Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Dezember 2015

Tom Shone
Woody Allen.
Seine Filme, sein Leben
Knesebeck Verlag, München 2015
288 S., 45,00 €
ISBN 978-3-86873-816-2

Tom Shone:
Woody Allen.
Seine Filme, sein Leben

Am 1. Dezember wurde sein 80. Geburtstag gefeiert. In den Kinos ist zurzeit sein jüngster Film zu sehen: IRRATIONAL MAN mit Joaquin Phoenix und Emma Stone. Noch immer dreht er in jedem Jahr einen neuen Film. Es sind inzwischen 46. Er schreibt immer die Drehbücher allein und spielte früher auch gern die männliche Hauptrolle; das ist seltener geworden. Er hat vor allem Komödien gedreht, aber auch Psychodramen, Science-fiction-Filme, Musicals und Historienfilme. Man kann bei Woody Allen inzwischen von einem Lebenswerk sprechen. Da macht es Sinn, es in einem repräsentativen Buch zu würdigen, dessen Texte informativ und lesenswert sind, dessen Fotos gut ausgewählt und hervorragend reproduziert erscheinen. Ich kann es auch persönlich sehr empfehlen.

Eigentlich heißt er Allen Stewart Konigsberg, wurde in Brooklyn geboren, sein Vater war Diamantschleifer, seine Mutter Buchhalterin. Mit 16 legt er sich den Künstlernamen Woody Allen zu. Parallel zum Besuch der High School arbeitet er bereits als Autor für eine Werbeagentur, dann für die Fernsehgesellschaft NBC, geht für kurze Zeit nach Hollywood, bildet sich zum Schauspieler aus, tritt in Nightclubs auf, schreibt für Clive Donner das Drehbuch zu dem Film WHAT’S NEW, PUSSICAT?, ist als Autor für den New Yorker, den Playboy und The New Republic tätig, spielt am Broadway Theater und realisiert 1969 seinen ersten eigenen Film: TAKE THE MONEY AND RUN. Seine Produzenten sind in der Folgezeit meist Charles H. Joffe und Jack Grossberg. Woody Allen findet schnell internationale Beachtung, seine Produktivität wird bewundert. Er wurde 24mal für den Oscar nominiert, viermal ausgezeichnet, war aber bei der Verleihung nur einmal anwesend: im Jahr nach 9/11.

Woody Allen zu seinen Filmen: „In meinen Arbeiten versuche ich zu zeigen, was für eine extrem hässliche und schreckliche Erfahrung die Realität doch ist, und jegliche Alternative oder Auszeit davon ist willkommen. Ich würde eine Existenz in einer Welt der Fantasie, vor allem meiner eigenen, jederzeit vorziehen. Doch alles, was wir tun können, ist, uns kurzeitige Verschnaufpausen zu verschaffen – sei es durch die Lektüre eines Buches oder in der lebendigen, kunstvollen Hollywood-Fantasiewelt, die ich während meiner Kindheit kennen lernen durfte. Es stimmt, dass ich produktiv bin, aber keiner meiner Filme hat die Tiefe der besten Werke Charlie Chaplins oder Buster Keatons. Die schöne Illusion, die ich mit meinen begrenzten Möglichkeiten erschaffen habe, ist wohl die, clevere Geschäftsleute dazu zu überreden, mich zu finanzieren, und das Publikum, immer wieder in ausreichender Zahl vorbeizukommen und mich nicht wie bestellt und nicht abgeholt aussehen zu lassen.“ (S.10).

Der Autor Tom Shone ist Filmkritiker in New York, seine Texte erscheinen in der New York Times, im New Yorker und im Guardian. Er hat 2004 ein Buch über „Blockbuster“ publiziert: „How Hollywood Learned to Stop Worrying and Love the Summer“. In Deutschland erschien zuletzt sein Buch über Martin Scorsese (Knesebeck Verlag 2014). Das Woody Allen-Buch wurde von Kirsten Borchardt übersetzt.

Tom Shone ist vor allem an den Filmen von Woody Allen interessiert, das Privatleben wird weitgehend außer Acht gelassen. Jedem der 46 Filme ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Darin wird der Plot erzählt, es gibt Informationen über die Produktionsbedingungen, Kommentare von Allen selbst, Hinweise auf die Reaktionen des Publikums und der Kritik. Beispielhaft ist für mich der Text zu MANHATTAN (1979), der die enge Zusammenarbeit mit dem Kameramann Gordon Willis schildert, die Inspirationen durch Chaplins CITY LIGHTS ins Spiel bringt, auf die Musik von George Gershwin zu sprechen kommt und – nach einer Darstellung der Reaktionen auf den Film – mit einer bemerkenswerten Analyse der formalen Qualitäten des Films endet. Ich bin beeindruckt.