Filmbuch des Monats
April 2011
Werner Schroeter (mit Claudia Lenssen)
Tage im Dämmer, Nächte im Rausch
Autobiografie
Aufbau Verlag, Berlin 2011
408 Seiten, 22,95 Euro
ISBN 978-3-351-02732-2
Werner Schroeter (mit Claudia Lenssen):
Tage im Dämmer, Nächte im Rausch.
Autobiografie
Im April 2010 starb der deutsche Film-, Theater- und Opernregisseur Werner Schroeter im Alter von 65 Jahren. Seine Affinität zu Bildern, Texten und Musik war ziemlich einzigartig unter den Filmemachern des Neuen Deutschen Kinos der 1970er und 80er Jahre.
Meine beiden Lieblingsfilme von Werner Schroeter sind EIKA KATAPPA und MALINA. Wir hatten persönlich eine Nähe und eine Entfernung. Es ging immer wieder um die Archivierung seines Werkes: die Ausgangsmaterialien seiner Filme waren weit verstreut, seine persönlichen und schriftlichen Dokumente lagen weitgehend in der Kinemathek. So musste die Verantwortung verteilt werden. Das machte die Verhandlungen schwierig. Ich habe mich natürlich sehr gefreut, als er Mitglied der Akademie der Künste wurde. Er hat diese Mitgliedschaft geschätzt. Viele Jahre kämpfte er mit seiner Krebserkrankung, bis sie ihn besiegte. Posthum erschien ein Jahr nach seinem Tod seine Autobiografie: ein ungewöhnlicher Text, bei dem sich die Autorin Claudia Lenssen als wichtige Geburtshelferin erwies. Elfi Mikesch hat über ihren Freund und Künstlerkollegen den wunderbaren Film MONDO LUX (2011) gedreht. Für seine Website ist die Filmgalerie 451 verantwortlich www.werner-schroeter.com
Wolfram Schütte über die Autobiografie im Deutschlandfunk:
„Es dürfte eine schwierige Geburt gewesen sein, weil seine Autorin, die Filmjournalistin Claudia Lenssen, 2009 nur ein halbes Jahr lang immer mal wieder in Berliner Cafés & Restaurants rund 50 Stunden Gespräche und Berichte von Schroeter mit viel Geduld & noch größerer Duldsamkeit sammeln konnte. Den großen Rest musste sie recherchierend ergänzen. Dafür ist das Fragment von Werner Schroeters ‚Lebensroman, wie er ihn in seinen letzten Monaten vor dem inneren Auge vorüberziehen ließ‘ (Lenssen), doch von großer & auch bewegender Aussagekraft. Schroeter selbst betrachtete jede künstlerische Arbeit als ‚den Versuch, die unerträgliche Wirklichkeit aus den Angeln zu heben‘. So spricht ein Romantiker, der gleichwohl die Geisteshelle Lessings über alles liebte, so spricht aber auch ein Surrealist, der Lautréamonts ‚Gesänge des Maldoror‘ früh entdeckt hatte. In dessen Abgründigkeit und Menschenhassliebe sah er sein ‚tragisches Weltempfinden‘ vorweggenommen; und Lautréamonts Unbehaustheit scheint Schroeter zu seinem unsteten Wanderleben inspiriert zu haben. Das Theater wurde ihm, nach den frühen Krebstoden von Vater, Mutter & Bruder, zur Heimat und Familie: ‚Eine andere Heimat habe ich ja nicht, außer da, wo ich bin, und in mir selbst, in Gedanken und Freundschaften‘, resümiert er an einer Stelle. Das Erstaunlichste an seiner Autobiografie ist nicht nur die Souveränität und Großzügigkeit seines Charakters – kein Wort des Neides auf Kollegen oder der Missgunst gibt es von ihm; bewegender aber ist noch die Heiterkeit eines Stoikers, der in seinem nicht allein in seinen letzten Jahren schmerzhaften Leben eine in sich geschlossene organische Entwicklung entdeckt, die ihn zutiefst befriedigt. (…) ‚Ich bin ein hoffnungsvoller Mensch‘: das sind die letzten Worte seiner Autobiografie, die wir nicht nur ihm, sondern auch Claudia Lenssen verdanken.“ (Deutschlandfunk, 24. Juni 2011)