14. April 2010
MOBY DICK (1956)
Text für eine Publikation des Verlages Schirmer/Mosel
„Es war der schwierigste Film, den ich je gemacht habe“, sagte der Regisseur John Huston später über MOBY DICK. Zehn Jahre wird er vorbereitet, drei Jahre dauert die Produktion, neun Monate lang wird gedreht, drei Millionen $ waren die geplanten Kosten, viereinhalb sind es am Ende. Es ist ein Kampf mit dem Stoff, mit dem Wetter, mit Warner Bros. und mit dem lieben Gott.
Der Stoff stammt von Herman Melville. Ein Roman der Weltliteratur, der als unverfilmbar gilt, weil er mythologisch und philosophisch grundiert ist, einen negativen Helden hat, der sich mit Gott misst, und nur von einem Wahnsinnigen realistisch inszeniert werden kann. Es gibt keine weibliche Sprechrolle und kein Happyend. Huston gewinnt Ray Bradbury als Coautor und Gregory Peck als Hauptdarsteller.
Er spielt den einbeinigen Kapitän Ahab, der sich mit dem Walfangschiff „Pequod“ und einer bunt zusammengewürfelten Mannschaft auf den weiten Weg macht, den weißen Wal Moby Dick zu erlegen, der ihm einst ein Bein abgebissen hat. Die Fahrt wird langwierig, verschiedene Zwischenfälle steigern die Spannung, das Finale ist relativ kurz. Die „Pequod“ wird vom Wal in die Tiefe gerissen, die Besatzung geht unter, nur der Matrose Ismael überlebt. Er erzählt uns die Geschichte als Rückblende.
Film und Roman spielen im Jahr 1841. Nach 27 Minuten Vorbereitung heißt es „Leinen los!“ und die „Pequod“ macht sich auf die weite Reise. Kapitän Ahab hat nach 32 Minuten seinen ersten Auftritt, bis dahin kennen wir ihn nur als Schatten und als Verursacher von Schrittgeräuschen. Ein erster Wal wird nach 40 Minuten harpuniert, aber es ist natürlich nicht der gesuchte. Auch der zweite (52. Minute) ist der falsche. In der 76. wird Moby Dick entdeckt, aber er entkommt. Der Showdown beginnt in der 100., dauert zwölf Minuten und endet für fast alle tödlich. Auch Kapitän Ahab geht unter.
Man mag es kaum glauben, dass Gregory Peck ohne Double gearbeitet hat. Wenn er sich am Ende an Moby Dick kettet und mit dem Wal im Meer versinkt, muss man real um sein Leben fürchten. Für den Moby Dick wurden nacheinander drei riesige Attrappen aus Stahlskeletten und Kunststoffen hergestellt. Die erste ging zu Bruch, bei der zweiten rissen die Schleppleinen, die dritte hielt Stand. Gedreht wurde in Südirland, an der Küste von Wales, im Umfeld der Kanarischen Inseln und in den Elstree Studios in London vom Sommer 1954 bis zum Frühjahr 1955.
Hinter der Kamera stand der Routinier Oswald Morris, mit dem Huston bereits MOULIN ROUGE gedreht hatte. Die Technicolorfarben wurden mit einer speziellen Methode entsättigt, es dominiert ein grobkörniges Grau, nur einmal sind Wasser und Himmel strahlend blau.
Gregory Peck war in Hollywood mehr für die Guten als für die Bösen zuständig. Er galt vor allem als Gentleman im grauen Flanell. Als Kapitän Ahab, der sich quasi mit Gott anlegt, muss er einen Verrückten spielen und wächst dank guter Maske und körperlicher Einsatzkraft in diese Rolle hinein. Wie ein Hypnotiseur bringt er die Schiffsmannschaft immer wieder auf seine Seite, bis sie mit ihm zusammen untergeht. Einen ‚Oscar’ hat er für diese Leistung nicht bekommen.
Huston war ein besessener Regisseur und bei MOBY DICK auch sein eigener Produzent. Warner Bros. glaubte nicht an den Film, die Mehrkosten bezahlte die Huston-Firma Moulin Productions, sie wurden nie eingespielt. Herman Melville metaphorisierte Motive und Figuren des Alten Testaments. Zehn Jahre später verfilmt Huston „Die Bibel“ und spielt sowohl Noah wie Gott selbst.
Die Set-Fotos von Erich Lessing dokumentieren Energie und Kraft, die ein Meeresfilm den Menschen abverlangt, auch wenn man sieht, dass Moby Dick nur eine raffinierte Konstruktion ist.
Magnum am Set. Schirmer/Mosel 2010
Foto: Erich Lessing