22. November 2016
Die Welt von „Game of Thrones“
Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive werden in 23 Bei-trägen der Fantasy-Zyklus „A Song of Ice and Fire“ (ASOIAF) von George R. R. Martin – es gibt seit 1996 bislang fünf Romane – und die Fernsehserie GAME OF THRONES (GOT) von HBO – es gibt seit 2011 bislang sechs Staffeln, die siebte befindet sich in Produktion – in den Blick genommen. In den Texten des Bandes geht es um Familien-Politik und dynastische Fragen, Kulturgeographie und Geo-politik, Religion und Mythen, Gender-Diskurse und soziale Fragen, Ethik, Moral und Politik, Medienreflexion, Rätsel und Mystifikation, Träume und Prophezeiungen und am Ende um Transmedialität. Die Autorinnen und Autoren kommen aus den Bereichen Germanistik, Mittelalterforschung, Kulturanthropologie, Game Studies, Englische Kulturwissenschaft, Komparatistik, Theologie, Filmwissenschaft und Musikwissenschaft. Ich weise auf acht Beiträge hin, die sich speziell mit GOT beschäftigen: Mario Grzelji (München) behandelt die Alteritätsdiskurse in GOT. Hans Richard Brittnacher beschäftigt sich mit Utopien des Hybriden. Felix Schröder untersucht weibliche Figuren in GOT-Computerspielen, Franziska Ascher das GOT-Narrativ und seinen Wechsel ins Medium Computerspiel. Christian Weng informiert über Techniken und Funktionen von Filmmusik am Beispiel von GOT. Maria Kutscherow vergleicht die Darstellung von Kindheit und Jugend in ASOIAF und GOT. Der Filmwissenschaftler Simon Spiegel richtet den Blick auf Sexszenen in GOT und anderen Serien. Tobias Unterhuber analysiert subkulturelle Reaktionen auf den Medien- und Publikumswechsel von ASOIAF zu GOT. Vor allem für Fans der Serie ist dies interessanter Lesestoff. Mehr zum Buch: die-welt-von-game-of-thrones
29. September 2016
Regionale Kinogeschichte: Saarland
Eine Dissertation, die an der Universität Trier entstanden ist. 15 Personen, zwölf Frauen und drei Männer, aus der Region um St. Wendel, einer Kreisstadt im heutigen Nordsaarland, hat Susanne Haake über ihre Kinoerinnerungen aus den 1930er bis 50er Jahren intensiv befragt. Die Antworten wurden transkribiert und sind in längeren Zitaten einzelnen Bereichen der Untersuchung zugeordnet. Ein einleitendes Kapitel informiert über „Kino und Erinnerung im Fokus der interdisziplinären Forschung“. Ein weiteres Kapitel problematisiert „Das narrative Interview als Erhebungsinstrument von Kinoerinnerung“. Die narratologische Untersuchung der Kinogeschichten unterteilt sich dann in filmisch-biografische Narrative, Geschichten, die im Kino spielen, Geschichten auf dem Weg ins Kino und filmische Adaptionen in der Alltagswelt. Festzustellen ist eine Inselhaftigkeit der Kinoerinnerung. Dabei spielen die Zeit, der Umgang mit dem fehlenden Bild und die Verzahnungen im Raum-Zeit-Kontinuum eine große Rolle. Was sich hier eher abstrakt anhört, wird im Text sehr konkret, wenn Erinnerungen an spezielle Filme zu lesen sind. Dazu gehören u.a. die deutschen Filme SA-MANN BRANDT und HITLERJUNGE QUEX (beide 1933), FÄHRMANN MARIA (1936), JUD SÜSS (1940), …REITET FÜR DEUTSCHLAND (1941) und DIE GOLDENE STADT (1942), die amerikanischen Filme BEN HUR (1925 und 1959), und IM WESTEN NICHTS NEUES (1930), der englische Film DER DRITTE MANN (1949) und die französischen Filme MAMA KOLIBRI (1937) und DER ABTRÜNNIGE (1954). Mit Abbildungen. Band 3 der Buchreihe „Cadrage“, die von Ursula von Keitz herausgegeben wird. Mehr zum Buch: t-0/1039517/
14. August 2016
DER APFEL IST AB (1948)
