Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
August 2010

Francesco Bono
Willi Forst
Ein filmkritisches Porträt
edition text + kritik, München 2010
342 Seiten, 29 €
ISBN 978-3-86916-054-2

Francesco Bono:
Willi Forst.
Ein filmkritisches Porträt

Vor 30 Jahren, im August 1980, ist der Schauspieler und Regisseur Willi Forst gestorben. Sein Nachruhm ist fokussiert auf wenige Filme: MASKERADE, BEL AMI, OPERETTE, WIENER BLUT. Das waren die österreichischen Musikfilme der dreißiger und vierziger Jahre, mit denen Forst zu einem Publikumsliebling wurde. Seit den Fünfzigern begleitete ihn schattenhaft die Kritikerhäme über den westdeutschen Skandalfilm DIE SÜNDERIN, den er mit Hildegard Knef in der Hauptrolle inszeniert hat. 1957 drehte Forst seinen letzten Film, WIEN, DU STADT MEINER TRÄUME. Damit endete die Karriere eines großen österreichischen Regisseurs und Schauspielers, der ein komplexes, eng mit seiner Zeit verbundenes Werk hinterlassen hat.2003, zu seinem 100. Geburtstag, widmete ihm das Filmarchiv Austria eine schöne Festschrift. Der Herausgeber Armin Loacker hatte bei der Auswahl der Autorinnen und Autoren eine glückliche Hand: In 16 Texten kommen viele Facetten des Multitalents Willi Forst zum Vorschein, die so noch nicht gesehen oder formuliert worden sind. Einer der Autoren, der italienische Filmhistoriker Francesco Bono, hat seinen damaligen 50-Seiten-Text jetzt zu einem eigenständigen Buch erweitert. Das hat sich durchaus gelohnt.

Auf den ersten Blick wirkt das „filmkritische Porträt“ faktenüberladen. Eine umfängliche Bibliografie (die erste zu Willi Forst) nimmt allein 57 Seiten in Anspruch und listet alles auf, was der Autor bei seinen Recherchen in Büchern, Zeitschriften und Zeitungen über Forsts Filmarbeit gefunden hat. Substantielle Wertungen hätten hier gut getan, die Fleißarbeit wirkt überbordend. 60 weitere Seiten sind der Filmografie gewidmet. Sie zitiert Inhaltsbeschreibungen aus zeitgenössischen Zeitschriften und fügt den Darstellern die Rollennamen hinzu. Ansonsten basiert sie auf der Loacker-Publikation, deren Daten allerdings noch einmal überprüft wurden.

Beim Lesen seines umfänglichen Textes – also auf den zweiten Blick – kommen die Qualitäten des Autors Bono über das Faktografische hinaus zur Geltung. Er lässt sich auf die 19 Regiefilme von Willi Forst mit großer Intensität ein und erkennt viele stilistische Eigenheiten. Vor allem auch: dass für Forst die Frage des Stils viel entscheidender war als die Komponente des Inhalts. In der Regel blicken seine Filme zurück in die Geschichte, sie sind retrospektiv, sie bedienen sich ironischer Momente, verbleiben aber in einem eher konservativen Wertesystem. Sie erzählen ihre Geschichten oft kreisförmig, sie enden gern dort, wo sie begonnen haben. Für den musikalischen Rhythmus ist häufig der Dreivierteltakt symptomatisch, der sich natürlich eng mit Österreich verbindet.

Forst mochte den Realismus nicht. Aber auch wenn er sich als „Märchenerzähler“ sieht und mit den Illusionen des Kinos spielt, zielt er immer auf Ambivalenzen. Ein billiges Happyend ist bei ihm nicht zu haben, weil Zukunft mit Unsicherheit und Gefahr verbunden ist. Das Finale wird bei Forst oft von dunklen Schatten dominiert.

Bono hat sich mit den Filmen so vertraut gemacht, dass er sie – auch wenn er sich immer wieder mit Zitaten absichert – souverän analysieren kann. Beeindruckend ist sein Blick auf Forsts letzten Film, WIEN, DU STADT MEINER TRÄUME, dem offenbar sein sentimentaler Titel zum Verhängnis wurde. Man sollte sich den „bitteren Epitaph“, inspiriert von Bonos Kommentar, wieder einmal anschauen, damit nicht nur die oben zitierten vier Forst-Klassiker im Fokus bleiben.