THE SEVEN YEAR ITCH (1955)

Text für eine Publikation des Verlages Schirmer/Mosel

Es ist eine der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte. Marilyn Monroe und Tom Ewell kommen aus dem Kino. Sie haben den Film The Creature from the Black Lagoon gesehen, Marilyn hat Mitleid mit dem Ungeheuer und denkt, dass sich auch dieses Wesen nur nach etwas Liebe sehnt. Sie steht über einem U-Bahn-Schacht, eine Bahn ist zu hören, ein Luftzug weht ihr weißes Kleid in die Höhe, man sieht ihre langen Beine. Sie juchzt. Sie spürt den kühlenden Effekt in der Sommerhitze und die verführerische Wirkung auf einen Mann, der sie mit einer Mischung aus Amüsement und Überraschung beobachtet. „Ist das nicht himmlisch?“, fragt sie. Es kommt eine zweite U-Bahn, noch ein Windstoß, noch einmal fliegt das Kleid in die Höhe. Sie gehen weiter, die Szene dauert 50 Sekunden.

Es ist allerdings nicht die Filmszene, die um die Welt geht, es sind die Fotos dieser Szene, die als PR-Aktion dem Film The Seven Year Itch zum Erfolg und zum Nachruhm verhelfen.

Mehrere hundert Fotografen und 2000 Schaulustige haben sich am 15. September 1954 vor dem Trans-Lux-Theater an der Ecke Lexington Avenue / 52nd Street versammelt. Gedreht wird zwischen ein und vier Uhr morgens, es ist kalt, Marilyn Monroe wird anschließend krank. Unter dem U-Bahn-Gitter bedient der Techniker für Spezialeffekte einen Ventilator, die Szene wird mehrfach wiederholt, die Zuschauer sind begeistert. Der Regisseur und sein Team wissen, dass die Szene noch einmal im Studio nachgedreht werden muss, denn der Dialog geht im Lärm unter.

Im Film sieht man nur die nackten Beine und – Schnitt – Marilyns Oberkörper. Kein Slip, kein Schritt, keine verbotene Zone. In den Fünfzigern herrschen noch die strengen Regeln des Hays Code. Damals darf man sich im Film auch nur mit geschlossenen Lippen küssen. Gegen Fotos, die mehr versprechen als der Film einhält, ist dagegen nichts einzuwenden.

In keinem Marilyn-Buch, in keinem MM-Starporträt, in keiner Monroe-Ausstellung fehlt das wehende weiße Kleid über dem U-Bahn-Schacht. Wir haben es mit einer der genialsten Werbemaßnahmen der Filmgeschichte zu tun.

Die Fotos von Elliott Erwitt dokumentieren eine choreographische Bewegung, eine Drehung auf dem Gitter in dafür denkbar ungeeigneten Schuhen. Sie zeigen Marilyns Lust an einem gewissen Exibitionismus, ihr Spiel mit den Fotografen und den neugierigen Zuschauern. Sie reduzieren die Filmfarbe zum Schwarzweißbild und schaffen damit eine spezielle Intimität. Das weiße Kleid schwingt gegen den schwarzen Himmel. Heute würde man die Situation eine Performance nennen. Billy Wilder dirigiert von der Kamera aus.

The Seven Year Itch war für den Regisseur Wilder eine schwierige Produktion. Der männliche Hauptdarsteller Tom Ewell, der seine Rolle schon auf der Bühne gespielt hatte, galt für den Film nicht als erste Wahl. Wilder wollte den jungen Walther Matthau, aber er bekam ihn nicht. Das Drehbuch von George Axelrodt ist viel zu theaternah, und es gibt in dem Film erstaunlich wenig zu lachen. Er imaginiert die Versuchungen, in die ein seit sieben Jahren verheirateter Mann im Sommer in New York geraten kann, wenn seine Familie verreist und eine attraktive Nachbarin zu Kontakten bereit ist. Die erotischen Träume bleiben natürlich unrealisiert, weil der spießige Angsthase nicht einmal den Anschein eines Ehebruchs erwecken möchte. Die fünfziger Jahre waren für erotische Komödien in Amerika keine wirklich gute Zeit. Lubitsch war tot und von Blake Edwards noch nichts zu sehen.

Marilyn Monroe ist trotz dieser ungünstigen Voraussetzungen umwerfend gut. Persönlich musste sie dafür einen hohen Preis bezahlen: während der Dreharbeiten ging ihre Ehe mit Joe DiMaggio in die Brüche.

Magnum am Set. Schirmer/Mosel 2010

Foto: Elliott Erwitt / Magnum