Filmbuch des Monats
Dezember 2007
Bert Rebhandl (Hg.)
Western
Genre und Geschichte
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2007
366 S., 24,90 €
ISBN 978-3-55205-380-9
Bert Rebhandl (Hg.):
Western.
Genre und Geschichte
Die Zeit des klassischen amerikanischen Western dauerte von den späten Dreißigern bis in die frühen Sechziger des zwanzigsten Jahrhunderts. Was danach kam war Abgesang, Nachspiel oder Referenz.
Aus dem Kino der Gegenwart ist der Western fast ganz verschwunden. Für seine Liebhaber gibt es allerdings inzwischen eine sprudelnde Erinnerungsquelle: DVDs in bestechender Qualität, die den Blick auf das Werk von John Ford, Anthony Mann oder Budd Boetticher weiterhin möglich machen. Das Buch von Bert Rebhandl, eine Anthologie kluger, reflexiver Texte aus den letzten fünfzig Jahren, kann man dazu wie intellektuelles Bonusmaterial benutzen, als Gedankenhilfe beim Umgang mit diesem einst populären Filmgenre.
Rebhandl, 1964 in Österreich geboren, arbeitet als Filmjournalist in Berlin. Sein Vorwort wirkt kühl und scharfsinnig, weil es ohne die Sentimentalität der Zeitgenossenschaft geschrieben ist. Es benennt die wichtigsten Motive und Protagonisten des Westerns und stellt sie in einen politischen und filmhistorischen Zusammenhang. Es formuliert auch – etwas zugespitzt – Gründe für den Erfolg und das Verschwinden des Westerns: „Erfahrungen, die im 20. Jahrhundert für die breite Masse nicht mehr zu haben waren (ein leeres Land vor sich haben, einem fremden Volk gegenüberstehen, eine Gemeinschaft gründen, ein Urteil vollstrecken), werden noch einmal in der Imagination zugänglich, bevor der Wunsch danach verschwindet, wie auch die Frage nach der Herkunft einer Gesellschaft an Bedeutung verliert. Für diese Zeit ist der Western ein ‚kollektives Übergangsobjekt’. Er stirbt, wie Mythen sterben, wenn ein Gemeinwesen so zerfällt, wie die weiße amerikanische Öffentlichkeit nach dem Ende des klassischen Hollywoodkinos.“
Dreizehn Texte zum Western versammelt der Band, drei davon stammen aus den fünfziger Jahren und sind inzwischen selbst zu Klassikern geworden; ihre Autoren heißen Jean-Louis Rieupeyrout, André Bazin und Robert Warshow. Man kann sie immer wieder neu lesen. Aus den sechziger Jahren kennen wir die philosophierenden Texte von Raymond Bellour und André Glucksmann. Der Historiker Richard Slotkin verbindet vorbildlich Film und Politik in seiner Darstellung „Der Western ist amerikanische Geschichte (1939-1941)“, erstmals erschienen 1992. Slotkin analysiert die Renaissance des Genres in Hollywood kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Es ist der längste Text im Buch. Der Strukturalist Brian Henderson dechiffriert in seinem Essay aus den frühen achtziger Jahren den inzwischen mythischen John-Ford-Film THE SEARCHERS. Die Annäherung an Anthony Mann von Jacques Rancière erschien erstmals 1992 und hat als Würdigung noch immer Bestand. Zwei Texte zu exponierten Vertretern des späten Western stammen aus jüngster Zeit: Der Neuseeländer Sean Cubitt erschließt das Werk von Sam Peckinpah, der Engländer Jim Kitses widmet sich unter dem Titel „Der Seiltänzer“ mit vielen Detailbeobachtungen den Filmen von Clint Eastwood. Es mag genrebedingt sein, dass nur eine Autorin – Pam Cook mit einem kurzen Beitrag über „Frauen und der Western“ – im Buch vertreten ist. Da vermisst man dann doch den paradigmatischen Text von Frieda Grafe über John Ford, publiziert 1972 in der Süddeutschen Zeitung.
Rebhandl macht mit seiner Auswahl den Qualitätsstandard der internationalen Debatte über den Western deutlich. Und selbst wenn er inzwischen eher ein Objekt für Spezialisten sein mag: seine Geschichte und die Geschichte des amerikanischen Genrefilms insgesamt ist auch eine Geschichte von Verlusten. Das wird – als simpelste Konklusion – bei der Lektüre dieses Buches deutlich.