Filmbuch-Rezensionen
Filmbuch des Monats
Februar 2020

Armin Loacker
Unerwünschtes Kino
Deutschsprachige Emigrantenfilme 1934-1937
Wien, Filmarchiv Austria 2019
384 S., 29,90 €
ISBN 978-3-902781-69-7

Armin Loacker:
Unerwünschtes Kino.
Deutschsprachige Emigrantenfilme 1934-1937

In den Jahren 1934 bis 37 waren Österreich, Ungarn und die Tsche-choslowakei Ziel zahlreicher jüdischer Filmschaffender, die aus Nazi-Deutschland emigrieren mussten. Sie fanden Arbeitsmöglichkeiten bei deutschsprachigen Produktionen in den Nachbarländern. Das Buch von Armin Loacker, publiziert vom Filmarchiv Austria, informiert über die Herstellung und Rezeption von rund 25 Filmen eines „Unerwünschten Kinos“.

Die nationalsozialistische Filmpolitik und der Ausschluss jüdischer Filmschaffender aus der deutschen Produktion sind relativ gut erforscht, u.a. durch das Buch „Der Filmminister. Goebbels und der Film im Dritten Reich“ von Felix Moeller (1998). In einem ersten Kapitel erinnert Armin Loacker an verschiedene Phasen Mitte der 30er Jahre, an NS-Maßnahmen gegen den österreichischen Emigrantenfilm, das Filmverkehrsabkommen vom Frühjahr 1934, die NS-Propaganda gegen „Filmjuden“ in Österreich und Maßnahmen gegen den deutschsprachigen Film in Ungarn.

Auch in Österreich hatte 1933 unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß eine Abkehr von der Demokratie stattgefunden, es gab Tendenzen eines staatlich praktizierten Antisemitismus, der im März 1938, mit dem „Anschluss Österreichs“ an das Deutsche Reich zur Norm wurde. Insofern galten zwischen 1934 und 1937 Filme mit Beteiligung jüdischer Künstlerinnen und Künstler als „unerwünschtes Kino“, und der Staat versuchte mit zunehmendem Erfolg, die wenigen unabhängig arbeitenden Produzenten zu verdrängen.

Der erste entsprechend hergestellte Film war SALTO IN DIE SELIG-KEIT von und mit Fritz Schulz, der im November 1934 uraufgeführt wurde und in Deutschland nicht gezeigt werden durfte. Es folgten MASKERADE von Willi Forst nach einem Drehbuch von Walter Reisch mit Paula Wessely und Adolf Wohlbrück, LETZTE LIEBE von Fritz Schulz mit Albert und Elsa Bassermann, PETER von Hermann Koster-litz mit Franziska Gaal, Hans Jaray und Felix Bressart, HEUT’ IST DER SCHÖNSTE TAG IN MEINEM LEBEN von Richard Oswald mit Josef Schmidt und Liesl Kienast.

Auch in Ungarn begann die Produktion deutschsprachiger Filme 1934, beginnend mit ENDE SCHLECHT, ALLES GUT von Fritz Schulz mit Szöke Szakall und Rosy Barsony, gefolgt von BALL IM SAVOY von Stefan Székely mit Gitta Alpar, Hans Jaray und Felix Bressart. Einige Filme wurden in österreichisch-ungarischer Koproduktion realisiert.

Es waren viele Unterhaltungsfilme, die mit emigrierten Beteiligten entstanden, aber auch Melodramen und Historienfilme. Viele hatten große künstlerische Qualitäten, die auch heute noch erkennbar sind. Im Anhang des Buches sind alle Filme in alphabetischer Reihenfolge mit Stab und Besetzung, Inhaltsangaben und Anmerkungen dokumentiert.

In Loackers Text fungieren die Produktionsgesellschaften als Leitlinie. Die 16 entsprechenden Kapitel tragen Überschriften wie „Die Thalia-City-Connection“, „Das Triumvirat Morawsky – Löwenthal – Schulz“, „Der Kampf um Walter Reisch oder die Pilzer-Wessely-Connection“, „Die Lux-Filmproduktion oder Die Synchronisation als Experiment“, „Ein letzter Kraftakt für den unabhängigen Film“ – das ist DER PFARRER VON KIRCHFELD von Jakob und Luise Fleck mit Hans Jaray, Hansi Stork und Frida Richard, uraufgeführt am 19. November 1937 in Wien.

Ein eigenes Kapitel ist dem Emigrantenfilm in der Tschechoslowakei 1933-1936 gewidmet, ein Exkurs führt uns in das deutschsprachige Filmexil in der Schweiz, das auf Grund der damals schwachen Produktionskapazität wenig Arbeitsmöglichkeiten bot. Immerhin gab es schon die Firma „Praesens Film“, die 1924 gegründet wurde und noch heute existiert.

Der Anhang des Buches enthält Kurzbiografien zu über 400  Emigran-tinnen und Emigranten, die im Zusammenhang mit dem „Uner-wünschten Kino“ eine Bedeutung haben, mit 170 Abbildungen.

Vor zwanzig Jahren hat das Filmarchiv Austria erste Arbeitsergebnisse zum Thema „Unerwünschtes Kino“ publiziert. Einige Filme waren damals noch nicht zugänglich, wurden inzwischen entdeckt und konnten restauriert werden. Ein wichtiges Kapitel der österreichischen Filmgeschichte wurde damit grundlegend erforscht. Der Text ist das Resultat einer intensiven Recherche, die Lektüre ist spannend, weil die Geschichte mit konkreten Personen und Ereignissen verbunden wird. Der Bilderreichtum des Buches ist phänomenal: Szenen- und Arbeits-fotos, Plakate, Porträtfotos, Programmhefte. Die Druckqualität ist beeindruckend. Die Filmbeschreibungen gewinnen damit an Anschaulichkeit.

Mit einem Vorwort von Ernst Kieninger, Direktor des Filmarchivs Austria.

Coverfoto: Franziska Gaal in KATHARINA, DIE LETZTE (1936).

Informationen zum Buch auf der Website des Filmarchivs Austria: unerwuenschtes-kino/