Marlene Dietrich – Fünf Reden 1993-2003

Mit der Übergabe des Nachlasses von Marlene Dietrich im Oktober 1993 in Berlin begann auch seine Präsentation für die Öffentlichkeit. In verschiedenen Ausstellungen mit unterschiedlichen Konzeptionen wurden im In- und Ausland Teile der „Marlene Dietrich Collection Berlin“ gezeigt. Bei fünf Gelegenheiten habe ich als Vorstand der Stiftung Deutsche Kinemathek und später als Direktor des Filmmuseums Berlin gesprochen. Die Reden sind hier dokumentiert.

Berlin, Oktober 1993, Übergabe des Nachlasses

Liebe Maria Riva, lieber Herr Senator, meine Damen und Herren,

dies ist ein schöner Tag für die Stadt Berlin und ein großer Tag für die Kinemathek. Wir haben in den letzten dreißig Jahren gewiss viele bedeutende Sammlungen übernommen, aber noch nie eine so umfangreiche, eine so prominente, eine so überraschende Sammlung wie den Nachlass von Marlene Dietrich. Es ist ein Geschenk, mit dem wir nicht rechnen konnten, das uns mit Stolz erfüllt und in vieler Hinsicht herausfordert. Wir übernehmen mit der Marlene-Dietrich-Collection nicht nur eine archivarische, sondern auch eine politische Aufgabe. Der Senator hat das in seiner Rede sehr deutlich gemacht. Und für Maria Riva war dies ein Motiv, die Sammlung nach Berlin zu geben. Der Nachlass ist eingetroffen. Die Kisten, Kästen und Koffer können geöffnet werden. Einige ausgewählte Stücke zeigen wir Ihnen hier.

Die Marlene Dietrich Collection findet in der Kinemathek ja eine interessante Nachbarschaft vor: den Asta Nielsen-Nachlass, die Sammlung zur Ufa-Geschichte, die Bestände zu Emil Jannings, William Dieterle und Gerhard Lamprecht, den Paul Kohner-Nachlass und die Sammlung zum deutschen Filmexil. Da lassen sich viel Verbindungen herstellen.

Am häufigsten wird uns in diesen Tagen die Frage gestellt: „Was passiert denn nun mit dem Nachlass?“ Zunächst einmal wird das gesamte Material gesichert, archiviert, katalogisiert und – falls notwendig – restauriert. Drei Daten geben uns in den nächsten Jahren die Möglichkeit, die wichtigsten Teile der Sammlung öffentlich zu zeigen: 1995, wenn das Kino 100 Jahre alt wird, soll Marlene Dietrich im Mittelpunkt einer großen Filmausstellung im Martin-Gropius-Bau stehen. 1998, wenn das Filmhaus am Potsdamer Platz eröffnet wird, erhält die Marlene Dietrich Collection einen herausragenden Platz im künftigen Filmmuseum. Und wenn wir schließlich im Jahre 2001 den 100. Geburtstag von Marlene Dietrich begehen, wird die Sammlung noch immer für Überraschungen gut sein. Es gibt bereits die ersten Anfragen aus dem In- und Ausland nach einzelnen Exponaten oder ganzen Ausstellungen, und Teile der Sammlung werden sicherlich durch die Welt wandern.

Natürlich ist es schade, dass es das Filmhaus am Potsdamer Platz noch nicht gibt. Während der Jahre des Wartens hat sich immerhin eine ansehnliche Zahl an Grundsteinen angesammelt. Der erste wurde 1987 von Billy Wilder signiert. Der heutige Stein für die Unterschrift von Maria Riva ist im Übrigen nicht mehr aus Ziegel, sondern aus Marmor. So wachsen mit der Zeit unsere Ansprüche.

Mein persönlicher Dank gilt heute den Kollegen Gero Gandert, der in unserem Haus die Sammlung des deutschen Filmexils aufgebaut hat, und Werner Sudendorf, dessen erste Arbeit für die Kinemathek 1977/78 die Publikation zu einer vollständigen Marlene Dietrich-Retrospektive der Berliner Filmfestspiele war. So schließen sich immer wieder die Kreise. Gero Gandert und Werner Sudendorf haben aus meiner Sicht den Verhandlungen über den Marlene Dietrich-Nachlass entscheidende Impulse gegeben. Nicht vergessen möchte ich in diesem Zusammenhang die beiden Anwälte Frieder Roth aus München und Stefan Lütje aus Berlin, die den Vertrag ausgearbeitet haben, Peter Riva, der bei den Verhandlungen für ein freundschaftliches Klima gesorgt hat, und dem Auktionshaus Sotheby’s, das die Sammlung zusammengeführt und sachkundig verwahrt hat.

