Texte & Reden
14. April 2010

DEATH OF A SALESMAN (1985)

Text für eine Publikation des Verlages Schirmer/Mosel

Was ist so interessant am Leben, an den Träumen und am Tod eines ziemlich erfolglosen Trikotagen-Vertreters im Amerika der später Vierziger, dass es seit Jahrzehnten Menschen zu ihm ins Theater, ins Kino und vor den Fernseher zieht? Es gibt offenbar eine Faszination auch für die Kehrseiten des American Dream.

Arthur Millers Theaterstück „Death of a Salesman“, 1949 uraufgeführt, ist klassische Moderne. Es wurde 1952 erstmals verfilmt (von Laszlo Benedek mit Fredric March) und verschwand nie von den internationalen Spielplänen. In den Achtzigern spielte Dustin Hoffman den Vertreter Willy Loman am Broadway, er drängte zusammen mit dem Autor Miller 1985 auf eine neue Verfilmung. Die Wahl des deutschen Regisseurs Volker Schlöndorff war, wie man weiß, eher einem Zufall zu verdanken. Sie erwies sich als Glücksfall, weil Schlöndorff für seine Realisierung eine eigenständige Form fand.

Willy Loman, 63 Jahre alt, verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne. Biff, der ältere, ist aus der Bahn geraten, seit er seinen Vater bei einem Seitensprung ertappt hat. Happy, der jüngere, gefällt sich als Hallodri. Vater Willy erlebt Tagträume, in denen sein einst wohlhabender, aber inzwischen verstorbener Bruder auftaucht und das Leben vor allem aus Erfolgen besteht. Die Realität –  der Streit mit den Söhnen, der Verlust seines Arbeitsplatzes, die Anhäufung von Schulden – treibt ihn in die Verzweiflung und am Ende in den Selbstmord. Ein vorgetäuschter Autounfall bringt die hinterbliebene Familie wenigstens in den Genuss einer ausbezahlten Versicherungsprämie.

Im „amerikanischsten aller amerikanischen Theaterstücke“ (New York Times“) verkörpern die drei zentralen Männerfiguren alle Topoi des American Life: Erfolgssyndrom, Beliebtheitsmanie, Vaterkomplex, Generationskonflikt, Geschwisterkonkurrenz, Vergangenheitsverklärung, Zukunftsangst. Und über allem schwebt die Ehefrau und Mutter wie eine mater dolorosa.

Auftraggeber der Verfilmung war die Fernsehgesellschaft NBC. Für Schlöndorff gab es zwei Möglichkeiten: die Reproduktion der Theateraufführung (preiswert, aber langweilig) oder die Übertragung der Handlung in reale Schauplätze (aufwendig und mit dem Originaltext nicht realisierbar). Kürzungen lehnte der Autor Miller kategorisch ab. Also entschied sich Schlöndorff für einen dritten Weg. Er ließ in den Astoria-Studios in Queens eine Bühnenlandschaft bauen, die eine Nähe zum Theater hatte, aber für die Filmkamera Operationsmöglichkeiten bot. Und er holte sich Michael Ballhaus, der gerade seinen ersten Film mit Martin Scorsese drehte, als Director of Photography. Das Wechselspiel zwischen Traum und Realität funktionierte bestens, die Dialoge korrespondieren mit einer eigenständigen visuellen Ebene. Die beiden Europäer Schlöndorff und Ballhaus behielten zum amerikanischen Drama auch eine kluge Distanz. Den Push für einen großen Erfolg leisteten die Schauspieler.

Dustin Hoffman ist in der physischen Präsenz, in der Körpersprache, in der Gestik die Idealbesetzung für den kleinen Willy Loman, der gerne groß erscheinen möchte. Er schafft in der Tristesse des Dramas sogar komische Momente, er ist nahezu perfekt. John Malkovich und Stephen Lang spielen die Söhne Biff und Happy ohne Egomanien. Kate Reid ist die Inkarnation einer Mutter. Für Hoffman gab es einen Golden Globe als bester TV-Darsteller, für den Film einige Emmy Awards.

Inge Morath, Ehefrau von Arthur Miller, hat auf der Bühne und auf dem Set fotografiert. Ihr Interesse gilt vor allem Dustin Hoffman und man spürt, wie froh Miller gewesen sein muss, dass es für sein Stück einen idealen Hauptdarsteller gab.

Magnum am Set. Verlag Schirmer/Mosel 2010

Foto: Inge Morath