Die alte Geschichte von Adam und Eva, neu erzählt von Helmut Käutner, nach Motiven einer musikalischen Komödie aus dem Jahr 1936. Käutners zweiter Nach-kriegsfilm – nach dem Episodenfilm IN JENEN TAGEN – ist pures Kabarett. Es gibt einen realen Ausgangspunkt: die Direktionsetage des Apfelsaftfabrikanten Adam Schmidt in München kurz nach Kriegsende. Schmidt wird von zwei Frauen (seiner Ehefrau Lilith und seiner Freundin Eva) geliebt und kann sich nicht zwischen ihnen entscheiden. Er beschließt, sich das Leben zu nehmen, aber der Sprung von einer Brücke und der Versuch, sich zu erhängen, misslingen. So landet er zusammen mit seinem Dackel Männe in einem Sanatorium. Hier beginnt, architektonisch und im Spiel der Protagonisten, endgültig die Kunstwelt. Die Behandlung des Patienten Schmidt durch den Psychiater Professor Petri endet schnell, weil er verbotenerweise in einen Apfel gebissen hat. Aber die letzte Straßenbahn ist weg, und so verbringt Adam Schmidt die Nacht im Wartesaal des Sanatoriums. Im Traum kommt er zunächst in den Himmel zu Petrus und Luzifer, wo gerade Eva erschaffen wird, dann mit Eva ins Paradies, in die Hölle und wieder ins Paradies, wo aus der Schlange die Verführerin Lilith wird, und schließlich mit einer Mischung aus Eva und Lilith auf die Erde. Dann wacht Adam auf, geht zur Straßenbahn und trifft Lilith-Eva an der Haltestelle. Sie fahren mit der Bahn in die Stadt. Ende. Das alles ist kabarettistisch, also sehr pointiert gespielt von Bobby Todd (Adam), Joana Maria Gorvin (Lilith), Bettina Moissi (Eva), Helmut Käutner (Petri/Petrus), Arno Assmann (Luzifer). Die Kameraführung von Igor Oberberg wirkt elegant und ist insofern dem Sujet angemessen. Beeindruckend sind die Bauten vor allem der Traumsequenzen. Sie stammen von Wolfgang Znamenacek. Und für die Spezial-Effekte war der unvergessene Theo Nischwitz verantwortlich. Der Film ist jetzt erstmals bei den Filmjuwelen als DVD erschienen. Das Booklet von Roland Mörchen ist sehr lesenswert. Mehr zur DVD: Filmjuwelen/dp/B01AMU3LRQ
10. März 2016
Cinema 61: Verwandlung
Das Schweizer Filmjahrbuch versammelt in diesem Jahr zehn Essays zum Thema „Verwand-lung“. Es geht dabei um Inhalte und Formen, aber auch um Gesellschaft und Technik. Franziska Heller reflektiert darüber, wie die Digitalisierung unser Bild der Vergangenheit verändert („Warum Film-geschichte?“). Marian Petraitis beschreibt die Langzeitdoku-mentation ROMANS D’ADOS von Béatrice Bakhti („Adoleszenz und Verwandlung“). Bei Sonja Kirschall geht es um Wahrnehmung, Wandlung und Subjektivierung im Film („Sensomorphosen“). Henry M. Taylor widmet sich der Spionageserie THE AMERICANS („Aliens among US“). Ulrike Hanstein erinnert an den Film NIGHT TIDE von Curtis Harrington („Gestaltwechsel zwischen Avantgarde und Horror“). Der Schriftsteller Christoph Simon visioniert eine Karriere als amerikanischer Drehbuchautor („How to Become an American Scriptwriter“). Nepomuk Zettl vergleicht die Hauptfiguren in den Filmen ADAPTION (Buch: Charlie Kaufman, Regie: Spike Jonze) und SYNECDOCHE, NEW YORK (Buch und Regie: Charlie Kaufmann) („Zur Wandlung in der Wandlung – inszeniertes Leben“). Selina Hangartner beschäftigt sich, ausgehend von einem Text von Susan Sontag, mit Camp zwischen Subversion und Massengeschmack („Whatever Happened to Good Taste“). Vera Cuntz-Leng stellt Fragen zur Verwandlung in der Harry Potter-Filmsage („Alles im Fluss?“). Und Jean Perret untersucht die Arbeit des Schweizer Regisseurs Peter Mettler („Zur Zeit des Versuchs“). In der Rubrik „CH-Fenster“ geht es um die Geschichte der Praesens-Film AG und um die Schweizer Filmmusik. Im „Filmbrief“ erzählt Matthias von Gunten von seinen Festivalreisen mit dem Film THULETUVALU. Ausführlich werden in der „Sélection Cinema“ 35 Schweizer Filme der Saison 2014/15 vorgestellt. An der Realisierung des interessanten Jahrbuchs hat das Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich wieder großen Anteil. Mehr zum Buch: verwandlung.html
