LIMELIGHT / RAMPENLICHT (1952)

Text für eine Publikation des Verlages Schirmer/Mosel

LIMELIGHT handelt, etwas pathetisch ausgedrückt, vom Werden und Vergehen. „Das Alter muss aus dem Rampenlicht weichen, wenn die Jugend auftritt“, heißt das Leitmotiv. Chaplin ist 63 Jahre alt, als er den Film dreht. Er spielt den trunksüchtigen Clown Calvero, der die junge depressive Tänzerin Terry (Claire Bloom) vor dem Selbstmord bewahrt und auf den Weg zur Primaballerina bringt, während er selbst ins Abseits gerät. Am Ende arrangiert Terry für Calvero einen letzten Galaauftritt. Er erleidet dabei einen Herzinfarkt und stirbt hinter den Kulissen, während das Publikum noch jubelt.

Der Film spielt in den 1910er Jahren in London in der Welt der Music Halls, die Chaplin aus eigener Anschauung kennt. Seine Eltern waren Music Hall-Artisten, er stand als Fünfjähriger zum ersten Mal auf der Bühne.

LIMELIGHT ist klassisches Autorenkino mit Chaplin als Autor, Regisseur, Produzent, Komponist, Choreograph und Hauptdarsteller. Gedreht wird nach dreijähriger Vorbereitung von November 1951 bis Januar 1952 in den RKO-Studios in Culver City. Hinter der Kamera steht mit Karl Struss ein erfahrener Director of Photographie, der bereits für Cecil B. DeMille, Orson Welles und auch für Chaplin (THE GREAT DICTATOR) gearbeitet hat. Natürlich wird in Schwarzweiß gedreht. Manche Szenen sind sehr dialoglastig, denn es gibt viel zu reden über Leben und Tod, Jugend und Alter, Liebe und Schmerz. Mit 132 Minuten Dauer ist LIMELIGHT der längste aller Chaplin-Filme. Er nimmt sich Zeit für seine Geschichte und für die Bühnen-Nummern.

Zwei Träume beherrschen den ersten Teil: Calvero absolviert eine Flohdressur auf der Bühne, aber keiner schaut ihm dabei zu. Ein Alptraum. Und er singt im Schlaf die Ode an den Regenwurm, die von Frühling und Liebe handelt. Sie ist später Bestandteil einer Therapie, mit der er seiner Mitbewohnerin Terry die Angst vorm Leben nimmt. Beide Träume sind Hommagen an Chaplin als Pantomimen der zwanziger Jahre.

Terry, die junge Tänzerin, wird von Claire Bloom gespielt, einer damals 21jährigen englischen Theaterdarstellerin. Chaplin hat sie nach langwierigen Probeaufnahmen ausgewählt und dabei einen guten Griff getan. Sie absolviert den langen Weg von der lebensmüde Verzweifelten zur erfolgreichen Spitzentänzerin mit erkennbar größerer Selbstsicherheit.

Bei seinem letzten Auftritt hat der Clown Calvero einen Partner. Das ist für einen Solisten wie Chaplin überraschend. Ausge­rechnet sein Konkurrent Buster Keaton, der Mann, der niemals lachte – und auch in LIMELIGHT nicht lacht – spielt hier den Widerpart, einen kurzsichtigen Pianisten, dem ständig die Noten verrutschen und der mit der Tücke der Objekte fertig werden muss. Erst nachdem alle Klaviersaiten kaputt gegangen sind und die Geige zertreten ist, können Keaton und Chaplin in artisti­scher Synchronität ein Vivace extemporieren, das mit Chaplins Sturz in den Orchestergraben endet. Keaton staunt. Der Saal tobt. Calvero stirbt. Und Terry tanzt. So enden Melodramen.

Zur Premiere von LIMELIGHT fährt Chaplin von New York nach London. Unvorhersehbar wird dies zu einer Abschiedsreise. Der geniale Komiker hatte immer gezögert, die amerikanische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Er ist inzwischen ins Blickfeld des McCarthy-Clans geraten und darf nicht wieder in das Land einreisen, in dem er vierzig Jahre gelebt und gearbeitet hat. Er wird als Kommunist diffamiert. Die Familie Chaplin findet in der Schweiz ein neues Domizil.

Auf dem LIMELIGHT -Set war der Fotograf W. Eugene Smith aktiv, der damals für das Magazin Life arbeitete. Sein Blick ist hinter die Kulissen gerichtet und auf die Bühne, auf die Physiognomie des alternden Clowns Charles Calvero Chaplin.

Magnum am Set. Schirmer/Mosel 2010.

Foto: W. Eugene Smith (Magnum)