Ich danke Maria Riva noch einmal und von ganzem Herzen, dass sie den Nachlass ihrer Mutter nach Berlin gegeben hat, und dem Land Berlin – vertreten durch Herrn Senator Roloff-Momin -, dass es diesen Nachlass der Kinemathek anvertraut. Dem Geldgeber – der Stiftung Deutsche Klassenlotterie – hat der Senator seinen gebührenden Dank abgestattet.

Meine Bewunderung gilt am Ende Marlene Dietrich: ihrer Kunst, ihrer politischen Haltung und ihrer Manie, alle Dinge ihres Lebens aufzuheben. Ohne sie ständen wir hier nicht so stolz und glücklich beisammen.

Berlin, Deutsches Theater, 24. Oktober 1993

 

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Bonn, November 1995, Ausstellungseröffnung in der Bundeskunsthalle

Liebe Maria Riva, sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Wenzel Jacob, meine Damen und Herren, als Vorstand der Stiftung Deutsche Kinemathek danke ich Ihnen – auch im Namen des Landes Berlin und der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten – für die freundliche Begrüßung in diesem Haus. Wir sind hier nun für zehn Wochen, bis zum 21. Januar nächsten Jahres, mit Marlene Dietrich zu Gast. In einer Zeit komplizierter Balancen zwischen Bonn und Berlin sehe ich diese Ausstellung als ein positives, von beiden Seiten gewünschtes Signal für Partnerschaft und Zusammenarbeit. Wenn wir mit den schönsten Stücken der Marlene-Sammlung zu Ihnen kommen, bedanken wir uns damit auch für die Förderung, die uns seit vielen Jahren durch den Bund, konkret: das Bundesministerium des Innern, zuteil wird.

Die Deutsche Kinemathek existiert als filmhistorisches Archiv, als Ort des Sammelns und Forschens, der Publikationen und filmkulturellen Veranstaltungen, seit mehr als dreißig Jahren. Sie ist federführend im deutschen Kinematheksverbund und hat – wie man so sagt – einen guten Namen. Am Ende dieses Jahrhunderts, also schon bald, wird die Kinemathek in der Mitte Berlins, in einem großen Filmhaus, ihr Museum eröffnen. In diesem Jahr, zum Jubiläum des Films, hat sie eine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau verantwortet. Mit Marlene Dietrich im Mittelpunkt. Es kamen hunderttausend Besucher aus dem In- und Ausland. Auch aus Bonn.

Jede Filmausstellung – und zu einem großen Teil verbindet sich auch die Marlene-Schau, die wir heute Abend eröffnen, mit dem Film – jede Filmausstellung steht vor der Schwierigkeit, ihren eigentlichen Gegenstand, den Film, nicht wirklich zeigen zu können. Sie kann nur mit Reliquien des Films ein historisches, didaktisches, aufklärendes oder mystifizierendes Spiel treiben. Sie rechnet dabei mit der Neugier der Menschen, die vom Film als wichtigstem Medium dieses Jahrhunderts besonders affiziert sind. Filmausstellungen können Geräte, Plakate, Fotos, Dokumente, Kostüme, Requisiten zeigen. All diese Dinge sind keine Kunst, sondern waren Mittel zum Zweck: bei der Vorbereitung, bei der Produktion oder bei der Präsentation eines Films. Aber in der Idee, in der Inszenierung, in der Montage kann eine Filmausstellung den Blick in einen wunderbaren Bereich der Kulturgeschichte öffnen und schärfen. Sie kann das Faszinosum Film wohl nicht erklären, aber seine Imagination beschwören. Das gelingt umso besser, je direkter sie die Mythen selbst thematisiert.

Marlene Dietrich war und ist ein Mythos im Film und in der Welt des Entertainments. Sie sei das Beste, was Berlin hervorgebracht hat, sagt Volker Schlöndorff. Auch wenn er damit vielleicht etwas übertreibt: Marlenes Stimme, ihr Gesicht, ihr Spiel, ihre Blicke und Gesten, ihr melodramatisches Repertoire haben über Jahrzehnte die Welt fasziniert. Darüber hinaus galt in vielen Ländern – während der politisch dunklen Zeit der dreißiger und vierziger Jahre – die Bewunderung auch ihrer politischen Haltung, ihrer Ablehnung des Nationalsozialismus. Manche Deutschen haben das nie begriffen.

