmen in Westberlin. Ihre Liebesgeschichte könnte nach vielen Hindernissen glücklich enden, aber das bleibt offen. Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase. Schwarzweiß, viele komische Momente, nah an der Wirklichkeit.

Nr. 2: LEICHENSACHE ZERNIK (1971) von Helmut Nitzschke. Ein Kriminalfilm, der die Zerrissenheit der Viersektorenstadt Berlin im Jahr 1948 thematisiert. Hauptfigur ist der junge Kriminalanwärter Kramm (gespielt von Alexander Lang), der zusammen mit Kriminalrat Stübner (Kurt Böwe) und Oberrat Kleinert (Norbert Christian) einen Frauenmörder verfolgt. Mit her-vorragenden Darstellerinnen (Anne-mone Haase, Lissy Tempelhof, Käthe Reichel, Agnes Kraus) in diversen Nebenrollen. Ursprünglich sollte Gerhard Klein Regie führen, der aber nach zehn Drehtagen verstarb. Am Drehbuch und seiner Realisierung war Wolfgang Kohlhaase beteiligt. Schwarzweiß, spannend.

Nr. 3: HEUTE ABEND UND MORGEN FRÜH (1979) und MOTIVSUCHE (1989) von Dietmar Hochmuth. HEUTE ABEND… ist sein Diplomfilm an der Moskauer Filmhochschule, dauert 50 Minuten und zeigt Momente im Leben einer Zahnärztin (Christine Schorn) am Freitagabend am Alexanderplatz und am Samstagmorgen zu Hause mit ihrem Mann (Rolf Hoppe) , während der Sohn in der Schule ist. Schwarzweiß, authen-tisch. MOTIVSUCHE erzählt von den Schwierigkeiten eines Dokumentarfilm-regisseurs, der endlich einen Spielfilm drehen will und dabei scheitert, weil seine Protagonisten sich mit ihm und untereinander zerstreiten. Gedreht kurz vor dem Mauerfall.

Nr. 4: FRÜHLING IN BERLIN (1957) von Arthur Maria Rabenalt. Ein Flug von Wien nach Kopenhagen muss wegen schlechten Wetters in Berlin unterbrochen werden. Die meisten Passagiere sind darüber sauer, aber der erzwungene Aufenthalt klärt auch einige Konflikte. Nach zwei Tagen treffen sie sich in besserer Stimmung in Tempelhof wieder. Eine Kurt Ulrich-Produktion mit prominenten Darstel-lern: Walter Giller, Sonja Ziemann, Gardy Granass, Gerhard Riemann, Dietmar Schönherr. Wunderbar: Martha Eggerth als Sängerin, Wolf-gang Neuss als Bankräuber, Wolfgang Völz als Zeitungsverkäufer. Ein Werbefilm für die Stadt aus westlicher Perspektive.

Nr. 5: GESCHICHTEN JENER NACHT (1966/67). Vier Episoden aus der Nacht vor Beginn des Mauerbaus, vom 12. zum 13. August 1961. In PHÖNIX von Karlheinz Carpentier entschließt sich ein Kampfgruppenkommandant (Hans Hardt-Hardtloff), zu einem jungen Genossen großzügig zu sein. In DIE PRÜFUNG von Ulrich Thein entschei-det sich ein 18jähriges Mädchen (Jenny Gröllmann), nicht in den Westen zu gehen. In MATERNA von Frank Vogel steht ein Maurer (Ulrich Thein) mit Gewehr Posten. In DER GROSSE UND DER KLEINE WILLI von Gerhard Klein ändert der kleine W (Jaecki Schwarz) seine Meinung zu Gunsten der DDR und des großen W (Erwin Geschonneck). Wirkt heute alles etwas propagandistisch.

Nr. 6: DÄMMERUNG – OSTBERLI-NER BOHÈME DER 50ER JAHRE (1993) und THEATERARBEIT – DAS BERLINER ENSEMBLE IM 25. JAHR (1975) sind zwei Dokumentarfilme von Peter Voigt. Er hat in beiden Fällen umfangreiches Archivmaterial ausge-wertet. Der Blick zurück in die 50er Jahre wird begleitet von persönlichen Erinnerungen, u.a. kommen Rolf Ludwig, Hans-Dieter Knaup, Stefan Lisewski, Ekkehard Schall und Werner Stötzer zu Wort.  THEATERARBEIT zeigt Ausschnitte aus Proben und Vorstellungen, ergänzt durch Interviews. Christian Lehmann war Kameramann bei beiden Filmen.

