Texte & Reden
17. Februar 2017

Siebzig Jahre Filmdienst

Eine Laudatio

Seit 32 Jahren wird während der Berlinale der „Caligari Filmpreis“ verliehen, in einer Kooperation des Bundesverbandes Kommunale Film­arbeit mit der Zeitschrift Filmdienst. Heute soll der Filmdienst in beson­derer Weise gewürdigt werden. Er wird in diesem Jahr 70 Jahre alt und ist damit die älteste Filmzeitschrift in der Bundesrepublik.

Ein Blick zurück. Der Filmdienst hieß zunächst Filmdienst der Jugend, die erste Nummer erschien am 1. Oktober 1947, sie hatte einen Umfang von 6 Seiten im DIN-A-5-Format, Herausgeber war die Hauptstelle der Katholi­schen Jugend in Verbindung mit der Kirchlichen Hauptstelle für Bild- und Filmarbeit, der verantwortliche Redakteur nannte sich im Impressum noch „Bearbeiter“, er hieß Klaus Brüne und hatte 15 Jahre das Heft in der Hand. Die erste Kritik war dem ungarischen Film „Weil ich dich liebe“ gewidmet. Dass es 1947 Lizenz- und Papierprobleme gab, war der unmittelbaren Nachkriegszeit geschuldet. Die Initiatoren mussten erfinderisch sein. Das kann man in einem Buch von Thomas Schatten zum fünfzigjährigen Bestehen des Filmdienstes nachlesen.

Die Zeitschrift erschien zunächst jede Woche, dann alle 14 Tage, und an diesem Rhythmus hat sich bis heute nichts geändert. Geändert haben sich über die Jahre das Konzept, das Format, die Bedeutung. Im Juni 1949 bekam sie ihren heutigen Namen, Film-Dienst, lange Zeit mit einem Binde­strich zwischen Film und Dienst.

Hier ist vielleicht der Hinweis angebracht, dass es seit Ende 1948 den Evangelischen Filmbeobachter gab, eine Filmzeitschrift der anderen großen Kirche in Deutschland mit einem ähnlichen Konzept. Er wurde 1984 in die neue Monatszeitschrift epd Film integriert.

Zurück zum Filmdienst. Neben der künstlerischen Beurteilung eines Films spielte in den ersten Jahrzehnten auch die „sittlich-religiöse“ Bewertung eine Rolle. Dafür gab es – neben der Meinung von Filmkritikerinnen und Filmkritikern – die Einschätzungen der „Katholischen Filmkommission“ und eine numerische Einordnung. Ich zitiere sie verkürzt, weil die ausführlichen Formulierungen sehr zeitbezogen sind:

„1 = Tragbar auch für Kinder, etwa ab 10. (…)

1 E = Tragbar für Kinder, aber mit leichten Vorbehalten. (…)

2 J = Für Erwachsene und auch für Jugendliche ab 16. (…).

2 = Für Erwachsene. (…)

2 E = Für Erwachsene, mit Vorbehalten. (…)

2 EE = Für Erwachsene, mit erheblichen Vorbehalten. (…)

3 = Vom Besuch wird abgeraten. (…)

4 = Der Film wird abgelehnt. (…)“

Mit diesen Bewertungen wurden alle Filme bis September 1969 eingestuft. Ich erinnere mich persönlich, dass Filme der Einstufungen 3 und 4 damals natürlich als besonders attraktiv galten.

Bis 1978 war der Film-Dienst eine reine Textzeitschrift. Ab Januar 1979 gab es Fotos als Aufmacher auf Seite 1, zwei Jahre später auch im Innenteil. Filmkritiken standen immer im Mittelpunkt, aber seit den 60er Jahren waren auch Nachrichten, Festivalberichte, Porträts, Filmbuch-Rezensionen zu lesen, und es gab die Beilagen „film im fernsehen“ und „kurzfilm-dienst“.

Ein Format- und Konzeptwechsel fand im Mai 1990 statt. Von DIN-A-5 auf DIN-A-4, mit einer sichtbaren Erweiterung der Themen und Wahrneh­mungen. In der ersten Nummer im neuen Format war ein schönes Inter­view von Horst Peter Koll mit Dieter Kosslick zu lesen, damals verantwort­lich für die wirtschaftliche Filmförderung in Hamburg. Und ein Steven-Spielberg-Porträt von Franz Everschor, der in den 60er Jahren kurze Zeit verantwortlicher Redakteur des Filmdienstes war und noch heute regel­mäßig aus Hollywood berichtet.

Der Layout-Wechsel im Februar 2013 hat mir persönlich zunächst nicht gefallen, die Seiten wirkten zu unübersichtlich. Das wurde in den folgenden Jahren differenziert und verbessert.

Vor allem drei Persönlichkeiten haben den Filmdienst in ihrer Zeit als verantwortliche Redakteure geprägt: Klaus Brüne von 1947 bis 1962, Elisabeth Uhländer von 1969 bis 1997 und Horst Peter Koll von 1998 bis heute. Sie haben mit festen und freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür gesorgt, dass man alle 14 Tage eine ernstzunehmende Filmzeit­schrift in der Hand hatte, von denen es in der Bundesrepublik nicht so sehr viele gab oder gibt.

Schon früh, ab 1951, entstanden so genannte „Handbücher“, in denen alle zwei Jahre die Kurzkritiken kumuliert wurden. Mein Lieblingsbuch war lange der Band „6.000 Filme“, der 1959 erschien und in dem ich die Titel ankreuzte, die ich im Kino gesehen hatte. Ende der 80er Jahre wurde erstmals das „Lexikon des Internationalen Films“ herausgegeben, die dreibändige Ausgabe des Jahres 2002 nutze ich bis heute und freue mich in jedem Jahr auf den Ergänzungsband.

Auch ein Hinweis auf die Buchreihe „Edition film-dienst“ muss hier erfolgen, in der beeindruckende Bände zum Beispiel über die Regisseure Krzystof Kieslowski und Rudolf Thome, über das Filmexil in Hollywood, über Farbe im Kino, Kameraautoren und den Filmredakteur Volker Baer publiziert wurden.

Ja, der Filmdienst leistet einen wichtigen Beitrag zur Filmkultur in diesem Land. Die verantwortlichen Redakteure hätten alle ein Bundesverdienst­kreuz bekommen müssen.

Aber die Zukunft des Filmdienstes ist ungewiss. Die Print-Ausgabe wird, wie wir hören, wohl spätestens zum Jahresende eingestellt. Das ist sehr schade, aber Proteste haben bisher wenig ausgerichtet. Und auch diese Laudatio wird keine Wunder bewirken. Aber sie ist als ein Loblied auf Horst Peter Koll und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verstehen, vor denen ich mich als jahrzehntelanger Leser in großer Verehrung verneige.

Berlin, 17. Februar 2017, Filmhaus, 4. Stock