THE MISFISTS (1960)

Text für eine Publikation des Verlages Schirmer/Mosel

Man könnte glauben, dass The Misfits in erster Linie gedreht wurde, um möglichst viele Magnum-Fotografen zu beschäftigen. Es gibt wohl keinen anderen Film, bei dem so unterschiedliche Setfotos gemacht wurden. Die Dreharbeiten in der Wüste von Nevada dauerten rund vier Monate. Nacheinander waren – neben dem für das Studio arbeitenden Al St. Hilaire – neun Magnum-Fotografen vor Ort, um ihren speziellen Blick auf die Filmarbeit zu richten: Henri Cartier-Bresson, Dennis Stock, Erich Hartmann, Elliott Erwitt, Bruce Davidson, Ernst Haas, Inge Morath, Cornell Capa und Eve Arnold. Ihre Lieblingsfigur war Marilyn Monroe, die arbeitende, posierende, nachdenkende, mit sich und ihrer Rolle beschäftigte Hauptdarstellerin. Die zweitwichtigste Person war für die Fotografen der Autor Arthur Miller, zu dieser Zeit noch mit der Hauptdarstellerin verheiratet. Miller und Monroe: ihr Auseinanderleben während der einzigen gemeinsamen Filmproduktion war der melodramatische Subtext von The Misfits. Den schönsten Bildkontrast schaffen Elliott Erwitt und Cornell Capa: die Gruppe der Schauspieler zusammen mit dem Autor Miller (aber ohne die wunderbare Thelma Ritter) hält so etwas wie Zwiesprache mit den vereinsamten Stühlen in der weiten Wüste. Was auf den Fotos fehlt, sind die Pferde.

Der Film The Misfits handelt von einer Frau, drei Männern, sechs Mustangs und einem Hund namens „Tom Dooley“. Roslyn (MM), Nachclubtänzerin, in Reno frisch geschieden, lernt drei Männer kennen: den Piloten Guido (Eli Wallach), den Cowboy Gay (Clark Gable) und den Rodeoreiter Perce (Montgomery Clift). Alle drei sind einsam und von den Umständen ihres Lebens enttäuscht. Auf unterschiedliche Weise gewinnen sie die Zuneigung der jungen, etwas naiven Frau. Zur existentiellen Probe wird eine Pferdejagd mit Flugzeug und Lastwagen, die allerdings ein triviales Ziel hat: die edlen Mustangs sollen in der Stadt zu Hundefutter verarbeitet werden. Roslyn ist empört, schreit ihre Wut in den Wüstenwind und bringt die Männer zum Nachdenken. Am Ende ist Gay der Glückliche, weil sich Roslyn für ihn als Partner entscheidet.

Story und Drehbuch stammen von Arthur Miller. Der Film ist wortgewaltig und spart im Dialog nicht an Allgemeinplätzen. Seine schönsten und bildhaftesten Momente hat er bei der Pferdejagd. Sie ist perfekt inszeniert, die Schwarzweiß-Bilder von Russel Metty sind als spannende Verfolgung inszeniert, die Pferde haben Wildheit, Würde und Angst. Aber The Misfits ist auch nach fünfzig Jahren vor allem ein Starfilm: der letzte mit Clark Gable, der noch vor der Premiere starb. Und der letzte mit Marilyn Monroe, die sich im August 1962 aus der Welt verabschiedete. MM hat eine starke Präsenz, obwohl ihr das Miller-Drehbuch viel Widersprüchliches zumutet. Ihre Proteste gegen die zerstörerische Männerwelt haben etwas Kindlich-Rührendes. Ihre Blicke, ihre Neugierde, ihre Hilfsbereitschaft machen sie begehrenswert. Wenn sie nur nicht so viel reden müsste. Und natürlich projizieren wir in die Darstellerin unser Wissen über die letzte Lebensphase von MM. Tablettensucht, Alkoholismus, Trennung von Miller, Psychotherapie bis zum Umfallen, geheimnisumwitterter Tod mit 36 Jahren. Abschied von einer realen Person, der Mythos nimmt dann seinen Lauf.

Die Produktion ihres letzten Films war unabhängig von MMs Zustand offenbar sehr chaotisch. Man kann das nachlesen in dem Tagebuch „The Story of ‚The Misfits’“ von James Goode (1963). Der Regisseur John Huston: spiel- und alkoholsüchtig, der Autor Arthur Miller: eitel und verunsichert, die Darsteller Clark Gable und Montgomery Clift: physisch und psychisch geschwächt. Die Bilder der Magnum-Fotografen sind dezent, es gibt keinerlei Voyeurismus. Ein spezielles Happyend: auf dem Set hat die Fotografin Inge Morath ihren späteren Mann Arthur Miller kennen gelernt.

Magnum am Set. Verlag Schirmer/Mosel 2010

Foto: Elliott Erwitt / Magnum