Nr. 7: DER FACKELTRÄGER (1957) von Johannes Knittel sollte eine Satire zur Situation der Justiz in Westberlin sein, galt aber schon damals als nicht gelungen, wurde zwei Jahre unter Ver-schluss gehalten und nur in der DDR-Provinz gezeigt. Ein Gerichtsfilm, in dem es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Karriere geht. Der Oberstaatsan-walt Dr. Sänger (dargestellt von Her-mann Kiessner) wird am Ende trotz Misserfolgs an den Bundesgerichtshof berufen. In einer Nebenrolle ist Ruth-Maria Kubitschek zu sehen. Drehbuchautor war der Strafverteidiger Friedrich Karl Kaul. Unter den hier versammelten Filmen der schwächste.

Die DVDs sind ein schönes Geschenk für alle, die sich für Berliner Geschichte(n) interessieren. Mehr zu den DVDs: filmstadt-berlin-vorteilspaket.html 

„Texte zum Film“ von Maria Lang

Im September hat Ute Aurand im Zeughauskino eine Werkschau mit Filmen von Maria Lang gezeigt und ein Buch mit Texten von ihr ediert. Maria Lang hat von 1980 bis 1985 an der dffb studiert, ihr Abschlussfilm war ZÄRTLICHKEITEN. 1991 ist sie in ihren Heimatort Zusmars-hausen zurückgekehrt, um dort ihre pflegebedürftige Mutter zu betreuen. 2014 ist sie aus dem Leben geschieden. In ihren Texten beschäftigt sie sich mit Gertrude Stein und Hannah Arendt, mit Filmen von Frauen und über Frauen, mit der Ulmer Hochschule für Gestaltung und der dffb, mit ihren Gedanken, Gefühlen und Hoffnungen. Einige Texte sind Vorträge oder Filmeinführungen. Sie sind nicht chronologisch geordnet, sondern klug montiert und bekommen dadurch einen eigenen, assoziativen Fluss. Die Lektüre macht nachdenklich, zwischendurch traurig, aber am Ende doch auch glücklich. Denn es ist ein Buch, das einen im Inneren bewegt, weil der Tonfall der Texte reflexiv, zärtlich und sensibel ist. Mit einem Vorwort von Ute Aurand. Mehr zu Maria Lang, zur Filmreihe und zum Buch: taz.de/!5447079/ . Das Buch bestellen kann man bei der Herausgeberin: uteaurand.de/kontakt.php. Es kostet 15 €.

Der Himmel über Westberlin

Er war ein sensibler Zahnarzt, in seiner Praxis am Lehniner Platz hingen beeindruckende Kunstwerke, zu seinen Patien-ten gehörten Schriftsteller, Maler und Regisseure, in seinen Praxisgästebüchern haben sich viele von ihnen verewigt. Jetzt hat Anatol Gotfryd (*1930) seine Autobiografie veröffentlicht. Sein Erinnerungsvermögen ist bewundernswert, beginnend mit seiner Kindheit in dem kleinen ostgalizischen Städtchen Jablonow, in das 1939 die Rote Armee einmarschierte und zwei Jahre später die deutschen Soldaten. Über sein Leben zwischen 1942 und 1945 hat Gotfryd ein eigenes Buch geschrieben, „Der Himmel in den Pfützen“ (2005). Jetzt steht die Zeit ab 1958 im Mittelpunkt, als er mit seiner Frau Danka nach Westberlin kam, zunächst in einer Klinik arbeitete und im Oktober 1962 die Praxis am Kurfürstendamm eröffnete. Ohne Eitelkeit erzählt er von seinen vielen prominenten Patienten, zu denen die Künstler Johannes Grützke, K. H. Hödicke, Markus Lüpertz und Heinz Otterson, die Künstlerinnen Maria Lassnig und Rebecca Horn, die Schriftsteller Günter Grass, Heiner Müller und George Tabori, die Regisseure Peter Stein und Peter Zadek, der Architekt Werner Düttmann und der Boxer Bubi Scholz gehörten. Seine Praxis ist nur einer der vielen Schauplätze, die Stadt Berlin insgesamt ist vor allem mit kulturellen Erlebnissen präsent und zwischendurch wird auch verreist. Eine schöne Geschichte ist seine Vermittlung zwischen drei seiner Patienten bei der Planung der künftigen „Schaubühne am Lehniner Platz“ 1981, zwischen dem Kultursenator Dieter Sauberzweig, dem Theaterdirektor Jürgen Schitthelm und dem Architekten Jürgen Sawade, die sich am Ende über Preisvorstellungen und Gebäudegestaltung einigen konnten. Meine Frau Antje war längere Zeit Patientin bei ihm, ich nur ein Jahr, dann ging er leider in den Ruhestand. Mehr zum Buch: der-himmel-ueber-westberlin.html