26. Februar 2016
Frauen, die wir lieben
Fünfzig Männer schreiben über ihre Verehrung für internatio-nale Filmdiven: Schriftsteller, Journalisten, Fotografen, Maler, Schauspieler, Filmemacher, ein Sänger, ein Cartoonist, ein Koch. Freddy Langer, Redakteur der FAZ, hat das Buch vor sieben Jahren im Elisabeth Sandmann Verlag herausgegeben, jetzt ist es, um einige Porträts gekürzt, als Insel Taschenbuch erschienen. Die Texte sind nach dem Alter der Autoren geordnet, beginnend mit Marcel Reich-Ranicki (über Käthe Gold), endend mit Jan Costin Wagner (über Johanna ter Stege). Viermal (von dem Fotografen F. C. Gundlach, dem Schauspieler Vadim Glowna, den Schriftstellern Robert Menasse und David Wagner) gilt die Verneigung Romy Schneider. Sie ist damit die Königin. Ich nenne einige Texte, die mir besonders gut gefallen haben: Stefan Moses über Marianne Hoppe, Robert Lebeck über Shirley Temple, Hans Traxler über May Whitty, Volker Schlöndorff über Delphine Seyrig, Harry Rowohlt über Eleanor Bron, Joachim Sartorius über Monica Vitti, Otto Waalkes über Marilyn Monroe, Bernd Eilert über Cathérine Deneuve, Horst Wackerbarth über Jane Russell, Klaus Hoffmann über Hildegard Knef, Gero von Boehm über Charlotte Rampling, Harald Krassnitzer über Doris Day, Alexander Osang über Gina Lollobrigida, Albert Ostermaier über Brigitte Bardot, Jonathan Meese über Scarlett Johansson. Eine originelle Idee, mit vielen Abbildungen. Mehr zum Buch: 36114.html
13. November 2015
CineFest und CineGraph-Kongress
Morgen wird in Hamburg das XII. CineFest eröffnet, das Internationale Festival des deutschen Film-Erbes, das von CineGraph Hamburg und dem Bundesarchiv Berlin organisiert wird. Zu sehen sind in diesem Jahr mehr als dreißig Filme zum Thema „Menschen im Hotel“. Am Eröffnungsabend wird traditionell der Reinhold-Schünzel-Preis verliehen, ein Ehrenpreis für langjährige Verdienste um die Pflege, Bewahrung und Verbreitung des deutschen Film-Erbes, den in diesem Jahr die ehemalige Direktorin des ungarischen Filmarchivs in Budapest, Very Gyürey erhält. Der Katalog zum Festival ist rechtzeitig bei edition text + kritik erschienen. Er enthält Kritiken, Dokumente und Hintergrundtexte. Eine beigefügte DVD präsentiert die Komödie DER PAGE VOM DALMASSE-HOTEL (1933) mit Dolly Haas in der Hauptrolle. – Am 18. November beginnt im Gästehaus der Universität der 28. Internationale Filmhistorische Kongress. Referenten sind Alfons Maria Arns, Thomas Brandlmeier, Jan Distelmeyer, Kathrin Fahlenbrach, Michael Girke, Evelyn Hampicke, Tobias Haupts, Detlef Kannapin, Heike Klapdor, Michelle Koch, Leonardo Quaresima, Sven Weidner und Hans Jürgen Wulff. Auch am ersten Kongress-Abend findet eine Preisverleihung statt: um den Willy-Haas-Preis konkurrieren fünf Bücher, darunter die Feuilletons zur Welt des Kinos von Joseph Roth, und fünf DVDs, darunter der Wittstock-Zyklus von Volker Koepp. Hier ist das Programm des Kongresses: Kong_Programm.pdf . Mehr zum Katalog: VkM4uxzxlgs . Das Festival geht später auf Reisen und kommt auch in Zeughauskino nach Berlin.