Als es vor drei Jahren darum ging, für den Nachlass von Marlene Dietrich einen angemessenen Platz zu finden, gab es für das Land Berlin auch ein politischesMotiv, sich um den Ankauf zu bewerben. Und Maria Riva hat dies mit ihrer Verkaufsentscheidung honoriert. Inzwischen sind große Teile des riesigen Nachlasses aufgearbeitet, oder sagen wir bescheidener: es gibt einen generellen Überblick und ein Wissen in vielen Details.

Wenn ich jetzt – in Vertretung meines Kollegen Werner Sudendorf, der aus persönlichen Gründen nicht hier sind kann – kurz in die Ausstellung einführe, dann bin ich in der Gefahr, wie der Besitzer einer Schatzkammer einen Blick auf einige Preziosen zu erlauben, aber am liebsten von all dem zu schwärmen, was noch an anderer Stelle verwahrt ist. Also formuliere ich ganz nüchtern:

Die Ausstellung hier in Bonn ist anders gegliedert als in Berlin. Sie folgt keiner Chronologie, sondern bietet thematische Schwerpunkte aus dem Leben von Marlene Dietrich:

– Ihr Bild in der Öffentlichkeit, als Werbeträger, auf Reisen, mit ihrem Publikum, bei der Probenarbeit.

der blaue engel, die Hollywood-Filme, der Glamour, die Freunde und Liebhaber.

– Das Verhältnis zu Deutschland, die Zeit in Berlin, die Truppenbetreuung im Zweiten Weltkrieg.

– Die Auftritte als Show-Star, ihre Israel-Besuche, die letzten Lebensjahre in Paris.

Sie werden Fotos und Plakate, Kostüme und Requisiten, Privates und Öffentliches, Triviales und Kunstvolles, Bekanntes und Unbekanntes sehen. Es ist immer ein doppelter Blick möglich: auf die Oberfläche, den äußeren Schein, die Inszenierung – und ins Innere, hinter die Kulisse, in die reale Welt des Showgeschäfts.

Für Marlene waren immer nur die besten gut genug: die größten Fotografen, die berühmtesten Modeschöpfer, die professionellsten Designer. Auch das macht einen Weltstar aus: nichts den Amateuren oder den zweitklassigen Leuten zu überlassen und nichts dem Zufall. Denn ein Mythos entsteht selten von selbst.

Ich danke der Bundeskunst- und Ausstellungshalle für die Zusammenarbeit bei diesem Projekt. Vielleicht lässt sie sich ja eines Tages fortsetzen. Was uns in Berlin nicht gelungen ist, gibt diesem Abend in Bonn seinen Glanz: ich freue mich, dass nun Maria Riva die Ausstellung eröffnen wird.

Bonn, Bundeskunsthalle, 9. November 1995

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Frankfurt, Februar 1998, Ausstellungseröffnung im Deutschen Filmmuseum

Sehr geehrte Frau Reisch, lieber Walter Schobert, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einfach mit einem Kompliment an unsere Kollegen vom Deutschen Filmmuseum in Frankfurt beginnen. Sie haben hier für Marlene Dietrich eine schöne, vielschichtige, die Persönlichkeit würdigende Ausstellung gestaltet, die in den kommenden zwei Monaten sicherlich sehr erfolgreich sein wird. Wir freuen uns über dieses Ereignis und bedanken uns für die gute Zusammenarbeit.

„Ich bin, Gott sei Dank, Berlinerin“ schrieb Marlene Dietrich im Vorwort zu einer späten Version ihrer Memoiren. Der Satz wurde zum deutschen Titel des Buches. Sie sei es – „Gott sei Dank“ – weil der Berliner Humor ihr das Leben erleichtert und ihr geholfen habe, nicht im Gram der Welt zu ertrinken. Leider sind nicht alle Berliner stolz auf M.D., einen ihrer wenigen singulären Weltstars. Dass sie ihre größten Erfolge in Amerika hatte, dass sie sich von dort aus gegen das Hitler-Deutschland im Krieg engagierte, dass sie in den fünfziger Jahren nicht „heimgekehrt“ ist – das blieb ein Vorwurf bei allzu vielen Berlinern bis zu ihrem Tod und darüber hinaus. Da hat auch kein Humor geholfen.

