Texte & Reden
01. Februar 1985

Steven Spielberg

Vorwort zu einem Buch

Ein Buch über Steven Spielberg, einen Regisseur, der sieben populäre, triviale Filme gemacht hat. Wie nähert man sich der Arbeit eines solchen Regisseurs? Muss man nicht, um der Gewissenslage in der Bundesrepublik Genüge zu tun, zunächst das ideologisch Zwiespältige dieser Filme untersuchen, ihren Amerikanismus und Eskapismus? Sicher. Aber dies tun wir nicht.

Steven Spielberg ist ein erfolgreicher Regisseur. Die Amerikaner sagen: der erfolgreichste Regisseur aller Zeiten. Sein Film e.t. the extra-terrestrial ist Number One auf der internationalen Box Office-Hit-Liste. Nummer 1 weltweit. Sein Film jaws / der weisse hai ist Nummer vier, raiders of the lost ark / jäger des verlo-renen schatzes Nummer sechs, close encounters of the third kind / unheimliche begegnung der dritten art Nummer zwölf und indiana jones and the temple of doom / indiana jones und der tempel des todes folgt bald danach. Kein anderer Regisseur hat so viele Filme auf den vorderen Rängen. Steven Spielberg ist 37 Jahre alt. Ein Wunderkind?

Natürlich ist Steven Spielberg kein naiver Junge, der mit seinem Spieltrieb zufällig Millionen verdient. In seinen Filmen, deren Produktion in das industrielle Warensystem der USA eingebettet ist, werden Hoffnun-gen und Ängste vieler Menschen formuliert. Interessant ist, dass dies mit einem hoch entwickelten Bewusstsein von der Tradition der Kinematographie geschieht. Spielbergs Filme sind Effektfilme. In ihnen vermählt sich Phantasie mit Computertechnik. Der Drehort ist ein grenzenloser Spielplatz. Der Vorwurf, hier werde ein sinnentleertes, vernunftloses Gefühlskino propagiert, ist einigermaßen hinfällig, wenn wir uns selbst und die Filme ernst nehmen. Wenn wir sie nicht schon während des Sehens auf einen Begriff bringen, sondern ihr Angebot, uns auf eine Abenteuerreise einzulassen, annehmen. Dann übertragen sich auch Lust und Spaß des Filmemachers auf den Zuschauer.

Wenn ein Buch Spielberg ernst nimmt, dann muss es ihn als Film-regisseur respektieren. So analysieren wir ihn nicht von oben herab, sondern akzeptieren ihn – weil wir seine Filme mögen – als professio-nellen, erfolgreichen Realisator weltweiter Träume und Ängste. Wir interessieren uns dafür, wie seine Filme entstanden sind: seine Karrierefilme (the sugarland express und jaws), seine Auftragsproduktionen (1941, raiders of the lost ark, indiana jones and the temple of doom), seine persönlichen Werke (e.t., close encounters of the third kind), Wir befragen, aus der Entfernung: Wir haben Sie das gemacht, Mr. Spielberg? Das amerikanische Produktionssystem sorgt dafür, dass schöpferische Gedanken und technische Tricks kein individuelles Geheimnis bleiben. Interviews sind inflationär. Zu den interessanten Einblicken „behind the scenes“ gehören die Artikel der Zeitschrift „American Cinemato-grapher“, herausgegeben von der Gewerkschaft der Chefkameraleute, „American Society of Cinematographers“. Spielberg-Filme werden dort seit langem ausführlich dokumentiert, und so stehen – dank eines Entgegenkommens der Redaktion – ausgewählte Texte aus der Zeitschrift im Mittelpunkt unserer Publikation. Darin kommen, neben Spielberg, die technischen Künstler zu Wort, die an der Gestaltung der Filme großen Anteil haben, zum Beispiel der Miniaturspezialist Gregory Jein (1941), die Special Effects-Spezialisten Douglas Trumbull (close encounters), Richard Edlund (raiders) und Dennis Muren (indiana jones) und der Kameramann Vilmos Zsigmond (close encounters).

Wir haben die Texte, die in der Regel das Resultat von Tonband-protokollen sind, leicht gekürzt und – im Hinblick auf die Verständ-lichkeit auch für Laien – etwas bearbeitet. Wir hoffen, dass damit ein spannender Blick vor allem hinter die Kulissen der Special Effekts-Arbeit ermöglicht wird. Aus den verfügbaren Quellen haben wir eine Spielberg-Biografie zusammengestellt, die nach bestem Wissen und Gewissen Legenden und Realität miteinander verbindet. Norbert Grob und Fritz Göttler reflektieren in ihren Texten über Genres, die Spielberg in seinen Filmen variiert hat.

Diese Veröffentlichung über Spielberg korrespondiert mit einer Retrospektive und einer Ausstellung zum Thema Special Effects im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin 1985. Ihre Vorbereitung ist auch diesem Buch zugute gekommen. Wir wünschen uns, dass es über diesen Anlaß hinaus Aufmerksamkeit und Verbreitung findet.

Antje Goldau, Hans Helmut Prinzler: Vorwort. Spielberg. Berlin: Volker Spiess 1985.