01. November 2015
Percy Adlon
Heute findet in der Akademie der Künste am Hanseatenweg die Archivpräsentation von Percy Adlon statt. Ab 15 Uhr sind drei Dokumentarfilme von ihm zu sehen, dann folgt der Film FÜNF LETZTE TAGE (1982). Torsten Musial unterhält sich anschließend mit den Hauptdarstellerinnen Lena Stolze und Irm Hermann. Und ab 19.30 Uhr spricht Percy Adlon, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag gefeiert hat, anhand von Filmausschnitten über sein Leben und seine Filme.
In der Arthaus-Reihe von StudioCanal ist soeben eine Box mit insgesamt zwanzig Filmen von Percy Adlon erschienen. Es sind vor allem die starken Frauenfiguren in seinen Spielfilmen, die dank beeindruckender Darstel-lerinnen bis heute faszinieren: die langjährige Haushälterin von Marcel Proust, CÉLESTE (1981), gespielt von Eva Mattes, die im Gestapo-Hauptquartier Inhaftierten Sophie Scholl und Else Gebel, verkörpert von Lena Stolze und Irm Hermann in FÜNF LETZTE TAGE (1982), die drei Töchter des bayerischen Hofgärtners Lautenschlager, gespielt von Anja Jaenicke, Lena Stolze und Susanne Herlt in DIE SCHAUKEL (1983) – und dann dreimal Marianne Sägebrecht in ihren Paraderollen: als Beifahrerin eines Leichenwagens in ZUCKERBABY (1985), als Betreiberin des ‚Bagdad Cafés’ irgendwo in der amerikanischen Wüste in OUT OF ROSENHEIM (1987) und als Mutter mit ungeahnten Fähigkeiten in ROSALIE GOES SHOPPING (1989). Die letzte der großen Percy-Adlon-Frauen war dann Rosel Zech als Bibliothekarin in Alaska in SALMONBERRIES (1991). In den anschließenden drei Filmen, die man jetzt auf DVD sehen kann, spielen Männer die Hauptrollen: Donald Sutherland als durchgeknallter Lagerbetreiber Jonathan in YOUNGER AND YOUNGER (1993), André Eisermann als Verleger Baldur Graf auf der Suche nach einem in L.A. untergetauchten Autor in HAWAIIAN GARDENS (2001) und Johannes Silberschneider als Gustav Mahler in MAHLER AUF DER COUCH (2010), den Percy Adlon gemeinsam mit seinem Sohn Felix realisiert hat. Die frühen Filme gefallen mir persönlich besser als die späten. Aber man sollte nicht vergessen, dass Adlon auch eine Reihe guter Dokumentarfilme gedreht hat. Zehn davon sind in der Box enthalten, darunter TOMI UNGERERS LANDLEBEN (1973 – ein Besuch bei dem großen Zeichner in seinem Haus in Irland), FRÄULEIN ANNETTE KOLB (1977 – ein Porträt der couragierten Dichterin), IM HAUS DES AFFENMALERS (1980 – über den Maler Gabriel Max), FLUCHTWEGE EINES FRIEDLIEBENDEN MANNES (1982 – über die Flucht des Schriftsteller Leonhard Frank ins Exil) und IN DER GLANZVOLLEN WELT DES HOTEL ADLON (1996 – mit Zeitzeugen und Spielszenen). Die Auswahl der Filme hat Percy Adlon selbst vorgenommen. Mehr zur DVD: die_filme_von_percy_adlon
26. August 2015
Tristan und Isolde im Film