Als Marlene Dietrich im Mai 1992 starb und ihr letzter Wille bekannt wurde – nämlich in Berlin begraben zu werden – waren die Repräsentanten der Stadt sichtlich überfordert, eine würdige Trauerfeier für sie auszurichten. Der Sarg musste von Sicherheitsleuten vor unberechenbaren Berlinern geschützt werden. Vielleicht ist es dem öffentlichen Katzenjammer über diese Beerdigung zu verdanken, dass sich einige Politiker – vor allem im Entscheidungsgremium der Deutschen Klassenlotterie Berlin – besonders angestrengt haben, den Dietrich-Nachlass nach Berlin zu holen. Dass dies dann wirklich gelungen ist und die Kinemathek mit der Aufarbeitung und Pflege betraut wurde, ist für unser Haus, für Berlin und für das ganze Land ein fast unverdientes Glück, das wir uns mit Ausstellungen wie dieser immer wieder neu verdienen müssen.

Wenn wir – knapp zwanzig Jahre nach Frankfurt – im Jahr 2000 in der Mitte des neuen Berlin unser Filmmuseum eröffnen, wird Marlene Dietrich darin einen exponierten Platz erhalten. Bei unserem Nachbarn, Daimler Benz, wird es dann sogar einen Marlene-Dietrich-Platz geben, der uns die jahrelange Berliner Posse um eine Straßenfindung für diesen Namen hoffentlich vergessen lässt. Und vielleicht steht dann – initiiert von Artur Brauner – auch ein Marlene-Denkmal auf diesem Platz. Ich fürchte allerdings, wir sehen sie da als Lola auf der Tonne sitzen.

Gestatten Sie mir eine kurze Abschweifung: Gestern ist der Autor Curt Siodmak, 95 Jahre alt, zu einem Besuch in Berlin eingetroffen. Ihm und seinem Bruder, dem Regisseur Robert Siodmak, gilt die Retrospektive der Berliner Filmfestspiele, die morgen eröffnet werden. Curt, der Ideengeber zu dem Film menschen am sonntag, fast zeitgleich uraufgeführt mit dem blauen engel, musste 1933 Berlin verlassen und emigrierte – ähnlich wie sein Bruder – über Paris und London nach Hollywood. Seine Karriere verlief mühevoller als die von Marlene Dietrich. Er schrieb Storys und Drehbücher in den Genres Phantasy, Horror und Science-fiction. Auch er engagierte sich gegen Nazi-Deutschland und kam später nur noch besuchsweise nach Europa und Deutschland  zurück. Seine Memoiren tragen den Titel „Unter Wolfsmenschen“. Sie erzählen andere, dunklere Geschichten als die Erinnerungen von Marlene Dietrich.

Ein zweiter Exkurs: Heute – während wir hier die Marlene Dietrich-Ausstellung eröffnen – findet in Berlin die „offizielle“ Feier zu Bertolt Brechts 100. Geburtstag statt. Bundespräsident Roman Herzog hält die Festrede. Auch bei Brecht geht es – in der Würdigung von Leben und Werk – um deutsche Geschichte. Er kam aus dem Exil nach Deutschland zurück und war dort bis 1956, also bis zu seinem Tod, mit dem Aufbau zum real geplanten Sozialismus konfrontiert. Seine Lebensgeschichten werden zurzeit von anderen erzählt.

Dietrich – Siodmak – Brecht. Dreimal: Exil in Hollywood. Unter den Dreien gab es damals wenig Berührungspunkte. Aber sie stellen sich aus heutiger Sicht her, wenn wir die drei Leben in zeitgeschichtliche Verbindungen bringen, denn die dreißiger, vierziger, fünfziger Jahre haben mit unserer Gegenwart, mit unserer Identitätssuche, mit unseren Krisen und Problemen mehr zu tun, als uns lieb ist.

Siodmak und Brecht liefern dafür – durch ihre Werke – vielleicht mehr paradigmatisches Material. Bei Marlene Dietrich sollte man in diesem Zusammenhang nicht nur die Oberfläche im Blick haben, den professionellen Glitter, die Hülle, die Mode, sondern auch ihr Ethos, ihren Charakter, ihre Haltung. Wenn ihr Lebenskern hinter all den exquisiten Exponaten in der Ausstellung über den Star M.D. durchscheint, dann hat sie einen Sinn über das schöne Ereignis hinaus.