Marlene Dietrich

2016.Marlene DietrichBei diesem Buch von Katja Kulin (*1974) über das Leben von Marlene Dietrich handelt es sich um eine „Romanbiografie“. Das gibt der Autorin die Mög-lichkeit, wichtige Momente und Situationen fiktional zu konkre-tisieren, Dialoge zu erfinden, die authentisch klingen und beim Lesen Emotionen auslösen. Kulin konzentriert sich in ihrem Text auf die Zeit von 1928 bis 1945. Die Zeit davor und danach, von 1901 (Geburt) bis 1992 (Tod), wird mit fragmenta-rischen Informationen ver-mittelt. „Von Kopf bis Fuß auf Leben eingestellt“ heißt der Untertitel. Der Blick richtet sich auf die berufliche Karriere, die mit dem BLAUEN ENGEL (1930) des Regisseurs Josef von Sternberg ihren ersten Höhepunkt erreicht, in Hollywood zu einem Auf und Ab bei verschiedenen Studios führt und Marlene nach dem Kriegseintritt der USA zu einem Star in der Truppenbetreuung macht, und auf das Privatleben, in dem berühmte Männer und Frauen als Liebhaber/innen, die Tochter Maria, die Kinderbetreuerinnen, der formale Ehemann Rudi Sieber und dessen Geliebte Tami, Kochen, Reisen und der Wechsel von der deutschen zur amerikanischen Staatsbürgerschaft die wichtigsten Elemente sind. Marlene-Fans wissen von ihrer Nähe zu Josef von Sternberg, John Gilbert (der quasi in ihren Armen stirbt), Douglas Fairbanks, Erich Maria Remarque, Ernest Hemingway, James Stewart und vor allem Jean Gabin, zu Mercedes de Acosta und Marion Barbara Carstairs, genannt „Joe“. Sie alle sind in der Romanbiografie präsent. Beeindruckend beschrieben sind die Dreharbeiten zu dem Western DESTRY RIDES AGAIN (1939) unter der Regie von George Marshall, mit James Stewart als Partner. Inspirationen hat sich die Autorin vor allem aus den beiden Dietrich-Büchern „Ich bin, Gott sei Dank, Berlinerin“ und „Nachtgedanken“, aus Maria Rivas Autobiografie „Meine Mutter Marlene“, aus dem Briefwechsel mit Remarque und aus den Biografien von Steven Bach und Donald Spoto geholt. Zitate sind kursiv gedruckt, aber sie dominieren nicht. Und natürlich gibt es auch einen peinlichen Fehler: In einem Absatz über ihre Gastfreundschaft in der Emigrantenkolonie von Hollywood steht der Satz: „Der Schauspieler Fritz Lang liebt ihr Gulasch.“ (S. 124). Mehr zum Buch: c-28/p-7072/

Frauen und Film

2016-frauen-und-film-67Zwei neue Hefte der Zeitschrift Frauen und Film sind kürzlich erschienen: Nr. 67 zum Thema Migration und Nr. 68 zum Thema Aufbruch. Die Zeit-schrift wurde 1974 von Helke Sander in Berlin gegründet und wechselte 1983 nach Frankfurt am Main. Sie ist inzwischen theoretischer geworden, aber es gibt auch in den neuen Heften sehr unterschiedlich konzipierte Beiträge. Das Heft über Migra-tion hat Nanna Heidenreich redaktionell betreut. Ich nenne einige Beiträge, die mir besonders gut gefallen haben. Zum Beispiel Eva Hohenbergers Essay über Harun Farockis Installation AUFSTELLUNG und ihr kritischer Kommentar zur Definition „politische Kunst“ von Jacques Rancière; das Gespräch zwischen Brigitta Kuster und Angela Melitopoulos über Film und Migration („Denkt euch doch selbst was aus!“); der kulturanthropologische Kommentar von Barbara Wolbert zu Aysun Bademsoys Dokumentarfilm AM RANDE DER STÄDTE; das Interview von Toby Ashraf mit der dffb-Absolventin Sema Poyraz („Macht bloß keine Filme über Migranten“); der Nachruf von Sabine Schöbel auf Vera Chytilowá. Sehr berührt hat mich der Nachruf von Karola Gramann und Heide Schlüpmann auf Rosi S.M. und der Hinweis von Uta Aurand auf den Tod von Maria Lang. Beide kannte ich aus meiner Zeit an der dffb.