Sabine Sonntag hat 2013 ein schönes Buch über Opernbesuche im Kino publiziert (opernbesuch-im-spielfilm/ ). In ihrem neuen Buch „Seht ihr’s, Freunde!“ geht es um Wagners „Tristan und Isolde“ im Film. Die Autorin untersucht den Umgang mit der Oper, mit dem Stoff und vor allem mit speziellen Musikmotiven. 86 Titel nennt der Anhang, acht davon sind Fernseh-übertragungen. Ihnen ist auch das erste Kapitel gewidmet. Das zweite handelt von der „arthurianischen Filmwelt“, in der Tristan und Isolde eher eine Nebenrolle spielen. Dann geht es aber mitten hinein in die Wagner-Welt mit den Biopics über Richard Wagner und Ludwig II., die aufs engste mit Tristan verbunden sind. Sie werden von Sabine Sonntag sehr differenziert gewürdigt. „Tagesgespenster! Morgenträume!“ heißt das Kapitel über Irreales und Surreales, in dem (sehr beeindruckend) MELANCHOLIA von Lars von Trier, UN CHIEN ANDALOU, L’AGE D’OR und ABISMOS DE PASIÓN von Luis Bunuel, BLACK MOON von Louis Malle und DUETT FÖR KANIBALER von Susan Sonntag als Beispiele analysiert werden. Für Ironie, Satire, Comedy stehen u.a. LOVE IN THE AFTERNOON von Billy Wilder, HOLIDAY IN MEXICO von George Sidney und ROYAL FLESH von Richard Lester. Relativ kurz ist das Kapitel über „Tristan und Isolde als Marker für das Dritte Reich“ mit den Beispielen LA CADUTA DEGLI DEI von Luchino Visconti, SCHTONK von Helmut Dietl, SHINING THROUGH von David Setzer, ESCAPE von Mervyn LeRoy, APT PUPIL von Bryan Singer und LEBENSBORN von David Stephens. Für die Bereiche Liebe, Betrug und Mord werden elf Filme herangezogen, darunter CHRISTMAS HOLIDAY von Robert Siodmak, THE BLUE GARDENIA von Fritz Lang und der Tatort DER SANFTE TOD von Alexander Adolph mit Maria Furtwängler. Im letzten und umfangreichsten Kapitel „Ekstase, Erlösung, Tod“ (19 Filme) gibt es eindrucksvolle Analysen zu HUMORESQUE von Jean Negulesco (Liebestod im Wasser) und VERTIGO von Alfred Hitchcock (Tristan und Suspense; Musik: Bernard Herrmann). Sabine Sonntag hat 2010 mit einer Arbeit über Richard Wagner im Kino promoviert. Ihre große Stärke ist die Sensibilität für den Zusammenhang von Bildern und Tönen. Coverfoto: MELANCHOLIA. Mehr zum Buch: 1bfrbh2te3p6
09. Mai 2015
DIE LANGEN HELLEN TAGE (2014)
Dies ist ein Film aus Georgien, der im vergangenen Jahr dreißig Festivalpreise erhielt und sogar für den Oscar nominiert wurde. Ich habe ihn im Kino versäumt und jetzt erst – dank der DVD von Absolut Medien – gesehen. Ich bin sehr beeindruckt, wie Nana Ekvtimishvili und Simon Groß die Geschichte der beiden Freundinnen Eka und Natja aus dem Sommer 1992 in Tiflis erzählen: in weitgehend ruhigen Einstellungen, genau beobachtend, in einer großen Nähe zu den beiden Protagonistinnen. Eka und Natja sind 14, selbstbewusst, auf der Suche nach einer eigenständigen Zukunft. Sie haben auch miteinander Konflikte, aber die Freundschaft zwischen ihnen ist eng. Eine Pistole, die Eka von einem Freund geschenkt bekommt, wird zum Austauschobjekt. Denn Gewalt ist im postsowjetischen Georgien eine Grundstimmung. Da sie in ihren Familien nicht beschützt werden, halten sich Eka und Natja aneinander fest in ihrer Freundschaft. In den Familien, auf den Straßen, in der Schule sind ständig Aggressionen zu spüren. Ekas Vater sitzt im Gefängnis, am Ende des