Bei einer Kooperation zwischen Berlin und Frankfurt war natürlich ein Gelingen des Projekts vorauszusehen. Zumal – jetzt bricht eine typische  Berliner Selbstüberschätzung durch – Hans-Peter Reichmann 1994/95 fast zwei Jahre lang zum Mitarbeiterstab der Kinemathek gehörte. Er hat damals in der Marlene Dietrich Collection gearbeitet, den Marlene-Bereich in unserer Ausstellung „Kino * Movie * Cinéma“ maßgeblich mitbetreut und anschließend die Dietrich-Präsentation in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle verantwortet. Niemand – außer Werner Sudendorf – kennt, glaube ich, den Marlene-Nachlaß so gut wie Hans-Peter Reichmann, der inzwischen bekanntlich nach Frankfurt zurückgekehrt ist. Welch ein Glück für das Filmmuseum und natürlich für diese Ausstellung.

Neu – auch für uns – ist dabei der Einsatz einer CD-Rom. Dass diese Premiere zustande kam, verdanken wir Thilo Kiank und Rainer Gräber von der Firma Virtualis, die die CD-Rom hergestellt haben und mit dieser Arbeit zu Professionals in Sachen M.D. geworden sind.

Zu danken ist außerdem aus meinem eigenen Haus Kristina Jaspers, die das Projekt so geräuschlos koordiniert hat, dass Werner Sudendorf als Leiter der Collection wenig mehr als die Lust der Verantwortung zu tragen hatte.

„Nehmt nur mein Leben…“ hieß die erste Version von Marlenes Dietrichs Memoiren. Ein Goethe-Zitat. Der ganze Vers lautet „Nehmt nur mein Leben hin in Bausch / Und Bogen, wie ichs führe; / Andre verschlafen ihren Rausch, / Meiner steht auf dem Papiere.“ Aber der Rausch ihres Lebens steht nicht wirklich auf dem Papier. Ihr Leben – das war die lebenslange Arbeit an ihrem Mythos. Das sind ihre Filme, die Sie in den nächsten Wochen hier sehen können. Das sind die Songs, die man hören kann. Und das ist die Ahnung, die wir von ihr bekommen, wenn wir die Dokumente, die Requisiten, die Trophäen und Momentaufnahmen betrachten, die uns der Nachlass und diese Ausstellung übermitteln. – Ich danke Ihnen für Ihr Interesse.

Frankfurt am Main, Deutsches Filmmuseum, 10. Februar 1998

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Berlin, Oktober 2001, Begrüßung zur Marlene-Dietrich Ausstellung im Filmmuseum Berlin

Sehr verehrte Frau Senatorin, lieber Peter Riva, meine Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen zur Eröffnung unserer Ausstellung „Forever Young“ zum 100. Geburtstag von Marlene Dietrich. Noch trennen uns von diesem Geburtstag zwei Monate und zehn Tage – aber wir müssen uns ja nicht ängstigen, dass die Gefeierte ihren vorfristig begangenen Festtag nicht mehr erleben könnte. Marlene wird ihren 100. Geburtstag sogar überleben, wie es der Titel unserer Ausstellung prophezeit.

Wir präsentieren Ihnen heute nicht nur eine kleine, aber feine Sonderausstellung, wir haben auch den großen Marlene Dietrich-Bereich der Ständigen Ausstellung überarbeitet. Neue Exponate, andere Akzente. Sie können sich davon bis gegen 22 Uhr über den Zugang im 2. Obergeschoß überzeugen. Unsere Sonderausstellung wird bis Mitte Februar 2002 zu sehen sein, also auch noch während der kommenden Filmfestspiele.

Ich habe mich bei verschiedenen Firmen und Personen zu bedanken. Zunächst bei unserem Lead Sponsor Studio Universal München. Und bei unserem Medienpartner InfoRadio. Beide sind uns seit der Eröffnung des Museums treu.

Dann bei verschiedenen Medienunternehmen und Fernsehsendern, die uns bei der Realisierung des Medienprogramms der Ausstellung unterstützt haben, von der KirchGruppe bis zum Westdeutschen Rundfunk. In der Ausstellung würdigt dies eine Dankestafel.

Ein Kompliment verdienen die Firmen Abrell & van den Berg für die Gestaltung der Ausstellung und M2M für die Grafik. Sie werden diese Nennung noch besser verstehen, wenn Sie die Ausstellung gesehen haben.

Eine gute Kooperation gab es mit dem Nicolai Verlag, der ein Buch publiziert hat, das diese Ausstellung aufs schönste begleitet. Vielen Dank, Hans von Trotha. Eine DVD des blauen engel wird im November erscheinen – als Resultat einer guten Zusammenarbeit zwischen Friedrich Wilhelm Murnau-Stiftung, Transit Film, BMG Video und dem Filmmuseum Berlin. Der Dank geht hier vor allem an Friedemann Beyer, den Vorstand der Murnau-Stiftung.