Fuf68Cover.inddDas Heft „Aufbruch“ über Regisseurinnen der 60er Jahre dokumentiert die Beiträge zu einer Veranstaltungsreihe, die im Herbst 2015 im Zeughaus-kino stattgefunden hat. Die Redaktion lag bei Borjana Gakovic und Sabine Schöbel. Beeindruckend: die rund zwanzig Essays über die Filme von Vera Chytilová, Nelly Kaplan, Paule Delsol, Agnès Varda, Marguerite Duras, Judi Elek, Márta Mészáros, Ula Stöckl, Mai Zetterling, Nadine Trintignant, Kira Muratova, Muriel Box, Anna Gobi, Lina Wertmüller, Liliana Cavani und Helma Sanders-Brahms. Was für eine kreative Vielfalt, die hier gewürdigt wird! Sabine Schöbel unternimmt in ihrem Einleitungstext eine Kontextualisierung der Film- und Veranstaltungsreihe, Heide Schlüpmann erinnert an die Regisseurinnen der 60er in Frauen und Film der 70er. Es gibt Interviews mit einigen Regisseurinnen, ein Gespräch mit Erika Gregor über Larissa Schepitko, einen Auszug aus der Autobiografie von Lina Wertmüller und den Nachdruck eines Textes von Nelly Kaplan, der schon im Heft 1 von Frauen und Film abgedruckt war: „Die Geschichte unserer Verrücktheiten machen wir!“. Auf dem Coverfoto sehen wir die Regisseurin Paule Delsol und ihre Hauptdarstellerin Jacqueline Vandal bei den Dreharbeiten zu LA DÉRIVE. Mehr zu den Heften: de/buecher_F_726_1/ + de/buecher_F_683_1/

Sechs Filme zum Jubiläum der Murnau-Stiftung

2016-dvd-box-murnau-stiftungSeit fünfzig Jahren gibt es die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Wiesbaden. Sie ist für die Pflege und Auswertung des deutschen Filmerbes der frühen Jahrzehnte zuständig, in Einzelfällen bis in die 1960er Jahre, dazu gehören rund 2.000 Stummfilme und 1.000 Tonfilme. Zum Jubiläum ist bei „Studio-Hamburg-Enterprises“ eine Box mit sechs Filmen aus fünf Jahrzehnten erschienen, die unbedingt zu empfehlen ist. Mit ZAPATAS BANDE (1914) von Urban Gad und ALS ICH TOT WAR (1916) von Ernst Lubitsch sind zwei Filme dabei, die lange als verschollen galten, der Lubitsch-Film sogar in einer Farbfassung. Im beigefügten Booklet widmet Heide Schlüpmann den beiden Filmen zwei sachkundige Texte. ASPHALT (1929), ein später Tonfilm von Joe May, war in verschiedenen Retrospektive zu sehen. Er erzählt die Liebesgeschichte eines Polizisten (Gustav Fröhlich) und einer Juwelendiebin (Betty Amann), die mit einem Autocrash beginnt. Gedreht im Studio in Babelsberg. Der informative Text im Booklet stammt von der SPIO-Geschäftsführerin Christiane von Wahlert. VIKTOR UND VIKTORIA (1933), ein früher Tonfilm von Reinhold Schünzel, ist eine musikalische Komödie zum Thema Geschlechtertausch mit Renate Müller, Hermann Thimig und Adolf Wohlbrück. Rainer Rother hat darüber einen lesenswerten Text geschrieben. Das Melodram ROMANZE IN MOLL (1943) stammt von Helmut Käutner. Die Hauptrollen spielen Marianne Hoppe, Ferdinand Marian und Paul Dahlke. Von Christian Petzold stammt der sehr zugeneigte Text im Booklet. Und schließlich: MADELEINE UND DER LEGIONÄR (1958) von Wolfgang Staudte, ein eher unbekannter Film mit Hildegard Knef, Bernhard Wicki und Hannes Messemer, der die Genres Melodram und Abenteuerfilm verknüpft. Text: SPIO-Präsident Alfred Holighaus. Alle sechs Filme wurden aufwändig restauriert und digitalisiert. Ein schönes Jubiläumsgeschenk der Murnau-Stiftung. Mehr zur DVD-Box: de/node/5061