Films besucht sie ihn dort. Natjas große Liebe, der sanfte Lado wird zu einem Opfer der Gewalt. Die Darsteller sind weitgehend Laien. Lika Babluani (Eka) und Mariam Bokeria (Natja) wurden in der Schule gecastet. Sie sind faszinierend im Zusammenspiel, aber auch in ihren Einzelszenen. Der rumänische Kameramann Oleg Mutu hat daran einen hohen Anteil. Nana Ekvtimishvili stammt aus Georgien und hat an der HFF ‚Konrad Wolf’ in Potsdam studiert, Simon Groß ist Berliner und hat die HFF München absolviert. Ich hoffe, sie können weitere Filme machen. Mehr zur DVD: 7014/Die+langen+hellen+Tage
02. Mai 2015
DIE SCHAUSPIELERIN
Noch eine neue DVD mit zwei DEFA-Filmen von Siegfried Kühn: Der Hauptfilm, DIE SCHAUSPIELERIN (1988), erzählt die melodramatische Geschichte eines Identitäts-wechsels in der frühen Nazizeit. Maria Rheine (gespielt von Corinna Harfouch) hat ein Enga-gement am Theater in Magdeburg. Sie liebt ihren Kollegen Mark Löwenthal (André Hennicke). Ihre beruflichen Wege trennen sich, Maria folgt einem Angebot aus München und wird dort zum Star, Mark geht zum jüdischen Theater in Berlin. Wir erleben, wie Mark einmal nach München fährt, Maria dort als Johanna auf der Bühne sieht, aber einer Begegnung ausweicht, und wie Maria Mark als Pantomimen im jüdischen Theater aus den Kulissen beobachtet. Trotz großer Erfolge in München ändert Maria ihren Namen in Manja Löwenthal, färbt ihr blondes Haar schwarz und findet einen Platz im Ensemble des jüdischen Theaters. Am Ende wird ihr Identitätswechsel durch eine Intrige an die Gestapo verraten. Der Film nutzt die Bühnenwelt – Proben, Aufführungen, Kostümwechsel in den Garderoben – für ein Spiel mit vielen Realitäten, politischen, kulturellen, psychologischen, geschlechtsspezifischen. Es gibt ungewöhnlich viele Spiegelszenen, die vor allem von Corinna Harfouch für die Zwiesprache mit sich selbst und mit den von ihr verkörperten Rollen genutzt werden. Sie erweist sich wieder als herausragende Darstellerin, die eine größere Wirkung entfaltet als ihre männlichen Partner (Hennicke und, als Kollege in München, Michael Gwisdek). Die Kameraführung von Peter Ziesche ist beeindruckend sowohl in den Großaufnahmen als auch in den Raumtotalen. Auch die Maskenbildner haben hervorragend gearbeitet. Als „Bonusfilm“ enthält die DVD Kühns späten Film HEUTE STERBEN IMMER NUR DIE ANDERN. Auch hier sind Schauspielerinnen die Hauptpersonen. Sie heißen Hanna, Maria und Lisa, treffen sich nach langer Zeit wieder und müssen sich damit auseinandersetzen, dass Maria an Krebs erkrankt ist und nicht mehr lange leben wird. So thematisiert Kühn das Thema Sterbehilfe. Es gibt viele symbolische Bildelemente, und die ständigen Erinnerungen an eine Gondelfahrt in Venedig gehen einem auf die Nerven, aber Katrin Saß (Hanna), Ulrike Krumbiegel (Lisa) und vor allem Gudrun Ritter (Maria) sind starke Darstellerinnen. – Eine dritte DVD mit Filmen von Siegfried Kühn ist angekündigt. Mehr zur DVD: die-schauspielerin-heute-sterben-immer-nur-die-andern-sparkauf.html