Schließlich gilt mein Dank den Realisatoren der Ausstellung. Ich nenne zunächst: Werner Sudendorf, der in unserem Hause in den letzten Jahren ein Marlene Dietrich-Kompetenzzentrum geschaffen hat und deshalb auch sein eigenes Buch schreiben musste, das in diesen Tagen bei dtv erscheint. Entscheidenden Anteil an der Ausstellung haben außerdem Kristina Jaspers, Peter Mänz, Silke Ronneburg, Wolfgang Theis und Gerlinde Waz. Peter Riva bin ich sehr dankbar dafür, dass er nach Berlin gekommen ist.

Und ich danke Ihnen, liebe Gäste, für Ihr offensichtliches Interesse an den Präsentationen des Filmmuseums Berlin. Verehrte Frau Senatorin, nun haben Sie das Wort.

Berlin, Filmmuseum Berlin, 17. Oktober 2001

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Paris, Juni 2003, Eröffnung der Marlene Dietrich-Ausstellung

Sehr geehrter Herr Botschafter, sehr geehrter Herr Bürgermeister,  verehrte Frau Joint-Dieterle, lieber Peter Riva, meine Damen und Herren!

Seit zehn Jahren verwahrt und betreut das Filmmuseum Berlin den Nachlass von Marlene Dietrich. In dieser Zeit sind Exponate an weltweit rund 40 Ausstellungen verliehen worden; und wenn ich die Dauerausstellung des Filmmuseum Berlin hinzuzähle, dann ist diese Ausstellung in Paris die zehnte große Einzelausstellung über Marlene Dietrich. Dennoch ist dies eine Premiere: Es ist die erste, die sich auf die Mode, die Kleidung von Marlene Dietrich konzentriert. Ich freue mich besonders, dass Berlin, die alte und die neue Hauptstadt Deutschlands, im 40. Jahr des Elysee-Vertrages, diese Präsentation in Paris, der Hauptstadt und dem Zentrum der Modewelt, zeigen kann. Und ich überbringe Ihnen die Grüße des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, der gerne gekommen wäre.

Wie alle Einzelausstellungen zu Marlene Dietrich ist auch diese Präsentation eine Schau voller Überraschungen. Zu recht trägt sie den Titel „Erschaffung eines Mythos“, denn neben der Stimme, dem Gesicht, den Bildern ist die Kleidung eines jener Elemente, die der Star zur Schaffung des Mythos eingesetzt hat.

Marlene Dietrich hat zur Kleidung für ihre Anhänger und Fans eine Grundregel aufgestellt: Nie der letzten Mode folgen, man kann schnell lächerlich aussehen. Diese Angst musste sie nicht haben. Sie folgte nicht der Mode, sie machte sie. In den frühen dreißiger Jahren provozierte sie mit Männerkleidung, in den vierziger Jahren, der Kriegszeit, kreierte sie ihre eigene Phantasieuniform und in den fünfziger/sechziger Jahren schockierte sie in ihren Shows mit den sogenannten Nacktkleidern. Provokation, Phantasie und Schock – damit arbeitet auch heute noch die Modeindustrie und damit ist auch Marlene Vorbild für viele Stars der Gegenwart.

Die Überraschung, die ich immer wieder in Ausstellungen über Marlene Dietrich erlebe, liegt nicht nur in dem Reichtum der Sammlung, von der wir nur einen Ausschnitt zeigen können. Sie hat ihren Ursprung auch in der Modernität und Zeitlosigkeit, in der Freiheit und Unabhängigkeit des Geistes, die den Charakter dieser Objekte und den Star selbst auszeichnen. Und die Überraschung gilt auch dem Genius der Sammlerin Marlene, ohne die wir heute soviel ärmer wären.

Ich möchte zum Schluss Dank sagen an Frau Catherine Joint-Dieterle, die diese Ausstellung gegen viele Widerstände durchgesetzt hat; Dank sagen der Stadt Paris, die dieses Unternehmen finanziert hat; ich danke dem Goethe-Institut und der Deutschen Botschaft in Frankreich, die wesentlich zum Gelingen des Unternehmens beigetragen haben. Und ich danke Barbara Schroeter, die die Textil-Sammlung des Filmmuseums betreut und ohne die wir nicht wüssten, welche Schätze wir verwahren. Ich wünsche der Ausstellung einen großen Erfolg.

Paris, 10. Juni 2003